Die Düsseldorfer Opposition – SPD und Bündnis-Grüne – kündigen eine weitere Verfassungsklage zur Kommunalwahl: Ziel ist, die Stichwahl für das Bürgermeisteramt wieder zu bekommen. Eine dritte Klage – gegen den vom Innenminister nunmehr auf den 30. September gelegten Wahltermin – behalten sie sich vor, siehe insgesamt die PM der SPD.
Zur Stichwahl:
Lassen wir mal dreierlei beiseite: (1) Eine Kette von Klagen ist nicht gerade ein Booster für das Bürger-Vertrauen in seriöse staatliche Rechtspolitik. (2) Natürlich gibt es auch eigene institutionelle Interessen der Kläger. Und mir kommt (3) ohnehin die Rüge demokratischer Defizite am authentischsten vor, wenn sie Bürgern selbst kommt. Aber die Berechtigung dieser Klage und damit ihre Erfolgsaussichten erscheinen mir aus Sachgründen als deutlich geringer als beim schon siegreichen Verfahren zum Wahltermin, der mit der EU-Wahl gekoppelt und damit nach Befund des VGH Nw v. 18.2.2009 so weit vorgezogen war, dass die Bürger ihre Demokratie nicht mehr handhaft spüren konnten.
Dass NRW das einzige Land sei, das auf einen Stichentscheid verzichte, ist ein eher formales Argument: Die Länder-Kommunalverfassungen sind zum Glück eine Föderalismus-konforme Chance, verschiedene Wege zu erproben.
Schlüssiger klingt auf den ersten Blick die Forderung nach mehr Legitimation durch Mehrheitsentscheid. Dazu muss man aber wissen: In den anderen Bundesländern schließt eine Stichwahl keineswegs immer mit einem Mehrheitsentscheid ab, so z.B. in Bayern (Typ Süddeutsche Ratsverfassung) mit § 45 Abs. 2 BayrGO: Im zweiten Wahlgang reicht dort die relative Mehrheit. Eine engere Parallele zur früheren NRW-Rechtslage ist Hessen (Typ Magistratsverfassung) mit § 39 HessGO: Dort werden nur die beiden stärksten Bewerber/innen des ersten Wahlganges zur Stichwahl zugelassen, es entscheidet dann die Mehrheit. Übrigens muss bei Verzicht eines dieser beiden der/die Verbleibende ebenfalls die Mehrheit der Stimmen einsammeln – aber mangels Hochspannung über das Ergebnis wird es dann im Regelfall nur eine verschwindend kleine Wahlbeteiligung geben, wie im Allgemeinen das Bürger-Interesse zwischen erstem und zweitem Wahlgang fühlbar abnimmt (zur weiteren Information empfehle ich diese Wiki-Übersicht mit links zu den diversen Landesregelungen).
Die Kläger beziehen sich nun offenbar auf die folgende Passage aus der 2009er Entscheidung des VGH Nw: „Entscheidend ist dabei, dass ein hinreichender Grad an demokratischer Legitimation, ein bestimmtes Legitimationsniveau, erreicht wird.“ (Gründe C I 1 c, S. 16 der hier verlinkten Fassung). Nur bezieht sich das nicht auf den Frage des Stichentscheides, sondern auf eine Wahlhandlung, die wegen zu geringer zeitlicher Kopplung zur Wahlwirkung nur als Farce empfunden werden konnte. Auch mit einem Stichentscheid aber (in der früheren NRW-Form, s.o. Hessen) kann die „Mehrheitsentscheidung“ leicht darüber hinwegtäuschen, dass der prozentuale Anteil der unterstützenden Wahlberechtigten in der Realität auf einen beschämend geringen Wert fallen kann, insbesondere dann, wenn der zweite „Duellant“ verzichtet. Die Bürger/innen erkennen es vielleicht nur nicht auf den ersten Blick. Und auch eine Ausgestaltung des Stichentscheides als relatives Votum wie z.B. in Bayern ist mit Sicherheit kein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Wahlgrundsätze, wird doch diese Variante der Wahlstaffel (1. Durchgang: absolute, 2. Durchgang: relative Mehrheit) ohne Bedenken auch in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen geübt und als fair akzeptiert. Auch anerkannte Wahlsysteme anderer Staaten wie das britische stützen sich traditionell auf eine relative Legitimation und sehen dabei etwa stabilisierende Vorzüge.
Auch eine zwingende Benachteiligung kleiner Gruppen kann ich nicht erkennen. Niemand hindert Bewerber kleiner Ratsfraktionen wirklich, sich auch in einem einstufigen Verfahren als Kandidat/in aufzustellen. Tatsächlich dürften die Startchancen – eine entsprechende Persönlichkeit vorausgesetzt – wegen der gewachsenen kommunalpolitischen Einbettung und Vernetzung noch erheblich größer sein als bei einer freien Bewerbung parteiunabhängiger Bürger/innen. Das mehrfach besorgt kommentierte Kandidatensterben nach Streichen der Stichwahl ist am ehesten Folge taktischer, risikovermeidender Überlegungen und keine gesetzmäßige Konsequenz. Zudem ist ohnehin systemtypisch für die neuere Entwicklung der hiesigen Kommunalverfassung, dass der Bürgermeister eine eigene, auch in den Wahlperioden vom Kommunalparlament unabhängigere und professionellere Stellung bezieht und insbesondere als Verwaltungsspitze unabhängig agiert. Dann sind m.E. Zweifel an seiner Legitimation wegen fehlender mehrheitlicher Unterstützung in der Bürgerschaft (oder im Rat) geringer zu veranschlagen.
Anm.: U.a. zur Vermeidung des hohen Aufwandes für Stichwahlen, insbesondere aber um unerwünschtes Taktieren zu vermeiden, empfiehlt „Mehr Demokratie e.V.“ als einstufige Variante die so genannte Zustimmungswahl, bei der die Wähler/innen in einem Wahlgang für mehrere Bewerber votieren können und dann das Ergebnis totalisiert, nach Meinung von "Mehr Demokratie" zugunsten des/der Sympatischsten und zu Lasten des/der Kampfkräftigsten, siehe vorstehenden link.
Dienstag, 17. März 2009
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen