„Quäl dich,
du Sau!“, diesen Spruch kennt jeder Radprofi und Radamateur. Damit hat Udo Bölts bei der 18.
Etappe der Tour de
France 1997 seinen Teamkollegen Jan Ullrich angefeuert, am 24.7.1997
zwischen Colmar und Montbéliard. Als nämlich Ullrich als Gesamtführender auf
einer herausfordernden Rampe in den Vogesen schwächelte, am Grand Ballon, zu deutsch: am Großen Belchen. Ullrich
hat die Tour am Ende tatsächlich als bisher einziger Deutscher gewonnen. Aber keiner
weiß, ob Ullrich damals nicht gedopt
war, nicht nur mit würzigen Männerworten.
Wenn sich
demnächst in Burscheid die Rampe von der Balkantrasse herauf zur Hauptstraße auftürmen
wird, dann sollten wir etwa auf der Mitte der Steigung ein Schild mit diesem fröhlich
aufmunternden Zitat aus der Radfahrer-Folklore anbringen, also nach 65 Metern bei 8%:
Am Grand Ballon ist die Steigung ja auch nicht viel herausfordernder, höchstens 9%. Und bereits
am Fuß unserer Rampe könnten wir präventiv Kaffee, Äpfel und Sauerstoff als naturnahes
Doping verticken. Vielleicht gäb's im Ziel oben an der Hauptstraße dann noch als Trophäe und Erinnerung diese niedlichen Kühlschrank-Magnetschilder, eben mit dem Klassikerspruch und dem Ortswappen darauf. Am besten noch mit einer durchnummerierten Unterschrift des Bürgermeisters dazu - für's Monitoring der Rampen-Nutzung - und überreicht mit seinem anerkennden Handschlag. Burscheid mag sich an dieser Stelle unverhofft zum nationalen
Radsport-Mekka mausern. Und hätte ein belastbares Geschäftsmodell.
Übersicht
über diesen Post:
A.
Meine
Einschätzung vorab zusammengefasst
B. Prähistorie mit Burg
C. Der folgenreiche
Rechenfehler
D. Dezember 2016: Planungsgrundlage
E. Am 13.5.2019: Änderung der Parameter
F. Vereinbarkeit mit einschlägigen Regelwerken
G. Die gute alte Nutzer-Orientierung
H. Drachenhaut. Oder: Wie
sind wir in den Schlamassel geraten?
I. Ein Burscheider Spitzenplatz im nächsten
Schwarzbuch?
K. Das Kind braucht einen Namen - und ein Lied
L. Was tun?
A.
Meine Einschätzung vorab zusammengefasst
Seit der Vorstellung
des Burscheider Integrierten
Entwicklungs- und Handlungskonzepts (IEHK 2025) im Dezember 2016 (dort u.a.
S. 149) haben sich wesentliche Planungsparameter so verändert, dass aus meiner
Sicht ein relevanter und zum Mitteleinsatz verhältnismäßiger Nutzwert des
Moduls Rampe & Plattform nicht mehr erkennbar ist. Gleichzeitig widerspricht
die Planung den hier zu beachtenden Regelwerken und Richtwerten:
1. Steigung/Gefälle der geplanten Anbindung
haben seit Aufstellung des IEHK 2016 um ein Drittel auf nunmehrige 7,9%
zugelegt. Die Länge der Rampe verstößt bei dieser Steigung um das Dreifache
gegen Nr. 2.2.3 der geltenden Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010)
und entspricht damit nicht dem bei öffentlichen Planungen zugrunde zu legenden
Stand der Technik.
2. Das vorgesehene und nach den
Umgebungsbedingungen auch nicht veränderbare Gefälle von mehr als 3% ist nach
Nr. 3.6 der ERA 2010 ein definitiver Ausschlussgrund für eine
integrierte Nutzung durch Radfahrer und Fußgänger. Die geplante Neigung
übersteigt den Grenzwert hier um deutlich mehr als mehr als das Doppelte. Würde
die Stadt die geplante Rampe nicht wirksam gegen jeglichen Fußverkehr
abgrenzen, dann hätte sie aus der Verkehrssicherungspflicht ernsthafte
Haftungsrisiken zu befürchten. Nach etwaigen Unfällen würde zudem eine
unbefristete Sperrung des Gefahrenpunkts drohen.
3. Die geplante Steigung der Rampe
überschreitet zudem den Wert für barrierefreie öffentliche Verkehrswege
nach DIN 18024-1 signifikant.
4. Damit kann man die sehr steile Rampe
keinesfalls als „sehr gute“ Anbindung (so IEHK S. 149) gegenüber dem
verfügbaren höhengleichen Anschluss über die Montanusstraße
qualifizieren, wie er in vergleichbarem Abstand auf der anderen Seite
der Brücke abzweigt. Auch eine mögliche Nutzung durch E-Bikes – sie machen
derzeit gerade 6% des deutschen Fahrradbestandes aus – ändert diese Einordnung
nicht entscheidend.
5. Der Kreisverband Rheinberg/Oberberg des
ADFC ist die regional zuständige Interessenvertretung von Radfahrern. Der
Verband hat sich ausdrücklich gegen eine solche Rampe ausgesprochen und
fordert eine am täglichen Gebrauch orientierte Rad-Infrastruktur für die Innenstadt,
siehe hier.
6. Ein signifikanter Beitrag zu
kommerziellen Umsätzen auf der Burscheider Hauptstraße war bereits vorher nicht
schlüssig dargetan (welche Warengruppen zu welchen Geschäftszeiten?). Ein
merklicher Anteil ist durch das nun extrem geplante Profil umso
unwahrscheinlicher geworden.
7. Mangels lebhafter gewerblicher Nutzung
der vorgeschlagenen Plattform entfällt ihre wesentliche Funktionalität,
nämlich die von den Planern in den Mittelpunkt gestellte Signalwirkung
für Radfahrtouristen. Angesichts der an der Hauptstraße reichhaltig
entstandenen bzw. noch entstehenden Nutzungsflächen und wegen des auch durch
eingehende Recherche der Stadt nicht feststellbaren kommerziellen
Bedarfs ist die Plattform damit insgesamt verzichtbar.
8. Das Modul Rampe & Plattform steht
auch nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu anderen Konzeptteilen, wie es
etwa bei der Straßensanierung einerseits und Fassadengestaltung andererseits
der Fall ist. Das Modul steht für sich und wäre ohne erkennbaren Schaden zu
streichen. Streicht man es nicht, entscheidet man im Falle der Plattform und
ihrer Pylone realistischerweise für mehrere Generationen.
B.
Prähistorie mit Burg
Das Planungsbüro
Hamerla & Partner war der Stadt durch sein vorangegangenes Konzept zur
Neugestaltung der Innenstadt von Altena aufgefallen. Flaggschiff und besonderer
Blickfang für Burscheid war dort der so genannte „Erlebnisaufzug“,
der unter maßgeblicher
EU-Förderung das Stadtzentrum von Altena mit einem überörtlichen touristischen
Ziel , der Burg von Altena verknüpfen soll
Dieser Erlebnisaufzug
wurde sofort Simile für einen analog gewünschten Lift an der Burscheider
Hauptstraßenbrücke. Indessen führten die sehr schlechten Erfahrungen mit einem nicht überwachten, öffentlich frei zugänglichen Aufzug am gerade umgestalteten Opladener Bahnhof sehr bald weg von der Aufzugslösung.
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Ruine in jungen Jahren |
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- und zwar seit Monaten -
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mit erstaunlichen Einsichten |
Als funktionaler Ersatz wurde
in der Folge eben die Rampe erdacht. Erhalten bleiben sollte aber als Analogie zur
Altenaer Burg eine von unten gut sichtbar „bespielte“ Plattform, also entsprechend gedacht
als Pheromon oder als Lockstoff für zahlreiche potenzielle Besucher unserer Innenstadt.
Blickt
man heute auf die Situation, so ist leider klar: Der Eyecatcher des Altenaer
Konzepts ist im Burscheider Nachbild unter mehreren Korrekturzügen zu einer
dysfunktionalen Karikatur geraten. Er hat sich wegen der real zu
unterschiedlichen Örtlichkeit und Topgrafie eben nicht nach den Regeln der architektonischen Kunst einpassen lassen. Unabhängig davon kann ich aber den heutigen Besuch von
Altenas Innenstadt nur dringendst anraten. Denn trotz des dort sehr aufwändig
inszenierten "Erlebnisaufzuges" hat das Altenaer IEHK leider nicht den
bedrückenden Eindruck einer sterbenden Stadtmitte mit verfallenden Fassaden und
mit vielen leeren oder pro forma genutzten Schaufenstern verhindert. An solchen
Erwartungen gemessen war er eine klare Fehlinvestition.
Es lohnt der Besuch aber auch im Übrigen: Oben auf der Burg wird man als Burscheider mit dem Grabmal eines wirklich sympathischen Bergischen belohnt, nämlich mit der letzten Ruhestätte des "Wilhelm von Waldbrühl" alias Anton Wilhelm von Zuccalmaglio, Sohn des Jacob Salentin von Zuccalmaglio, des Initiators und Mitgründers der Musicalischen Academie zu Burscheid von 1812, und Bruder des Vinzenz Jakob von Zuccalmaglio genannt Montanus (bei der "Montanusstraße" schließt sich der Kreis). Wilhelm war Lehrer, Autor und Komponist: Er hat deutsche Volkslieder gesammelt und hat selbst u.a. eines der bekanntesten und schönsten deutschen Lieder getextet und komponiert - "Kein schöner Land in dieser Zeit". Dann gibt es übrigens noch den viel jüngeren Bruder des Jakob Salentin, Franz von Zuccalmaglio, Schulfreund Heines, dem Heine sogar ein Gedicht gewidmet hat, guter Freund des Anton Wilhelm und späterer griechischer Freiheitskämpfer - insgesamt eine höchst interessante Familie, die den nachhaltigen Nutzen von Einwanderung aufs Beste beweist. Wenn man im Altenberger Dom ein wenig sucht, dann findet man in einem der Kirchenfenster übrigens das Familienwappen der Zuccalmaglios, mit einer zucca bzw. einem Kürbis mittendrin; manche deuten es auch als Dickschädel ;-)
Und am Lenne-Ufer sieht man dann erstaunliche Parallelen zum Burscheider Markt, genauer zu den drei Makrolon-Blech-Bäumen dort. Altena erinnert da allerdings an seine industrielle Tradition als Stadt der Drahtzieher und hat dann zu seinem Glück auch auf verschmuddelnde Plastikdächer verzichtet. Man kann sie drum in Altena ohne Probleme stehen lassen.
Zusammenfassend können wir unser Problem nun als
Fragen an Radio Eriwan stellen:
Frage an Radio Eriwan:
„Bekommt Burscheid einen Aufzug zu seiner Burg?“
Radio Eriwan antwortet:
„Im Prinzip ja. Aber statt der Burg baut Burscheid ein Podest. Und der Aufzug
wird jetzt schräg gelegt. Dann wird es zwar steil, aber nicht mehr so krass steil wie bei einem gewöhnlichen Aufzug.“
Nachfrage an Radio
Eriwan:
„Also jetzt eine Rampe. Aber widerspricht die an dieser Stelle nicht allem, was Gott, DIN und die Polizei gebieten?“
Radio Eriwan antwortet:
„Im Prinzip ja. Aber die Stadt ist haftpflichtversichert. Und hinterher wird es
ja wohl keiner im Rat gewesen sein.“
C.
Folgenreicher Rechenfehler
Ach was, so steil wird die Rampe sicher gar
nicht; im IEHK steht doch auf S. 149 ganz klar: „Aufgrund der topographischen und
räumlichen Verhältnisse bietet sich an, eine 2,50 m breite Radwegerampe mit
einer Steigung von rd. 6,0 % in der Böschung parallel zum Gartenweg zu
errichten, die auf die Hauptstraße und somit direkt im Zentrum der Stadt
mündet.“ Und 6%,
das ist doch sogar (gerade noch) barrierefrei!
Man will es kaum glauben: Aber die bizarre Ableitung
des Altenaer „Erlebnisaufzuges“ hat es nur aufgrund eines Rechenfehlers so ins
IEHK geschafft: Der Weg herauf und hinunter über den Radweg muss nach den nicht veränderbaren
topografischen Bedingungen zwischen den beiden Straßenbrücken nun
tatsächlich um ein sattes Drittel steiler werden; er würde mit dann ca.
8% längst nicht mehr barrierefrei. Aber nicht etwa, weil sich zwischenzeitlich
– bei gleichbleibendem Höhenunterschied
– die geplante Weglänge der Rampe gegenüber dem IEHK mit Stand 2016 verkürzt
hätte. Nein, die erst viel geringer
angegebene Steigung war ganz offenbar
Resultat eines Denk- oder Rechenfehlers: Legt man lediglich
den einfachen Niveauunterschied direkt an der Hauptstraßenbrücke zugrunde und
lässt das weitere Gefälle im Verlauf der Balkantrasse bis zum Einmündungspunkt der
Rampe außer Acht, so ergibt sich eben diejenige um ein Drittel flachere
Steigung, die das IEHK auf S. 149 ausweist.
Dem Planungsbüro kann man vielleicht gar keinen
Vorwurf machen; irren ist zu menschlich. Dieses Büro liegt auch in der
Düsseldorfer Kanalstraße mittenmangs in einer Rheinschleife, wo der mäandrierende Rhein sein Tal seit Jahrtausenden akkurat eben und zweidimensional geschliffen hat.
Dort ist in 1000 Metern Umkreis an merkliche Steigungen oder Gefälle gar nicht
zu denken; und auch ohne Wasserwaage kommt jeder Stein automatisch waagerecht zu liegen. Dort hätte die
Rechnung denn auch gestimmt 😉 Aber nach Erkennen des Rechenfehlers hätten alle Beteiligten schon ein wenig nachdenklich
werden sollen. Und preiswürdig war die Arbeit der Architekten zu diesem
IEHK-Kapitel ganz sicher nicht; eher würde ich auf viel versprechende Regressansprüche
kommen.
D.
Dezember 2016: Planungsgrundlage
Im
Burscheider IEHK 2025 mit Stand vom Dezember
2016 ist im Kapitel 6 „Maßnahmen“ u.a. die Anbindung der Hauptstraße an die
Balkantrasse dargestellt. Dort heißt es auf S. 149 genauer:
‚Zurzeit wird die Burscheider
Innenstadt vom Panorama-Radweg „Balkantrasse” lediglich „unterfahren“. Es gibt
nur wenige Hinweise für die vorbeikommenden RadfahrerInnen, dass sich das
Burscheider Zentrum in unmittelbarer Nähe befindet. Geschweige denn, dass die
RadfahrerInnen für eine Rast oder einen Aufenthalt in die Stadt gelockt werden.
Der Panorama-Radweg erfreut sich einer immer größer werdenden Beliebtheit.
Immer mehr Radwege werden zu einem attraktiven Verbund zusammen geführt, der
von immer mehr RadfahrerInnen genutzt wird. Hierin verbirgt sich ein großes
Potenzial zur Stärkung und Belebung der Innenstadt. Dazu ist die Schaffung von
mehreren guten und einer sehr guten, direkten Anbindung des Panorama-Radwegs
„Balkantrasse” an die Innenstadt zwingend notwendig.
Östlich der Innenstadt ist die
niveaugleiche Anbindung an die Dammstraße zu optimieren. Westlich des Zentrums
sind verschiedene niveaugleiche Anbindungen vom Radweg an die Montanusstraße
zum Teil vorhanden und zum Teil noch zu errichten. Insbesondere im Westen der
Montanusstraße muss im Zusammenhang mit der Entwicklung des Einzelhandelsvorhabens
eine neue, gut ausgeschilderte Anbindung geschaffen werden.
Keine dieser Anbindungen bringt den
die RadfahrerIn aber direkt ins Zentrum. Aufgrund der topographischen und
räumlichen Verhältnisse bietet sich an, eine 2,50 m breite Radwegerampe mit
einer Steigung von rd. 6,0 % in der Böschung parallel zum Gartenweg zu
errichten, die auf die Hauptstraße und somit direkt im Zentrum der Stadt
mündet. Diese Anschlussstelle wird durch eine über der „Balkantrasse”
freikragende, rd. 100 m2 große Plattform weit sichtbar betont. Sie kann auch für
außengastronomische Zwecke genutzt werden. Eine kleine, rd. 30 m2 große
Plattform östlich der Brücke an der Hauptstraße ergänzt das Angebot um einen
zusätzlichen Begegnungs- und Aufenthaltsraum an der mittleren Hauptstraße. Die
Inszenierung dieser Plattformen wird entscheidend dazu beitragen, die Stadt
Burscheid für RadfahrerInnen ins rechte „Rampenlicht“ zu rücken.‘
Hervorzuheben
ist: Das befasste Architekturbüro plant in diesem Stadium wie gesagt eine Steigung bzw.
ein Gefälle der Rampe von 6% und qualifiziert dies als die (noch fehlende)
„sehr gute Verbindung“ zur Innenstadt. Um eine größere Zahl der Benutzer der
Balkantrasse auf die Rampe und zu den Angeboten der Innenstadt zu „locken“, kommt
es dem Büro zudem insbesondere auf die von der Trasse gut sichtbare
Appell-Funktion zweier belebter und beleuchteter „inszenierter“ Plattformen an.
E.
Am 13.5.2019: Änderung der Parameter
Im
Rahmen der Bürgerinformation über den weiteren Planungsverlauf am
13.5.2019 werden dann wesentliche
Planungsannahmen kurzerhand revidiert: Die Planer geben den Neigungswinkel
der Rampe zwischen Balkantrasse und Hauptstraße mit nunmehr 7,9%, also
um etwa ein Drittel vermehrt an (s.o. unter „Folgenreicher Rechenfehler“; in der Präsentation steht übrigens nur die reine Zahl "7,9" ohne "%", vielleicht um nicht zu sehr zu erschrecken). Die
von den Planern gerade bezweckte Signalwirkung einer „inszenierenden“ Plattform
will man nun auch fallen lassen, zumindest auf unbestimmte Zeit zurückstellen. Denn trotz intensiver Suche hat die Stadtverwaltung
kein gastronomisches Angebot für diese exponierte Lage finden können und dies scheidet
hier auch bis auf Weiteres aus. Damit ist ein merkantiler Mehrwert und Nutzen, der zu den erheblichen
Investitionsmitteln des Landes und der Stadt verhältnismäßig wäre, überhaupt nicht mehr erkennbar.
Es
fällt kaum ins Auge, aber auch die finanziellen Parameter sind zwischen
dem IEHK mit Stand Dezember 2016 und der Informationsveranstaltung im Mai 2019 maßgeblich
verändert. Auf den ersten Blick scheint der Ansatz von Gesamtkosten für das
Modul Rampe & Plattform zwar exakt gleichbleibend, nämlich insgesamt
534 T€, davon 30% Eigenanteil der Stadt i.H.v. 160,2 T€. Real aber
sind die veranschlagten Kosten um mehr als 13% gestiegen: Denn eine im IEHK
Stand 2016 noch vorgesehene kleinere zweite Plattform an der anderen
Brückenseite (früher: „Plattform Nord“, siehe auch das IEHK-Zitat oben, dort Abs. 3 Satz 4) mit einem damals angesetzten Aufwand
von 72 T€ (so noch IEHK S. 202) ist nun ersatzlos entfallen. Anders ausgedrückt:
Für die auf den Euro identischen Finanzmittel ist nunmehr eine Plattform
weniger konzipiert.
Die Debatte am 13.5.2020 verläuft sehr kontrovers, die Bürger stellen konkrete Fragen und bringen konstruktive Vorschläge ein. Wenn man allerdings in der Burscheider Dokumentation unter "Ergebnisse der Bürgerveranstaltungen" nachsucht, dann entdeckt man von solchen m.E. gerade wichtigen Ergebnissen der Veranstaltungen keinerlei Spur, keine Ergebniszusammenfassung. Rien, nada, nothing, nitschewo, Responsivität = Null. Was man sehr wohl findet: Die offiziellen vorher vorbereiteten Präsentationen - das sind aber keine "Ergebnisse" des Austauschs. Und über allem schwebt ein wohl repräsentativ gemeintes Bild, wo die Bürger mehr oder weniger andächtig dem Frontalunterricht oder der Predigt der Planer lauschen. Da hebt sich gerade nicht mal eine kleine nachfragende oder zweifelnde Hand...
Ergebnis:
Die Planungsgrundlagen haben sich in Punkten geändert, die gerade auch für die merkantile Wirksamkeit der Maßnahme wesentlich sind. Das Lernen von Lektionen daraus ist nicht ersichtlich.
F.
Vereinbarkeit mit einschlägigen Regelwerken
Ein Verstoß gegen Regelwerke, die bei
der Planung von integrierten Rad- und Fußgängerwegen wie der Balkantrasse
einschlägig sind, ist während der Informationsveranstaltungen teils flüchtig,
teils gar nicht erläutert worden. Dabei gehe ich im Weiteren davon aus, wie
sicher auch die große Mehrzahl der Beteiligten: Die Rampe zur Hauptstraße ist wie
andere Rampen im Verlauf der Balkantrasse für Radfahrer und auch für
Fußgänger prinzipiell jeden Alters bestimmt. Zumindest ist keine praktikable
Verkehrsführung vorstellbar oder bisher auch nur vorgeschlagen, die einen
fußläufigen Verkehr an dieser Stelle zuverlässig und dauerhaft ausschließen
würde.
Die als Stand der Technik zugrunde zu
legenden Empfehlungen für
Radverkehrsanlagen
in der Fassung von 2010 (ERA, aktuelle Textfassung 2010 siehe hier) stellen unter ihrer
Nummer 2.2.3 die für gegebene Steigungen an Radwegen maximal vorzusehenden
Rampenlängen auf. Bei einer Steigung von 6% beträgt die maximale Weglänge
danach 65 m, bei einer Steigung von 10% sind es nur noch 20 m. Im
Falle der hier nunmehr geplanten Steigung von ca. 8% wäre der Wert zu
interpolieren, läge dann bei höchstens ca. 40 m. Tatsächlich aber ist
eine Länge von 130 m geplant (Längenangabe siehe IEHK S. 202
bei den Berechnungsgrundlagen zur Rampe West). Dies entspräche keinesfalls dem
Stand der Technik, wäre unter solchen Bedingungen auch nicht ernsthaft eine „sehr gute, direkte Anbindung an die
Innenstadt“ (so aber wörtlich das IEHK, S. 149). Ich weise darauf hin: Das
geplante erhebliche Gefälle würde auch (allein oder begleitend) radfahrende
Kinder einem merklichen Verletzungsrisiko aussetzen, gerade im
Begegnungsverkehr und bei der besonders kritischen Einmündung in die
Balkantrasse am Fuß der Rampe.
Die ERA 2010 regeln ferner die Integration
von Radwegen und Fußwegen. Unter ihrer Nr. 3.6 sind Ausschlusskriterien
für ein Verbinden solcher Verkehrsströme genannt, und zwar ausdrücklich
„starkes Gefälle“ als risikoerhöhender Faktor. Als starkes Gefälle definieren
die ERA bereits eine Neigung, die größer ist als 3 % (!!!). Damit
dürfte die Eröffnung des Verkehrs auf einer solchen Rampe als grob die Gefahr
erhöhend anzusehen sein, soweit Fußgänger nicht zuverlässig ferngehalten werden
können. Dies würde im Übrigen beachtliche Haftungsrisiken für denjenigen
bedeuten, der eine solche Verkehrsanlage in Betrieb nimmt und damit
verkehrssicherungspflichtig wird. Eine bloße Beschilderung (etwa „Radweg“ oder
„„auf eigene Gefahr“) würde solche Risiken in der Realität kaum abwenden und könnte
gegenüber späteren Schadensersatzansprüchen unbeachtlich sein. Anm.: Das IEHK
betrachtet zwar neben dem motorisierten Verkehr auch Fußgänger und Radfahrer
(z.B. S. 113); allerdings interpretiert es die Balkantrasse typischerweise
vereinfachend als reinen Radweg, so etwa auch bei den Bildbeispielen der
Präsentationen.
Wenn die Rampe tatsächlich nicht
als reiner Radweg organisiert werden kann oder soll, dann würde das nun
geplante Gefälle ohnehin gegen DIN 18024-1
„Fußgängerverkehrsfläche“ verstoßen, die bei öffentlichen Planungen ebenfalls
zumindest als Stand der Technik zu beachten ist und eine möglichst
barrierefreie Nutzung durch alle Bevölkerungsgruppen sichern soll. Danach
sollen Gehwege ohne Verweilplätze nicht mehr als 3% Längsgefälle aufweisen. Bei
Steigungen zwischen 3% und 6% muss die Planung in Abständen von max. 10 m zusätzliche
Verweilplätze mit weniger als 3% vorsehen (siehe zu weiteren Voraussetzungen https://www.strassen.nrw.de/files/commons/pdf/pub_leitfaden-barrierefreiheit-im-strassenraum-2012.pdf). Den Planern dürfte
die Problematik gegenwärtig gewesen sein, als sie die Rampe bei der
Informationsveranstaltung im Mai 2019 lapidar als „nicht mehr barrierefrei“
bezeichnet haben. Dies impliziert im Übrigen, dass sie in diesem Kontext eine
integrierte Nutzung der Rampe als Fuß- und Radweg als prinzipiell möglich
ansahen, wie mit Sicherheit auch nach wie vor die meisten Bürger*innen – nur
eben nicht mehr als barrierefrei.
Als ich bei Ratsmitgliedern nachfrage, wie sie dazu stehen, dass hier eine Planung gegen den Stand der Technik
verfolgt und noch dazu als „sehr gute Anbindung“ verkauft werde, da höre ich:
Ja, wo ich's jetzt sage - im Planungsausschuss habe man tatsächlich die Richtwerte aus ERA und DIN im
Blick gehabt und sogar ein wenig darüber gestritten. Aber dann habe man sich doch entschlossen, die vom Büro vorgeschlagene Lösung auszuschreiben und zu warten, wie wohl die
Bewerber mit den Problem umgehen wollten. Wäre es nicht demokratisch sinnvoll, mit solchen sehr ernsthaften Einwänden an die Betroffenen zu gehen, also an
die Bürger, Nutzer und Wähler? Z.B. gerade bei der Bürgerinformation im Mai 2019? Statt erstmal
weitere Fakten zu schaffen und business as usual zu spielen? Einen deutlichen Verstoß gegen offizielle Richtwerte zu unterschlagen, dazu braucht's schon eine belastbare Chuzpe oder Kaltschnäuzigkeit. Und nur nebenbei: Auch eine Ausschreibung wird voraussichtlich keine wesentlichen Teile der Euklidischen Geometrie außer Kraft setzen.
Ergebnis:
Die Planung verstößt in mehrfacher Hinsicht signifikant gegen die
ERA 2010. Insbesondere ist die Rampe mit ihrer starken Steigung um das
Dreifache zu lang angelegt. Das eingeplante starke Gefälle ist ein besonderer
Gefahrenpunkt gerade für radfahrende Kinder und ist gleichzeitig ausdrücklicher
Ausschlussgrund für eine integrierte Nutzung der Rampe als Fuß- und Radweg. In
keinem Fall könnte die Rampe an dieser Stelle barrierefrei angelegt werden –
oder höchstens mit mehreren, extrem kostenträchtigen Wendungen.
G.
Die gute alte Nutzer-Orientierung
Nutzer-Orientierung ist wie
Marktforschung ein sehr lohnender Ansatz beim Planen neuer Produkte oder
Dienstleistungen. Was sagen nun die potenziellen Nutzer der Rampe? Eine repräsentative
Befragung ist m.W. nicht vorgenommen oder geplant. Am nächsten dran an einer
repräsentativen Betrachtung ist die Analyse durch den örtlich zuständigen
Radfahr-Verband, hier durch den ADFC Verband RheinBerg/Oberberg. Der Verband teilt mir
am 29.8.2020 seine Einschätzung mit, die sich übrigens mit seinem Post im
Zusammenhang mit der Informationsveranstaltung im Mai 2019 deckt:
„Der ADFC RheinBerg-Oberberg hält die
Rampenlösung nicht für ‚den besten Weg‘ in die Burscheider Innenstadt:
1.
Die
Rampe mit einer Steigung von 7,9 % ist nicht barrierefrei.
2.
Es
handelt sich auf kurzer Wegstrecke um die 2. Rampe, die von "schwächeren
Radfahrenden" überwunden werden muss.
3.
Für
Pedelec-Nutzer und sportliche Fahrer steigungstechnisch kein Problem. Aber für
folgende Nutzer ist die Bewältigung nicht einfach: Fahrräder mit Anhänger (Kind,
Hund, Gepäck); Kinder unter 8 Jahren; Liegeräder, Lastenräder, ggf. auch
Tandems; Rollstühle; Kinderwagen.
4.
Wenn
Radfahrende (mit konventionellen Rädern) aus Richtung Wermelskirchen kommend,
eine 180 Kehre beschreiben müssen, um die Rampe hochzufahren, geht der Schwung
verloren, werden durch Unachtsamkeit ggf. andere Trassennutzer gefährdet, ungeübte
Fahrer können sich beim Fahren "enger Kurven" verschätzen und ggf.
stürzen.
5.
Nehmen
unmotorisierte Radfahrende aus Richtung Opladen "Anlauf", um die
Rampe zu bewältigen, werden ggf. andere Nutzer gefährdet.
6.
Das
Abbiegen am unteren Ende der Rampe in Richtung Wermelskirchen birgt ebenfalls
fahrtechnische Risiken für ungeübte Fahrer (zu großer Bogen = Radfahrer*in
gerät in den Gegenverkehr, zu enger Bogen = Radfahrer*in kippt um).
7.
Ggf.
muss die die Rampe an den Enden durch Umlauf-/Umfahrsperren gesichert werden; in
diesem Fall müsste an der Einmündung Hauptstraße ggf. abgestiegen werden
(Platzgründe, fehlender Schwung); an der Anbindung Balkantrasse müsste ggf.
auch abgestiegen werden, weil die Kurve zu eng ist (s.o.) - bei hoher Frequenz
bilden Sperren einen künstlichen Engpass.
Selbstverständlich können alle Nutzer
die Rampe hochschieben (Pedelec mit Schiebehilfe), aber Sinn soll ja eine
einfache und zügige Zuwegung zur Hauptstraße/Aussichtsplattform sein. Wie
eingangs erwähnt, befürworten wir den Ausbau der vorhandenen Zuwegungen
Montanusstraße und Dammstraße.“
Damit verstößt die Rampe – und ihr Schicksal teilt dann auch die planerisch damit vereinte Plattform – nicht nur gegen die relevanten
Regelwerke, sondern ganz offenbar sogar gegen die Interessen der angepeilten
Zielgruppe. Warum halten dann alle Beteiligten die Schotten dicht und halten in
einiger Treue fest an einer längst überholten und widerlegten Idee?
H.
Drachenhaut. Oder: Wie sind wir in den Schlamassel geraten?
Ja, wie kam es eigentlich? Offenbar durch die besondere Gruppendynamik von
Landesprogrammen, durch die einfühlsame psychologische Routine eines gut
eingeführten Planungsbüros und durch das archaische „Haben wollen“, das davon
abrät, Mittel liegen zu lassen, die dann andere Kommunen abgreifen könnten.
Das Planungsbüro verschafft mit der Konzeptentwicklung den silbernen Schlüssel
zum goldenen Landes-Topf am Ende des Regenbogens. Und wenn das Land zu jedem dritten eigenen Euro noch sieben frische Euros dazu verschenkt, dann ist das gefühlt wie Weihnachten, Ostern
und Geburtstag zusammen. Wer kann da widerstehen? Ein gut eingespieltes Planungsbüro hält Kontakt zur Landesverwaltung,
kennt schon den Referentenentwurf des Fördergesetzes, kann gar über seine
Interessenvertretung das eine oder andere Förderziel zu seinen Gunsten mitgestalten oder sich auf den Leib schreiben lassen.
Mit einem erfolgreichen Konzept (hier: Altena) weist es sich bei den weiteren Aspiranten
aus. Hat es dann den Auftrag im Sack, braucht es ein wenig Empathie, aber es kann den sonst
gerne zerstrittenen lokalen Gruppen zu einem langen, gemeinsamen, heimatlichen Glückserlebnis verhelfen: „Bekomme ich Futter für meine Unterstützergruppe und mein
Wahlprogramm, dann darfst Du so etwas natürlich auch gerne haben!“ Das Füllhorn des Landes scheint unerschöpflich, selbst und gerade für nicht so gut gestellte Kommunen, für solche, bei denen schon jahrelang Schmalhans Küchenmeister ist. Da
schluckt man schon mal die eine oder andere inhaltliche Kröte und Plausibilitäts- und Qualitätskontrolle
werden beim Auftischen und Aufteilen der fetten Beute sekundär. Statt der gesunden Frage nach dem "Zwingend erforderlich?" reicht nun ein "Schadet wohl nicht!". Oder auch: Anstelle von "Who's definitely in need of that?" heißt es viel lockerer "Who cares? Now let's proceed in our broad agenda!"
Ein Architekt muss Geschichten in Cinemascope erzählen
können, muss Mut zu Neuem anstoßen und auch zum Investieren, bei einer häufig
eher konservativen und überwiegend nicht fachtechnisch versierten Klientel. Da
kommt ein Hochglanz-Modul wie der „Erlebnisaufzug“ doch sehr zupass. Mensch, da hat’s einer geschafft,
das ganz große EU-Geld anzugraben! Und wie ein Vollblutpolitiker so tickt, wenn
er sieht, dass andere schon den kapitalen Hirsch geschossen haben: Die Augen
werden glänzend tränenfeucht, von den Lefzen tropft es zart und leicht sabbernd
dringt es über die bebenden Lippen: „Auch haben wollen!“ Kann doch wohl nicht sein, dass
andere (Kommunen) absahnen und man selbst traurig mit leeren Händen auf
der Bühne steht! Da wollen wir doch dabei sein, reale Vergleichbarkeit und objektivierbarer Nutzen werden da zweitrangig oder man verschiebt sie gerne auf später.
Ein erfahrener Planer wird sein Konzept
auch mit einer Drachenhaut oder mit einer Dornröschen-Hecke umgeben und härten: Nur
einheitlich umgesetzt könne es Nutzen stiften, alles hänge mit allem zusammen,
alles stehe oder falle gemeinsam und wenn es falle, dann drohe der kollektive
Exitus, der Tod der Innenstädte. Drum nennt man so ein Konzept gerne „integrierend“, selbst
wenn es aus sehr unterschiedlichen, nicht im Einzelnen kausal von einander
abhängigen Komponenten besteht. Und drum werden alle Fragen mit orthodoxer
Strenge verfolgt, die zur Plausibilität von Konzeptteilen aufkommen. Als ich nach
Zeitungsberichten über die konkretisierte Planung der Rampe zu deren konkretem Sinn nachfrage, sagt mir ein Mitarbeiter der Stadt (oberes Management) wörtlich, er
fände es „doof“, wenn Leute Fragen zu der Rampe stellen, die den Planungsprozess
nicht im Einzelnen nachverfolgt hätten. Und während der Informationsveranstaltung
im Mai 2019 bezeichnet ein Teilnehmer die diversen durchaus sachlichen Fragen
der Bürger*innen zum alten Friedhof, zur Rampe und zur Plattform wörtlich als „Unverschämtheit“,
nachdem alle diese kleinen Dinge in den zuständigen Gremien der Stadt doch bereits so
lange und eingehend durchgekaut worden seien. Der ärgerliche Mahner ist Berufskollege der Planer, die die Konzeptentwicklung in der Informationsveranstaltung vorstellen sollen,
und offenbar ist er ein innig mit ihnen fühlendes Herz. Aber dieses krasse Abfertigen hat mich immerhin nachhaltig motiviert, mal kritisch nach den einschlägigen Regelwerken und Richtwerten zu forschen. Und siehe da (s.o. unter F.)!
Das ist hier die Herausforderung: Ein so
komplexes und schwergewichtiges und mit vielen Interessen beladenes Konzept
entwickelt das Trägheitsmoment eines vollbeladenen Öltankers: Einmal in
Bewegung gesetzt, hat es einen Bremsweg im zweistelligen Kilometerbereich. Wir
würden besser ein Beiboot klarmachen, statt paralysiert auf die Kollision mit
Land zu warten.
I.
Ein Spitzenplatz im nächsten Schwarzbuch?
In seinem Schwarzbuch spießt der Bund der Steuerzahler immer
wieder Fälle auf, bei denen die öffentliche Hand „Aussichtspunkte“ finanziert
hat, ohne dass irgendein Mehrwert an Aussicht wahrnehmbar wäre. Der Bund
vermeldet diese stetig wiederkehrende Fallgestaltung offenbar sehr gerne, selbst bei deutlich kleinerem
Investitionsvolumen wie etwa hier.
Für Burscheid kommen hier mehrere bizarre Aspekte wie in einem
Zerrspiegel zusammen: Eine öffentliche Planung verstößt in mehrerlei Hinsicht
gegen die Richtwerte offizieller Empfehlungen und Normen. Ein Nutzer-Interesse ist für die
konkrete Planung nicht zu erkennen. Das Projekt würde relevante öffentliche
Mittel verschlingen, einen Gefahrenpunkt schaffen und ggf. noch die öffentliche Hand
unnötigen Haftungsrisiken aussetzen. Und am ärgsten fällt dann der Lackmus-Test aus: Alle diese Nachteile
würden bei einer verfügbaren, naheliegenden und deutlich kostengünstigeren anderen
Lösung sofort entfallen, nämlich beim Anbinden der Innenstadt über die ebenerdige Schnittstelle an der Montanusstraße. Oder auch: Des Kaisers neue Kleider sind nicht nur durchscheinend oder fadenscheinig. Er hat gar keine an. Es ist nicht mal eine Vision.
Ich meine: Mit diesem schrägen Streich sollte sich
Burscheid nicht ohne Not bundesweit bekannt machen.
K. Das Kind braucht einen Namen - und ein Lied
Nun ist ja nicht auszuschließen, dass Burscheid die sehr
spezielle Rampe tatsächlich baut. Selbst nicht unter der Drohung eines Spitzenplatzes im Steuerzahler-Schwarzbuch (s.o.) und auch nicht in Kenntnis dieses einfühlsamen Rampen-Songs:
Das Lied von der Rampe
oder: Wenn die Euros sind frei
frei nach Hoffmann von Fallerslebens Vorlage von 1842
zarte Textanpassungen: K. U. Voss im September 2020
zum Vortrage gebracht unter www.vo2s.de/rampe-ein-lied.mp3
Die Gedanken sind zu frei,
lasst uns schnell zementieren!
Wir bleiben da-abei,
was könnt‘ uns irritieren?
Sind Fakten geschaffen,
dann schweigen die Affen
und werden scho-on seh’n:
Unser Bu-urscheid wird schön !
„Quäääl dich, du-u Sau!“ *)
heißt es jetzt auf der
Rampe.
Dann denkst du: „Ge-enau,
wer braucht schon ‘ne Wampe?“
Und bist du erst oben,
dann wird sie das loben,
was du heut‘ ge-eschafft
mit titanengleicher Kraft !
Und stürmst du e-empor,
oh! schon stürzt dir‘s entgegen:
Die Rollschuh‘ zu-uvor
und dann erst der Segen
aus Rollstühl‘n und Rollern,
sie rollen und kollern,
auch Skateboards da-abei.
Und du mitten im Geschrei !
Die Moraaal von der Geschicht‘,
merke, dass es diese wäre:
Den Planern traue nicht,
wenn’s Geld regnet. Doch kläre,
was Nutzen, was Schäden,
was Kosten, was eben
herauskommt da-abei,
wenn die Eu-euros sind frei !
*) Zitat Strophe 2, Zeile 1:
Uwe Bölts zu Jan Ullrich bei der Tour de France 1997
auf einer 9%-Rampe
zum Grand Ballon in den Vogesen.
Also: Wenn's denn ernst wird, dann wird die Installation auch einen klingenden Namen brauchen –
für Empfehlungen, Warnungen oder auch Rezensionen. Da fällt mir gleich Diverses
ein:
Sendero Luminoso (wegen der geplanten
Illumination der Plattform, wegen der revolutionären Auslegung, aber auch wegen der Anden-gleichen Kontur des
Anstiegs), El Dorado (wenn man die Balkantrasse noch heute als Lebensader der Burscheider
Wirtschaft interpretieren will), Pista Nigra (der sportlichen Herausforderung
wegen), Via Dolorosa (für alle Radfahrer, die weiter auf
Muskelkraft bauen), Hell’s Angle (nicht 'Angel') oder Guinness-Grat
(wegen der klar rekordverdächtigen Steigung), vielleicht auch Sau-Rampe
(in Anklang an den aufmunternden Zuruf von Timo Bölts an Jan Ullrich, siehe oben). Bei der Plattform würde
ich etwa denken an Skywalk, Podest, Balkon
(vielleicht mit fest installierten Figuren „Waldorf & Statler“), Vor-Werk,
Zehnmeter oder Anhängsel.
Im
Rahmen eines Integrierten Konzepts wäre natürlich eine das ganze Ensemble ganzheitlich
verklammernde Bezeichnung optimal – zum Beispiel Stephanus-Steig zur Kaplans-Kanzel.
Im Ernst: Ginge es nicht um eine halbe Million Öcken unserer Steuern und um ein nach aktuellem Erkenntnisstand sinnfreies Bauwerk mit einer Halbwertzeit von im Minimum 50 Jahren, ich würde das Ganze für einen großen Scherz halten, für einen genial ausgetüftelten und souverän performten Slapstick von der Kleinkunst-Bühne.
Und jetzt biete ich noch einen Lackmus-Test für planerische Größe an: Wenn man fair denkt und eben auch konkret an den Bedarf der Radfahrer, dann wird man an der Abzweigung zur Rampe noch einen solchen Hinweis aufstellen:
Zwei
weitere Minuten geradeaus,
dann gelangt ihr an den
zur
Trasse höhengleichen
Biergarten im "Alten Bahnhof"
Das wissen übrigens die vorausschauenden E-Biker sowieso schon, von Google Earth, von ihrem Trip-Computer oder von ihrer Handy-App. Dennoch: Würden Sie den Planern einen solchen fairen Wink zutrauen? Wo sie doch die Radfahrer en gros auf die Rampe locken wollen?
L. Was tun?
Was könnte man tun? Mit Sicherheit braucht es etwas Masse, um die Planung einfühlsam auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.
Ich hätte da mal etwas vorbereitet, Unterschriftenliste inklusive: www.vo2s.de/bruecke.pdf. Jede Mithilfe bei der Verbreiterung der Basis ist sehr willkommen!
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