Dienstag, 28. Mai 2013

Von Außendorf bis Zündorf: die Konkurrenz ist groß und läuft sich warm


Mit Ergänzungen nach dem 15.7.2013 = Stichtag für Kreiswahlvorschläge:

Wie sieht das gegenwärtige Bewerberfeld im Wahlkreis 100 / Rheinisch-Bergischer Kreis aus? Das wurde ich gestern gefragt, als ich die nämliche Straße in Odenthal nochmal aufsuchte und dort gute Bekannte berannte. Exkurs: Bei dieser Gelegenheit habe ich übrigens auch das Haus aufgesucht, das mich um Einsammeln der dann geprüften und ausgefüllten Vordrucke gebeten hatte. Leider, leider war man aber noch nicht dazu gekommen! Wird wahrscheinlich für mich eine Art running gag.
Zurück zum Wahlkampfgetümmel: Ich stelle hier mal einen Wegweiser zu den derzeitigen Kandidaten auf, mit den jeweiligen Lebensläufen, soweit greifbar, und werde das zur besseren Übersicht auch an dieser Stelle fortschreiben. Auch wenn das Nachtragen nicht zu 100% dem traditionellen Reinheitsgebot des Blogschreibens entspricht.
Also, da wären nach heutigem Stand – und ich reihe es schlicht nach Alphabet, nicht nach der etwaigen Anordnung auf dem Wahlzettel, die eigenen Gesetzen folgt. Sollte ich einen Kandidaten – etwa einen weiteren unabhängigen Bewerber – übersehen haben, bitte melden; ich trage es hier gerne nach. Mich selbst hatte ich zunächst in Klammern gesetzt – ich musste ja zunächst die Qualifikation mit 200 Unterstützungsschriften hinlegen. Habe ich geschafft und die Klammern nun gestrichen:


Bilder füge ich hier nicht bei, sie sind i.d.R. den Internetangeboten zu entnehmen. Oder breit präsent ;-)

Nachtrag 26.7.2013
Der Kreiswahlausschuss hat heute die o.g. Kandidaten förmlich zugelassen, s. http://www.rbk-direkt.de/newsdetails.aspx?newsid=7424. Also: Wir acht Aufrechte werden am 22. September in der Reihenfolge (1) Bosbach, (2) Zalfen, (3) Dr. Ludemann, (4) Außendorf, (5) Bischoff, (6) Zündorf, (7) Haase und (8) Dr. Voss auf der linken Seite des Wahlzettels stehen, für die Erststimme. Und ganz so schlecht war mein qualifying am Ende nicht: Bisher versammle ich die meisten für diese Wahl bereits offiziell abgegebenen Bürgervoten auf mein Haupt ;-) Okay, ist noch nicht wirklich repräsentativ, da die anderswo bereits parlamentarisch vertretenen Parteien ja nach BWahlG gar keine Unterstützungsschriften zu sammeln brauchten - sie gelten prima vista als seriös, was im Grunde bedauerlich ist, wegen ihres nun unweigerlichen Trainingsrückstandes. Von denen, die sammeln mussten - die Alternative für Deutschland, die Partei der Vernunft und eben ich - habe aber eben ich den Etappensieg eingefahren = die meisten Schriften erlaufen. Geht doch! Eines aber fällt noch auf - und da kann ich mich auch nicht ausnehmen. In einem markanten Punkt gleichen sich alle Kandidaten: Es sind nun mal keine Kandidatinnen. Vielleicht kann man das bis 2017 ändern. Für die nächste Auswahl.

Als Bonus-Material lege ich noch eine detaillierte Auswertung von Ergebnissen der Bundestagswahl 2009 der Kommunalen Datenverarbeitungszentrale / KDVZ in Iserlohn nach; damals war Rhein-Berg übrigens noch der Wahlkreis 101. Die Auswertung visualisiert u.a. die stark variierenden Ergebnisse der einzelnen Wahlkreise und Stimmbezirke, auch die Wahlbeteiligung im Vergleich der Kommunen = Odenthal mit ganz ungestümer Wahlmotivation, Burscheid sehr in sich gekehrt - und gerade das hoffe ich für 2013 etwas zu ändern! - aber teils auch interessante Differenzen zwischen Erst- und Zweitstimmen und mit Fingerabdrücken der Parteien, die sich gerade bei ideologischen Gegnern manchmal verblüffend entsprechen.

Die Auswertung ist hier abrufbar in Excel-Dateien alter Formatierung (xls) oder nach aktuellen Versionen (xlsx, mit bedingter Formatierung = grün kodiert hohen Wert, rot kodiert niedrigen Wert; habe das exemplarisch für Burscheid einmal bis auf Stimmbezirksebene dargestellt).

Sonntag, 26. Mai 2013

lousy saturday afternoon



Am Samstag wage ich den ersten Ausfall aus den Burscheider Stadtmauern, nach Odenthal. Eine ruhige Wohnstraße, Häuser, in denen vermutlich überwiegend Menschen meines Alters leben (z.B.: die noch die Small Faces kennen) und etwa meiner Bevölkerungsschicht. Jedenfalls sind das diejenigen Bürger/innen, die ich bis zu einem massiven Wolkenbruch kennen lerne. 
Als Essenz wird mir klar: Ich muss meine Strategie und/oder mein Auftreten massiv verbessern, wenn ich das 200er Quorum überhaupt nur in Sicht bekommen will. Im Einzelnen:
Beim ersten Klingeln mache ich Bekanntschaft mit einen extrem Politik-mürrischen Mann von geschätzt 65-70 Jahren. Nein, mit der Wahl will er gar nicht zu tun haben. Die in Berlin würden ja eh’ nur für sich selbst sorgen wollen und sich Einkünfte und Pensionen von hunderten Tausend Euros verschaffen, steuerfrei natürlich. Ginge es dagegen um die Ansprüche der Bürger, dann seien denen schon 10 Euro zu viel. Und jeder, der sich zu Wahl stelle, habe ebenso egoistische Beweggründe. Ich komme kaum dazu zu erläutern, dass ich keiner Partei angehöre oder je angehört habe und dass gerade der Wahlkampf der richtige Ort sei, Fragen und Forderungen an die Politik zu richten. Nein, er habe sich ein Leben lang für Politik interessiert, die Politik aber nicht für ihn, jetzt sei er es Leid und er weist auch meine Visitenkarte und mein „Programm“ zurück. Seiner Tochter, die dazu kam, habe ich noch zu erklären versucht, dass ich keine ökonomischen Interessen verfolge, da meine Bezüge auskömmlich seien und meine Pension bereits erarbeitet. "Aber meine nicht!", quittierte sie das und so blieb mir nur der beiderseits frustrierende Abgang.
Das nächste Haus muss ich noch nicht ganz verloren geben. Nach einigem Misstrauen gibts dann doch noch ein gutes Gespräch über die Entwicklung der Gesellschaft. Aber unterschreiben wollen Mann & Frau den Unterstützungs-Vordruck gleichwohl noch nicht, sie wollen sich meinen Internet-Auftritt noch einmal eingehend ansehen. Ob sie mir dann die ausgefüllten Vordrucke zusenden könnten, frage ich. Nicht so gerne, ob ich denn nicht noch einmal vorbeikommen könnte, um sie einzusammeln? Ich versuche klar zu machen, dass ich auch bei nur einem Besuch rein rechnerisch nicht einmal die Zeit haben werde, alle Straßen des Rheinisch-Bergischen Kreises aufzusuchen. Anm.: Der Mann lässt virtuos einen kleinen Flugroboter mit vier Rotoren steigen und sagt auf meine Frage, dass ein solches Modell grundsätzlich wohl mit einer Optik ausgestattet werden könne; der Roboter würde auch deutlich günstiger sein als die Drohnen, deren Beschaffung gerade mit einem Verlust „von einigen hundert Milliarden Euro“ gestoppt worden sei. Ich meine, es habe sich um ca. 600 Mio.€ gehandelt (was noch immer ein Riesenbetrag und ein entsprechender Skandal ist). Anm.: Ich halte darüber hinaus diese Waffe, die in den letzte Jahren geradezu zum letzten Schrei moderner Kriegführung hochgejubelt wurde, für in keiner Weise konfliktlösend, sondern für konfliktsteigernd, und wenn ich Obamas einschlägige Rede aus der vergangenen Woche richtig deute, dann ist selbst ihm – der den Einsatz stark eskaliert hatte – diese Waffe unheimlich geworden. Zu den Drohnen nehme ich mir einen gesonderten Post vor.
Dann ein Gespräch von der Straße aus über einen Gartenzaun hinweg, mit einem Mann etwa meines Alters. Er ist zunächst durchaus aufgeschlossen, sein Gesicht versteinert allerdings geradezu, als er meinen Programmpunkt zu erleichterten doppelten Staatsangehörigkeit liest. Nein, das könne er ganz und gar nicht unterstützen und mich dann ebenso wenig. Er habe beruflich häufig mit Fällen mit Auslandsberührung zu tun gehabt und wenn er sich vorstelle, wir müssten z.B. konsularisch intervenieren, wenn irgendein Junge türkischer Herkunft irgendwo etwas ausgefressen habe! Okay, sage ich, und erläutere, dass ich ebenfalls berufliche Erfahrung mit vielen international vernetzten Fällen hätte und dabei den Besitz oder den Nichtbesitz einer Staatsangehörigkeit als eine sehr zufällige Eigenschaft kennen gelernt hätte, dass es rechtlich deutlich sinnvollere Anknüpfungspunkte gebe, wie etwa den gewöhnlichen Aufenthalt / die so genannte residence und dass eine erleichterte Einbürgerung vermutlich überwiegenden Nutzen stiften würde (siehe auch die Debatte im ARD-Pressclub am folgenden Sonntag: Deutschland einig Einwandererland - Sind wir bereit für mehr Zuwanderung?). Möglicherweise könne man sich für den Wahlkampf konkret dazu austauschen. Nein, daran habe er kein Interesse, aber er wünsche meinem Projekt = der Kandidatur selbst viel Erfolg, und das letztere mag tatsächlich genauso gemeint gewesen sein.
Als viertes spreche ich eine Frau bei der Gartenarbeit an, trage meine Idee vor – und sie winkt gleich ab. Sie sei gar keine Deutsche, habe von ihrem Vater eine andere europäische Staatsangehörigkeit vermittelt bekommen. Ich bin etwas verdutzt, weil rein gar nichts an ihrer Sprache darauf hindeutet. Klar, sie sei auch hier geboren und aufgewachsen. Ich versuche noch auszuführen, dass gerade mehrfache Staatsangehörigkeit ein m.E. relevantes Thema ist. Anm.: Für den 5.6.2013 - in der 242. Sitzung des Bundestages - stehen unter TOP 1 mehrere Oppositionsanträge zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auf der Tagesordung, u.a. zur Streichung des Optionszwanges bzw. zur Zulassung mehrfacher Staatsangehörigkeit, siehe Anträge der Bündnis-Grünen v. 27.1.2010 (Drs. 17/542), der SPD v. 9.11.2011 (Drs. 17/7654) und der LINKEN v. 29.1.2013 (Drs. 17/12185). Erfolgsaussichten haben sie nach der Mechanik des Parlaments kaum; der federführende Innenausschuss hat unter dem 25.4.2013 bereits das vollständige Ablehnen dieser Anträge empfohlen, s. Drs. 17/13312). Ich werde darüber berichten, auch über das voraussichtlich gleiche Schicksal des neueren Antrags der Bündnis-Grünen v. 15.5.2013 (Drs. 17/13488), der auf die signifikanten Folgen des Optionszwanges für die Zahl erwünschter Einbürgerungsanträge hinweist.
Dann öffnen sich die Himmelspforten über Odenthal und es spült mich geradezu zurück nach Burscheid - das zeigt halt ein strukturelles Problem: Klinkenputzen ist ein wenig wie Straßenkarneval oder das Leben auf der Straße = man hat besser gutes Wetter oder muss sich unter einer Brücke verkriechen. Irgendwie hatte mich da aber auch emotional nicht mehr besonders viel in dieser Straße gehalten. Relativ wenig good vibrations und das Gefühl, dass auf diese Weise keine 200 Unterschriften zusammen kommen können, nicht mal annähernd. Es muss sich etwas ändern – sonst wird das eine sehr triste Veranstaltung, etwas eher für Masochisten oder überzeugte Melancholiker. Nicht nur wegen dieses Wetters.
Abends wenigstens eine kleine Aufhellung: Bekannte zu Besuch, die nicht nur aus Freundschaft, sondern aus Engagement einen Anteil gezeichnet haben und auch noch ein paar Blätter weiter geben werden.

Dienstag, 21. Mai 2013

Pfingsten: gemischt bis aufhellend

Zunächst etwas Büroarbeit: Habe meine Index-Seite zum Projekt "Direktkandidat 2013" ein Stück weit ergänzt, insbesondere auch einen Lebenslauf hinzugefügt. Kostet bei einer Ich-Partei oder 1-Mann-Partei immer etwas Zeit, macht aber auch technischen Spaß. Problem ist höchstens, dass ich eher zu viel schreibe. Habe wohl keine Zeit, mich kurz zu fassen.

Am Pfingstmontag ist Tag der offenen Tür in der Burscheider Lambertsmühle.
Die Mühle wurde von einem sehr engagierten Förderverein restauriert

und wird von ihm erhalten - und sie dient der Stadt Burscheid u.a. als idyllische Zweigstelle des Standesamts (sehr zu empfehlen, wie ich weiß). Trotz des gegenüber dem Pfingstsonntag stark abgefallenen Wetters ist der Ansturm riesig und die Würstchen etwa sind weit vor der Zeit vergriffen. Dafür entschädigt die hervorragende Kuchen-Auswahl aber mehrfach. Ich hatte eigentlich vor, den einen oder anderen auf die Bundestagswahl anzusprechen, hab's dann aber doch gelassen, bis auf einen Fall. Ist ja nicht meine Feier - und Politisches wirkt dann auch hier und da dissoziierend. Das ist überhaupt ein Problem: In welchem Kontext kann man werben - und wo nicht? Denn PR braucht's in jedem Fall, wenn man den angestammten Bekanntheitsgrad und goodwill der etablierten Parteien und Bewerber auch nur ein wenig ankratzen will. Politik ist prinzipiell eine Funktion von Wahrnehmbarkeit und Wahrnehmbarkeit eine Funktion von Ressourcen - in der Regel von finanziellen Ressourcen. Die Chance liegt im Grunde in den Medien - und vielleicht auf Marktplätzen und Stadtfesten.

Ganz interessant noch in der Lambertsmühle: Unter den diversen Präsentationen traditioneller Techniken ist auch eine Dreschmaschine, die von einem Trecker aus den 50ern angetrieben wird.

Der Trecker wiederum hat noch ein OP-Kennzeichen mit dem Siegel des längst vergangenen Rhein-Wupper-Kreises.

Nachmittags setze ich meine Tippeltour durch Dierath und Kuckenberg fort. Die Reaktionen sind gemischt - von "nicht interessiert" bis "sehr dankbar". Konkrete Zustimmung insbesondere zum Thema "Auslandseinsätze der Bundeswehr" und ernste Zweifel daran, dass die heutige Praxis überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist, ebenso zur Behandlung der kommunalen Finanzverfassung: Es könne und dürfe nicht sein, dass die Kommunen von den Betrieben gegeneinander ausgespielt würden, gerade wo die Halbwertzeit von industriellen Ansiedlungen stetig abnehme. Der Zustand der kommunalen Finanzen in Burscheid und ebenso Leichlingen sei nach wie vor katastrophal und eine bessere Ansiedlungsstruktur (wie etwa in Langenfeld) jedenfalls kurzfristig nicht zu erreichen.

Eine Bereicherung des thematischen und personellen Spektrums würde dem Bundestagswahlkampf gut bekommen und es sei doch hilfreich, wenn jemand den Kopf aus dem Grabe recke und sage: "Hier sind auch noch welche!" ;-)

Samstag, 18. Mai 2013

Die Partei, Dein Freund und Helfer. Aber welche?



Meine Bekannte hatte aber noch darauf beharrt: Nur in Gemeinschaft könne man politisch erfolgreich sein – und die richtige politische Gemeinschaft sei, wie doch jeder wisse, eben eine Partei. Nun bin ich nicht mal sicher, ob unsere Verfassung das so sieht – denn sie erwähnt Parteien eher am Rande, nicht mit einer tragenden Aufgabe: Nach Art.  21 Abs. 1 des Grundgesetzeswirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“. Will sagen, die Parteien sind dabei, legen auch mit Hand an. Aber grundsätzlich ginge es auch ohne sie. Sodann ermahnt der Artikel zur auch parteiinternen Demokratie und zur Transparenz von Herkunft und Verwendung des Bimbes – wie ein großer Kanzler es nannte, er meinte das leidige Geld – und malt dann für den Fall verfassungswidrigen Strebens schon mal den Partei-Exitus an die Wand. Eigentlich spricht die Verfassung mehr von den Risiken der Parteien als von ihrem Nutzen und überlässt sodann das Nähere dem einfachen Gesetzgeber.
Machen wir einmal die Probe auf’s Exempel
Nehmen wir an, ich wäre 1993 in eine große Volkspartei eingetreten. Heidemarie Wieczorek-Zeul hatte uns das auf ein Schreiben a.d.J. 1998 sogar nahegelegt, als wir uns bei den Abgeordneten für die eingehende gesellschaftliche Debatte des damals gewandelten Aufgabenspektrums der Bundeswehr („out-of-area“ ja oder nein?) eingesetzt hatte. Mit unserem Beitritt könnten wir die Schlagkraft der SPD zum Eingehen auf Bürgerwünsche entscheidend erhöhen! Die Vor- und Nachgeschichte können Sie es, etwas Zeit und gute Laune vorausgesetzt, auf meiner Internetseite nachlesen.
Eigentlich wollte ich ja nur die außen- und sicherheitspolitische Zustimmung und aktive Unterstützung der Abgeordneten herauskitzeln. Zum Vergleich: Sie stehen samstags gegen Mittag schon eine Stunde in der Kassenschlange des Supermarktes an und wenden sich schließlich erregt an den Niederlassungsleiter. Dieser aber verkündet Ihnen mit seinem gewinnendsten Lächeln, er habe eine Stelle frei und Sie könnten sogleich eine neue Kasse aufmachen. Na toll!
Wie wäre mein politisches Leben nun weiter gegangen, wenn ich tatsächlich einer Partei beigetreten wäre? Was wäre heute erreicht? Da ist gut, an eine beeindruckende Debatte im Bundestag zu erinnern, an diejenige vom 7. September 1999, als 50 Jahre Bundestag zu feiern anstanden. 
In Festlaune kommt man da wie von ungefähr auch auf den notorischen Konflikt zwischen Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit zu sprechen – und seine pragmatische, alltägliche Auflösung: Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes postuliert zwar in makelloser Reinheit, unsere Abgeordnete seien „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Wann  man wirklich das Gewissen heraushängen lassen darf, das kommt dann während des Festakts ganz ungeschminkt in Strucks Ansprache zum Ausdruck: "Ich finde, jeder von uns, der sich auf seine Gewissensfreiheit beruft, muss sich selbst die Frage (Carlo Schmidts) gestellt haben: ‚Ist denn sicher, dass gerade ich recht habe, wenn vier Fünftel meiner Fraktion der Meinung sind, ihre Vorstellung von der Sache sei besser als meine?’ Schäuble pflichtet erfreut bei und fügte treuherzig hinzu, das mit dem Gewissen solle man nicht dramatisieren; es ginge halt um "unterschiedliche Meinungen, Interessen, Verpflichtungen und Rücksichtnahmen" (!), aber nur im absoluten Ausnahmefall um Gewissensfragen: "Wenn jeder nur das macht, was er will, bekommen wir keine Mehrheiten, haben wir keine stabile (!) Demokratie und die Freiheit der Bürger ist weniger sicher." Und Gerhardt liegt doch sehr daran, im Namen der FDP eindrücklich vor den "theoriesüchtigen Intellektuellen" zu warnen, deren "Heilsbotschaften (...) in der Geschichte niemals anders als in der Unterdrückung geendet haben." Will sagen: Keine Utopien mehr! Glos sekundiert noch für die CSU: "Das Parlament muss frei entscheiden können; es darf keine Pressionen der Straße geben!" Waren damit wir Bürger gemeint? Unter diesen wohl eher die Ärmeren als die Reicheren. Die Pöbelfurcht regiert.
Anm.: Leider ist in der ansonsten sehr reichhaltigen Dokumentation des Bundestags gerade diese Debatte nicht dokumentiert; im Internet findet sich nur das Deckblatt und ein allgemeiner Hinweis in einer Liste sonstiger Festakte; ganz früher konnte man die Broschüre bei der Bundestagsverwaltung kostenlos bestellen. Ich habe sie zur allgemeinen Arbeitserleichterung daher mal eingescannt.  
Bei realitätsnaher Betrachtungsweise hätte ich in keiner der staatstragenden Parteien einen anderen Zustand als den heutigen herbeiführen können – keine Debatte, auch keine unabhängige Evaluation des bisherigen out-of-area-Kampfgetümmels. Die SPD hatte zwar i.J. 1993 noch eine Verfassungsänderung für alle Einsätze gefordert, die über unmittelbare militärische Verteidigung hinausgehen können. Aber sie fügte sich rasch den realpolitischen bzw. bündnispolitischen Rücksichten, die schon in den frühen Neunziger Jahren die Konzepte von CDU/CSU und (mit leichter Verzögerung) auch der FDP geprägt hatten. Die Bündnis-Grünen holten spätestens in der Koalition ab 1998 und speziell während der Balkan-Konflikte realpolitisch stark auf und sie sehen in den letzten Jahren besondere Chancen in Eingriffen zur Wahrung von Menschenrechten nach der Doktrin der responsibility to protect, alias R2P. Im Bundestag sieht es nur DIE LINKE nachhaltig anders und lehnt jeglichen militärischen Auslandseinsatz ab. Nur ist die DIE LINKE nicht wirklich meine Wunschpartei und ihre parlamentarische Effizienz zur Änderung des militärpolitischen status quo ist wegen ihres Paria-ähnlichen Status praktisch gleich Null. Immerhin möchte ich der LINKEN zugute halten: Ihre Argumentation in den Einsatzdebatten ist - irritierenderweise - am Nähesten an dem, was im Westen bis 1990 die ganz herrschende Verfassungsinterpretation zu „out-of-area“-Einsätzen war, neudeutsch: der vorherige mainstream. Und die LINKE hat als einzige Partei auf einen juristischen Beitrag reagiert, den ich i.J. 2007 in der Zeitschrift für Rechtspolitik veröffentlicht hatte. Sie hat mich sogar als Sachverständigen zu einer Anhörung des Geschäftsordnungsausschusses des Bundestages am 25.9.2008 berufen, die die Information des Bundestages bei Einsatz von Spezialkräften der Bundeswehr betraf. Anm.: Die Information der über die Ausladseinsätze entscheidenden Parlamentarier entspricht nach übereinstimmender Bewertung aller dort beteiligten Sachverständigen nicht dem Parlamentsbeteiligungsgesetz, speziell den §§ 3 und 6 des PArlBetG, sie ist allerdings bis heute nicht geändert und beruht nach wie vor auf dem kritischen Obleuteverfahren (s. Antwort auf die parl. Anfrage v. MdB Höger, DIE LINKE in Drs. 16/5317, dort auf S. 57 zu Frage Nr. 87), siehe dazu auch einen Antrag der Bündnis-Grünen aus der 17. LP.
Summa summarum: Es gibt Situationen, in denen eine partei-unabhängige Initiative die besseren Früchte trägt. Das war übrigens auch die Erfahrung, als ich gemeinsam mit meiner Frau i.J. 1993 in Burscheid eine Podiumsdiskussion organisiert hatte:

Bundeswehr - wohin?

Was soll, was kann die Bundeswehr künftig leisten?
Sprechen Sie darüber mit Vertretern der Parteien!
MdB Dr. Eberhard Brecht, stellvertretender außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
MdB Jörg van Essen, Vors. Landesfachausschuss f. Außen- und Sicherheitspolitik der FDP
Hans-Joachim Falenski, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Ernst-Christian Stolper, Sprecher LAG Europa-, Friedens- und Außenpolitik, Bündnis '90 / DIE GRÜNEN NRW
Hptm. Olaf Holzhauer, Pressezentrum der Luftwaffe in Köln/Wahn
Pfarrer Olaf Jellema, Landespfarrer für Zivildienstleistende NRW
Flotillenadmiral a.D. Elmar Schmähling

Donnerstag, 25. November 1993
20.00 Uhr
Aula der Friedrich-Goetze-Grundschule in Burscheid
Auf dem Schulberg

In der 17. LP hatte ich speziell bei der SPD wegen eines Austauschs zur Entwicklung der Außen- und Sicherheitspolitik nachgefragt, und zwar bei der Bonner SPD und bei Herrn MdB Mützenich. Herr Mützenich tritt hier durchaus engagiert auf, hatte auch vor einigen Jahren als einziger Parlamentarier das wichtige Ausschuss-Hearing zum Entwurf des Parlamentsbeteiligungsgesetzes auf seiner Homepage zumindest auszugsweise dokumentiert; der heute inaktive link war damals http://www.rolfmuetzenich.de/bundestag/parlamentarische_initiativen/index.php#initiative (die vollständigen Gutachten und das Protokolls auf meiner Internetseite hier). Herr Mützenich und auch die Bonner Genossen haben leider nicht reagiert.
Hilf dir selbst, so hilft dir Gott. Und wenn Sie sich für die inzwischen mehr als einhundert Beschlüsse des Bundestages zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr interessieren - die man getrost auch als verfassungswidrig betrachten kann, jedenfalls nach dem bis 1990 ganz unbestrittenen Verfassungsverständnis von Verteidigung -, dann finden Sie diese Beschlüsse säuberlich aufgelistet (weltweit nur) in meiner stetig fortgeschriebenen Excel-Tabelle - mit allen einschlägigen Gerichtsentscheidungen und Gesetzesänderungen als Bonus-Material. 
Kleiner Service und Alleinstellungsmerkmal eines Bürgers, garantiert Partei-frei. Geht doch ;-)

Dienstag, 14. Mai 2013

Wer hat's erfunden?



Naiv sei eine Kandidatur, geradezu infantil, wenn man praktisch keine Chancen auf Realisierung sehe – so meint eine fast gleichaltrige, langjährige Bekannte auf meinem Geburtstag, als wir auf mein Projekt „Einzelbewerbung 2013“ zu sprechen kommen. Und sie steht ja nicht allein, den meisten verschlägt’s fast die Sprache oder sie sagen, wie auf einen bedingten Reflex „Das geht ja gar nicht!“ Mein Sohn ist etwas gnädiger, verbietet mir allerdings, in einem bestimmten Haus vorbeizuschauen. Da wohnen wohl Bekannte.
Drum muss ich ein wenig erläutern, dass manchmal der Weg das Ziel ist, wieso auch eine unerhörte Kandidatur demokratisch fruchtbar, ja eine Dienstleistung für die nicht kandidierende Mehrheit ist.

Im Jahr 1981 kamen zwei Mitglieder der Jungsozialisten Basel-Stadt auf die Idee, eine Volksinitiative zur Abschaffung der Schweizer Armee zu lancieren; dies führte zu der i.J. 1982 gegründeten „Gruppe für eine Schweiz ohne Armee / GSoA“. Außenstehende räumten dem Projekt Null Chancen ein und zweifelten vernehmlich am Verstand der Initiatoren: Mit größeren Erfolgsaussichten könne man im Vatikanstaat vorschlagen, den Papst zu vertreiben. Im Herbst 1986 wurde die Initiative eingereicht. Die Bundeskanzlei stellte 111.300 gültige Unterschriften fest. Die Abstimmung fand am Wochenende vom 25./26. November 1989 statt. Bei der für Schweizer Verhältnisse außergewöhnlich hohen Stimmbeteiligung von 69,18 % stimmten 35,6 % der Abstimmenden für die Abschaffung der Armee (1.052.442 Ja-Stimmen gegen 1.904.476 Nein-Stimmen). In den Kantonen Jura und Genf wurde die Initiative sogar angenommen. Das überraschende Resultat beeinflusste die nachfolgenden Reformen der Schweizer Armee und war Ausdruck eines markanten Bedeutungsverlusts des Militärs in der Gesellschaft (Daten und ein Teil des Textes sind den o.g. Wikipedia-Artikeln entnommen, der Artikel zur GSoA führt weitere Inititiativen auf).

Kurz gefasst: Über die Initiative hatten die Schweizer vor / bei dem laufenden Referendum erhitzt debattiert, in Gaststätten, Straßenbahnen und an Küchentischen. Sie hatten sich zu einem sperrigen Thema intensiv gegenseitig professionalisiert – und ebenso die Politiker, die meisten zum ersten Mal. Diese Lehre gilt für Volksabstimmungen, Direktkandidaturen wie für den demokratischen Prozess überhaupt: Alles, was eine nachverfolgbare Debatte fördert, was Mut macht, eine Meinung zu äußern und eine politische Positionierung zu „veröffentlichen“, alles das schafft demokratischen Mehrwert, und zwar unabhängig davon, wer am Ende die meisten Stimmen eingesammelt hat. Der Prozess zählt – gerade in einer politischen Gemengelage, die das Bewahren des Bewährten und das Wählen der Gewählten gerne im Schilde führt. Eine kleine Ergänzung beim Blick über die Grenzen: Österreichs Bürger haben sich in einer Volksbefragung zu Beginn 2013 gegen die Umwandlung des Bundesheers in eine Berufsarmee ausgesprochen; Vorbild für den Prozess war dabei eher die Schweiz als Deutschland. Wer hat’s erfunden?

Vor mehr als 20 Jahren las in einem Artikel über den südindischen Bundesstaat Kerala etwas, was ich zu einer grund-demokratischen Kultur zählen möchte, das ich mir andererseits im nüchtern-kühlen Deutschland gar nicht recht vorstellen kann: Arbeiter einer Zigarren-Manufaktur haben ein Freistellungssystem eingerichtet, bei dem ein Teil ihrer Akkord-Zulagen einem von ihnen zugute kam. Und der – er wurde, wenn ich mich recht erinnere, „Johnny the radio“ genannt – las den anderen bei der Arbeit die aktuellen Nachrichten der dortigen Tageszeitungen vor. Eine unmittelbarere und transparentere Finanzierung der politischen Willensbildung kann man sich kaum vorstellen.

Also: Der Weg ist das Ziel. Bangemachen gilt nicht. Und hinsichtlich meiner Einmischung in den letzten Bürgermeisterwahlkampf ist mindestens dies breit gelobt worden: Die frischen Beiträge zu einem ansonsten rituellen, fest programmierten Debattenverlauf, ein bisschen backstage-Information, Farbe und demokratischer Unterhaltungswert – und wohl auch ein kleiner Einfluss auf das Ergebnis. Das sollte reichen. Und ganz nebenbei: Mein Wahlkampf hatte 2009 mit einem Einsatz von ca. 2.000€ (= im Wesentlichen Druckkosten für Visitenkarten und ein Programm) 10,9% der Stimmen geholt. Für gleiche Effizienz hätte die Kampagne der obsiegenden CDU nicht über 8.000€ kosten dürfen. Es war aber wohl sehr deutlich mehr, was dort in der Kriegskasse lag und auch verpulvert wurde. Der Nachhaltigkeitspreis für den Ansatz, der die Ressourcen und das Steueraufkommen am besten schont und gleichzeitig persönlich am meisten Spaß bereitet, gebührt damit mir. So will ich es gerne weiter halten.

Montag, 13. Mai 2013

Einstellig



Seligkeitsding: Heute bekam ich meine erste Unterstützungsunterschrift für den Bundestagswahlkampf. Also: Einstellig bin ich schon mal, mit meiner parteifreien Direktkandidatur für den Wahlkreis 100 = Rheinisch-Bergischer Kreis. Na gut, „Null“ war mathematisch betrachtet auch schon irgendwie einstellig. Dies ist aber trotzdem etwas Besonderes. Als ich 2009 meine ersten Erfahrungen mit einer Direktkandidatur machte, hatte ich bei genau dem gleichen Nachbarn meinen ungewissen allerersten Auftritt auf meiner Tippeltour, hatte bis zur Heiserkeit etwa zwei Stunden auf ihn eingeredet – und hatte trotzdem keinen Anteilsschein gezeichnet bekommen. Er hatte schon völlig entgeistert reagiert, als ich zögernd herausbrachte, ich würde mich als Unabhängiger für das Bürgermeisteramt bewerben. „Was, Sie als Intellektueller?“ Ich wusste nicht so recht und weiß es auch heute nicht, ob das ein Kompliment oder ein Verriss sein sollte.
Diesmal lief es irgendwie lockerer. Als Begrüßung hörte ich schon erfreut-geschmeichelt, ich hätte 2009 mit meinen fast 11% der Stimmen ja aus dem Stand heraus und ganz wider Erwarten ein sehr achtbares Ergebnis eingefahren. Meine nun als Märtyrerpapier bereit gehaltene erste Programmatik (Themen: Bundeswehraufgaben, Staatsangehörigkeit, Finanzkrise, Parlamentarismus, Kommunalfinanzen, Didaktik) war zwischen uns auch gar nicht groß kontrovers. Auch bei dem eher anti-populistischen Ansatz der liberaleren Zulassung doppelter Staatsangehörigkeit waren wir recht schnell beieinander. Der Nachbar schärfte den Punkt sogar noch an: Die Versuche, z.B. mit „greencard“-Initiativen handverlesene Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren, die wären geradezu menschenverachtend und auch nicht einmal effizient. Besser solle man denen eine faire Chance und Perspektive geben, die bereits im Lande sind, auch durch eine vertrauensbildende Maßnahme wie eine großzügige doppelte Staatsangehörigkeit. Dem kann ich leicht zustimmen, zumal ich anders als Thilo Sarrazin & Co. Menschen nicht für per Gen und Geburt fertig konfektioniert halte, sondern für in jeder Hinsicht intellektuell und menschlich plastisch. Eine etwas skeptischere Nuance brachte der Nachbar bei meinem Vorschlag ein, die Zahl der Legislaturperioden auf zwei pro Abgeordnetem zu beschränken. Als Beispiel nannte er Sebastian Edathy, der als Vorsitzender des NSU-Ausschusses einen sehr professionellen und Vertrauen erweckenden Eindruck mache. Gäbe es nur Newcomer, dann würden sie z.B. den mit allen Wassern gewaschenen Lobbyisten umso leichter auf den Lein gehen. Andererseits: Eine ggfs. Jahrzehnte währende Anwesenheit im Bundestag kann MdB’s auch zu einer aus Sicht der Lobby geschmeidig eingebundenen und leicht berechenbaren Größe machen.
Am Samstag sprach ich eine Obere der hiesigen Grünen an. Das ist natürlich ein Sonderfall: Sie könne doch nicht eine Unterstützungsunterschrift für einen Parteilosen leisten! Wieso, meinte ich, der Erklärungswert einer solchen Unterschrift ist ja ausschließlich, dass man mit einer Erweiterung des Kandidaten- und Themenspektrums und etwas mehr Buntem gerne einverstanden ist; wählen kann man ja noch immer, wen man will. Ganz überzeugt habe ich die liebe Mitbürgerin aber vielleicht noch nicht.
Abends dann Geburtstagsfeier, ich bin nun 62 Jahre alt. Eine etwa gleich alte gute Bekannte fand meinen Ansatz höchst merkwürdig, ja geradezu naiv und sogar infantil. Das erläutere ich dann in meinem nächsten Post; und da kann und muss ich auch auf die motivierenden Lehren der wackeren Schweizer eingehen: Auf den Prozess und auf den Diskurs kommt es an. Oder: Der Weg ist genau hier das Ziel!

Freitag, 10. Mai 2013

Einzelbewerber, „andere Kreiswahlvorschläge“ und Direktkandidaten



Ich bewerbe mich im Wahlkampf 2013 für den 18. Bundestag als Einzelbewerber. Aber was ist das überhaupt? Hat das Chancen? Und: Was ist das Motiv?“
1.      Was ist das?
Gesetzlich sind Einzelbewerber/innen nicht definiert; § 20 Bundeswahlgesetz / BWG und § 34 Bundeswahlordnung / BWO sprechen von „anderen Kreiswahlvorschlägen“ und ihren Voraussetzungen. So heißt es in § 20 BWG: Andere Kreiswahlvorschläge müssen von mindestens 200 Wahlberechtigten des Wahlkreises persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein. Absatz 2 Satz 2 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.“
Alles klar? Nein? „Andere“ bedeutet nach BWG: Nicht von Parteien eingereichte Wahlvorschläge. Oder in klarem Deutsch: Für freie, in aller Regel auch parteifreie Bewerber. Was das Gesetz – trotz des urdemokratischen Einschlags dieses Instruments – nicht mit einem eigenen Begriff nennen mag, dafür hat das Amtsdeutsch fürsorglich den Begriff „Einzelbewerber“ gefunden. Anmerkung: „Direktkandidat“ wirkt etwas weniger einsam und scheint mir die persönliche Initiative etwas besser zu beschreiben; drum nenne ich mich jetzt einfach im Weiteren so. Und merke: Direktkandidaten werden nach der Struktur unseres Wahlsystems ausschließlich mit der Erststimme, mit der „Personen-Stimme“ gewählt. Dort erscheinen sie auf dem Wahlzettel, wenn das 200er Quorum erreicht ist, s.o. § 20 BWG.
2.      Ja, aber hat denn eine freie Kandidatur für den Bundestag überhaupt Chancen? Nein und ja.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit „Nein“, was das bloße Gewählt-Werden anbelangt. Seit Beginn der Republik ist genau einer durchgekommen, und zwar ganz am Anfang: Der parteilose Unternehmer Richard Freudenberg zieht i.J. 1949 als Direktkandidat mit 43,7% der Stimmen in den ersten Deutschen Bundestag ein. Mit der Konsolidierung der Parteien nimmt die Zahl von 117 Direktkandidaturen i.J. 1949 schnell und signifikant auf Werte um 10 ab, steigt im Wahljahr 1969 (!) mal etwas untypisch auf 19 an, hat einen Zwischengipfel 1987 durch plötzliche 261 Kandidaturen incl. 245 der damaligen Friedensliste, fällt sodann wieder ab auf Werte unter 100. Bei der Bundestagswahl 2009 sind es schließlich 166 Direktkandidaten, allerdings 83 davon auf der Grundlage verbundener Initiativen (zu den Zahlen im Einzelnen siehe Wikipedia).
Ebenso heißt es mit hoher Wahrscheinlichkeit „Nein“, was die Erstattung von Wahlkampfkosten anbetrifft. Denn dazu müsste man zunächst einmal mindestens 10% der Stimmen holen, § 49b Abs. 1 BWG. Und auch das ist seit Beginn unserer Zeitrechnung nur insgesamt sechs Bürgern geglückt, wenn auch einem von ihnen gleich dreimal, nämlich dem bemerkenswerten Bürgerrechtler und Nonkonformisten Helmut Palmer i.d.J. 1969, 1987 und 1990. Eine Liste der „über 10%“ Kandidaten ist auf der bereits zitierten Wikipedia-Seite aufgestellt, und da fällt auf: Alles Männer (na gut, das kann ich) und praktisch alle aus Süddeutschland. Anm.: Ich habe keine Daten aus der ehemaligen DDR – nehme aber mal an, dass der real existierende Sozialismus zumindest keine höhere Sympathie für freie Kandidaten offenbarte als die westliche Schwesterrepublik. Zusammengefasst dann höchstwahrscheinlich „Einschließlich Moos nix los“?
Okay, das gilt wohl für die Wahl- und Wahlspesen-Chancen. Aber da ist ja noch mehr: Ich habe mich in den letzten 20 Jahren intensiv für die gesellschaftliche Debatte eines Themas eingesetzt, das an Aktualität und auch an demokratischen Defiziten leider überhaupt nichts eingebüßt hat: die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Gerade heute ist die Kanzlerin zu einem nicht angekündigten Blitzbesuch in Afghanistan. Als Wähler sind die Chancen erfahrungsgemäß eher gering, die Wahl-Agenda zu beeinflussen und eine trennscharfe Beschreibung der Einsatzgründe oder eine Evaluation der bisherigen Einsätze findet sich leider bisher nirgends bei den Parteien. Als Kandidat könnten die Chancen aber besser sein, ein Thema „hochzuziehen“, vor allem, wenn man mit den Bürger/innen und vielleicht einem Teil der Öffentlichkeit ins Gespräch kommen kann. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
3.      „Wieso denn bluss, warum tut er su?“
Wenn ich schon in einer Demokratie lebe, dann will ich sie auch spüren. In der Demokratie-Theorie steht der Wahlprozess ganz oben auf der Liste der Instrumente, die einen Staat charakterisieren, weit vor Fragen der Form der Repräsentanz, der Administration oder sogar des Rechtswesens. Dann will ich auch beim Wahlprozess dabei sein. Dazu werde ich ab heute herumziehen, um erstens meine mindestens 200 Unterstützungsschriften für die Aufnahme auf den Wahlzettel einzuwerben und um zweitens mein „Wahlprogramm“ zu konkretisieren. Die Gespräche und den „programmatischen Fortschritt“ werde ich versuchen, auf meinem Wahlblog zu dokumentieren, ebenso das, was mir über den Wahlkampf am Wegesrand so auffällt oder zugetragen wird.
Diese Themen würden mich reizen:
1.      Bundeswehr
Ich bin für die Festlegung konkreter Einsatzgründe und eine unabhängige Evaluation der bisherigen Einsätze.
2.      Staatsangehörigkeit
Ich bin für die breite Akzeptanz doppelter Staatsangehörigkeit und weiß nicht, was dagegen spräche.
3.      Euro- und Finanzkrise
Ich bin dafür, die Importe z.B. aus Griechenland bewusst zu stärken und Exporte zu erschweren, speziell bei volkswirtschaftlich kontraproduktiven Gütern wie Rüstungsprodukten.
4.      Parlamentarismus
Ich bin dafür, MdB’s für maximal zwei aufeinanderfolgende Legislaturperioden zu wählen.
5.      Kommunalfinanzen:
Ich bin für einen Finanzausgleich der Gebietskörperschaften, der wirksam an den Einwohner-bezogenen Kennzahlen orientiert ist und nicht von gewerbesteuerrechtlichen Zufälligkeiten oder Gestaltungsmöglichkeiten abhängt
6.      Didaktik der Zahlen
Ich bin dafür, im Schulunterricht die nicht den Größenordnungen folgende Sprechweise (Hunderter/Einer/Zehner) in eine Fehler-vermeidende Wiedergabe (Hunderter/Zehner/Einer) zu ändern, so wie es im Kreditgeschäft üblich ist.


Im Verlaufe meiner Tippeltor werde ich die Themen gerne erläutern, nach Bedarf ändern und neue ergänzen. Sie sitzen dabei wie bei ARD unbd ZDF in der ersten Reihe, können aber auch gerne per Brief, Mail und / oder Telefon Vorschläge einbringen; Adressdaten siehe ganbz unten. Also: Your programme in the making.

Noch ein wenig Anleitung zu Unterstützungsschriften
-        Handschriftlich und persönlich!
Bei dem Vordruck, den Sie auch als pdf aus dem Netz herunterladen können, sind leider ein paar Förmlichkeiten einzuhalten: Jeder „Unterstützer“ muss alle offenen Positionen
(1) Familienname + (2) Vornamen + (3) Geburtsdatum (Vorsicht, wird häufig übersehen, wohl weil es weiter rechts außen steht!) + (4) Straße/Hausnummer + (5) Ort/Datum + (6) Unterschrift
handschriftlich und persönlich ausfüllen. Negativ-Beispiel: Ein Familienmitglied macht die Vordrucke bis auf die Unterschrift schon einmal für mehrere andere fertig und die anderen unterschreiben dann nur noch. Dann wären alle einzelnen Unterstützungsschriften ungültig und würden nicht gezählt. Pech für uns!
-        Unterstützung ist nicht Wahl
Das Ausfüllen einer Unterstützungsschrift bedeutet im Übrigen nicht, dass Sie den Unterstützten bei der Bundestagswahl dann auch wählen (wollen). Es besagt nur: „Ich unterstütze die Aufnahme von Herrn Voss auf den Wahlschein. Etwa weil ich mir davon einen besseren, interessanteren und/oder unterhaltsameren Wahlkampf verspreche. Was ich am Ende wähle, das kann ich mir noch vorbehalten.“
-        Variante: persönlicher Antrag auf Wahlrechtsbescheinigung
Das Unterstützungs-Formular sieht standardmäßig vor, dass auf dem gleichen Vordruck auch die Bescheinigung des Wahlrechts erfolgt; siehe dazu den untenstehenden, dann im weiteren Verlauf von der Wohnsitzgemeinde auszufüllenden Kasten. Das ist auch der für die „Unterstützer“ einfachere Weg.
Wer eine Unterstützungsschrift ausfüllen will, kann aber alternativ auch die Wahlrechtsbescheinigung auf einem gesonderten Vordruck selbst einholen, müsste dann aber beides gemeinsam zurück an mich senden. Das wird sicher eher die Ausnahme sein; ich möchte aber immerhin auf diese Variante hinweisen. Als pdf ist der Vordruck hier herunterzuladen.
-        Unterstützung immer nur für einen Kreiswahlvorschlag möglich
Schließlich: Nach dem BWG dürfen Sie für eine Wahl immer nur einen Kreiswahlvorschlag unterstützen, siehe auch den Hinweis ganz oben auf dem Formblatt. Wie gesagt, es spielt hier keine Rolle, was Sie am Ende wählen. Es geht nur darum, dass ein und die gleiche Person nicht gleichzeitig mehrere Vorschläge wie den meinen befürwortet. Aber ich gehe auch davon aus: Den wenigsten Bürgern werden für ein Wahlverfahren mehrere Kreiswahlvorschläge vorgelegt, und wenn, dann würden sie sich jedenfalls an eine frühere Unterschrift erinnern.

Burscheid, stand 10.5.2013
K. U. Voss
Dr. jur. Karl Ulrich Voss
Kuckenberg 34, 51399 Burscheid, Tel. 02174 / 8791, mobil 0160 / 109 6699
www.vo2s.de | http://uliswahlblog.blogspot.com | uli@vo2s.de