Samstag, 22. Juni 2013

Sprühen, angstfrei. Politik, von außen gesteuert


Angstfreie Sprayer: Am letzten Samstag (= 15.6.2013) will ich aus der Innenstadt über den Radweg nach Kuckenberg, mit Enkeltochter an der Hand. Unter der Brücke für die alte Haupt- und Geschäftsstraße zischt und brodelt es, in einer erstaunlichen Koalition für Kreatives. Da sitzen Bürgermeister Stefan Caplan und der SPD-Sitzenkandidat der letzten Wahl, Bodo Jakobs einträchtig auf / an einer Bierzelt-Garnitur und verfolgen potenzielle junge Bürgerschrecks bei der Kunstproduktion. Die gestalten mit einer Hundertschaft von Spraydosen gerade die Wände unter der Brücke neu, übermalen alte Graffitis oder zeichnen völlig neu. Das ist ein wenig irritierend und dann schon selbst ein Happening, denn es soll Zeiten gegeben haben, als Prämien zur Ergreifung von solchen jungen Sprühern ausgelobt worden waren. 

Nun, das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen – und es wir versichert, dass die zwei Geier links und rechts auf dem Cinemascope-großen Lucky-Luke-Motiv mit dem finanziellen Zustand deutscher Kommunen nichts, aber auch gar nichts zu tun hätten. 







Bei Graffiti bin ich zugegeben etwas schizophren: Ich würde mich granatig über nicht bestellte Bilder an meinem eigenen Haus ärgern (getreu Schumpeters Motto „Eigentum und Erbrecht sind das Festwerden sozialen Erfolges.“). Aber einige Sprayer wie der legendäre Züricher Harald Oskar Nägeli sind schlicht genial, wie auch das Bild eines (mir) unbekannten Sprayers ganz oben auf meiner homepage: Es prangte auf einem klappbaren Autobahnschild in der Nähe des Bonner Nordkreuzes und ich bin jahrzehntelang daran vorbeifahren, genauer vorbei-gestanden. Im Original riesengroß, aber in Farben und Flächen gut komponiert und mit einer irritierenden Grundstimmung. Ich selbst zeichne eher und sprühe nicht (Ausnahme: ganz früher mal das eigene Auto), nehme mir allerdings hier und da etwas spontane Eigenwerbung mit nicht-invasiver Straßenmalkreide heraus.







Außensteuerung durch eine Dänische Pensionskasse- oder durch Recep. Ein Aufmacher des KStA heute morgen: Der dänischen Pensionskasse ATP passen die deutschen Planungen für eine Spekulationssteuer gar nicht in den Kram. Sie droht mit dem Abzug diverser hier angelegter Milliarden, sollte der Plan weiterverfolgt werden. Und die Dänen sind nicht irgendwer, sie zählen mit Staatsanleihen i.H.v. mehr als 36 Milliarden (in Zahlen: > 36.000.000.000 €) in ihrem Portfolio zu den größten Gläubigern Deutschlands. Nun mag dahinstehen, ob die Kasse dann überhaupt einen ähnlich sicheren Hafen fände. In jedem Fall wäre das doch ein massiver Eingriff in die nationale Politik und in den Versuch deutscher Politiker, Spundmauern gegen hoch volatile und potenziell Schaden stiftende Finanzströme einzubauen, nicht wahr? Protestiert die Politik nun ein wenig?

Interessant ist immerhin: Gerade die mögliche Außensteuerung wurde wie eine Feuerschrift an die Wand gemalt, als es vor Kurzem im Bundestag um die von der Opposition vorgeschlagene Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ging, z.B. um die Abschaffung der Optionspflicht (sich zwischen 18 und 23 Jahren Alter für eine von mehreren Staatsangehörigkeiten zu entscheiden). Dies wurde insbesondere mit einem drohenden Einfluss Erdogans auf die deutsche Republik begründet, wenn er dann über noch mehr Deutsch-Türken auf das hiesige Politik-Geschäft einwirken könnte. Das sehe ich eher umgekehrt oder jedenfalls beidseitig: Die Menschen mit deutschem und türkischem Pass gehören auch zu denen, die heute in der Türkei Rechte nach unserem Standard einfordern können. Die Verschränkung geht also zumindest in beide Richtungen, und das ist in der Diplomatie nie der schlechteste Ausgangspunkt. Für die Bürger/innen beider Seiten.

Davon einmal abgesehen: Unsere Politik wird insbesondere bei der Außen- und Sicherheitspolitik am ehesten horizontal – durch Impulse ausländischer oder Staaten-übergreifender Exekutiven – gesteuert, am wenigsten vertikal, durch Impulse der Bürger oder zumindest im engen Austausch mit ihnen. Wer das bestreitet, gehört zu denen – wie mein alter Deutschlehrer Henkel gerne sagte –, die „sich die Hose mit der Beißzange zumachen.“ Aber dieser Gegensatz zum demokratischen Prinzip stört heute eher wenige Politiker.

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