Unser Lokalblatt Bergischer Volksbote - genauer: die lokal sehr engagierte Redakteurin Nadja Lehmann - hatte am 20.12.2024 zu unseren Erwartungen für das Jahr 2025 nachgefragt. Für die Rückmeldungen hat sie dann in den ersten Januartagen 2025 sehr viel Platz eingeräumt, am 2.1.2025 auch für den unten folgenden Beitrag.
Der Text der Anfrage hatte gelautet:
Zum Jahresende blickt man ja gerne zurück und voraus. Das will auch ich im Bergischen Volksboten tun und dabei von ein paar Leuten wissen, wie es ihnen ums Herz ist. Geplant ist dann ein O-Ton-Bericht.
„Krieg, Flucht, Rechte im Aufwind, eine gescheiterte Regierung – derzeit gibt es wenig Anlass, optimistisch zu sein. Blicken Sie dennoch mit Zuversicht auf 2025 und warum?“
Mein Beitrag:
Lassen wir die Kirche im Dorf! Ich gebe zu, nach den schrecklichen Details zu Magdeburg habe ich kurz gezögert. Aber ich bleibe dabei: Besonnenheit und nüchternes Augenmaß bleiben das Gebot der Stunde. Damit aus wirren Emotionen etwas Zuversicht wachsen kann. Und nicht zuerst Angst, verbunden mit haltbarem Hass. Aber die angesprochenen Punkte Krieg und Flucht, neue Rechte und Ampel-Aus, die verdienen schon genaueres Hinsehen:
Krieg & Flucht. Wir haben viel damit zu tun.
Zunächst: Betrachten wir einmal nüchtern unsere Selbstbilder und Feindbilder; sie haben es verdient.
Seit Beginn der Neunziger Jahre – oder: nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – haben westliche Staaten und dabei zumeist auch Deutschland eine sehr expansive Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt, u.a. in Auslandseinsätzen mit dem berühmten „scharfen Schuss“. Der größere Teil der Einsätze hat die Ziele nicht erreicht. Beispiele: 1999 wurde die erste europäische Hauptstadt nach dem Zweiten Weltkrieg bombardiert, mit vielen hundert zivilen Toten. Es war Belgrad. Die Afghanistan-Mission wurde – wie 20 Jahre vorher bereits in Somalia – in großer Hast evakuiert. Heute gelten ein großer Teil des Nahen und Mittleren Ostens und des nördlichen Afrika als deutlich instabiler als zuvor. Alles das hat – neben weiteren Ursachen – Migrationsdruck aufgebaut. In dem häufig zitierten Jahr 2015 war der größte Anteil Asylsuchender gerade vom Balkan zugeflossen.
Meine Hoffnung beruht darauf: Wir können und wir sollten diese jüngere außenpolitische Vergangenheit öffentlich evaluieren – Afghanistan ist ein Anfang. Und wir können Wiederholungen vermeiden. Weiter: Keine Frage, Putins Politik ist unerträglich und der Ukraine-Krieg mit seinen Abertausenden Opfern, der muss enden. Nur wird er nicht beendet, solange wir uns stolz auf der unfehlbaren Seite sehen. Und auch das Fliehen, es würde nicht enden.
Rechte im Aufwind? Ja, das ist so.
Eine anwachsende Rechte überrascht nicht. Warum bitte sollte der Trend hier anders sein als etwa in den Niederlanden und Frankreich, auch als in einigen Staaten Osteuropas? Selbst der Nahbereich zeigt schon lange dazu passende Anhaltspunkte: Vor 20 Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, dass Nordrhein-Westfalen einmal ein Heimatministerium hervorbrächte – und ich selbst habe schon hochmotiviert beim Gewinn von Heimatpreisen mitgewirkt. Weiter: Im Burscheider Stadtrat sind Parteien eines mitte-linken Spektrums heute marginalisiert. Ganz offenbar verspricht eine eher konservative Weltsicht in Zeiten, die viele als sehr unübersichtlich wahrnehmen, die größere Sicherheit. Und natürlich: Wahlen werden nicht über den Kopf gewonnen, sondern über den Bauch. Dass Parteien Besorgnisse nutzen und dann in Wahlkampf-Botschaften umsetzen, das ist nur menschlich.
Was aber tun? Im Grunde haben es die Gegen-Rechts-Demonstrationen vor der Europawahl gezeigt, dabei auch ein ganz neues Potenzial: Die Bürgerinnen und Bürger warten darauf, aktiviert zu werden. Dazu muss man sich nur ein wenig von der traditionellen Vorstellung lösen, die besten Ideen und das tiefste Ortswissen lägen bei der Obrigkeit oder bei Experten und Beratern. Professionalisieren wir die Stadtgesellschaft – die wir ohnehin für viele Aufgaben brauchen –, dann steht weitere Durchsicht und Zuversicht zu erwarten. Es ist dann wie in der Schule: Viel Training mit realen Bezügen bewirkt das meiste.
Die Ampel und ihr Aus. Keine Ampeln mehr?
Schlimmer als das Ampel-Aus selbst ist das unwürdige Gezerre davor wie danach. Diese Regierung wurde nicht sachlich widerlegt oder von besser belastbaren Konzepten aus dem Feld geschlagen. Sie wurde schlicht verdaut, in einem stark säurehaltigen Prozess, an dem die gerne so genannte vierte Gewalt – die Medien – leider auch einen gewissen Anteil hatte.
Hier habe ich tatsächlich die geringsten Hoffnungen auf ein Happy End alten Stils. Die Zeit fester Bindungen in der Wählerschaft und auch innerhalb der Parteien könnte zunächst vorbei sein und damit auch die gut eingeübte Rollenteilung zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien. Minderheitsregierungen mögen auch in Deutschland von der Ausnahme zur Regel geraten. Den Untergang des Abendlandes muss man aber nicht gleich ausrufen: Der Versuch, sich jeweils im Einzelfall zu einer Sachfrage zusammen zu raufen, der wäre kein Verstoß gegen das parlamentarische Prinzip oder gegen das Modell einer repräsentativen Demokratie. Allerdings würden wir Bürgerinnen und Bürger von einem solchen Prozess der aktiven Mehrheitssuche mehr mitbekommen als bisher. Das wäre nicht der schlechteste Aspekt.
Fazit: Do it yourself!
„Hoffnung“ oder „Zuversicht“? Für mich ist die Zuversicht etwas weniger wundergläubig. Die Hoffnung legt gerne auch mal die Hände in den Schoß und delegiert die Zukunft auf andere „Hoffnungsträger“. Zuversicht dagegen klingt aktivierend wie „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!“ Meine Meinung: Verbreitern wir entschlossen die Basis derjenigen, die konstruktiv über die Entwicklung unseres Landes und unserer Stadt nachdenken. Ich bin zuversichtlich: Da ist noch viel Luft nach oben. Und beim Frust ist einige Luft nach unten.
Ein Nachtrag mit Stand heute = 11.9.2025
Manchmal wird meine Zuversicht durch meine Skepsis auf die Probe gestellt.
Am Sonntag, 14.9.2025 ist hier Kommunalwahl angesagt. Mein Bürgermeister hat mir gestern eine kleine Wurfsendung in Wickelfaltung in den Briefkasten gehämmert. Außen tiefschwarz wie unser neues Kulturzentrum, das KulturForum Burscheid Höhestraße an seinen völlig neu gestalteten Breitseiten. Außen drauf diverse Fragezeichen. Und eine Frage, die wohl zum innen mehrfach sehr fröhlich abgebildeten Bewerber hinführen soll:
"WER HAT DIE ANTWORTEN?"
Etwas irritierend ist noch eine Fußnote außen auf diesem Flyer:
"V.i.S.d.P.: Dirk Runge, vertreten durch CDU Stadtverband Burscheid
& Bündnis für Burscheid e.V., Höhestraße 48, 51399 Burscheid"
(Hervorhebung von mir).
Vielleicht bin ich etwas zu etepetete. Aber das werbewirksame Zusammenführen von staatlichen bzw. städtischen Funktionen im Inneren der Faltblatts (z.B.: GUTE VERWALTUNG") mit Parteisymbolen und offenbar einer Parteifinanzierung, auch die Anmutung der Fußnote, dass Parteien den (staatlichen) Bürgermeister vertreten könnten, das erscheint mir als sehr übergriffig und auch als Eingriff in die Rechte der übrigen an der Wahl Beteiligten. Schräg kommt mir auch vor: Die Parteien dieses so ungleichen Wahlbündnisses stellen den Bürgermeister-Kandidaten bis zum Abwinken gerne als "unabhängig" heraus. "Das", so sagte mein alter Deutschlehrer gerne, "Das kannst Du jemandem erzählen, der sich die Hose mit der Beißzange zumacht!" Richtig, es gibt bei der 2025er Ortswahl zwei Parteilose. Aber genau einen im Wortsinn Unabhängigen ;-)
Noch eine Anmerkung, zu dem "&" in der Fußnote:
Eigentlich, eigentlich könnte das durch das & angedeutete Gemeinschaftsunterehmen nun wieder zu einer einheitlichen Partei fusionieren, nicht wahr? Zur Historie: Das BfB, das sich weltanschaulich ebenso der christdemokratischen Parteienfamilie zurechnet wie die CDU selbst, es war wie bekannt i.J. 2009 seinerzeit über den Wettkampf zweier CDU-Kandidaten für das Burscheider Bürgermeisteramt ausgekalbt - des damaligen Beigeordneten Stefan Caplan und des lange vorgesehenen CDU-Kandidaten Michael Baggeler. Keiner der beiden damaligen Kontrahenten wird noch im künftigen Rat vertreten sein, Stefan Caplan aus einem traurigen Anlass. CDU und BfB unterstützen nun wieder denselben Kandidaten und haben - völlig erwartbar - sehr ähnliche Prioritäten. Also, was hält sie noch ab von einer entschlossenen family reunion? Es wäre doch ein Beitrag zur kommunalpolitischen Ehrlichkeit und Fairness! Gut, ich weiß: Eher würde der Vatikanstaat den Papst abschaffen. Eine einmal etablierte Organisation ist praktisch unsterblich, wie es Cyril Northcote Parkinson so überzeugend nachgewiesen hat. Und das allerwenigste, was sie dazu braucht, ist ihr Anfangs-Zweck.
Und die versprochenen ANTWORTEN? Mitten im Faltblatt findet sich ein an Kinder und Jugendliche gerichtetes Quiz mit interessanten Fragen zur Wahl, etwa: "Wie heißt der Ort, an dem gewählt wird?" Die dann zur Wahl stehenden Antworten: "Wahllokal / Wahlrestaurant / Wahlklub". Ich denke doch, dass der Bürgermeister darauf befriedigend reagieren wird. Aber selbst wenn nicht, könnte er am Samstag auf dem Marktplatz ein im Flyer ausgelobtes Tüten-Eis schlecken. Denn Bedingung für den Eis-Genuss ist - neben einem jugendlichen Auftritt - nur das irgendwie ausgefüllte Quiz. Nicht etwa richtige Antworten. Sicher können so möglichst viele angstfrei erscheinen.
Ich werde am Samstag auch auf den Markt pilgern. Vielleicht aber nicht mit dem Kinder-Quiz und nicht für ein Tüten-Eis. Meine 74 Jahre sind auch durch 10 cm Anti-Aging-Creme wohl nicht zu überspielen. Eher komme ich mit für die Stadt wichtigen Fragen. Die so nicht im Quiz stehen, auch sonst nirgendwo im Folder.
Etwa: Wann wird das lange angekündigte Montanus-Quartier fertig und wann wird die Altstadt wieder frisch auftreten? Geschätzte Daten würden reichen. Zur Erinnerung: Die im IEHK werbewirksam an den Anfang gesetzte Altstadt-Sanierung hatte man nach Anlauf des Programms zugunsten der sogenannten "Neuen Mitte" zuerst einnmal zurückgestellt. Und dann hatte man unseren historischen Siedlungskern - mangels übriger Fördermittel - endgültig aus dem IEHK herausgekippt. Wohlgemerkt: Alles das ohne jede Rücksprache mit den Bürger*innen, wie sie doch im IEHK auf S. 182 im letzten Absatz so warm versprochen steht:
"Die Sachstände einschließlich der Kosten müssen während des Realisierungsprozesses sukzessive aktualisiert und mit den politischen Gremien und mit der Bürgerschaft diskutiert werden. Es bleibt ein demokratischer Prozess."
Dem ist nichts hinzuzufügen. Und wird man mit einer aufgewärmten, in Düsseldorf ja schon einmal vorgelegten Begründung erneut eine auskömmliche Förderung abgreifen können? Bei großer Konkurrenz, die noch gar nichts bezogen hatte? Und bei inzwischen viel engeren staatlichen Finanzen? Und bei heute ganz anderen Sorgen, wie etwa der subventionsbedürftigen Energieversorgung der Industrie? Eher zweifelhaft, jedenfalls derzeit nicht seriös zu beantworten.
Ein klein wenig Hoffnung besteht immerhin, was die Bürgernähe anbetrifft:
Zur Planung für die Altstadt sollen wir Bürger*innen nun viel intensiver einbezogen werden. Auch wenn sich das Verfahren nach einem extrem abrupten Start - Ankündigen der ISEK-Bürgerveranstaltung mit einem Vorlauf < 2 Wochen! - nun schon weiter und weiter verzögert, nun deutlich über den Wahltermin hinaus. Aber es mag doch kommen. Vielleicht kann man dafür für die Zukunft die sehr bodenständigen und für alle Bürger*innen sehr früh transparenten Schweizer Baugespanne oder Bauprofile kopieren, die schon weit vor der Realisierung den konkreten Raumeindruck einer Planung an Ort und Stelle für jung und alt gut sichtbar präsentieren. Für den geplanten Riegel an der Friedrich-Goetze-Straße (IEHK S. 136, unten in Blau) denke schon mal ein wenig voraus:
Und wenn der Riegel dann wirklich in so raumgreifenden Konturen realisiert würde. Und wenn man an stark heruntergekommene Shopping-Center in Leverkusen oder anderswo denkt: Dann könnte sehr viel alter Zement irgendwann auch so aussehen (illustriert mit Versatzstücken des Atlantikwalls und regionalen Graffiti):
Unser Linden-Center mag - bald von einer schlagkräftigen "Neuen Mitte" in der Montanusstraße kannibalisiert - irgendwann sehr ähnlich anmuten. Ähnlich dann übrigens auch wie das "Stapel-Center" in Altena, unserer IEHK-Muster-Stadt, einer etwas früher von unserem Düsseldorfer Projektentwickler befruchteten Location. Das Stapel-Center steht schon seit vielen Jahren zum größten Teil leer. U.a. deswegen: Potenzielle Nach-Nutzer scheuen die dortige Tiefgarage als geschäftsschädigend. So wie der Teufel das Weihwasser. Merke: Eine Tiefgarage, wie sie ähnlich nun auch in den Plänen für unsere ganz "Neue Mitte" steckt.
Klug könnte sein, aus den Fehlern anderer gratis zu lernen.
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