Freitag, 11. November 2011

Wahnsinn: 50 m rückwärts in 2 Jahren

Das soll mir mal einer nachmachen: Schon zwei Jahre, nachdem ich im Bürgermeisterwahlkampf 2009 eine Geschwindigkeitsbegrenzung an der Kreuzung Dierather Straße / L 291 in der Nähe des Hauses Kuckenberg angemahnt hatte, soll sie nun tatsächlich kommen, siehe auch Pressebericht in der WZ / Bergischer Volksbote.

Die 50 km/h - Begrenzung, die aus Opladen kommend hinter der Kreuzung steht (von Burscheid her kommend gelten auf der Kreuzung ohnehin unbezweifelt 50 km/h), sie wird nun rückwärts gesetzt. So weit, dass sie dann also die Kreuzung mit einschließen wird. Spiel, Satz und Sieg ;-)

Aber immer mal langsam: Natürlich war bei weitem nicht ich allein ursächlich für die nunmehrige Wendung, und viele, die sich weitergehend für einen Kreisverkehr an gleicher Stelle eingesetzt hatten, sind nun vielleicht sogar recht enttäuscht. Eigentlich hatte ich damals auch nur die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und gedacht, das ginge ganz ratz-fatz. An der nämlichen Stelle hatte ja bereits jahrelang unangefochten ein Tempo-50-Schild gestanden - bis die Verwaltung dann aber plötzlich gemeint hatte, das wäre dort nur ganz aus Versehen gewachsen, und sie hatte es mir-nichts-dir-nichts  in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ausgerupft und in eine Höhle des Bauhofs verschleppt. Zur Ehrenrettung der Stadt: Es war nicht deren Idee - ein Emissär der Kreisverwaltung hatte hier gestrenge für Ordnung gesorgt.

Auf meinen Protest wegen der offensichtlichen Gefahrerhöhung hatte mir die Verwaltung i.J. 2009 noch tröstlich gesteckt, das ausgemerzteTempo-50-Schild hätte sowieso nicht viel bewirkt, da es damals ja relativ dicht hinter einem großen tabellarischen Wegweiser gestanden hätte. Drum sei der Unterschied nun doch gar nicht so groß. Nicht weinen!

Eigentlich hätte man es dann ja nur ein wenig ins Licht setzen müssen, nicht wahr? Weniger aufgefallen war der Verwaltung seinerzeit auch, dass das dann einzig verbliebene 50-km/h-Schild hinter der Kreuzung - und vor der Bushaltestelle - mitten zwischen sehr vitalen Laubbäumen stand und jedenfalls im Sommer zumeist bis zum unmittelbaren Vorbeifahren unsichtbar blieb. Sofern es nicht besorgte Anwohner freigeschnitten haben, ebenso wie die stark sichthindernde Vegetation auf dem Randstreifen vor der Kreuzung. Soviel zum beschränkten Geltungswillen öffentlicher Gebote = manchmal "wollen sie doch nur spielen".

Meine entsprechenden Posts in diesem Blog von vor zwei Jahren:
http://uliswahlblog.blogspot.com/2009/05/vaterloses-aber-hilfreiches.html
http://uliswahlblog.blogspot.com/2009/07/herrenloses-schild-bodenversiegelung.html
http://uliswahlblog.blogspot.com/2009/08/das-vaterlose-schild-und-die.html

P.S.
Ich kapier' immer noch nicht so recht, warum sich die Verwaltung in den letzten zwei Jahren lang so geziert hatte. Es ist absolut unlogisch, eine Geschwindigkeitsbegrenzung hinter eine Kreuzung zu legen - Kreuzungen sind nun einmal signifikant höher Unfall-belastet als der normale, unverzweigte Fahrweg. Auch dass auf Bundesstraßen - die frühere Existenz der L 291 war ja eine B 232 - ein hoher Durchsatz garantiert werden muss, das hatte angesichts der vielen anderen Beispiele zwischen Opladen und Burscheid und wegen der ja sowieso unmittelbar anschließenden Tempo-50-Zone von Anfang an nicht überzeugt. Nun: wäre die Kreuzung eine Kreuzung innerhalb einer "geschlossenen Ortschaft", was angesichts der heute weitgehend zusammengewachsenen Bebauung durchaus argumentierbar wäre, dann hätte es das ganze Problem von Anfang an nicht gegeben. Aber eine solche Kreuzung und die zugehörige Bau- und Unterhaltungslast könnte sich Burscheid gar nicht leisten und will es sicher auch nicht.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

15.10.2011 / Sur-5-al II auf der Balkan-Trasse und ein arg zerstreutes Regal














Ab 10h Wanderung über die ehemalige Bahntrasse; ein wenig ein déjà vu zu meiner Wanderung mit den GRÜNEN vor zwei Jahren, noch während der Kommunalwahl-Phase. Wie man anhand der damalige Bilder sehen kann, hat sich schon einiges getan; allerdings ist inzwischen auch der zentrale Burscheider Bahnhof, auf dem damaligen Blog noch sonnig beschienen, den Weg alles Irdischen gegangen. An seiner Stelle soll das neue Jugendzentrum entstehen.

Nun ziehen ca. 25 Bürger unter der Schirmherrschaft von bergischgruen in der Veranstaltungsreihe "Von hier nach da - Facetten der bergischen Verkehrsgeschichte" über den künftigen Panorama-Radweg (anfangs mal: Fernradwanderweg, dann Alleenradweg) von Hilgen nach Kuckenberg. bergischgruen ist ein Gemeinschaftsprojekt der Kulturregion Bergisches Land. Kooperationspartner sind die Thomas-Morus-Akademie Bensberg, der Oberbergische Kreis, der Rheinisch-Bergische Kreis und die Stadt Leverkusen. Förderer von bergischgruen sind das Land Nordrhein-Westfalen, genauer das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport im Kontext der Regionalen Kulturpolitik und die Kultur- und Umweltstiftung der Kreissparkasse Köln; hier ein Link zu der Veranstaltungsankündigung von bergischgruen.

Mit am Start sind Mitglieder der „Freunde und Förderer der Balkantrasse e.V.“ und Angehörige der Burscheider Stadtverwaltung, die den Verlauf der Planung und Realisierung erläutern, insbesondere Dipl.-Ing. Remer und (ab Kuckenberg) Bürgermeister Caplan. Die „Freunde und Förderer“ kümmern sich um die Realisierung des Teilstücks von Opladen nach Burscheid und können – da die Stadt dort selbst nicht einsteigt – jede Hilfe gebrauchen, z.B. durch Spenden oder durch einen einfachen Klick für eine noch aussichtsreichere Platzierung in einer Förder-Auslobung der DiBa-Bank (ganz harmlos, tut nicht weh).

Und nun geht's los: Trotz des etwas anderen Eindrucks in den Presseberichten ist der Steinbrecher noch nicht besonders weit gekommen (vielleicht 25%). Einige Brücken sind ganz oder teil-saniert, eine durch eine Röhre ersetzt, eine muss wohl noch abgerissen werden.













Der Hilgener Abschnitt kann voraussichtlich erst mit ca. zweijähriger Verzögerung hergerichtet werden, da vorher noch die Bundesstraßen-Brücke (B 51) abgerissen / neuerrichtet werden muss (wird auf normales Straßenniveau abgesenkt, in der Folge wird auch der nach Burscheid weisende Einschnitt verfüllt, mit Folgen für die künftige Radwegführung). Bis zur Fertigstellung der Brücke muss der Radweg zunächst improvisiert werden, will sagen, er endet einige hundert Meter vorher und die Radfahrer werden auf die Floßwiese geleitet. Von dort werden sie zunächst "auf eigene Faust" und bewusst ohne städtische Beschilderung weiterkommen müssen. Denn die vorhandenen Überwege besitzen nicht die ausreichenden Maße für die Ausschilderung als Radweg und sind auch nicht erweiterungsfähig (!).
Am Burscheider Hallenbad, wo die frühere Brücke durch einen Damm ersetzt worden war, ist eine lange, sehr schlammige Rampe aufgeschüttet.
Der Burscheider Abschnitt verursacht Gesamtkosten von ca. 3,5 Mio€, auf die Stadt werden ca. 500 T€ entfallen (Steigerung um 100 T€ wg. höherer Sanierungskosten einer Brücke, die in die Projektkosten eingerechnet werden). Herr Caplan räumt später in Kuckenberg (s.u.) freimütig ein, dass auch die drei sonstigen Millionen nicht vom gütigen Himmel fallen, sondern aus Steuergeld bzw. genau besehen durch weitere Kreditaufnahme der bereits hochverschuldeten öffentlichen Hand finanziert werden müssen. Die laufenden Kosten werden mit ca. 4 T€ / Jahr geschätzt; dies umfasst nur eine rudimentäre Reinigung - u.a. keine Winterräumung - und zu einem wesentlichen Anteil Kosten der technischen Überwachung der Brückenbauwerke. Beleuchtung ist aus Kostengründen ebenfalls nicht möglich. Anm.: Anstelle des zunächst angekündigten wasserdurchlässigen Belags (verdichteter Schotter etc.) wird der Weg nun asphaltiert, damit soll eine breitere Nutzung möglich werden (+ Skater) und die Unkrautentfernung wird weniger aufwändig. Als Nutzergruppen sind neben Radfahrern unterschiedlicher Leistungsklassen auch Wanderer, Skater und Rollstuhlfahrer (viele "close encounters"?) im Blick. Neben den höhengleichen (früheren) Bahnhöfen werden einige zusätzliche Einstiegspunkte geschaffen, teilweise allerdings aus topografischen bzw. Kosten-Gründen nicht barrierefrei.
Anm.: Nach der Logik von Bahntrassen verlaufen schätzungsweise mehr als 50% der Strecke ohnehin nicht in Sichtweite von Siedlungen, sondern durch die grüne Natur; der Grün-Anteil dürfte zwischen Hilgen und Burscheid-Zentrum sogar über 75% liegen. Was die abendliche / nächtliche Benutzung für Teenager / Besucher des (noch umzuziehenden Megaphons) nicht eben zu einer Alternative macht, die die besorgteren Eltern beruhigen würde.
Herr Caplan wandert nicht mit, sondern stößt - mit etwas Verspätung u.a. wg. eines Verkehrsstaus zwischen Wermelskirchen und Burscheid - anschließend im Haus Kuckenberg dazu und berichtet dort aus der langjährigen Planungsgeschichte: Das Projekt sei das weitaus komplexeste seiner Laufbahn (ein Detail: Zuordnung der Baulast der Brücke über die Autobahn, aber auch Arten- und Naturschutz und "was nicht alles") und das Vorhaben habe immer wieder auf der Kippe gestanden, so etwa nach Rückstufung der früheren B 232 zur Landstraße. Denn damit waren fest einkalkulierte Zuschüsse für einen wesentlichen Teil der Trasse entfallen. Man habe sich aber - eingedenk der bereits getragenen Mühen und Lasten - immer wieder zum Weitermachen motivieren können. Einen ganz besonderen Anteil habe mit seiner hervorragenden Vernetzung der frühere Bürgermeister Kahrl gehabt, der mehr als 60% seiner Arbeitszeit auf das Projekt habe verwenden müssen (!). 
Wenn der Anschluss an die Rheinschiene glücke, könne der Radweg auch ein interessanter Wirtschaftsfaktor für Burscheid werden. Zum attraktiven und ersehnten Anschluss an die Rheinschiene: Der Leverkusener Rat hat sich gegen eine Unterstützung entschieden, er sieht städtebauliche Prioritäten etwa in der "Neuen Bahnstadt Opladen". Anm.: Auch Leverkusen ist hoch verschuldet, wenn auch mit 3.250 € pro Einwohner etwas weniger als Burscheid mit 3.500 € (offizieller Wert nach der Landesstatistik von it.nrw mit Stand: 31.12.2010). In Leverkusen hat sich zur Realisierung des dortigen Teilstücks der "Balkan-Trasse" eine Initiative mit derzeit mehr als 1.100 Mitgliedern gegründet (12 € Jahresbeitrag), die aus ihren Einkünften zwar wohl die laufende Verkehrssicherung finanzieren kann (Ansatz: 8.000 €, dies sei wg. einer größeren Zahl von Brückenbauwerken spezifisch höher als in Burscheid), aber eben bei weitem noch nicht die Kosten der Herstellung des Radweges. Hier werden weiterhin dringend Spender gesucht, siehe auch oben zu Beginn dieses Blog.
Zu den wirtschaftsfördernden Potenzialen: Für Burscheid braucht es wohl noch spezielle "Teaser", sonst würde hier kaum jemand vom Rad steigen. Hier will man aber entsprechend den Erfahrungen mit anderen neu eröffneten Radwegen die Realisierung abwarten, der "Appetit kommt immer beim Essen". Anm.: Interessant wäre die Anbindung für das Burscheider Bad, ein tatsächliches Highlight mit bekannter Ausstrahlungskraft, ebenso für das zum alten Bahnhofs-Standort umzuziehende Jugendzentrum "Megaphon".
Die Sache hat allerdings einen strukturellen Haken: Beide Einrichtungen sind für einen attraktiven Betrieb auf die bisherigen freiwilligen kommunalen Zuschüsse angewiesen. Sobald aber das städtische Eigenkapital vollständig aufgebraucht sein wird (ich ergänze: auch durch Mittel für den Radweg), und das kann nach gegenwärtiger Schätzung in drei bis vier Jahren der Fall sein, können derartige Zuschüsse nach geltendem Haushaltsrecht nicht mehr genehmigt werden. Der Radweg kann zu einem Sargnagel dieser knappen Burscheider Ressourcen geraten. Und deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein ist ein wesentliches Argument ist für die Neuansiedlung junger Familien, weswegen die Kommunalaufsicht bei der weiteren städtischen Bezuschussung dieser Einrichtungen auch seit langem ein Auge zudrückt.
Leider hat Burscheid ein weiteres Problem, das es nicht wirklich braucht: Johnson Controls, von der Bahntrasse mit seinem pricken Hochregallager hübsch anzusehen, ist strategisch aus Burscheid herausgewachsen - inzwischen der global viertgrößte Hersteller von Auto-Inneneinrichtungen - und wird in Kürze seinen Standort verlegen; die Nachfolge-Nutzung steht noch in den Sternen. Und das Hochregallager ist eine Erinnerung an einen weiteren, sehr nachhaltigen Einschnitt: Es wurde noch von der ehemaligen Goetze AG errichtet und war nie recht in Betrieb, da Goetze kurz danach wirtschaftlich zusammenbrach. Dies wiederum hatte Burscheid zu massiven Steuerrückzahlungen gezwungen, die nur durch hohe kommunale Kredite langsam abgestottert werden konnten. Ohne diese Kalamitäten bräuchte man sich um ein im Grunde positives Projekt wie den Radweg nicht wirklich den Kopf zu zerbrechen.


Das Hochregallager teilte einen Tick mit den frühen bergischen Uhren. Deren Schlagwerk war nicht durch die jeweilige Stellung des Stundenzeigers gesteuert; vielmehr verpasste eine Nocke auf der Welle des Minutenzeigers dem Schlagwerk bei jedem Durchlauf den immer gleichen einfachen Impuls, der das Schlagwerk jeweils um einen von 12 aufeinander folgenden Abschnitten weiterrückte. Jeder Abschnitt zählte dann seine fest eingekerbten Schläge herunter, nach dem Zweierabschnitt kam normalerweise eine Stunde später der Dreier usw. Kam das Schlagwerk aber einmal in Tuck, wurden natürlich alle folgenden Stunden falsch angeschlagen, bis man die Sache von Hand wieder in Ordnung brachte. Das Hochregallager nun war zur "optimalen" Raumnutzung auf einen random-access-Zugriff ausgelegt: Es legte die "Archivalien" nicht nach einer logischen Systematik ab [z.B.: "alle Kolbenringe in AA 1 - AZ 100"], sondern belegte wahlfrei jede offene Lücke und musste sich dann Datum, Objekt und Ort gut merken. Leider litt es unter wahlfreiem Gedächtnisverlust, sodass die Objekte - die man nach der baulichen Struktur des Lagers auch nicht manuell suchen und neu ordnen konnte - zunehmend in Vergessenheit gerieten und damit praktisch verloren gingen. Ohnedies war mit den just-in-time-Strategien modern verteilter Produktion die Zeit über eine solche Detail-Lagerhaltung längst hinweggegangen (sportliche Anerkennung dem, der es seinerzeit der Goetze AG noch angedreht hatte). Allerdings kann man den Baukörper beim Landeanflug auf Wahn immer gut ausmachen und als Stellfläche für Mobilfunk-Antennen ist er absolut herausragend.

Das vergesslich-depressive Hochregallager kann einen schmerzhaft an den Zustand der öffentlichen Finanzen und an die Reste kommunaler Planungshoheit erinnern. Vielleicht aber hockt in irgendeinem Winkel des Riesenregals noch das hoch-innovative Goetze-Männchen. Wir müssten es nur finden!
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