Montag, 23. Dezember 2013

Highlander

Highlander, das passt gut zum Bergischen Land und zu einer kommunalpolitischen Lehreinheit, die ich am Samstag genießen durfte: Es kann nur einen geben.

Die Vor- und Nachgeschichte
2014 wird außerplanmäßig neben dem Rat der Gemeinde Burscheid auch der Bürgermeister ausgeguckt, genauer gesagt: bestätigt. Jedenfalls, wenn alles wie geplant verläuft. Außerplanmäßig, weil wir den Amtsinhaber i.J. 2009 eigentlich auf sechs Jahre gewählt haben und dieser nun vorzeitig zurücktreten wird, um einen kostensparenden Gleichlauf mit der Ratswahl zu ermöglichen. So, wie es nach einer Änderung des Wahlrechts im Frühjahr 2013 aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Demokratie v.9.4.2013 in NRW ab 2020 ganz allgemein wieder gehandhabt werden soll. So weit so gut. Das Gleiche tun gerade viele Bürgermeister – der WDR hat dazu eine interaktive Übersicht ins Netz gestellt – und genau das kann auch der Wahlbeteiligung und damit am Ende dem Ansehen, der Legitimation und dem impact des Chefs oder der Chefin einer Bürgerschaft nur Kraft verleihen, auch aus meiner Sicht. Und Kosten sparen, das ist in Burscheid auch weiterhin sehr angesagt.
Ein massiver Schönheitsfehler ist allerdings für mich: Nach heutigem Stand stehen genau zwei Männer zur Wahl – der Amtsinhaber von der CDU und sein früherer Parteifreund und zeitweiliger Kronprinz der CDU. Jener Prinz war allerdings vor der letzten Wahl für ihn und einige andere sehr überraschend kurz vor dem Tron in die zweite Reihe gestellt worden. Er hatte dann rauchend vor Zorn die Fraktion verlassen und gemeinsam mit einigen Parteifreunden – ca. einem Drittel der CDU-Fraktion und etwa einem Viertel der Mitglieder – eine neue lokalpolitische Gruppierung gegründet, die "Bürger für Burscheid" oder kurz BfB. So wurde er 2009 am Ende doch Kandidat und hat bei der Bürgermeisterwahl auch aus dem Stand mit 30% der Stimmen einen sehr respektablen zweiten Platz errungen, im Rat auch mit 18,3% der Stimmen acht Sitze für seine neue Ratsfraktion. Exkurs: Rechnerisch hatte dann die CDU gemeinsam mit ihrem Ableger BfB recht genau die Hälfte der Stimmen und damit die Hälfte der Ratssitze erobert – ein atemberaubender, weit überproportionaler Zuwachs für diesen Teil des politischen Spektrums (auch wenn sich die Akteure selbst nicht grün waren und sind). Wenn man’s rein taktisch oder weltanschaulich sehen will: Hut ab! Das war schon sportlich.
Aber genau deswegen dreht sich mir der demokratische Magen um: Nach gegenwärtigem Stand der Dinge läuft die 2014er Bürgermeisterwahl auf einen weiteren und nun sogar personell verengten showdown hinaus, auf einen gunfight wie am 26. Oktober 1881 am O. K. Corral in Tombstone / Arizona, oder auf ein Adrenalin- und/oder Testosteronbad unter Männern. Mangels signifikanter politischer Differenzierung ist dabei halt kein wirklicher demokratischer Mehrwert in Sicht. Das habe ich so an den Stadt-Anzeiger geschrieben und der hat es am letzten Donnerstag freundlicherweise auch so gedruckt:
„Gut, es ist dem BfB-Kandidaten schon einmal anzurechnen, dass er eine bloße Akklamation der bestehenden Herrschaft verhindert - will sagen, dass es bei der kommenden Wahl überhaupt eine Auswahl geben wird und keine Farce. Trotzdem habe ich ein sehr schlechtes Gefühl: Die beiden einzigen Burscheider Bewerber kämen dann ja aus dem praktisch gleichen Denk-Stall. 
Sollten andere, sehr traditionsreiche Parteien tatsächlich nicht die Kraft bzw. das Geld für eine eigene persönliche politische Alternative aufbringen? Wie wäre es dann mit einer parteifreien Kandidatur? Wie wäre es womöglich mal mit einer unabhängigen Bürgermeisterin, der ersten im Übrigen? Kandidieren macht sogar Spaß und ich würde es von ganzem Herzen unterstützen!“

Meine Samstags-Lektion
Am Samstag sprach ich dann halb im Spaß, halb im Ernst eine alte Bekannte an, die mich vor 20 Jahren mal bei einem kommunalpolitischen Unding unterstützt hatte: Ich hatte mich 1993 gefragt, wann denn bitte die breite gesellschaftliche Debatte zu den damals noch ganz neuen Auslandseinsätzen der Bundeswehr = DENY FLIGHT (Jugoslawien) UNOSOM II (Somalia) aufgenommen würde und hatte dazu einen parteilosen Aufschlag in Burscheid gewagt – eine Podiumsdiskussion, wie es sie damals kurz vorher z.B. auch in Leichlingen gegeben hatte, dort auf Initiative der Jusos. Besagte Bekannte hatte die 1993er Veranstaltung ein wenig bezuschusst und ich war und bin dafür sehr dankbar; andere Ratsfraktionen hatten darin keine Priorität gesehen. Hier der damalige Handzettel:


Bundeswehr   –   wohin ?

Was soll, was kann die Bundeswehr künftig leisten?
Sprechen Sie darüber mit Vertretern der Parteien!

MdB Dr. rer. nat. Eberhard Brecht,     stellvertr. außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
MdB Jörg van Essen,     Vors. Landesfachausschuß f. Außen-, Europa- u. Sicherheitspolitik der FDP
Hans-Joachim Falenski,     außenpolitischer Berater der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Ernst Chr. Stolper,     Sprecher LAG Europa-. Friedens- u. Außenpolitik .Bündnis 90 - DIE GRÜNEN NRW
+ Hptm. Olaf Holzhauer,     Pressezentrum der Luftwaffe in Köln/Wahn
+ Pfarrer Olaf Jellema,     Landespfarrer für Zivildienstleistende NRW
+ Flottillenadmiral a.D. Elmar Schmähling !
Donnerstag, 25. November 1993

20.00 Uhr

Aula der Friedrich-Goetze Hauptschule in Burscheid
Auf dem Schulberg
Verantwortlich i. S. d. Pressegesetzes :
Cornelia Lukas-Voss u. Dr. Karl Ulrich Voss - Kuckenberg 34, 51399 Bu rscheid - Tel. 02174 - 8791

Und nun schlage ich besagter Bekannten vor, doch mal mit einer Partei-eigenen Bürgermeisterinnen-Kandidatur in den Wahlkampf zu ziehen. Was dann folgte, das hatte ich aber noch nicht gekannt:
Ich wisse doch, dass sie den amtierenden Bürgermeister unterstütze. Aber auf Lebenszeit? Ob man sich auch emanzipieren könne? Niemals, der Bürgermeister verstehe sein Geschäft; Kontinuität liege auch in ihrem unternehmerischen Interesse. Außerdem sei bekannt: Männer würden sich doch immer für Aufgaben bewerben, die sie gerade nicht beherrschen. Dann noch etwas persönlicher: Ich (Voss) würde das doch auch nicht schaffen! Na ja, ich bin jetzt nicht ganz sicher, ob mich ein Jurastudium und 30 Jahre erfolgreiche Praxis in der Verwaltung und mit der Politik wirklich bis zur nächsten Steinzeit disqualifizieren würden – aber ich habe mich für 2014 auch gar nicht beworben. Und mindestens ein Mann scheint für meine Bekannte dann doch deutlich aus dem von ihr zitierten Stereotyp heraus zu ragen. Vielleicht aber hat meine Bekannte trotz geringer eigener Verwaltungserfahrung sehr viel mehr Assessment-Qualitäten – die Fähigkeit, Bewerber quasi mental zu röntgen – als nach ihrer persönlichen und beruflichen Erfahrung zu erwarten steht. Sie hasse Männer mit Profilneurosen, denn nur darum handele es sich doch hier. Das genau bestreite ich vehement: In einer Demokratie geht es zuallererst darum, auch Bestehendes und selbst das Bewährte durch möglichst vielfältige personelle und programmatische Alternativen auf den Prüfstand zu stellen, zyklisch, immer wieder. Das Bessere ist Feind des Guten. Alles andere sehe ich als technokratisch, machiavellistisch und auch manichäisch an, insbesondere eine Wahl, bei der es nur einen Bewerber gibt oder bequemerweise geben soll. Und ganz nebenbei bemerkt: Ein Bürgermeister wirkt und denkt nie allein; seine Arbeit und sein Erfolg ist eingebettet in viele arbeitsteilige Kompetenzen der Verwaltung, des Rates, manchmal sogar der Bürgerschaft. Was gut gegangen ist, beruht immer zu einem wesentlichen Teil auf den Initiativen und Ideen anderer, teils auch auf förderlichen Rahmenbedingungen außerhalb der Kommune. Wenn besonderer Erfolg hier ein Argument sein soll, dann wäre die personelle Kausalität dafür noch zu beweisen. Auch das muss ein Wahlkampf leisten.
Also: Es kann bei uns nicht nur einen geben. Staatsformen nach diesem Strickmuster müsste man Monarchie oder Oligarchie nennen.
Ich werde auch bei anderen Parteien und Gruppierungen für eine aktive Beteiligung bei dieser Bürgermeisterwahl werben. Könnten Sie denn eine Partei, der eine eigene Kandidatur zu lästig ist oder taktisch suboptimal erscheint, wirklich demokratisch ernst nehmen? Ich würde eine solche Partei nicht in den Rat wählen und könnte das niemandem empfehlen. Rosinen picken mag lecker sein. Hier aber gilt es, Farbe zu bekennen, taktischen Spielchen eine Absage zu erteilen und lebhaftes personelles Engagement zu beweisen. Verzicht auf einen eigenen Start würde ich als politischen Offenbarungseid und mittelfristig als Vorschub zur Filzbildung verstehen.

Eine kleine persönliche Anekdote aber noch zu den oben angesprochenen unternehmerischen Interessen: Während der 2009er Wahl hatte ich die beiden großen Burscheider Unternehmen um ein Orientierungsgespräch gebeten, über die dortigen Entwicklungspläne, über die Burscheider Rahmenbedingungen und über kommunalpolitische Gestaltungsmöglichkeiten. Beide Firmen lehnten das Gespräch ab. Eines der Unternehmen wurde dabei auf meine Nachfrage verblüffend deutlich: Man komme mit der gegenwärtigen Administration wunderbar zurecht; daher mache ein Meinungsaustausch mit einem anderen Kandidaten gar keinen Sinn. Die Lehrwerkstatt dieses Unternehmens hatte später den Hintergrund für eines der 2009er Wahlkampfplakate gebildet. Ein Schuft, wer Übles dabei denkt.

Mittwoch, 18. Dezember 2013

diligentia quam in Kundum fluminem

Am 4.9.2009 ergießen sich Zehntausende Liter Treibstoff, ferner große Mengen an mineralöligen Verbrennungsprodukten, Schmierstoffen und kontaminierenden Rückstände aus dem Abbrennen zweier Lastwagen in eines der wenigen Oberflächengewässer einer semi-ariden Landzone, den Kundus. Die unmittelbare Umgebung des Unglücksortes verwandelt sich in wenigen Stunden zu einer mit schwarzem Schmier und Schmauch überzogenen Mondlandschaft.


Tausende Menschen flussabwärts nutzen den Wasserlauf als wesentliche Quelle für Trinkwasser. In Deutschland wäre das eine Umweltkatastrophe ersten Ranges, in einem ökologisch sehr sensiblen und nur schwer wieder herzustellenden Gebiet. In Deutschland verliert man kein Wort darüber. Und auch die auch nach Zahlen der NATO mehr als hundert menschlichen Opfer der Tragödie und ihre Hinterbliebenen sind kaum der Rede wert, jedenfalls was ihre Schadensersatzansprüche vor deutschen Gerichten betrifft. Das Landgericht Bonn hat am 11.12.2013 unter dem Aktenzeichen 1 O 460/11 festgestellt: Der deutsche Offizier, der den Luftschlag angeordnet hatte, habe dabei keine Sorgfaltspflichten verletzt, jedenfalls keine Amtspflichten, die zu einer Ersatzpflicht Deutschlands führen könnten.
Das römische Rechtssprichwort, von dem die Überschrift dieses Post abgeleitet ist, heißt vollständig „diligentia, quam in (rebus) suis (adhibere solet)“ oder in der deutschen Rechtssprache „Sorgfalt, die man in eigenen Dingen anzuwenden pflegt“. Haben wir zumindest diesen Maßstab zugrunde gelegt, als deutscher Offizier oder als deutscher Richter? Oder doch nur eine nochmals stark abgesenkte Sorgfalt, nicht mehr, als Fremden eben gemeinhin gebührt? Eine Art ius peregrinorum oder Sonderrecht, wie es im alten Rom vom praetor peregrinus auch auf Streitfälle zwischen Römern und Nicht-Römern angewendet wurde?
Das seltsamste Argument im bisherigen Gerichtsverfahren um den Luftschlag von Kundus ist für mich die Verteidigung der Bundesregierung: Oberst Klein sei in eine internationale Befehlskette eingebunden gewesen; daher solle man sich doch bitte an die NATO wenden. Das genau ist ja die Problemstellung vieler Auslandseinsätze: Die Verantwortung verflüchtigt sich in einer opaken Gruppendynamik, in nicht bindenden Bündnisabsprachen und in kostensparenden Arbeitsteilungen, in teils geheimen Aktivitäten, die mit dem Argument der Selbstsicherung selbst vor dem „konstitutiv“ zustimmenden Parlament verborgen bleiben können, jedenfalls vor seiner großen Mehrheit. Wenn man dann die Sorgfaltspflichten so niedrig schraubt, dass selbst massive Waffenwirkungen auf durchscheinendster Tatsachenbasis als sachgerecht definiert werden können, dann ist es um den effizienten Schutz von nicht wieder herstellbaren Grundrechten sehr schlecht bestellt. Tatsächlich war die Kombination von mehreren Zehntausend Litern Treibstoff, Sprengbomben und einer Ansammlung von nicht näher unterscheidungsfähigen Menschen ein monströser Molotov-Cocktail, sogar eine Massenvernichtungswaffe, das genaue Gegenteil des immer wieder beschworenen chirurgischen Bestecks.
Und das ist das Tragische: Die Lasten eines solchen Eingriffs können auf der individuellen Ebene sehr wohl irrrevisibel sein, wohingegen Nutzen und Nachhaltigkeit des Einsatzes sehr kurzfristig sein mögen, in Afghanistan vielleicht nicht einmal über 2014 hinaus. Genau das sollte man nachvollziehbar abwägen müssen, auch in angestrengter Situation. Das unbehagliche Gefühl des Vorsitzenden Richters, das aus deutschem Recht und Gesetz destillierte Ergebnis könnte „den Opfern nicht gerecht werden“, es ist wohl nur zu berechtigt. Um solchen Folgen wirksam zuvorzukommen, gibt es theoretisch einen ersten Abschnitt des Grundgesetzes und darin das prozedurale Bollwerk Artikel 19. Anders gesagt: den Gesetzesvorbehalt, der vor Konstruktionen wie dem Ermächtigungsgesetz v. 24.3.1933 und den daraus folgenden Gewalt-Exkursionen der Exekutive schützen soll. Leider blenden selbst Gerichte dies bei Auslandseinsätzen gerne aus, lassen damit den Grundrecht-schützenden ersten Abschnitt des Grundgesetzes zu Gunsten der gruppendynamischen Erfüllung von Bündnispflichten aus Art. 24 Abs. 2 GG de facto leer laufen.

Völlig fehlt hier aus meiner Sicht eine nachvollziehbare Abwägung von existenziellen Werten und strategischem Nutzen. Ich habe den Eindruck, eine bereits mit dem Rücken zur Wand stehende Mission ISAF wollte hier das Kriegsglück mit der Brechstange wenden, wollte die Tanklaster als eine Art Leimrute für einen schwer identifizierbaren Gegner nutzen. Einen Gegner, der wie alle Aufstandsbewegungen, Partisanen und Rèsistances im Hintergrund der eigenen Heimat verschwimmt. Im Grund wurde dann aber der Luftschlag, der wohl als Befreiungsschlag gemeint war, zum Sargnagel des ganzen Engagements. Einer der Planer des Afghanistan-Einsatzes, der frühere Generalinspekteur Harald Kujat, brachte es zwei Jahre später auf den Punkt: Die Afghanistan-Mission war allerhöchstens dann geglückt, wenn man sie als solidarische Geste gegenüber den USA verstehen wollte. Aber sie war abschließend gescheitert, insoweit man sie als Einsatz zur Stabilisierung Afghanistans begründete. Das unterschwellige Kernziel der Mission, Osama bin Laden zur Strecke zu bringen, wurde am 2.5.2011 ganz andernorts - in Pakistan! - abgehakt; danach sahen wir im Wesentlichen nur Abspann.
Ich meine: Soweit wir in einem fremden Land Waffen anwenden wollen und dabei irreversibel zentrale Menschenrechte verletzen können - Rechte von Menschen, die bei uns nicht einmal wählen könnten und die daher die Handlungsweise unserer Exekutive nicht einmal theoretisch kontrollieren könnten - dann brauchen wir einen besseren, einfühlsameren Maßstab als ihn das Landgericht Bonn angewendet hat. Und zwar kein Weniger, sondern sogar ein Mehr gegenüber der eigenüblichen Sorgfalt, nämlich die diligentia, qualem deligentissimus paterfamilias adhibet, die Sorgfalt des aufmerksamsten Hausvaters.

Man sollte sich auch für historische Hinter- und Abgründe zum heutigen status quo interessieren, etwa für die "bahnbrechende" Erweckung und Aufrüstung des militanten Islamismus gegen die damalige sowjetische Besatzung Afghanistans Ende der Siebziger Jahre oder auch für die erst vor Kurzem offenbarte deutsche Operation Sommerregen. Als deutsche Geheimdienstler und deutsche Soldaten in der Tarnung humanitärer Hilfe (!!!) im Afghanistan der Achtziger Jahre insgeheim sowjetische Waffen einsammelten und analysierten - im Grunde eine schöne Fortsetzung der emsigen Aktivitäten von Reinhard Gehlens Dienststelle "Fremde Heere Ost", nun im zeitgemäßen Gewand und nun auch endlich im Team mit den amerikanischen Freunden, die man ja zu gern schon 1941 bei dem Unternehmen Barbarossa an der Seite gehabt hätte. Aber ohne Zweifel war die schöne Operation Sommerregen verfassungswidrig - was aber wiederum nicht daran hinderte, dass dabei sogar ein Bundesverdienstkreuz heraus sprang. Das passte zwar nicht zu 100% zu den salbungsvollen Worten im Stiftungserlass: „Er wird verliehen für Leistungen, die im Bereich der politischen, der wirtschaftlich-sozialen und der geistigen Arbeit dem Wiederaufbau des Vaterlandes dienten, und soll eine Auszeichnung all derer bedeuten, deren Wirken zum friedlichen Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland beiträgt.“ Aber das sind doch Kleinigkeiten, Schwamm drüber!

Wen diese Hinter- und Abgründe näher interessieren, der schaue gerne noch bei zwei früheren Posts vorbei, nämlich bei  "ISAF und der 3. Juli 1979" und bei "Papa Thomas und seine Märchenstunde am Kundus", jeweils mit vielen illustrativen Nachweisen. Ach ja, auch das ZDF hat das noch vor Kurzem wunderbar ins Bild gesetzt!

Nachtrag 16.1.2014

Ich habe noch beim Umweltministerium und beim Verteidigungsministerium nachgehakt und gefragt, ob der Umwelteinfluss des Luftschlages am Kundus einmal untersucht worden wäre, etwa um Folgen für die regionale Wasserversorgung zu mildern. Soweit mir zurückgemeldet wurde, gilt zwar kraft Ministererlass  - damit hinausgehend über die gängigen Regeln des internationalen öffentlichen Rechts - grundsätzlich auch im afghanischen Einsatzgebiet der hohe Standard des deutschen Umweltrechts. So gibt es ein ökologisches Management unmittelbar für die Stationierungsorte, etwa durch differenzierte Müllentsorgungskonzepte. Die ökologischen Folgen des spezifischen taktischen Waffeneinsatzes wurden hier aber nicht evaluiert. Es bestehe, so die Begründung, zeitweise ein Spannungsverhältnis zu den Notwendigkeiten eines militärischen Engagements und es sei nicht in jedem Fall möglich, gerade auch im Hinblick auf den Schutz von Gesundheit und Leben der eingesetzten Soldaten, dem Umweltschutz die allerhöchste Priorität einzuräumen. 

Das allerdings scheint mir eine sehr allgemeine und hier gerade nicht passende Begründung zu sein. Eine nachträgliche Untersuchung der Waffenfolgen dürfte nicht per se für Gesundheit und Leben von Soldaten  gefährlich gewesen sein. Wenn wir den Wert der ISAF-Mission einmal abschließend bilanzieren wollen, dann werden als collateral damages dazu auch die etwaigen mittel- und langfristigen Umweltfolgen gehören - übrigens ebenso, wie die in den letzten zehn Jahren stetig aufgewachsene Drogen-Ökonomie, die durch Drogenhandel dann tatsächlich Europa unmittelbar und nachhaltig schaden kann. Und die dann nachträglich Strucks Formel von der Verteidigung am Hindukusch aufs Beste bestätigen wird - als eine self fulfilling prophecy.

Nachtrag 20.11.2014

Noch ein Nachtrag, und zwar nach Erscheinen des Fortschrittsberichts zur Lage in Aghanistan v. 20.11.2014, Bundestags-Drucksache 18/3270. Dies wird nach Ende der ISAF-Mission im Dezember 2014 der letzte Fortschrittsbericht seiner Art sein und so lesen wird dort als letzten und besten Stand auf S. 24 zum Thema Trinkwasser / Trinkwasserressourcen:



Im Wassersektor besteht nach wie vor hoher Investitions- und Reformbedarf. Im Fokus der deutschen EZ stehen weiterhin der Auf- und Ausbau sowie die Instandsetzung der städtischen Wasserversorgungssysteme. Die Bundesregierung finanziert moderne Wasserversorgungsysteme in Kabul sowie in zehn Städten Nordafghanistans.  Ein Teil der Instandsetzungsmaßnahmen für die Wasserversorgung Kabul wurde im September erfolgreich ab- geschlossen und übergeben. Weitere Versorgungssysteme werden im Jahresverlauf fertig gestellt. Insgesamt  profitieren inzwischen rund 700.000 Haushalte (ca. 4,75 Mi o. Menschen) von einer verbesserten Wasserversorgung infolge der Maßnahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.
Um der Kontamination von Trinkwasserressourcen und Gesundheitsrisiken vorzubeugen, engagiert die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sich außerdem im  Abwasserbereich. In den kommenden Jahren sollen so  die Planungsgrundlagen für die Abwasserentsorgung in Kabul erstellt werden. Ferner unterstützt die Bundesregierung das afghanische Ministerium  für Energie und Wasser bei der Ausarbeitung nationaler Regularien wie  dem Nationalen Wasserwirtschaftsplan  und der Einrichtung von Wasserschutzzonen. Entwürfe hierfür befinden  sich im Gesetzgebungsprozess. 

Zu den kriegsbedingten und insbesondere zu den selbst verursachten massiven Belastungen keine Worte - aber was soll man dazu auch Fortschrittliches sagen?






Samstag, 7. Dezember 2013

Demokratische Langeweile und die Bürgermeisterwahl 2014

2014 wird in Burscheid im zeitlichen Zusammenhang mit der Kommunalwahl auch der Bürgermeister neu bestimmt. Der amtierende Chef der Kommune stellt seinen Arbeitsplatz vorzeitig zur Verfügung, und das ist zum Reduzieren der Wahlkosten und zum Sichern einer halbwegs würdigen Wahlbeteiligung auch sehr gut so. Eine isolierte Bürgermeisterwahl wäre auch volatiler, zufälliger und in gewissem Sinne anarchistischer im Ergebnis als eine, die mit der Wahl des Gemeinderats einhergeht. Wie aber sieht es nun bei den Burscheider Aspiranten aus – werden wir überhaupt eine ernstzunehmende Auswahl haben? Eine, bei der sich die existenten politischen Strömungen der Bürgerschaft auch in der Riege der Kandidaten abbilden? Nach derzeitigem Stand der Nachrichten: Eindeutiges Nein. Es werden wohl genau zwei Kandidaten antreten und diese beiden denken im gleichen politischen Spektrum:
Weltanschauliche Unterschiede zu identifizieren, das fällt hier recht schwer – weswegen man die 2014er Wahl im Grunde als Wiederauflage eines Kampfes der Häuptlinge i.J. 2009 bewerten muss. Nur dass es jetzt überhaupt keine Alternative mehr geben wird; denn alle anderen Ratsfraktionen scheuen den offenen Vergleich der Durchschlagskraft, selbst die traditionsreiche Arbeiterpartei. Kommunal-demokratisch ein extrem schwaches Bild, selbst wenn man berücksichtigen möchte, dass es bei Kommunalwahlen keine Staatsknete alias Wahlkampfkostenerstattung gibt und die Parteien ihr karges Geld wohl lieber andernorts investieren. Es ging doch mal ganz anders: Im Jahr 2004 ist in Burscheid sogar die FDP mit dem jungen Kandidaten Rolf Mebus angetreten und hat mal eben höchst achtbare 12% geholt; siehe mit weiteren Daten u. Nachweisen zur damaligen Wahl hier! Das waren noch Zeiten, nicht wahr? Mehr Auswahl und Debatte: Das bringt doch selbst nach Abschaffung der Stichwahl noch sehr großen demokratischen Mehrwert und politische Weiterbildung der Bürger/innen! Oder etwa nicht? Kneifen? Das wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tode.
Was aber nun tun? Ich hätte nicht übel Lust, einen unabhängigen Kandidaten oder noch besser: eine unabhängige Kandidatin für das Burscheider Bürgermeisteramt zu unterstützen. Damit die Wahl wieder etwas Spaß macht, keine reine Farce wird und auch kein Testosteron-Bad nach dem Motto
FreundFeind – Parteifreund – ex-Parteifreund.
Wer bzw. welche wagt’s?