Montag, 3. Juni 2019

Radeln, anstreichen und verkaufen


Der Arbeitskreis Handel in der Wirtschafts- und Werbegemeinschaft „Wir für Burscheid / WfB“ begrüßt die Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen im Rahmen des „Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzepts / IEHK Burscheid 2025“ ganz ausdrücklich, so etwa im Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 1./2.6.2019 (Jan Sting „Händler: Burscheid im Aufwind. Werbegemeinschaft begrüßt Umbau der Hauptstraße“). 
Das kann man doch sehr gut nachvollziehen: Wenn die Burscheider Hauptstraße wieder attraktiver = anziehender wird, wenn die Fassaden frisch herausgeputzt sind, wenn Leerstände gefüllt sind, wenn die Wege für Fußgänger, Radfahrer und PKW’s gut gebahnt sind – einschließlich guter Parkmöglichkeiten und abwechslungsreicher Verköstigung – dann machen Kaufen wie Verkaufen und machen auch Dienstleistungen deutlich mehr Spaß. Und es bleibt auch mehr hängen. Ein wenig mehrdeutig wird’s dann bei der Zusammenfassung durch die Pressesprecherin und die Sprecherin des Arbeitskreises Handel der WfB-Gemeinschaft: 
Wir haben schöne inhabergeführte, florierende Geschäfte, gute Erreichbarkeit, ausreichenden kostenlosen Parkraum und eine attraktive Innenstadt nach den Umbaumaßnahmen – mit neuem Wohnraum, mit breiten barrierefreien Bürgersteigen und Platz für Radfahrer, mit Bäumen und Bänken, neu gestalteten Parks und einem Zugang von der Radtrasse direkt in die mittlere Hauptstraße“.
Gerade das Letztere ist schwer nachvollziehbar: Tatsächlich gibt es ja bereits vor den anstehenden Baumaßnahmen einen Zugang direkt in die mittlere Hauptstraße“ und sogar barrierefrei, ohne Rampe: Man zweigt an der Dammstraße vom Radweg ab, fährt dann am Markt entlang direkt in die mittlere Hauptstraße. Kommt man aus Richtung Hilgen, geht’s sogar noch schneller und ohne jegliche Steigung – einfach auf die Montanusstraße abbiegen und an der Volksbank rechts (oder auch links) herein. Schon da, mitten im Geschehen!
Gut, was man noch verbessern dürfte: Kosmetik bzw. Deo. Wenn man etwa am Abzweig Dammstraße den auch schon arg verbeulten großmäuligen Mülleimer öfter leeren würde, wenn dieser auch nicht mehr wochenendelang inkontinent zum Himmel stinken würde – dann würden wir wohl noch viel mehr Touristen anlocken, in die Innenstadt, wie es dort ja auch schon ausgeschildert steht. 
Aber das ginge wie gesagt weitgehend aus dem Eingemachten, vielleicht mit einem aufmunternden Anruf des Bürgermeisters bei seinen Technischen Werken / TWB; wir müssten dazu nicht etwa neue steile Rampen aufschütten oder nutzlose Skywalks an Brücken anflanschen. Übrigens genau so sehen es auch viele Radfahrer, wenn man gerne hinhören möchte: Der Allgemeine Deutscher Fahrrad-Club RheinBerg-Oberberg e.V. / ADFC, Oberheidkamper Straße 52 in 51469 Bergisch Gladbach sagt in einer aktuellen, nüchternen Bewertung der geplanten Rampe von der Balkantrasse zur Hauptstraße: „Burscheid braucht keine Visionen, sondern Rad-Infrastruktur!“ und gibt insbesondere dreierlei zu bedenken:
(1)  Burscheid hat bereits zwei lästige Rampen (statt Tunnel-Lösungen) im Verlauf des Panorama-Radwegs Balkantrasse auf seinem Stadtgebiet.
(2)  Es ist unwahrscheinlich, dass Radfahrende in Richtung LEV-Opladen - bergab fahrend - eine Kehrtwende beschreiben, umständlich eine Rampe hinauf radeln/schieben, um in die Hauptstraße zu gelangen.
(3)  Es fehlt eine lückenlose Radinfrastruktur.
Dem ist wenig hinzuzufügen, außer: Den letzten Punkt bei den weiteren Planungen wirklich ernst nehmen, eine für Radfahrer nun tatsächlich kooperative Spange durch die Innenstadt legen und nicht um des Prinzips willen eine lebensfremde Planungs-Arabeske für teures Geld verewigen. 
Was mich an der Stellungnahme des WfB noch ein wenig verwundert: Eigentlich hat man mit den trost- und nutzlosen Blechbäumen am Markt ein unschlagbares Beispiel verfehlter Entwicklungs-Planung schon jahrelang vor Augen. Braucht Burscheid denn wirklich "Mehr desselben", wie Paul Watzlawick in seiner skurril-lebensnahen "Anleitung zum Unglücklichsein" herausgearbeitet hat?

Exkurs: Watzlawick beschreibt in seiner genialen Handreichung eine Beharrlichkeit, die in immer weitere Verstrickung führt, treffend als Syndrom einer doppelten Blindheit: "Erstens dafür, dass die betreffende Anpassung (eine früher sinnvolle Überlebensstrategie) eben nicht mehr die bestmögliche ist, und zweitens dafür, dass es neben ihr schon immer eine Reihe anderer Lösungen gegeben hat, zumindest nun gibt. Diese doppelte Blindheit hat zwei Folgen: Erstens macht sie die Patentlösung immer erfolgloser und die Lage immer schwieriger, und zweitens führt der damit steigende Leidensdruck zur scheinbar einzig logischen Schlussfolgerung, noch nicht genug zur Lösung getan zu haben. Man wendet also mehr derselben 'Lösung' an und erreicht damit genau mehr desselben Elends." (Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, Piper, 16. Aufl. 1997, S. 28f). Exkurs Ende.



Aber vielleicht könnte man ja den unheilvollen Kreislauf hier unterbrechen und gerade die Blechbäume bei der neuen Planung schadensmindernd recyceln. Also: Wenn jetzt wirklich der schräge Skywalk an der Hauptstraßenbrücke angeflanscht wird und wenn – wie der Bürgermeister unerwartet verzagt vermeldet – eine Außengastronomie mit Schirmen etc. darauf allerhöchstens mittelfristig zu erwarten steht: Warum verpflanzen wir dann nicht einfach die Bäume (oder doch einen oder zwei davon) auf den neuen Skywalk? Sie wachsen dort sicher fest an und könnten wind- und standsicher vor Regen schützen – und unten würden sich die Balkantrassen-Touristen verwundert die Augen reiben, würden sich in ganzen Seilschaften neugierig die Rampe heraufhangeln und würden eigenäugig nachsehen wollen, was denn in Burscheid für listige Lurche am Werke sind, um uns in Szene zu setzen und aus dem städtebaulichen Einerlei herauszuheben.
G O T C H A !!!!


Weiterführende Informationen:
Post zur aktuellen Informationsveranstaltung von Stadt Burscheid & Planungsbüro zu Rampe und Skywalk = 

http://uliswahlblog.blogspot.com/2019/05/burscheid-spange-statt-skywalk-und-rampe.html

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