Das
politische System hat eine Drachenhaut - kaum zu durchstoßen.
Das ist nicht weiter verwunderlich: Wie
seine wesentlichen Elemente – Politiker, Administratoren, Journalisten – strebt
es danach, Komplexität zu reduzieren und störende Impulse so lange auszublenden
oder gar aktiv zu dämpfen, bis die Kosten dafür zu hoch werden – oder bis sich
die Rahmenbedingungen dramatisch verändern, sich i.d.R. verschlechtern. Das ist
eine ganz normale und grundsätzlich auch hilfreiche Überlebensstrategie. Auch
eine Demokratie kann im Grunde gar nicht anders existieren – sie räumt, um den
inneren Frieden zu sichern, zwar grundsätzlich allen die gleichen formalen
Chancen (nicht: Rechte) ein, kanalisiert aber die Entscheidungsprozeduren bzw.
die Ausübung der Macht so, dass nur relativ wenige unmittelbar beteiligt sind, dass
diese wenigen nach typisierenden Merkmalen ausgewählt und sozialisiert werden, dass
sie prinzipiell zeitlich unbeschränkt
funktionieren können und auch dem Einfluss lang währender informeller
Autoritäten (z.B. aus Wirtschaft, Kultur & Kirche) dauerhaft ausgesetzt bleiben. Das politische System erträgt auch viel
Ritualisierung, Langeweile und Gleichförmigkeit, hält damit bewusst oder zumindest instinktsicher viele
Bürger von Vorstößen in das Zentrum der Macht ab - mit abschreckenden Bildern wie dem von der „Ochsentour“ oder dem
aufzehrenden Leben der Parlamentarier. Auch
mit Freiheit, insbesondere mit Meinungsfreiheit kann ein solches System völlig
gefahrlos leben und sogar aktiv damit werben und prahlen. Denn der Preis der Freiheit ist Marginalität. Das
große Rauschen der öffentlichen ebenso wie der veröffentlichten Meinung
verschlingt zuverlässig die allermeisten systemändernden Ideen, lange bevor sie virulent werden können.
Deutschland
hat wohl noch einmal stärkere Beharrungskräfte, die einer vitalen demokratischen Kultur reale Schranken setzen. Der geniale Psychotherapeut und Bestsellerautor Paul Watzlawick hat die fördernden Mechanismen dahinter in seiner (schon wegen der "Geschichte mit dem Hammer") unbedingt empfehlenswerten "Anleitung zum Unglücklichsein" einmal einfühlsam beschrieben, und zwar im Abschnitt "Der verlorene Schlüssel oder »mehr desselben«":
Einerseits ist klar, dass sich kein Lebewesen der Umwelt gegenüber planlos - das heißt, heute so und morgen ganz anders - verhalten kann. Die lebenswichtige Notwendigkeit der Anpassung
führt unweigerlich zur Ausbildung bestimmter
Verhaltensmuster, deren Zweck idealerweise ein möglichst erfolgreiches und leidensfreies
Überleben wäre. Aus Gründen, die den Verhaltensforschern noch recht schleierhaft
sind, neigen aber andererseits Tiere wie Menschen dazu, diese jeweils bestmöglichen
Anpassungen als die auf ewig einzig möglichen zu betrachten. Das führt zu einer
zweifachen Blindheit: Erstens dafür, dass im Laufe der Zeit die betreffende Anpassung
eben nicht mehr die bestmögliche ist, und zweitens dafür, dass es neben ihr schon
immer eine ganze Reihe anderer Lösungen gegeben hat oder zumindest nun gibt. Diese doppelte Blindheit hat zwei
Folgen: Erstens macht sie die Patentlösung immer erfolgloser und die Lage immer
schwieriger, und zweitens führt der damit steigende Leidensdruck zur scheinbar einzig
logischen Schlussfolgerung, nämlich der Überzeugung, noch nicht genug zur Lösung
getan zu haben. Man wendet also mehr derselben »Lösung« an und erreicht damit genau
mehr desselben Elends.
Mehr desselben: Das ist auch das Problem mit dem Medien. Habe ich mit meiner am Ende erfolgreichen Tippeltour und der im Wahlkreis 100 einzigen Partei- und Lobby-freien Kandidatur ein innovatives Produkt, das einen besonderen Nachrichtenwert besitzt? Praktisch ausnahmslos Fehlanzeige! Die löbliche, aber die Regel bestätigende Ausnahme gleich zu Anfang: Der Bergische Volksbote, lokale Ausgabe der WZ, hatte am Dienstag angerufen, mein Befinden abgetastet und dann gleich am Mittwoch einen Artikel eingerückt. Danke! Aber ansonsten: Gähnende Leere. Den Kölner Stadt-Anzeiger habe ich seit 30 Jahren abonniert und mit ihm hatte sogar im Alter von 16 Jahren meine politische Sozialisation begonnen. Nämlicher ehrwürdiger Anzeiger hat in einer vorschnellen Absonderung am letzten Wochenende = vor Ablauf der Frist für Kreiswahlvorschläge schon mal getitelt: "Sie haben die Wahl - wir die Kandidaten". Tatsächlich aber hatte der Stadt-Anzeiger sie nicht alle, wie sich auch aus der Unterzeile bei genauerem Nachlesen ergab. Es waren wohl nur die nach Auffassung der Redaktion wichtigsten Bewerber: "Der Wahlkampf hat schon begonnen. Deswegen präsentieren wir die Wahlkreise und einige der Kandidaten aus dem Verbreitungsgebiet des KStA vor der offiziellen Bestätigung aller Bewerber und Parteien am 15. Juli. Nicht immer sind es nur die Favoriten, über die wir Sie ins Bild setzen." Zu Rhein-Berg wurde eilfertig mehr desselben verkündigt: "Keiner macht sich Hoffnung, Bosbach das Direktmandat abzujagen." Von einer unabhängigen Kandidatur: keine Spur. Am darauf folgenden Mittwoch berichtet dann der KStA-Lokalteil Rhein-Wupper unter dem Titel "Die Wahl hat schon begonnen. Das Internet kennt keinen Feierabend" speziell über die Kandidaten des Rheinisch-Bergischen Kreises, zeigt sechs in verschiedener Intensität freudig verformte Gesichter (Zalfen/SPD, Außendorf/B'90-Grüne, Bischoff/LINKE, Haase/AfD, Bosbach/CDU und Ludemann/FDP), berichtet auch, dass die Piraten wegen innerparteilicher Unentschlossenheit keinen Kandidaten präsentieren könnten. Nicht aber verlautbart er, dass ich definitiv einen Kandidaten stelle, nämlich mich. Anm.: Am Mittwoch war das Ergebnis zum Einreichen der Kreiswahlvorschläge lange öffentlich bekannt und ganz abgesehen davon wusste der Stadt-Anzeiger auch vorher positiv um meine Bemühungen.
Weitere Fehlanzeigen: Auch den WDR hatte ich freudig auf das Ergebnis meiner Tippeltour aufmerksam gemacht. Aber das System antwortet nicht, zumindest nicht bis heute. Allerdings hatte ich auch in der Vergangenheit mit meinem Liebeswerben bei der großen alten Tante WDR nicht sonderlich viel Glück. Die Größenunterschiede sind für eine reizvolle, innige und fruchtbare Partnerschaft ganz offenbar viel zu ausgeprägt. Oder: Ich liege deutlich unter der Wahrnehmungsschwelle eines öffentlich-rechtlichen Senders. Bin wahrscheinlich auch zu bürgerlich-höflich. Und gleichzeitig zu wenig mehr desselben, also Komplexitäts-verdächtig & irritierend und schon darum besser auszublenden.
Dann gibt's in Bergisch Gladbach noch einen elektronischen Marktplatz bzw. das iGL Bürgerportal Bergisch Gladbach. Das Portal präsentiert tatsächlich alle acht Kandidaten für den 22.9., allerdings in einer demokratischen Drei-Klassen-Gesellschaft: (1) Zunächst kommen wie im Stadt-Anzeiger die sechs "ordentlichen" Kandidaten, Innovations-verdächtig hier mal umgekehrt gereiht von Zalfen bis Außendorf, wie im Stadt-Anzeiger auch mit Werbe-Bildern und zusätzlich mit links zu den elektronischen Angeboten einschließlich facebook und twitter. (2) Dann kommt erstmal eine Partei, die sich nicht traut = die Piraten (der Erläuterung nach, weil es den Piraten um "echte Partizipation statt Kreuzchenbettelei" ginge). (3) Und danach folgt schließlich eine weitere Rubrik "Außerdem treten an", und darin komme ich als "Karl Ulrich Voss (Einzelbewerber Burscheid)", dicht gefolgt von "Michael Zündorf (NPD)".
In einer Mail an das Bürgerforum habe ich höflich um faire demokratische Teilhabe nachgesucht, gleich auch ein passendes Bild mitgeschickt. Das Bild gibt's nun nicht, auch nicht die gleichberechtigte Einreihung unter meine Mitbewerber. Aber man hat meinem Namen auf die Mail hin noch meinen (diesen) Wahlblog zugesellt, das war wohl gerade noch zu verschmerzen. Wenn ich wegen der eklatanten Pariah-Stellung nochmals nachfragen würde, dann bekäme ich sicher eine Antwort wie vom WDR i.J. 2009: "Was wollen Sie denn eigentlich? Sie haben doch sowieso keine Chance!"
Ach, da gibt's noch ein weiteres innovatives Instrument im Bürgerportal, zur virtuellen Abstimmung vor der Wahl. Und das Ergebnis dieses Wahl-Delphi ist schon höchst bemerkenswert: Bei den Erststimmen Nach dem gegenwärtigen Stand der Umfrage des Bürgerforum deplaziert der Newcomer und Gladbacher Unternehmensberater Haase vom €-skeptischen Newcomer-Club "Alternative für Deutschland" den bisherigen Platzhirschen Bosbach von der CDU klar mit 27% zu 22%. Auf den weiteren Plätzen folgen Zalfen von der SPD (22%), der GRÜNE Außendorf (15%), der LINKE Bischoff (9%) und der Liberale Ludemann (6%). Auch bei den Zweitstimmen sieht diese Umfrage AfD mit 33% weit vorne, die CDU landet hinter SPD und GRÜNEN hier sogar nur auf Rang vier = 12%. Kleiner Warnhinweis auf der Verpackung: "nicht repräsentativ, kann manipuliert werden und gibt allenfalls ein Stimmungsbild wieder". Dann bin ich etwas beruhigt, auch wenn das Gladbacher Wahl-Delphi für mich ziemlich miese Stimmung anzeigt.
Dann gibt's in Bergisch Gladbach noch einen elektronischen Marktplatz bzw. das iGL Bürgerportal Bergisch Gladbach. Das Portal präsentiert tatsächlich alle acht Kandidaten für den 22.9., allerdings in einer demokratischen Drei-Klassen-Gesellschaft: (1) Zunächst kommen wie im Stadt-Anzeiger die sechs "ordentlichen" Kandidaten, Innovations-verdächtig hier mal umgekehrt gereiht von Zalfen bis Außendorf, wie im Stadt-Anzeiger auch mit Werbe-Bildern und zusätzlich mit links zu den elektronischen Angeboten einschließlich facebook und twitter. (2) Dann kommt erstmal eine Partei, die sich nicht traut = die Piraten (der Erläuterung nach, weil es den Piraten um "echte Partizipation statt Kreuzchenbettelei" ginge). (3) Und danach folgt schließlich eine weitere Rubrik "Außerdem treten an", und darin komme ich als "Karl Ulrich Voss (Einzelbewerber Burscheid)", dicht gefolgt von "Michael Zündorf (NPD)".
In einer Mail an das Bürgerforum habe ich höflich um faire demokratische Teilhabe nachgesucht, gleich auch ein passendes Bild mitgeschickt. Das Bild gibt's nun nicht, auch nicht die gleichberechtigte Einreihung unter meine Mitbewerber. Aber man hat meinem Namen auf die Mail hin noch meinen (diesen) Wahlblog zugesellt, das war wohl gerade noch zu verschmerzen. Wenn ich wegen der eklatanten Pariah-Stellung nochmals nachfragen würde, dann bekäme ich sicher eine Antwort wie vom WDR i.J. 2009: "Was wollen Sie denn eigentlich? Sie haben doch sowieso keine Chance!"
Ach, da gibt's noch ein weiteres innovatives Instrument im Bürgerportal, zur virtuellen Abstimmung vor der Wahl. Und das Ergebnis dieses Wahl-Delphi ist schon höchst bemerkenswert: Bei den Erststimmen Nach dem gegenwärtigen Stand der Umfrage des Bürgerforum deplaziert der Newcomer und Gladbacher Unternehmensberater Haase vom €-skeptischen Newcomer-Club "Alternative für Deutschland" den bisherigen Platzhirschen Bosbach von der CDU klar mit 27% zu 22%. Auf den weiteren Plätzen folgen Zalfen von der SPD (22%), der GRÜNE Außendorf (15%), der LINKE Bischoff (9%) und der Liberale Ludemann (6%). Auch bei den Zweitstimmen sieht diese Umfrage AfD mit 33% weit vorne, die CDU landet hinter SPD und GRÜNEN hier sogar nur auf Rang vier = 12%. Kleiner Warnhinweis auf der Verpackung: "nicht repräsentativ, kann manipuliert werden und gibt allenfalls ein Stimmungsbild wieder". Dann bin ich etwas beruhigt, auch wenn das Gladbacher Wahl-Delphi für mich ziemlich miese Stimmung anzeigt.
Nachtrag 18.9.2013 zum iGL Bürgerportal Bergisch Gladbach
Es ist alles ganz anders gekommen: Tatsächlich hat das oben genannte Bürgerportal ein absolutes "exzellent" für die Präsentation der verschiedenen Wahlbewerber verdient - besser als im Bürgerforum nun der letzten Wahlkampfphase hätte ich mich selbst niemals darstellen können. Und das war übrigens nicht die Folge von Nachdruck oder Bettelei, sondern schlicht Konsequenz einer dort sehr wachen Beobachtung des Wahlkampf-Geschehens. Man hat mich dann auch sehr fair unter den anderen Kandidaten eingereiht - und das ganz offenbar nicht repräsentative Wahl-Delphi wurde auch gestrichen. Gesamturteil: Ein besseres Informationsformat für Wahlen habe ich - insbesondere außerhalb der spezialisierten Wahl-Plattformen - nirgendwo sonst gefunden und selbst die Wahlplattformen können naturgemäß nicht den gleichen vitalen regionalen Bezug herstellen. Ein neuer Standard und: iGL for president!
Aber vielleicht finde ich doch noch das Blatt bzw. die Lücke in Siegfrieds medialer Drachenhaut. Wer hat eine Idee? Auf der Heimfahrt sehe ich noch ein Plakat mit der beeindruckenden Botschaft "Mut ist, sich von den Mächtigen nicht ausgrenzen zu lassen". Also: Nur Mut!
Und wie der Nachtrag oben zeigt: Du musst gar nicht Dein Leben lang Mut zeigen - häufig wirst Du dann doch mit einem Blatt geholfen ;-)
Es ist alles ganz anders gekommen: Tatsächlich hat das oben genannte Bürgerportal ein absolutes "exzellent" für die Präsentation der verschiedenen Wahlbewerber verdient - besser als im Bürgerforum nun der letzten Wahlkampfphase hätte ich mich selbst niemals darstellen können. Und das war übrigens nicht die Folge von Nachdruck oder Bettelei, sondern schlicht Konsequenz einer dort sehr wachen Beobachtung des Wahlkampf-Geschehens. Man hat mich dann auch sehr fair unter den anderen Kandidaten eingereiht - und das ganz offenbar nicht repräsentative Wahl-Delphi wurde auch gestrichen. Gesamturteil: Ein besseres Informationsformat für Wahlen habe ich - insbesondere außerhalb der spezialisierten Wahl-Plattformen - nirgendwo sonst gefunden und selbst die Wahlplattformen können naturgemäß nicht den gleichen vitalen regionalen Bezug herstellen. Ein neuer Standard und: iGL for president!
Aber vielleicht finde ich doch noch das Blatt bzw. die Lücke in Siegfrieds medialer Drachenhaut. Wer hat eine Idee? Auf der Heimfahrt sehe ich noch ein Plakat mit der beeindruckenden Botschaft "Mut ist, sich von den Mächtigen nicht ausgrenzen zu lassen". Also: Nur Mut!
Und wie der Nachtrag oben zeigt: Du musst gar nicht Dein Leben lang Mut zeigen - häufig wirst Du dann doch mit einem Blatt geholfen ;-)
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