Sonntag, 29. März 2009

Tippeltour II

Wir sollten viel häufiger Bürgermeister/innen wählen. Und freier/freie Bewerber/in ist gar kein so schlechtes Los. Okay: das Wetter dürfte sich etwas frühlingshafter entwickeln. Man lernt aber eine Menge Bürger/innen noch viel besser kennen als in Jahren davor. Manches– viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft – erinnert an das Mätensingen, als unsere Kinder noch passenderAnlass waren, durch die Gemeinde zu ziehen. Legendär damals: Äpfel im Schlafrock bei der Kuckenbergerin Frau Mangelmann, leider vor einigen Jahren gestorben und noch ohne würdige Nachfolge.

Weit überwiegende Reaktion bei meiner jetzigen Tippeltour: „Gut, dass sich jemand freiwillig meldet, außerhalb der gewöhnlichen Verdächtigen. Das ist eine Chance.“ Gelernt habe ich u.a.: Meine Bewerbung hat lokale Tradition, denn der erste Nachkriegsbürgermeister war der Kuckenberger Willy Jung. Aus meinen Gesprächen nun einige Details.

  • Wirtschaft: Vielfache Erwartung ist: Die stark KFZ-lastige Arbeitsplatzstruktur in Burscheid wird Federn lassen und auch nach der gegenwärtigen Krise nicht wieder zum Stand von 2007 zurückzuführen sein. Die Stadt wird gezwungen sein – sogar in zunehmendem regionalem Wettbewerb – gute Rahmenbedingungen für Neuansiedlungen zu schaffen. Allerdings müsse dabei sehr transparent gemacht werden, wer von etwaigen Neuplanungen profitiere.
  • Verkehrsführung Kuckenberg: Insbesondere jüngere Familien verlangen eine effiziente Begrenzung des Verkehrsflusses; die derzeitigen 30km-Schilder wirken ohne sichtbare Hindernisse wie eine Alibi-Maßnahme. Risikoerhöhend ist die extrem enge und teils sehr unübersichtliche Straßenstruktur – ohne jeden Bürgersteig. Anm.: Manchmal kann man mit einfachen Maßnahmen erstaunliche Effekte erzielen, z.B. mit dem knallroten Bobby-Car, das jahrelang wie zufällig an der Bornheimer Straße stand.

  • Bahntrasse / Fahrradweg: Als auch für Kinder weniger gefährliche Fläche wird auch die Bahntrasse angesprochen, wenn sie als kreuzungsfreier Radwanderweg ausgebaut würde. Hier habe ich einige Zweifel: Man müsste zunächst einmal die wohl nicht geringen Kosten für Ausbau und späteren Unterhalt objektivieren. Möglicherweise lohnt der Effekt den Kosten-Aufwand (z.B. für nutzbare Anbindung der Innenstadt, Brückenneubau am Hallenbad) nicht wirklich. Attraktiv dürften die Bahnparzellen allerdings im Zusammenhang mit der Ansiedlung neuer Betriebe sein (s.o.).
  • Zugang zur Stadtverwaltung: Einige Bürger/innen finden sich in den neuen Bezeichnungen und Strukturen der Stadtverwaltung („Produktbereiche“) und auch in der Internet-Präsentation der Gemeinde sehr schlecht zurecht. Auch wird eine bürgerfreundlichere Anordnung der Ansprechzeiten angeregt, auch wenn – wie es früher einmal angeboten wurde und auch jetzt begrüßt würde – Öffnungszeiten an Samstagen nicht realisierbar wären. Apropos Internet/Mail: Eine erhebliche Zahl der Angesprochenen ist für informative Internet-Angebote dankbar; einige allerdings halten sich bewusst fern von diesen Medien und setzen einen persönlich nachvollziehbaren Schwerpunkt bei realen Kontakten.
  • Integration: Wachsender Stellenwert ist präsent ("das ist die Jugend, die in Zukunft Burscheid mittragen muss, in der Wirtschaft, in er Verwaltung und in Vereinen), dto. die besondere Wirksamkeit früher Ansätze und des Engagements auch außerhalb des professionellen Bereichs (schulische und soziale Betreuung), also der Bürger/innen selbst.

Anbei: Die Zahl der Unterstützungsunterschriften entwickelt sich denn dann auch positiv. Wenn der Trend anhält, sollte die gesetzliche Anforderung (= Minimum 160 Unterstützungen bis zum 13. Juli 2009) erreichbar sein. Für alle Fälle aber hier auch nochmal der link zu dem Formblatt, das in den mittleren drei Zeilen handschriftlich auszufüllen ist (Ankreuzkästchen zur Überprüfung der Wahlvoraussetzungen bitte nicht vergessen) und dann bitte an meine (darauf befindliche) Adresse zurückzuleiten wäre. Jede weitere Stimme stärkt das Gewicht der Bewerbung und eröffnet eine vitale Alternative für Ihre Wahl am 30. August 2009.

Dienstag, 24. März 2009

Wahlergebnisse und Mitgliederzahlen

Wie hatte Burscheid i.J. 2004 gewählt? Ich weiß es kaum noch. Aber zum Glück gibt es eine Dokumentation durch die KDVZ / Kommunale Datenverarbeitungszentrale Hellweg-Sauerland, die richtig Spaß machen kann. Hier finden Sie komfortabel angezeigt die Ergebnisse der Bürgermeisterwahl ebenso wie die der Wahl zum Rat. Anm.: Hinter den Symbolen auf der linken Bildschirmseite verbergen sich Verteilungsdiagramme, die Wahlstatistik und das nach lokalen Wahlkreisen differenzierte Ergebnis, jeweils auch noch nach Größen umgruppierbar = wirklich bürgerfreundlich gestaltet.

Kurz zusammengefasst: Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 51% hatte der jetzt amtierende Bürgermeister Hans Dieter Kahrl für die CDU 52% geholt, sein Gegenkandidat Wolfgang Brost (SPD) 36% und Rudolf/Rolf Mebus für die FDP 12%. Die Stimmenanteile für den Rat waren CDU = 40%, SPD = 27%, FDP = 11%, UWG = 12% und Grüne = 10%, Wahlbeteiligung wie beim Bürgermeister.

Interessant ist, wie die jeweiligen Gruppierungen Mitgliederzahlen in Stimmenanteile umsetzen. Ich gehe zur Vereinfachung davon aus, dass die im Januar 2008 vom Bergischen Volksboten abgefragten Mitgliederwerte im Großen und Ganzen noch mit der Situation im Jahre 2004 übereinstimmen, jedenfalls in den Proportionen. Danach kommen auf die CDU 167 Mitglieder (37% der Gesamtzahl der Parteimitglieder i.H.v. 446), auf den i.J. 2004 noch in die CDU eingeschriebenen BfB 42 (9%), auf die SPD 170 (38%), auf die UWG 30 (7%), auf die FDP 26 (6%) und auf die Grünen ganze 11 Mitglieder (3%). Daraus ergibt sich: Die großen Parteien können aus ihrer Mitgliederzahl bei Wahlen nicht ganz so viel machen – und die zahlenschwachen Grünen fahren mit ihrer Mitglieder-Diät erstaunlich gut. Wie müsste das erst bei einer Ein-Mann-Partei sein!

Und noch eines folgt fast zwangsläufig aus diesen Zahlen: Es gibt 446 in Parteien Organisierte - und etwa 14.000 Burscheider/innen, die das gerade nicht sind. Wenn nun alle in Parteien verbundenen Bürger/innen solche Kandidaten mit einem Partei-Hintergrund wählen und alle anderen Bürger/innen den einzigen Kandidaten ohne eine solche Verknüpfung – also mich – dann folgt ein an Klarheit nicht zu überbietendes Resultat: Die Parteibewerber kommen (zusammen) auf 3,5%, die Alternative (K. U. Voss) erzielt 96,5%. Okay – war jetzt nur ein Scherz. Aber das Potenzial ist unbestreitbar riesig!

Sonntag, 22. März 2009

Internetauftritt Michael Baggeler

Der Burscheider Bürgermeister-Kandidat Michael Baggeler hat vor wenigen Tagen seinen Internet-Auftritt freigeschaltet: http://www.michael-baggeler.de/. Mein Eindruck: Technisch sehr gut und eingängig gemacht, im Layout ähnlich der auch politisch verwandten Seite des BfB. Baggeler präsentiert sich auch optisch eingebettet in die Lokalität. Hübsch gemacht sind besonders die bullits oder „Kuller“ auf beiden Seiten: Man geht über sehr viele grüne Lindenblätter. Man hat wohl auch den gleichen Internet-Gärtner unter Vertrag.

Interessant auch die Infos zum zum Politiker Baggeler, darüber ein Bild gemeinsam mit Jürgen Rüttgers, dessen regionalen Bundestagswahlkampf Michael Baggeler gemanagt hatte, und etwas zur Historie der Aufspaltung CDU/BfB. Ein paar inhaltliche Hinweise siehe noch im voran gehenden Post zur Positionierung der Burscheider UWG.

Mit dem Baggeler-/BfB-Programm habe ich allerdings noch zwei Probleme.

  • Ein intellektuelles: Das ist eine Vielzahl von zum Abhaken einladenden Einzelpunkten. Aber vor lauter Bäumen kann ich den Wald kaum erkennen bzw. keine später einmal auswertbaren Prioritäten: Woran werde ich in fünf Jahren erkennen, ob die Agenda in ihren Kernzielen erfolgreich war (genauer: gewesen sein wird) oder ob sie gescheitert ist (sein wird)? Bei so vielen Einzelpunkten oder: bei einer Schrottschusstaktik wird mit einiger Wahrscheinlichkeit immer etwas zum späteren Feiern dabei sein.
  • Zweitens, und das gilt entsprechend auch für die strukturell ähnliche Programmatik der CDU: Warum ist nach so vielen Jahren an den kommunalpolitischen Schalthebeln der Macht überhaupt so unabsehbar viel zu tun? Sind dies ganz neue Punkte oder sind es nicht oder nicht vollständig abgearbeitete alte Planungen – die vielleicht wegen des unverständigen Widerstands anderer politischer Matadore noch offen stehen?
Man könnte daher auch fragen: Wo ist der aussagekräftige Rechenschaftsbericht über die Punkte, die man sich vor fünf Jahren voller 2004er Elan auf die hauseigenen Fahnen geschrieben hatte? Vielleicht kann man ja in dieser Richtung noch etwas nachlegen.

UWG für Burscheider BM Caplan; Internet-Auftritte

Auf ihrer Jahreshauptversammlung hat die Unabhängige Wählergemeinschaft Burscheid einstimmig beschlossen, als Bürgermeisterkandidaten den CDU-Kandidaten und derzeitigen Burscheider Beigeordneten Stefan Caplan zu unterstützen (s. Timm Gatter im KStA v. 21.22.3.2009, S. 41, Text hier im Internet). Wesentlicher Grund ist laut dem alten und neuen UWG-Vorsitzenden Michael Schwarz: „Gerade in unserer desolaten Finanzsituation ist es unabdingbar, dass die Stelle des Bürgermeisters von einem Verwaltungsfachmann besetzt wird.“
Dies ist ein kaum verborgener Seitenhieb gegen einen anderen aussichtsreichen Kandidaten aus dem bürgerlichen Lager, Michael Baggeler. Baggeler hat einen betont kommunal-politischen Hintergrund und hat sich zu Beginn 2009 aus der Burscheider CDU „herausgegründet“. Der dabei geborene Verein „Bürger für Burscheid“ unter Vorsitz des Burscheider Gastronoms Argirois Aki Papazoglou unterstützt Baggelers Kandidatur. Das BfB-12-Punkte-Programm „Burscheids Zukunft gestalten statt Mangel verwalten“ (Zwischenfrage: Wer will das vernünftigerweise nicht?) reicht von Themen wie „Das Zentrum zur Visitenkarte Burscheids entwickeln“ bis zur „Gesundheit: Facharztangebot erweitern“. Es ist mit seinen 50 Einzelpositionen ist identisch mit Baggelers Agenda („Sein Programm für Burscheid“). Ach ja: Auf der neuen Baggeler-domain schließt jede Seite mit dem Slogan: „Wir brauchen einen Bürgermeister! Verwalter gibt’s im Dutzend!“. Auf der BfB-Seite steht an gleicher Stelle weniger kämpferisch und an allen Orten der Welt entsprechend verwendbar: „Gemeinsam mehr erreichen für Burscheid“.
Anm.: Der Internet-Auftritt der Grünen, der bisher auch eher minimalistisch ausgestattet ist, lässt noch keine offizielle Positionierung für die Bürgermeisterwahl erkennen; die Tendenz ist – wie ich von einem Mitglied hörte – aber wohl ähnlich wie bei der UWG. Karg übrigens auch die Internet-Informationen der CDU: Auch hier findet man weder unter der Rubrik „Bürgermeister“ noch unter „Aufbruch 2009“ Konkretes zur Bürgermeisterwahl bzw. zu dem eigenen Kandidaten Caplan. Was man als zukunftsgerichtet sieht, sind die wohl auch mit Stefan Caplan zu verbindenden „12 Leitsätze zur Entwicklung der Stadt“ als kommunalpolitische Agenda der CDU. Die 12 Leitsätze haben eine hohe strukturelle Ähnlichkeit mit dem o.g. Programm des BfB (ebenso 12 Kapitel mit 50 Punkten); inhaltlich gibt es schon einige Unterschiede – die CDU ist in einigem bisher auch weniger konkret. Aber da sind durchaus auch plakative Gemeinsamkeiten: „Keine Parkgebühren in der Innenstadt!“.

Was mir bisher fehlt, ist ein Rechenschaftsbericht zur aktuellen Ratsperiode: "Was vorgehabt? Was fertig? Was (noch) nicht und warum nicht?"

Freitag, 20. März 2009

oro vos faciatis

"Oro vos faciatis" heißt übersetzt etwa "Ich bitte Euch zu machen" oder "... zu wählen". Die Floskel ist häufig Bestandteil von bunten Wahlaufrufen, die im Römischen Reich in zentralen Straßen auf die Hauswände gemalt wurden (italienisch: dipinti). Besonders viele sind nach der vulkanischen Katastrophe in Pompeji (79 nach Chr.) erhalten geblieben, etwa 2.800 insgesamt. Karl-Wilhelm Weeber beschreibt und dokumentiert das quirlige Wahlgeschehen in seinem Band "Wahlkampf im alten Rom" unterhaltsam. Sein Urteil: Breites Interesse der Bürger und sogar der - damals nicht einmal wahlberechtigten - Weiblichkeit. Von Wahlmüdigkeit und Politikverdrossenheit keine Spur. Ein Auszug lässt die mehrtausendjährigen Wurzeln unserer heutigen Verfahren gut erkennen:

"Vorausetzung war, dass Kandidaten offiziell benannt und in amtliche Bewerbungslisten eingetragen wurde. Das waren die professiones petentium, "Kandidatenanmeldungen". Das passive Wahlrecht besaßen alle frei geborenen männlichen Bürger, die mindestens 30 Jahre alt waren. Wohl in augusteischer Zeit wurde das passive Wahlalter auf 25 herabgesetzt. Waren die Listen erstellt, entbrannte der Wahlkampf. Er zog sich über mehrere Monate hin. Es galt, möglichst viele "Hilfstruppen" hinter sich zu bringen und dies öffentlich zu dokumentieren. Einen Vorteil hatte, wer im Stadtbild durch eine Vielzahl von Wahlaufrufen präsent war. Dabei zählte der "plakatierte" Name mehr als der Gehalt der Wahlempfehlung - der tendierte in den meisten Fällen gegen Null." (Weeber, Wahlkampf im alten Rom, Patmos 2007, S. 13).

Das Dipinto oben links lautet in besser lesbarer Form: "C. I. Polybium IIvir ovf". "IIvir" ist die sehr angesehene, jeweils doppelt besetzte Oberaufsicht in der Kommune, der Duumvir, auf fünf Jahre gewählt und vergleichbar den Konsuln der früher republikanischen Staatsverfassung. "ovf" ist die hier als Kürzel zusammengefasste obige Wendung "oro vos faciatis". Zusammen also in etwa: "Ich bitte Euch, C. I. Polybius zum Duumvirn zu wählen."
Übrigens nutzten die gewichtigeren Kandidaten bereits damals Werbeprofis (scriptores und pictores), die die Botschaften besonders kunstvoll an die Wand brachten und sich teils schon als Kleinunternehmen mit Gehilfen organisiert hatten (Weeber a.a.O. S. 81f). Also alles in allem - so ganz viel Neues gibt es nicht unter Gottes Sonne.
Gut, ein Unterschied ist da schon: Durch ein festgelegtes "Eintrittsgeld" (honorarium) konnte sich ein Großteil der Mitglieder des Stadtrates (ordo decurionum) die Mitwirkung im obersten kommunalen Gremium erkaufen. Es sollte eben die begüterte Oberschicht die Geschicke der Stadt lenken, die aber auch gleichzeitig für die Versorgung mit Getreide verantwortlich war (Weeber a.a.O. S. 10f), und diese Sorge tragen die heutigen Kandidaten zu ihrem Glück nicht. Aber nochmal zur Kraft von pecunia, von Geld also: Auch heute noch ist eine Wahl und ist die dafür zu erkämpfende Öffentlichkeit ein Stück weit Funktion der jeweils verfügbaren Ressourcen.

Mittwoch, 18. März 2009

Rauch-Schutz


Das ist das schlimmste Gift für Wahlen: Wenn die Wähler argwöhnen „Auf meinen Willen kommt’s gar nicht an, Impulse aus einer anderen Richtung steuern die Politik viel effizienter.“

Bei der gestern im Kabinett beschlossenen Lockerung des Nichtraucherschutzes kann man sich genau dieses herben Eindrucks nicht erwehren: Am Ende sind wirtschaftliche Interessen gefördert oder geschützt worden – weniger aber Gesundheit und Komfort der Bürger/innen. „Feigheit vor der Raucherlobby“ ist ein durchaus treffender Kommentar-Titel, auch wenn man nach Pressemitteilung der Landesregierung doch nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts v. 30.7.2008 umsetzen wollte. Was den Normalmenschen so verblüffen kann: Italien mit seinem von uns häufig belächelten („unpreußischen“) Staatswesen hat das Rauchverbot mit starkem und weiter steigenden Konsens zwischen Bürgern und Gastronomen umgesetzt, dto. das traditionell verqualmte Irland. Beide werden heute mit nachgewiesenen Verbesserungen bei Raucher-bezogenen Erkrankungen und bei der stark gesunkenen Raucherquote der Jugendlichen bestätigt und belohnt, siehe z.B. zu Irland bzw. mehrere Länder übergreifend.

Wenn man sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts anschaut, sieht man übrigens, dass das heutige Hakenschlagen vermeidbar gewesen wäre – hätte man es so gewollt. Das Gericht sagt mit großer Klarheit:
„Entscheidet sich der Gesetzgeber aufgrund des ihm zukommenden Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums für ein Konzept des Nichtraucherschutzes in Gaststätten, das den Gesundheitsschutz im Ausgleich insbesondere mit der Berufsfreiheit der Gaststättenbetreiber verfolgt, so müssen Ausnahmen vom Rauchverbot derart gestaltet sein, dass sie auch bestimmte Gruppen von Gaststätten - hier: die getränkegeprägte Kleingastronomie - miterfassen, um bei diesen besonders starke wirtschaftliche Belastungen zu vermeiden.“Also: Mit einer konsequenten Entscheidung für den Gesundheitsschutz der Bürger/innen hätte es die heutigen Abgrenzungsprobleme und weiterfressenden Lücken gar nicht erst gegeben!

Ein weiteres unrühmliches Beispiel zur selben Frage („Wer steuert hier denn?“) war das Tempolimit, wie es inzwischen praktisch alle zivilisierten Staaten kennen, insbesondere die Amerikaner mit ihren unendlich langen und komfortabel breiten Straßen.
Als Deutscher in Deutschland wird man das Gefühl nicht los: "Wir liefern uns auf unseren schmalen Autobahnen nur deshalb atemberaubende Rennen, damit unsere vorzüglichsten Hersteller ihre Schlitten als erprobte Renner in alle Welt verkaufen können." Freie Fahrt für freie Bürger? Wohin? Kleiner Überblick über europäische Staaten: hier. Man lernt daraus: Auch Grönland und die Färöer Inseln bremsen ihre Bürger auf Autobahnen nicht aus - vielleicht mangels Autobahnen.

Ein bisschen Hintergrund zum Lobbyismus und seinem Selbstverständnis im deutschen Parlamentarismus? Gerne.

NRW-Zukunftskommission: Integration!!!

Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet heute ausführlich über die Vorlage des Berichts der im Jahre 2008 berufenen hochkarätigen Zukunfts-Kommission. Sie sollte einen Blick auf die möglichen Entwicklungen bis 2025 werfen und formulieren, was wir auf dem Weg dahin beherzt anpacken müssen. „Wie wollen wir 2025 leben?“ sind das Motto und der Arbeitsauftrag. Neben Forderungen zu Innovation und Spitzentechnologie – sie werden Rüttgers als dem ehemaligen Zukunftsminister besonders bekannt vorkommen – betreffen Teilstudien die Bildung und speziell auch die Integration; hier der Bericht der Arbeitsgruppe 3 „Integration und Lebensqualität“ v. 12.3.2009. Er ist sehr lesenswert und liefert gute Sachverhalts- und Zahlengrundlagen, darauf aufbauend Forderungen, die man nicht als bequem und pflegeleicht abhaken kann.

Diese Aktivitäten wären allerdings in erster Linie solche der „gewöhnlichen Verdächtigen“ in der Verwaltung, also in Schulen, Sozial- und Ordnungsbehörden.
Wichtig, vielleicht sogar noch grundlegender sind aber offene Arme bei den Bürgern der sog. Normalbevölkerung. Bei der gestrigen Veröffentlichung der Studie zu Jungendgewalt und Ausländerfeindlichkeit (s. Post weiter unten) brachte Christian Pfeiffer, Direktor des mit der Studie betrauten KFN, ein aussagekräftiges Beispiel: Die geringste Gewaltquote junger Türken habe Oldenburg ausgewiesen. Rekord Nr. 2: Neun von zehn türkischen Kindern gaben an, sie würden von deutschen Freunden zu Kindergeburtstagen eingeladen (!). Und genau das habe miteinander zu tun (zitiert nach KStAnz / Stefan Sauer, 18.3.2009, S. 7).

Anm.: Auf der homepage der Landesregierung ist (heute 14:30h) von der Vorlage des Berichts noch nichts zu lesen. Seltsam.

Dienstag, 17. März 2009

KFN-Studie zu Jugendgewalt und Rechtsextremismus

Der Bundesminister des Innern Dr. Schäuble präsentiert die Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen / KFN „Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt“ mit aktuellen Aussagen zu Jugendgewalt / Rechtsextremismus. Die Erkenntnisse sind zweischneidig:

  • Die aktive Jugendgewalt ist in Teilen rückläufig, in Teilen jedenfalls nicht anwachsend. Das gilt auch für die Delinquenz von Tätern mit Migrationshintergrund – bei allerdings noch immer strukturell höherer Auffälligkeit gegenüber der vergleichbaren „deutschen“ Alterskohorte (Thesen 1 – 7 der hier verlinkten Zusammenfassung der KFN-Studie).
  • Auf der anderen Seite: Eine erschreckend hohe Ausländerfeindlichkeit verschiedener Ausprägungen bei der männlichen, in geringerem Umfang bei der weiblichen deutschen Jugend (These 9 der Studie; These 8 betrifft den Drogenkonsum als Risiko-erhöhenden Faktor). Fast 30% der Jugendlichen stimmen der Aussage zu „In Deutschland gibt es zu viele Ausländer“, ca. die Hälfte dieser Gruppe offenbaren offen ausländerfeindliche Einstellungen, eindeutig rechtsextrem sind ca. 5%, will sagen: Ausländerfeindlichkeit gepaart mit entsprechendem Verhalten. Im Vergleich zwischen Jungen und Mädchen dominieren die Jungen deutlich und zeigen noch erschreckendere Quoten: „eindeutig zu viele Ausländer“ unterschreiben 37% (weiblich: 23%), auspeprägte Ausländerfeindlichkeit zeigen 19% (9,6%), ausgeprägten Rechtsextremismus 8,1% (2,3%) und starken Antisemitismus 6,4% (2,1%).

Erschreckend auch die Reaktion Schäubles bei der Präsentation: Das mit der Ausländerfeindlichkeit sei ihm vorher so nicht gegenwärtig gewesen. Der Plan: Vorhandene Programme und Maßnahmen müssten nach gehöriger Auswertung der Ergebnisse verstärkt angewandt werden. Das erinnert etwas an den PISA-Schock. Die Politik hatte sich jahrelang ein falsches Bild der Realität gemacht, mindestens hatte sie aktuell die gebotenen Indikatoren nicht verwendet, hatte keine langfristige Strategien erarbeitet.

Konsequenz im kommunalen Bereich: Die Bürger/innen und die Kommune sollten aus meiner Sicht höchst wachsam sein. Und sie sollten der nach der Studie ebenfalls anwachsenden rechtsextremen Organisation mit geeigneten Mitteln aktiv entgegen treten: Z.B. durch attraktive Angebote für Jugendliche ebenso wie durch das konsequente Nachverfolgen ausländerfeindlicher Schmiereien.

Keine Herrschaft über den Wahltermin!

Anschließend an den vorangehenden Post:
Bei der Festlegung des Kommunal-Wahltermins durch die Landesregierung sehe ich eine viel größere Bedrohung demokratischer Effizienz als bei der Frage der Stichwahl. Ich würde allerdings auch raten: Auf Klagen verzichten und eine für die Bürger/innen akzeptable Lösung im Wege der kooperativen Fortbildung der Kommunalverfassung im Landtag realisieren. Die Gefahr eines übergreifenden Ansehensverlustes bei den Bürger/innen für das gesamte politische System wäre bei einer unabsehbaren Kette von streitigen Klagen viel zu groß. Mag die Anwaltschaft dabei auch traurig gucken.

In der Sache:
Tricksereien mit dem Wahltermin sind nach geltendem Recht möglich und werden – wenn man es denn nicht zu arg treibt – auch reich belohnt. Denn die Wähler/innen sind schon lange nicht mehr das Kolle’sche unbekannte Wesen. Die Sozialforschung hat uns so gut beobachtet und vermessen, dass sie den Parteien taktische Ratschläge für einen Gewinn von mehreren Prozent andienen kann. Das kann über einzelne Mandate entscheiden, bei den zunehmend konvergierenden Wahlergebnissen aber immer öfter auch über Sieg und Niederlage eines ganzen Lagers. Und damit über den Erhalt von Positionen bzw. Pfründen. Also: Der Anreiz ist hoch. Und das Risiko ist sehr begrenzt. Keiner der Akteure bürgt mit eigenem Vermögen für die Gebühren des Verfassungsgerichtshofs. Er haftet in aller Regel nicht mal politisch, wie die aktuelle Schlappe der Koalition zeigte: Niemandem widerfuhr ein bleibend Unheil, wenn auch am 18.2.2009 in der Koalition eifrig polternd die Schuldfrage gestellt war.

Gleich am Tage der Düsseldorfer Verfassungsgerichtsentscheidung, die den kombinierten EU- / Kommunalwahltermin kippte, zauberte die Koalition einen neuen Wahltermin aus dem Ärmel, und zwar den 30. August 2009. Dies ist allerdings ein alleinstehender Wahltermin mit Mehrkosten bei Vorbereitung und Durchführung. Und das in der EU-Variante noch zentrale Kostenargument ward flugs durch den scheinbar honorigen Hinweis ersetzt, man wolle die in der Wahrnehmung der Bürger leicht zu unterschätzende und bedrohte Kommunalwahl nicht mit dem parallelen Kampf um die Kanzlerschaft belasten und überlagern. Sicher auch eine Rolle gespielt hat, was nicht offen zur Sprache kam: Der heute allseitig vermessene Wähler neigt nach gesicherten Erkenntnissen dazu, bei hoher Konzentration und Wahlbeteiligung größere Parteien wie die SPD tendenziell zu stärken und kleinere Honoratiorenparteien wie die FDP relativ zu schwächen. Bei alleinstehenden, eher „unattraktiven“ Wahlterminen ist es genau umgekehrt und darum für die FDP attraktiv. Darum an dieser Stelle ein umso größeres Lob an Frau Dr. Frese von der Burscheider FDP: Sie hat ihren gesunden Menschenverstand bewahrt und aus Kostengründen dafür plädiert hat, Bundes- und Kommunalwahl zusammen zu führen, siehe diesen Bericht.

Nun kann man richtigerweise feststellen: In einer gewissen Variationsbreite ist die Festlegung von Wahlterminen nie ganz frei von parteitaktischen Erwägungen (Heinz Tutt / KStAnz). Aber ist es wirklich alternativlos, der jeweiligen Regierungspartei neben ihrem schon bequem in der Waagschale liegenden Amtsbonus auch die Herrschaft über den Wahltermin zu geben und damit über ein immer wieder entscheidendes Delta der Stimmen? Wegen der zentralen Position der Wahlhandlung in allen westlichen Demokratietheorien halte ich das für grundfalsch. Bei dem, was jeweils persönlich auf dem Spiel steht, können wir auch nicht auf ein künftiges fair play irgendeiner Seite hoffen.

Warum dann nicht einfach die Frage des Wahltermins – einer unabhängigen Kommission anvertrauen? Das ist ja häufig die Lösung der Wahl in der leidigen und ebenso Interessen-schwangeren Diätenfrage. Das Entscheidende ist doch, dass die Wähler/innen früher oder später faules Spiel wittern – und sich schleunigst durch Abstimmung mit den Füßen entziehen. Eine Kommission kann die Wahlgrundsätze, auch soweit sie im Februar richterlich fortgebildet worden sind, zumindest ebenso gut, wenn nicht akzeptabler handhaben als das in dieser Frage parteiische Innenministerium. Sie kann ebenso die Fragen der Erhöhung der Wahlbeteiligung und das Kostenpotenzial einbeziehen, die nach der letzten Entscheidung des VGH Nw allerdings eine sekundäre Bedeutung haben (s. dort C II 2 a.E., S. 22). Und die Wähler müssten nicht argwöhnen, ihr zentrales demokratisches Teilhaberecht wäre längst hohl und irrelevant, denn die eigentlich relevanten Rahmenbedingungen wären ja schon vorprogrammiert oder abgekartet.

Sonst dürfte sich die Abwärtsspirale der Wahlbeteiligung – siehe gerade die beschämenden 36% bei der Wahl des Kieler OB; dazu auch mein Post unten – dynamisch verlängern. Oder: Legitimation gäbe es nur noch in höchst homöopathischer Dosierung.

Stich für die Stichwahl?

Die Düsseldorfer Opposition – SPD und Bündnis-Grüne – kündigen eine weitere Verfassungsklage zur Kommunalwahl: Ziel ist, die Stichwahl für das Bürgermeisteramt wieder zu bekommen. Eine dritte Klage – gegen den vom Innenminister nunmehr auf den 30. September gelegten Wahltermin – behalten sie sich vor, siehe insgesamt die PM der SPD.
Zur Stichwahl:

Lassen wir mal dreierlei beiseite: (1) Eine Kette von Klagen ist nicht gerade ein Booster für das Bürger-Vertrauen in seriöse staatliche Rechtspolitik. (2) Natürlich gibt es auch eigene institutionelle Interessen der Kläger. Und mir kommt (3) ohnehin die Rüge demokratischer Defizite am authentischsten vor, wenn sie Bürgern selbst kommt. Aber die Berechtigung dieser Klage und damit ihre Erfolgsaussichten erscheinen mir aus Sachgründen als deutlich geringer als beim schon siegreichen Verfahren zum Wahltermin, der mit der EU-Wahl gekoppelt und damit nach Befund des VGH Nw v. 18.2.2009 so weit vorgezogen war, dass die Bürger ihre Demokratie nicht mehr handhaft spüren konnten.

Dass NRW das einzige Land sei, das auf einen Stichentscheid verzichte, ist ein eher formales Argument: Die Länder-Kommunalverfassungen sind zum Glück eine Föderalismus-konforme Chance, verschiedene Wege zu erproben.

Schlüssiger klingt auf den ersten Blick die Forderung nach mehr Legitimation durch Mehrheitsentscheid. Dazu muss man aber wissen: In den anderen Bundesländern schließt eine Stichwahl keineswegs immer mit einem Mehrheitsentscheid ab, so z.B. in Bayern (Typ Süddeutsche Ratsverfassung) mit § 45 Abs. 2 BayrGO: Im zweiten Wahlgang reicht dort die relative Mehrheit. Eine engere Parallele zur früheren NRW-Rechtslage ist Hessen (Typ Magistratsverfassung) mit § 39 HessGO: Dort werden nur die beiden stärksten Bewerber/innen des ersten Wahlganges zur Stichwahl zugelassen, es entscheidet dann die Mehrheit. Übrigens muss bei Verzicht eines dieser beiden der/die Verbleibende ebenfalls die Mehrheit der Stimmen einsammeln – aber mangels Hochspannung über das Ergebnis wird es dann im Regelfall nur eine verschwindend kleine Wahlbeteiligung geben, wie im Allgemeinen das Bürger-Interesse zwischen erstem und zweitem Wahlgang fühlbar abnimmt (zur weiteren Information empfehle ich diese Wiki-Übersicht mit links zu den diversen Landesregelungen).

Die Kläger beziehen sich nun offenbar auf die folgende Passage aus der 2009er Entscheidung des VGH Nw: „Entscheidend ist dabei, dass ein hinreichender Grad an demokratischer Legitimation, ein bestimmtes Legitimationsniveau, erreicht wird.“ (Gründe C I 1 c, S. 16 der hier verlinkten Fassung). Nur bezieht sich das nicht auf den Frage des Stichentscheides, sondern auf eine Wahlhandlung, die wegen zu geringer zeitlicher Kopplung zur Wahlwirkung nur als Farce empfunden werden konnte. Auch mit einem Stichentscheid aber (in der früheren NRW-Form, s.o. Hessen) kann die „Mehrheitsentscheidung“ leicht darüber hinwegtäuschen, dass der prozentuale Anteil der unterstützenden Wahlberechtigten in der Realität auf einen beschämend geringen Wert fallen kann, insbesondere dann, wenn der zweite „Duellant“ verzichtet. Die Bürger/innen erkennen es vielleicht nur nicht auf den ersten Blick. Und auch eine Ausgestaltung des Stichentscheides als relatives Votum wie z.B. in Bayern ist mit Sicherheit kein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Wahlgrundsätze, wird doch diese Variante der Wahlstaffel (1. Durchgang: absolute, 2. Durchgang: relative Mehrheit) ohne Bedenken auch in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen geübt und als fair akzeptiert. Auch anerkannte Wahlsysteme anderer Staaten wie das britische stützen sich traditionell auf eine relative Legitimation und sehen dabei etwa stabilisierende Vorzüge.

Auch eine zwingende Benachteiligung kleiner Gruppen kann ich nicht erkennen. Niemand hindert Bewerber kleiner Ratsfraktionen wirklich, sich auch in einem einstufigen Verfahren als Kandidat/in aufzustellen. Tatsächlich dürften die Startchancen – eine entsprechende Persönlichkeit vorausgesetzt – wegen der gewachsenen kommunalpolitischen Einbettung und Vernetzung noch erheblich größer sein als bei einer freien Bewerbung parteiunabhängiger Bürger/innen. Das mehrfach besorgt kommentierte Kandidatensterben nach Streichen der Stichwahl ist am ehesten Folge taktischer, risikovermeidender Überlegungen und keine gesetzmäßige Konsequenz. Zudem ist ohnehin systemtypisch für die neuere Entwicklung der hiesigen Kommunalverfassung, dass der Bürgermeister eine eigene, auch in den Wahlperioden vom Kommunalparlament unabhängigere und professionellere Stellung bezieht und insbesondere als Verwaltungsspitze unabhängig agiert. Dann sind m.E. Zweifel an seiner Legitimation wegen fehlender mehrheitlicher Unterstützung in der Bürgerschaft (oder im Rat) geringer zu veranschlagen.

Anm.: U.a. zur Vermeidung des hohen Aufwandes für Stichwahlen, insbesondere aber um unerwünschtes Taktieren zu vermeiden, empfiehlt „Mehr Demokratie e.V.“ als einstufige Variante die so genannte Zustimmungswahl, bei der die Wähler/innen in einem Wahlgang für mehrere Bewerber votieren können und dann das Ergebnis totalisiert, nach Meinung von "Mehr Demokratie" zugunsten des/der Sympatischsten und zu Lasten des/der Kampfkräftigsten, siehe vorstehenden link.

Montag, 16. März 2009

Überraschungen in Kiel

Kiel hat am Sonntag einen neuen OB gewählt.

Überraschung 1:
Entgegen den Voraussagen hat der Herausforderer Torsten Albig (SPD) das Rennen gemacht - und zwar schon im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit von 52,1% gegenüber 41,2% der Amtsinhaberin Angelika Volquartz (CDU) und 6,8% des Mitbewerbers Ranju Sharma von der LINKEN. Anm: Schleswig-Holstein kennt im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen noch den 2. Wahlgang bzw. Stichentscheid, brauchte ihn hier aber nicht.

Überraschung 2:
Die Wahlbeteiligung betrug nur 36,2 %, sodass die o.g. Ergebnisse mit jeweils nur 18,9%, 15% und 2,5% der Wahlberechtigten korrespondieren. Die Legitimation durch diese Wahl gibt hier jedenfalls Stoff zum Grübeln: Für fast zwei Drittel der Bürger/innen erschien offenbar die Wahl der Spitze der Kieler Bürgerschaft nicht wirklich relevant für ihre Lebensverhältnisse bzw. die weit überwiegende Mehrheit lebt in dem tristen Eindruck, durch demokratische Prozeduren nichts Entscheidendes ändern bzw. beeinflussen zu können.

Ich hoffe, in Burscheid wird deutlich mehr als 36% drin sein! Das ist nicht als einfacher "moralischer" Appell gemeint, brav zu Wahl zu pilgern und den guten Nachtschlaf der politischen Profis zu sichern, sondern als Aufforderung, vorher aktiv zu werden und die Wahlphase mitzugestalten.

Hier noch ein link, der vielfältige mediale Aktivitäten des Siegers erkennbar macht. Der breitenwirkenden Aktivierung der Wähler/innen hat es scheint's weniger gedient.

Althaus for President! ???

Ministerpräsident Althaus ist am Samstag mit mehr als 94% der Stimmen erneut zum Spitzenkandidaten der Thüringer CDU gekürt worden. Das mag menschlich rücksichtsvoll sein und - wohl vor allem - mangels personeller Alternative geboten, aber es ist aus meiner Sicht kein Ausweis ernsthafter Demokratie. Althaus wurde in Abwesenheit gewählt; er bedarf nach dem schweren Skiunfall noch einige Zeit der Behandlung in einer süddeutschen Spezialklinik.

Unabhängig von der Frage, ob sich der Ministerpräsident durch den fahrlässig verursachten Unfall mit Todesfolge persönlich disqualifiziert hat: Die Wahlberechtigten haben sich von der aktuellen Konstitution kaum ein sachgerechtes Bild machen können und haben ihn doch mit weit über verfassungsändernder Mehrheit gewählt. "Sozialistische Mehrheit!" hätten wir vor 1989 gehöhnt. Kann man sich denn vorstellen, dass die Regierungspartei eines gar nicht so kleinen Bundeslandes keine personelle Alternative hervorbringen kann, wenn es nottut? Auf mich wirkt der kranke Ministerpräsident in diesem Spiel - mag er sich auch selbst für tauglich erklärt haben - wie eine Puppe, an deren Fäden andere ziehen.

Weil's ja noch nicht so lange her ist, der Vergleich: Gegen den hochvitalen US-Wahlkampf wirkt die Prozedur in Thüringen wie - pardon - rigor mortis oder Leichenstarre. Und das, obwohl demokratische Prozesse in den Neuen Bundesländern eigentlich viel jünger und frischer sein sollten. Vor allem, wenn man an die erwartungsvolle Aufbruchphase der Runden Tische unmittelbar nach dem Kollaps der sozialistischen Führung denkt. Offenbar hat die heutige deutsche Demokratie ein tiefes Motivationsproblem und einen fast rituellen Grundansatz: Demokratie wird zuallererst als Mittel der Legitimation von Herrschaft verstanden und erlebt, nicht als Weg des Teilens und Durchleuchtens von Entscheidungsbefugnissen. Schade so!

Zur Wahl der CDU hier ein nachdenklicher Bericht des Handelsblatt.

Saubere Stadt und alte Eimer

Große Güte: Am Samstag konnte Burscheid erstmals die Aktion "Saubere Stadt" realisieren - aber ohne mich. Ich hatte es schlicht nicht auf dem Schirm. Hatte zwar eine Einladung aus Leverkusen bekommen, das habe ich beiseite gelegt. Den Burscheider Termin habe ich in der Presse übersehen. Sonst hätte Herr Gatter sicher auch über mich schreiben können: "Wohl nicht nur des Kommunalwahlkampfes wegen waren natürlich auch die Bürgermeisterkandidaten Stefan Caplan (CDU), Bodo Jakob (SPD) und Michael Baggeler (BfB) mitsamt ihren Führungsriegen mit von der Partie. 'Wir haben immer schon aktiv an der Sauberkeit unserer Stadt mitgewirkt und wollen die Bürger motivieren, ihren Müll ein paar Meter weiter zum Entsorger Remondis zu bringen.' "

"Saubere Stadt" ist eine sehr gute Aktion. Sie bringt mehr Verantwortungsgefühl der Bürger/innen - und gerade der Jugend - für unsere Lebensumwelt, als es heute gemeinhin als cool gilt. Danke daher an alle Aktiven und die, die es organisiert haben! Sicher kann man diese - in dieser Form notwendigerweise singuläre - Maßnahme auch noch ergänzen durch Anreize, dauerhaft die Landschaft zu pflegen und vor allem, nach Kräften Müll zu vermeiden, auch im Handel und Gewerbe. Nächstes Mal hoffe ich etwas besser vernetzt zu sein und mache auch nach Kräften mit.

In diesem Jahr hätte es allerdings noch ein ganz anderes Problem gegeben: Am Freitag habe ich meine Tippeltour auf der Suche nach den magischen 160 Unterstützungsschriften für die Bürgermeister-Kandidatur begonnen. Darunter ein fast 2-stündiges Gespräch mit noch offenem Ausgang, während dessen meine Stimme langsam die Charakteristik von Walrufen annahm. Am Samstagmorgen dann hörte ich mich, wie mir eine Bekannte einfühlsam steckte, an "wie ein alter Eimer". Unter dem Aspekt "Saubere Stadt" hätte ich dann leicht mitentsorgt werden können.

Und danach und bis heute lag ich, wie man so nett sagt, auf der Nase. Das Weitertippeln muss darum leider noch etwas warten.

Sonntag, 15. März 2009

Fr. 13.3.2009: Beginn meiner Tippeltour

Habe fünf Familien in meiner Nähe angesprochen: Kuckenberg/Dierath. Reaktion überwiegend aufgeschlossen; Bewerbung war idR bekannt. Beherrschende Frage: "Wieso meldet sich ein Bürger out of the middle of nowhere freiwillig für so eine Aufgabe?" Wieso reckt ein Voss (übrigens Plattdütsch für Fuchs) plötzlich den Kopf aus dem Graben? Der Bürgermeister-Posten sei doch schließlich ein sehr verantwortungtsvoller. Und was ich täte, wenn's denn nicht klappt - mit der Wahl oder schon mit dem Einsammeln von 160 Unterstützungsschriften?

Nicht ganz ausgesprochen steckt sicher auch darin: Das ist ein Alpha-Job, darum bewirbt man sich nicht ungestraft / unbeschädigt.

Ich sehe es so: Das Kommunalwahlrecht gibt uns bewusst auch ohne Parteibindung die Möglichkeit einzugreifen. Also sollte man das auch nutzen, wenn es denn nützen kann - gerade bei einer derzeit geringen Auswahl unter drei Bewerbern aus zwei politischen Lagern. Der Nutzen besteht auch bei späterem Zurückstehen / Unterliegen darin, den thematischen Wettbewerb zu fördern. Und für mich ist schon jetzt ein massiver Mehrwert der Bewerbung, mich mit Akteuren in der Verwaltung, bei den Medien und einigen Bürgerinnen und Bürgern auszutauschen und mächtig dazuzulernen. Nebenbei hat Burscheid die Chance, von langjährigem professionellem know how zu profitieren. Mit einer unabhängigen Kandidatur kann auf jeden Fall die Antwortbereitschaft / Responsivität der Politik verstärkt werden. Also los mit Ihren aktiven Vorschlägen!

Einige Sachpunkte aus den Gesprächen:
  • Bahnstrecke = Radweg?
    Bin ich gegen, bis mir jemand die Kosten (Bau + Unterhaltung) nachweist und die Unverzichtbarkeit nachweist. Der Radweg ist m.E. am ehesten ein Nostalgie-Symbol - wenn schon die Eisenbahn nicht wieder aufersteht.
  • Migration / Integration
    Ich unterstütze sehr ein Integrationskonzept und dabi insbesondere auch Patenschafts-Modell für Kinder, bei denen auch die Bürger/innen selbst aktiv werden können - nicht nur die gewöhnlich Verdächtigen in Schule und Administration. Nachtrag: Ein Gesprächspartner weist darauf hin, dass auch einige Kinder mit deutschem Elternhaus eine solche Förderung brauchen können und nicht mit quasi umgekehrten Vorzeichen diskriminiert werden dürfen - das ist richtig und sicher parallel realisierbar.
  • Fremdenfeindlichkeit
    Zur erfolgversprechenden Integration gehört für mich auch, dass Burscheid gezielt und offiziell den wiederkehrenden Wellen von organisierten, fremdenfeindlichen Hass-Schmierereien nachgeht und deutlich entgegentritt.
  • Nachhaltigkeit
    Ich bin dafür, dass die Stadt sich an an anderen Kommunen misst und den Verbrauch fossiler Energien im kommunalen, betrieblichen und privaten Bereich nach Möglichkeit reduzieren hilft, z.B. durch Werbung / Vorbild / Beratung.
  • Transparenz - für die Wahl und dauerhaft
    Alle Bürger/innen, die ein kommunalpolitisches Amt wahrnehmen oder nun erstmals wahrnehmen wololen, sollten sich über den Internet-Auftritt der Stadt mit aussagekräftigen Informationen darstellen, etwa so, wie es auch für Bundes- oder Landes-MdB's selbstverständlich ist.
  • Ausschreibungspflicht
    Ein Gesprächspartner regte an, zum Vorteil der lokalen Wirtschaft in geringerem Maße auszuschreiben, z.B. EU-weit. Klingt sympathisch, ist aber wohl mit den geltenden Rechtsvorschriften nicht zu vereinbaren - und könnte im Einzelnen wegen fehlender Konkurrenz / Alternative die Kosten für die Bürgerschaft nach oben treiben. Richtiger m.E. : klare Prüfung des need to have (statt des nice to have) neuer Investitionen (s.o. Radweg) und transparente Priorisierung.
Nachtrag zum Unterstützungsvordruck:
Der Vordruck hat bei allen Befragten eine überraschte, teils erschreckte Reaktion ausgelöst, i.a.R. hatte man eine einfach abzuzeichnende Liste erwartet. Auch der ganz zu Beginn eingebaute Hinweis auf die Strafbewehrung (bis zu 5 Jahre Bau bei Mehrfach-Unterstützung) wirkt wohl prohibitiv, zumal solche Mehrfach-Unterstützungen auch ohne die Gefängnis-Perspektive sehr leicht durch das Wahlamt selbst heraugefiltert werden könnten. Auch der schwer lesbare "bürokratische" Vordruck und die nicht auf den ersten Blick abschätzbaren datenschutzrechtlichen Konsequenzen führen zu großer Skepsis oder gar zu einem "im Zweifel lieber nicht". Das ist (für mich und jetzt) leider nicht zu ändern. Demokratisch positiv sehe ich allerdings die Auflösung in Einzelerklärungen (anstelle einer lange Zeit sichtbaren, zusammenfassenden Liste. Denn so entsteht gar nicht erst ein gruppendynamischer Druck auf die später Befragten ("Müller hat schon abgezeichnet!") und die Unterstützung bleibt privat und geheim.

Unabhängig davon: Das Innenministerium könnte den Vordruck - wenn man denn wollte - mit Sicherheit deutlich bürgerfreundlicher aufmachen. Da ist mehr drin!

Wenn Sie dies lesen, nutzen Sie mich gerne als Schnittstelle für Ihre Überlegungen! Und wenn Sie wollen, unterstützen Sie meine unabhängige Bewerbung, indem Sie den Vordruck (liegt als pdf auf www.vo2s.de) handschriftlich / leserlich in seinen drei mittleren Zeilen (incl. Ankreuzfeld!) ausfüllen und mir geben oder zuleiten.

Ich hoffe, wir können auf diese Weise die Attraktivität der Wahl stärken! Ziel könnte sein: > 60% Beteiligung. Schau'n wir mal!