Anschließend an den vorangehenden Post:
Bei der Festlegung des Kommunal-Wahltermins durch die Landesregierung sehe ich eine viel größere Bedrohung demokratischer Effizienz als bei der Frage der Stichwahl. Ich würde allerdings auch raten: Auf Klagen verzichten und eine für die Bürger/innen akzeptable Lösung im Wege der kooperativen Fortbildung der Kommunalverfassung im Landtag realisieren. Die Gefahr eines übergreifenden Ansehensverlustes bei den Bürger/innen für das gesamte politische System wäre bei einer unabsehbaren Kette von streitigen Klagen viel zu groß. Mag die Anwaltschaft dabei auch traurig gucken.
In der Sache:
Tricksereien mit dem Wahltermin sind nach geltendem Recht möglich und werden – wenn man es denn nicht zu arg treibt – auch reich belohnt. Denn die Wähler/innen sind schon lange nicht mehr das Kolle’sche unbekannte Wesen. Die Sozialforschung hat uns so gut beobachtet und vermessen, dass sie den Parteien taktische Ratschläge für einen Gewinn von mehreren Prozent andienen kann. Das kann über einzelne Mandate entscheiden, bei den zunehmend konvergierenden Wahlergebnissen aber immer öfter auch über Sieg und Niederlage eines ganzen Lagers. Und damit über den Erhalt von Positionen bzw. Pfründen. Also: Der Anreiz ist hoch. Und das Risiko ist sehr begrenzt. Keiner der Akteure bürgt mit eigenem Vermögen für die Gebühren des Verfassungsgerichtshofs. Er haftet in aller Regel nicht mal politisch, wie die aktuelle Schlappe der Koalition zeigte: Niemandem widerfuhr ein bleibend Unheil, wenn auch am 18.2.2009 in der Koalition eifrig polternd die Schuldfrage gestellt war.
Gleich am Tage der Düsseldorfer Verfassungsgerichtsentscheidung, die den kombinierten EU- / Kommunalwahltermin kippte, zauberte die Koalition einen neuen Wahltermin aus dem Ärmel, und zwar den 30. August 2009. Dies ist allerdings ein alleinstehender Wahltermin mit Mehrkosten bei Vorbereitung und Durchführung. Und das in der EU-Variante noch zentrale Kostenargument ward flugs durch den scheinbar honorigen Hinweis ersetzt, man wolle die in der Wahrnehmung der Bürger leicht zu unterschätzende und bedrohte Kommunalwahl nicht mit dem parallelen Kampf um die Kanzlerschaft belasten und überlagern. Sicher auch eine Rolle gespielt hat, was nicht offen zur Sprache kam: Der heute allseitig vermessene Wähler neigt nach gesicherten Erkenntnissen dazu, bei hoher Konzentration und Wahlbeteiligung größere Parteien wie die SPD tendenziell zu stärken und kleinere Honoratiorenparteien wie die FDP relativ zu schwächen. Bei alleinstehenden, eher „unattraktiven“ Wahlterminen ist es genau umgekehrt und darum für die FDP attraktiv. Darum an dieser Stelle ein umso größeres Lob an Frau Dr. Frese von der Burscheider FDP: Sie hat ihren gesunden Menschenverstand bewahrt und aus Kostengründen dafür plädiert hat, Bundes- und Kommunalwahl zusammen zu führen, siehe diesen Bericht.
Nun kann man richtigerweise feststellen: In einer gewissen Variationsbreite ist die Festlegung von Wahlterminen nie ganz frei von parteitaktischen Erwägungen (Heinz Tutt / KStAnz). Aber ist es wirklich alternativlos, der jeweiligen Regierungspartei neben ihrem schon bequem in der Waagschale liegenden Amtsbonus auch die Herrschaft über den Wahltermin zu geben und damit über ein immer wieder entscheidendes Delta der Stimmen? Wegen der zentralen Position der Wahlhandlung in allen westlichen Demokratietheorien halte ich das für grundfalsch. Bei dem, was jeweils persönlich auf dem Spiel steht, können wir auch nicht auf ein künftiges fair play irgendeiner Seite hoffen.
Warum dann nicht einfach die Frage des Wahltermins – einer unabhängigen Kommission anvertrauen? Das ist ja häufig die Lösung der Wahl in der leidigen und ebenso Interessen-schwangeren Diätenfrage. Das Entscheidende ist doch, dass die Wähler/innen früher oder später faules Spiel wittern – und sich schleunigst durch Abstimmung mit den Füßen entziehen. Eine Kommission kann die Wahlgrundsätze, auch soweit sie im Februar richterlich fortgebildet worden sind, zumindest ebenso gut, wenn nicht akzeptabler handhaben als das in dieser Frage parteiische Innenministerium. Sie kann ebenso die Fragen der Erhöhung der Wahlbeteiligung und das Kostenpotenzial einbeziehen, die nach der letzten Entscheidung des VGH Nw allerdings eine sekundäre Bedeutung haben (s. dort C II 2 a.E., S. 22). Und die Wähler müssten nicht argwöhnen, ihr zentrales demokratisches Teilhaberecht wäre längst hohl und irrelevant, denn die eigentlich relevanten Rahmenbedingungen wären ja schon vorprogrammiert oder abgekartet.
Sonst dürfte sich die Abwärtsspirale der Wahlbeteiligung – siehe gerade die beschämenden 36% bei der Wahl des Kieler OB; dazu auch mein Post unten – dynamisch verlängern. Oder: Legitimation gäbe es nur noch in höchst homöopathischer Dosierung.
Dienstag, 17. März 2009
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