Sonntag, 20. August 2023

Burscheid: Neue Mitte, neues Herz

Den zentralen Teil eines Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzepts (IEHK Burscheid 2025, zugehörige pdf siehe https://www.burscheid.de/fileadmin/user_upload/redakteure/Bauen_und_Wohnen/IEHK/IEHK_2025_Konzept.pdf) wird die Neugestaltung der Burscheider Montanusstraße ausmachen, der ursprünglichen Bahnhofstraße. Hierzu wurde kürzlich der Bebauungsplan Nr. 97 "Zentrumserweiterung Montanusstraße" offengelegt. Die im genannten Bebauungsplan spezifizierten Maßnahmen gehören zum Kern des IEHK insofern: Sie waren bereits ursächlich für signifikante Veränderungen der Burscheider Infrastruktur - etwa für das Verlegen und künftige Aufspalten des Busbahnhofes, um ausreichenden Platz zu schaffen, dito für das Verlegen und langfristige Sperren der Balkantrasse - und sie bereiten einen völlig neuen und massiven Schwerpunkt der Burscheider Geschäftstätigkeit vor: Die sogenannte "Neue Mitte" in einer bisher wenig einbezogenen Straße, voraussichtlich dann auch zu Lasten der traditionellen Burscheider Einkaufstraße, der Hauptstraße. Dies gilt insbesondere für das entferntere untere Teilstück der Hauptstraße, das bereits heute mit hartnäckigen Leerständen kämpft. 

Ebenso gibt es gewichtige ökologische Einwände gegen das genannte Projekt, für das angesichts eines unstreitigen Angebotsüberhangs in Burscheid auch kein schlüssiger Bedarf nachgewiesen werden konnte.

Im Offenlegungsverfahren habe ich die untenstehende Stellungnahme eingebracht; als pdf können Sie die Stn. auch hier herunterladen - https://www.vo2s.de/bu_2023-07-21_schr-voss_bbp97.pdf


Stellungnahme K. U. Voss vom 21. Juli 2023

Das dem Bebauungsplan Nr. 97„Zentrumserweiterung Montanusstraße“ zugrundeliegende Konzept ist m.E. in ökonomischer, ökologischer und infrastruktureller Dimension nicht schlüssig begründet. Es wird zu signifikanten Standortnachteilen führen, die außer Verhältnis zu den derzeit objektivierbaren Vorteilen stehen.

Im Überblick:
Die verfügbaren Daten sprechen dafür, dass das Planvorhaben negativ auf das bereits etablierte Angebot ausstrahlen wird und das mittelfristige Steueraufkommen mindern wird (unten A.). Negative Umweltwirkungen, die auch nicht im Stadtgebiet aufgefangen werden können, stehen zu erwarten (unten B.). Im Detail erscheinen Verbesserungen bei der barrierefreien Erreichbarkeit der neuen Angebote nötig und möglich (unten C.). Im Einzelnen:

A.     Ökonomische Daten

Das aktuelle Gutachten zur städtebaulichen und raumordnerischen Verträglichkeit (Stadt+Handel 09/2022) stellt fest: Das hiesige Verkaufsflächenangebot im Sortimentsbereich Nahrungs- und Genussmittel liegt bereits heute um 20% über dem Bundesdurchschnitt. Das Planvorhaben ist damit nicht aus einer bisher ungedeckten Nachfrage begründet, sondern wird auf einen ausgeprägten Wettbewerb treffen und diesen forcieren (aaO S. 37). Angesichts eines auch im Umland dichten und in jeweiligen Zentren gut etablierten Angebotsbesatzes muss das Vorhaben auch perspektivisch auf die Versorgung der lokalen Bevölkerung ausgerichtet bleiben, wird damit nach Einschätzung der Gutachter auch keine überörtlichen Einzugsgebiete erschließen können.

Dieser Befund betrifft in jedem Fall den für das Planvorhaben vorgesehenen Vollsortimenter, aber – wegen einer voraussichtlich vor Fertigstellung des Planvorhabens etablierten Konkurrenz (Rossmann) – heute ebenso den für die „Neue Mitte“ avisierten Drogeriemarkt (aaO). Dies wird sich über mehrere Jahre unmittelbar auf das erzielbare Gewerbesteuereinkommen auswirken und damit die ohnehin geringen Spielräume der Stadt bei der Förderung der lokalen Wirtschaftstätigkeit weiter einschränken: Durch die bei gleichbleibender Nachfrage notwendig zurückgehende Geschäftstätigkeit bereits etablierter Anbieter wird der dortige Ertrag und werden die darauf entrichteten Steuern merklich sinken. Dies wird auch mittelfristig nicht durch Verlagerung auf neue Marktteilnehmer ausgeglichen werden. Denn die hinzutretenden Anbieter werden ebenso wie auch der Investor ihre Ersteinrichtungskosten ihren etwaigen Erträgen über mehrere Jahre entgegenrechnen.

Selbst die Profitabilität der neuen Verkaufsstätten steht in ernstem Zweifel: Das zitierte Gutachten hält zwar eine besonders gesteigerte Flächenproduktivität für prinzipiell möglich, und zwar nach den standortspezifischen Rahmenbedingungen (aaO S. 38). Dies ist indes eher im Charakter einer Erwartung formuliert und hält näherer Überprüfung nicht Stand:

-      „Gute Erreichbarkeit“
Dies ist eine bereits grundsätzliche Voraussetzung – oder eine conditio sine qua non – aller Ansiedlungen dieses Typs. Sie wäre kein Spezifikum der „Neuen Mitte“. Darüber hinaus ist die Erreichbarkeit gerade hier ein offensichtlich überstrapaziertes Argument: Tatsächlich wird der neue Marktplatz an einer untergeordneten Straße angesiedelt und ist von Durchfahrtstraßen aus nicht sichtbar. Das neue Zentrum wird auch per ÖPNV lediglich über einen zumindest fünfminütigen, für Einkäufe beschwerlichen Fußweg erreichbar sein. Insoweit ist die bereits etablierte Konkurrenz zumeist besser aufgestellt.

-      „Moderner Marktauftritt“
Das zitierte Gutachten führt ferner einen „modernen Marktauftritt“ an. Dies wiederum bleibt in aller Regel ein Einführungseffekt der ersten Jahre, wie er für ausnahmslos alle Malls und Zentren der Umgebung notorisch ist.

-      „Tiefgarage vs. offener Parkplatz“
Nicht
in Rechnung gestellt ist bisher ein standortspezifischer Nachteil, der die Flächenproduktivität signifikant mindern wird: Nach der Neugestaltung des Areals wird an der Montanusstraße nur noch wenig offener Parkraum verfügbar sein. Tiefgaragen, wie sie das Planvorhaben vorsieht, wirken sich aber nach gesicherten Erkenntnissen von Anbietern im Sortimentsbereich Nahrungs- und Genussmittel signifikant negativ auf den Umsatz aus. Danach vermeidet insbesondere die weibliche Kundschaft Tiefgaragen, wenn sie wählen kann. Anm.: Dies ist der zentrale Grund für den heute fast vollständigen Leerstand des „Stapelzentrums“ an der Lennestraße in Altena. Die von zunehmenden Leerständen geprägte Lennestraße entspricht funktional der Burscheider Hauptstraße. Trotz jahrelanger Bemühungen konnte nach Auszug eines zur REWE-Gruppe gehörigen TOOM-Marktes mangels ausreichender offener Parkflächen keine neue Nutzung mehr gefunden werden. Die Relevanz: Die im Untergeschoss des Planvorhabens vorgesehenen Parkflächen werden nur an einem begrenzten Abschnitt der hinteren, nördlichen Wand aus Richtung Balkantrasse belichtet sein. Sie werden damit voraussichtlich auch tagsüber zu mehr als 80% künstlich auszuleuchten sein und wenig Vertrauen begründen.

Ergänzend: Auch nach den prägenden Erfahrungen während der Pandemie spricht der langfristige Trend gegen statische Verkaufsangebote, wie sie das Planvorhaben präsentieren soll, und für flexible netzgesteuerte Warenverteilsysteme. Gerade bei Nahrungs- und Genussmitteln, Körperpflege und Arzneimitteln werden hier Nachholbedarf und Wachstumspotenzial angenommen. Auf diese spezifische Logistikform ist das Planvorhaben nicht vorbereitet; mit seinen hohen und stabilen Infrastrukturkosten wäre es für diese Vermarktungsform auch nicht ausreichend konkurrenzfähig.

Schließlich: Es ist auch eine keineswegs neue Einschätzung, dass ein solches Planvorhaben aus der lokalen Nachfrage nicht begründet werden kann. Diese Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch die einschlägigen Gutachten der vergangenen Jahre und wird auch im IEHK selbst deutlich gemacht. Ich zitiere zunächst aus der Fortschreibung des Burscheider Einzelhandelskonzepts, Stand des Endberichts v. 6.11.2012 (S. 52):

„Gesamtstädtische Angebotsdaten zur Nahversorgung
Burscheid verfügt gesamtstädtisch über eine gute quantitative Ausstattung im Bereich Nahversorgung. So liegt die durchschnittliche Verkaufsfläche je Einwohner mit 0,52 m² Verkaufsfläche über dem Bundesdurchschnitt von rd. 0,4 m² (vgl. folgende Tabelle). Der Großteil der Verkaufsfläche von Nahrungs- und Genussmitteln befindet sich in städtebaulich integrierter Lage (rd. 73 %). Der Betriebstypenmix weist auf eine Discountorientierung hin. Die lokale Einkaufsorientierung zeigt auf, dass wenig Kaufkraft für die Warengruppe Nahrungs- und Genussmittel in umliegende Kommunen abfließt. Andersherum formuliert: das Warenangebot ist derart gut, dass die Burscheider Bürger sich nicht im Umland versorgen müssen. Die Zentralitätskennziffer von 115 % verdeutlicht zudem, dass Burscheid über das Stadtgebiet hinaus auch eine weitere Versorgungsfunktion für das Umland einnimmt.“

Das IEHK Burscheid 2025 führt zu den Planungen für die Montanusstraße konsequent aus (S. 158):

„Eine erste Wirtschaftlichkeitsbetrachtung kommt zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung des Areals auch mit einem SB-Markt wirtschaftlich nicht auskömmlich ist.“

Ich merke hier noch an: Die Begründung des Bebauungsplans äußert sich auf den S. 28f zu einer ggf. später erzwungenen Geschäftsaufgabe des künftigen Rossmann-Marktes, ergänzend auch zu dem Fall, dass dieser Wettbewerber bereits wegen des Planvorhabens von einer Investition Abstand nehmen könnte bzw. sollte. Dies bewerte ich als eine äußerst kritisch einseitige Positionierung. Man mag es sogar bereits in der Nähe eines Eingriffs in eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetriebe sehen. Ausführungen dieser Art sind aus meiner Sicht ordnungspolitisch ebenso deplatziert wie bereits die Erwägungen des IEHK zur – dort ganz offen gewünschten – Geschäftsaufgabe des ebenfalls konkurrierenden Netto-Marktes (IEHK S. 58 und insbesondere S. 146f). Hier sollten die Planer unbedingt die in unserem Rechtssystem primäre Verantwortung der Marktteilnehmer respektieren. Sie dürfen sich nicht dem Verdacht aussetzen, Markt und Arbeitsmarkt mit eigener Sachkunde gestalten zu wollen bzw. die gebotene Neutralität aufzugeben und einzelne Akteure zu bevorzugen.

Teilergebnis Ökonomie:
Das Ansiedeln eines großen Geschäftszentrums an der Montanusstraße ist ökonomisch nicht schlüssig begründet. Es wird das kommunale Steueraufkommen auf mehrere Jahre signifikant mindern und wird gleichzeitig die bereits etablierten Anbieter, dabei auch deren Vermieter und Verpächter unter merkbaren und nicht ausreichend motivierten Wettbewerbsdruck setzen. Neben erhofften Kopplungseffekten werden sich voraussichtlich – wie in Altena – auch deutliche Entkopplungseffekte zeigen, vermutlich zulasten der mittleren und insbesondere der unteren Hauptstraße bzw. der „Alten Mitte“.

B.      Ökologische Begleit- und Folgewirkungen

Der groß dimensionierte Baukörper und sein spezielles Design werden mit hoher Wahrscheinlichkeit das Stadtklima beeinflussen und insbesondere Wärmespitzen überhöhen; das Vorsorgeprinzip gebietet, Risiken dieser Art bereits im Planungsstadium zu begegnen.

Das Geschäfts- und Wohnzentrum ist nicht als Null-Energie-Design bzw. als ausschließlich mit erneuerbaren Energien zu betreiben geplant – dies wäre mit den heute verfügbaren Technologien auch schwer realisierbar. Die Hauptwärmequelle wird eine groß dimensionierte Gastherme mit entsprechenden Emissionen sein. In den Sommermonaten wird die intensive Klimatisierung eine zusätzliche innerstädtische Wärmelast bedingen. Besonders kritisch kann sich hier das Design einer nach Süden ausgerichteten und nach Norden abgeschlossenen großen Plaza auswirken. Sie mag zwar für den überwiegenden Teil des Jahres das erhoffte mediterrane Flair vermitteln. Allerdings dürfte das Aufheizen während der kritisch zunehmenden Hitzewellen die durchgehende Akzeptanz und Nutzung im Sommer ausschließen. Durch technische Maßnahmen und insbesondere durch Abschatten wird dieser Effekt nicht realistisch zu unterbinden sein. Gleichzeitig kann die Gesamtkonstruktion als ein beachtlicher Kollektor für eine Hitzeinsel verantwortlich werden, die bis zur Hauptstraße ausstrahlen kann bzw. die innerstädtische Luftzirkulation nachteilig gestalten kann.

Die Begründung zum BBPl. bleibt in ihrem Umweltbericht hierzu äußerst vage und liefert keine überprüfbaren Vergleichswerte, wenn sie ausführt (S. 57f; Hervorhebungen des Autors):

Die vorhandene hohe Versiegelung wird durch die neue Bebauung nicht reduziert. Es ist eine extensive Dachbegrünung für die gesamte geplante höhere Bebauung vorgesehen, für das große Dach der erdgeschossigen Einzelhandelsnutzung wird eine intensive Begrünung festgesetzt. Ergänzend wird eine Fassadenbegrünung insbesondere für die nördliche Fassade festgesetzt. Stütz- und Lärmschutzwände sind mit Rankpflanzen zu begrünen, Einfriedungen werden nur als Hecken (mit integriertem Zaun) zulässig.

Der öffentliche Platz oberhalb der Tiefgarage wird mit mobilen Sonnenschutzelementen sowie Pflanzbeeten und Bäume in Hochbeeten gestaltet. Im öffentlichen Straßenraum werden Baumpflanzungen erfolgen.

Durch diese Minderungs- und Kompensationsmaßnahmen werden kleinräumige klimatische Überwärmungserscheinungen und die Staubbildung reduziert. Durch die Dachbegrünungen mit Retentionsmöglichkeiten werden Puffer zur Verzögerung des Niederschlagswassers bei Starkregenereignissen geschaffen. Alle Maßnahmen dienen zur Verbesserung des Stadtklimas, sie sind auch der Klimaanpassung förderlich.

Es sind keine wesentlichen Umweltauswirkungen zu erwarten.“

Nach meiner Einschätzung werden gegenüber dem vorgefundenen Zustand auch signifikante Einbußen an klimarelevanter Biomasse zu bilanzieren sein, etwa schon im Zuge der Trassenverlegung. Diese Verluste werden durch die partielle und oberflächliche Begrünung eines kompakten neuen Baukörpers nicht einmal in Teilen kompensiert. Ich gehe davon aus, dass das Vorhaben dann auch den Anforderungen eines Klimaanpassungsgesetzes nicht genügen werden. Die Flächenversiegelung dürfte – was die zitierte sibyllinische Formulierung der Begründung ja nicht ausschließt – im Zuge des Bauvorhabens auch deutlich weiter zunehmen.

Indiz für die durch die Baumaßnahme zu erwartende Degradation bzw. für einen merklichen Verlust naturnaher Umgebung mag auch das Feststellen eines Ausgleichsbedarfs in Höhe von ca. 7.000 Biotopwertpunkten i.R.d. der Eingriffsbewertung des Büros Mestermann sein, siehe dort S. 9. Anm.: Kompensation für den in der Montanusstraße anstehenden Biotop-Verlust wird auch nicht in Burscheid gewährt, sondern im Naturschutzgebiet Steeger Berg im Ortsteil Dürscheid der Gemeinde Kürten im Rheinisch-Bergischen Kreis, siehe Mestermann aaO S. 9. Wie immer man den Effekt einer solchen Kompensation auch bewerten mag, er wird keinesfalls Burscheid und den Burscheidern selbst zugutekommen.

Teilergebnis Ökologie:
Das Planvorhaben wird nach aller Voraussicht nachhaltige ökologische Folgen zeitigen, insbesondere mit Risiken für das innerstädtische Klima. Dies erscheint besonders schmerzlich bei einem Projekt, zu dem weder ein öffentlicher Bedarf noch ein gemeinschaftlicher Nutzen schlüssig dargetan sind (s.o. A).

C.      Barrierefreies Einbinden in die örtliche Infrastruktur

Die offengelegten Planunterlagen lassen keine barrierefreie Anbindung zwischen dem Planvorhaben und der Balkantrasse erkennen.

Hintergrund: Das IEHK hebt die Balkantrasse zutreffend als einen auch innerörtlichen Verbindungsweg hervor. Eine solche Verbindung sollten Bürger*innen aller Fähigkeiten und Altersklassen prinzipiell gleichberechtigt nutzen können. Nach anfänglicher IEHK-Planung hätte bereits die inzwischen errichtete Rampe an der Hauptstraßenbrücke konsequent barrierefrei gestaltet werden sollen (max. 6%, siehe S. 149 des IEHK). Dies ließ sich wegen eines zu geringen Abstands zur benachbarten Brücke (Friedrich-Goetze-Straße) aber leider nicht realisieren, wie sich erst beim genauen Aufmaß herausstellte. Im Endeffekt mussten dort eine Steigung bzw. ein Gefälle von 8-9% hingenommen werden.

Umso wichtiger erscheint, im Zuge der Realisierung des Planvorhabens nun eine barrierefreie innenstadtnahe Zuwegung anzulegen. Tatsächlich verzeichnet der Übersichtsplan auch eine Teilfläche „Öffentlicher Fuß- u. Radweg“ an der westlichen Grenze des Planvorhabens. Allerdings ergäbe eine gerade verlaufende Verbindung an der dort eingezeichneten Stelle wegen des hier noch sehr beträchtlichen Niveauunterschieds zwischen Montanusstraße und Trasse ein Gefälle von sogar nahezu 10%. Dies wäre allenfalls durch zumindest eine weitere Verschwenkung auf das erforderliche Norm-Maß zu bringen. Auch die Begründung zum Planvorhaben erwähnt zwar die Erreichbarkeit des neuen Angebots (u.a.) durch Radverkehr, nicht aber durch Fußgänger oder gar die Barrierefreiheit als Bedingung (S. 14f). Anm.: Barrierefreiheit wäre auch ein zentrales Plus für Besucher aus dem nahegelegenen, grundsätzlich über die Balkantrasse erreichbaren Altenzentrum Schützeneich.

Die barrierefreie Auslegung gilt es daher noch eindeutig klarzustellen.

Weitergehend: Für die Begegnung von Fußgängern und Radfahrern postulieren die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA 2010, Text siehe hier) aus Sicherheitsgründen einen Grenzwert von 3% Gefälle, ERA 3.6, vierter Anstrich. Das Landesbauministerium hat den Kommunen die Anwendung der ERA ausdrücklich empfohlen. Eine Zuwegung, die dieser Norm entspricht, könnte zwar wohl nicht westlich, wohl aber an der östlichen Flanke des Projekts realisiert werden. Dies ist im IEHK auf der Grafik auf S. 150 in der rechten oberen Ecke auch angedeutet (dort über eine Parkfläche, siehe auch den Masterplan Burscheid auf S. 124, 125 des IEHK an gleicher Stelle). Es wäre sehr vernünftig, wenn sich auch diese praktisch höhengleiche Verbindung realisieren ließe.

Teilergebnis Infrastruktur:
Es muss klargestellt werden: Im Zuge des Bauvorhabens wird an der westlichen, zur Innenstadt gerichteten Flanke eine barrierefreie Zuwegung zur Balkantrasse eingerichtet. Nach Möglichkeit sollte dies durch eine ERA-konforme höhengleiche Anbindung an der östlichen Flanke ergänzt werden.

 

Dr. jur. Karl Ulrich Voss, Kuckenberg 34, 51399 Burscheid
Tel: 02174 / 8791, Mail: kuvo2s@gmail.com





Donnerstag, 3. September 2020

Quäl dich, du Sau!


„Quäl dich, du Sau!“, diesen Spruch kennt jeder Radprofi und Radamateur. Damit hat Udo Bölts bei der 18. Etappe der Tour de France 1997 seinen Teamkollegen Jan Ullrich angefeuert, am 24.7.1997 zwischen Colmar und Montbéliard. Als nämlich Ullrich als Gesamtführender auf einer herausfordernden Rampe in den Vogesen schwächelte, am Grand Ballon, zu deutsch: am Großen Belchen. Ullrich hat die Tour am Ende tatsächlich als bisher einziger Deutscher gewonnen. Aber keiner weiß, ob Ullrich damals nicht gedopt war, nicht nur mit würzigen Männerworten.
Wenn sich demnächst in Burscheid die Rampe von der Balkantrasse herauf zur Hauptstraße auftürmen wird, dann sollten wir etwa auf der Mitte der Steigung ein Schild mit diesem fröhlich aufmunternden Zitat aus der Radfahrer-Folklore anbringen, also nach 65 Metern bei 8%:


Am Grand Ballon ist die Steigung ja auch nicht viel herausfordernder, höchstens 9%. Und bereits am Fuß unserer Rampe könnten wir präventiv Kaffee, Äpfel und Sauerstoff als naturnahes Doping verticken. Vielleicht gäb's im Ziel oben an der Hauptstraße dann noch als Trophäe und Erinnerung diese niedlichen Kühlschrank-Magnetschilder, eben mit dem Klassikerspruch und dem Ortswappen darauf. Am besten noch mit einer durchnummerierten Unterschrift des Bürgermeisters dazu - für's Monitoring der Rampen-Nutzung - und überreicht mit seinem anerkennden Handschlag. Burscheid mag sich an dieser Stelle unverhofft zum nationalen Radsport-Mekka mausern. Und hätte ein belastbares Geschäftsmodell.

Übersicht über diesen Post:

A.     Meine Einschätzung vorab zusammengefasst
B.     Prähistorie mit Burg
C.    Der folgenreiche Rechenfehler
D.    Dezember 2016: Planungsgrundlage
E.     Am 13.5.2019: Änderung der Parameter
F.     Vereinbarkeit mit einschlägigen Regelwerken
G.    Die gute alte Nutzer-Orientierung
H.    Drachenhaut. Oder: Wie sind wir in den Schlamassel geraten?
I.       Ein Burscheider Spitzenplatz im nächsten Schwarzbuch?
K.    Das Kind braucht einen Namen - und ein Lied
L.    Was tun?

A.    Meine Einschätzung vorab zusammengefasst
Seit der Vorstellung des Burscheider Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzepts (IEHK 2025) im Dezember 2016 (dort u.a. S. 149) haben sich wesentliche Planungsparameter so verändert, dass aus meiner Sicht ein relevanter und zum Mitteleinsatz verhältnismäßiger Nutzwert des Moduls Rampe & Plattform nicht mehr erkennbar ist. Gleichzeitig widerspricht die Planung den hier zu beachtenden Regelwerken und Richtwerten:
1.     Steigung/Gefälle der geplanten Anbindung haben seit Aufstellung des IEHK 2016 um ein Drittel auf nunmehrige 7,9% zugelegt. Die Länge der Rampe verstößt bei dieser Steigung um das Dreifache gegen Nr. 2.2.3 der geltenden Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) und entspricht damit nicht dem bei öffentlichen Planungen zugrunde zu legenden Stand der Technik.
2.     Das vorgesehene und nach den Umgebungsbedingungen auch nicht veränderbare Gefälle von mehr als 3% ist nach Nr. 3.6 der ERA 2010 ein definitiver Ausschlussgrund für eine integrierte Nutzung durch Radfahrer und Fußgänger. Die geplante Neigung übersteigt den Grenzwert hier um deutlich mehr als mehr als das Doppelte. Würde die Stadt die geplante Rampe nicht wirksam gegen jeglichen Fußverkehr abgrenzen, dann hätte sie aus der Verkehrssicherungspflicht ernsthafte Haftungsrisiken zu befürchten. Nach etwaigen Unfällen würde zudem eine unbefristete Sperrung des Gefahrenpunkts drohen.
3.     Die geplante Steigung der Rampe überschreitet zudem den Wert für barrierefreie öffentliche Verkehrswege nach DIN 18024-1 signifikant.
4.     Damit kann man die sehr steile Rampe keinesfalls als „sehr gute“ Anbindung (so IEHK S. 149) gegenüber dem verfügbaren höhengleichen Anschluss über die Montanusstraße qualifizieren, wie er in vergleichbarem Abstand auf der anderen Seite der Brücke abzweigt. Auch eine mögliche Nutzung durch E-Bikes – sie machen derzeit gerade 6% des deutschen Fahrradbestandes aus – ändert diese Einordnung nicht entscheidend.
5.     Der Kreisverband Rheinberg/Oberberg des ADFC ist die regional zuständige Interessenvertretung von Radfahrern. Der Verband hat sich ausdrücklich gegen eine solche Rampe ausgesprochen und fordert eine am täglichen Gebrauch orientierte Rad-Infrastruktur für die Innenstadt, siehe hier.
6.     Ein signifikanter Beitrag zu kommerziellen Umsätzen auf der Burscheider Hauptstraße war bereits vorher nicht schlüssig dargetan (welche Warengruppen zu welchen Geschäftszeiten?). Ein merklicher Anteil ist durch das nun extrem geplante Profil umso unwahrscheinlicher geworden.
7.     Mangels lebhafter gewerblicher Nutzung der vorgeschlagenen Plattform entfällt ihre wesentliche Funktionalität, nämlich die von den Planern in den Mittelpunkt gestellte Signalwirkung für Radfahrtouristen. Angesichts der an der Hauptstraße reichhaltig entstandenen bzw. noch entstehenden Nutzungsflächen und wegen des auch durch eingehende Recherche der Stadt nicht feststellbaren kommerziellen Bedarfs ist die Plattform damit insgesamt verzichtbar.
8.     Das Modul Rampe & Plattform steht auch nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu anderen Konzeptteilen, wie es etwa bei der Straßensanierung einerseits und Fassadengestaltung andererseits der Fall ist. Das Modul steht für sich und wäre ohne erkennbaren Schaden zu streichen. Streicht man es nicht, entscheidet man im Falle der Plattform und ihrer Pylone realistischerweise für mehrere Generationen.

B.    Prähistorie mit Burg
Das Planungsbüro Hamerla & Partner war der Stadt durch sein vorangegangenes Konzept zur Neugestaltung der Innenstadt von Altena aufgefallen. Flaggschiff und besonderer Blickfang für Burscheid war dort der so genannte „Erlebnisaufzug“, 






der unter maßgeblicher EU-Förderung das Stadtzentrum von Altena mit einem überörtlichen touristischen Ziel , der Burg von Altena verknüpfen soll 

Dieser Erlebnisaufzug wurde sofort Simile für einen analog gewünschten Lift an der Burscheider Hauptstraßenbrücke. Indessen führten die sehr schlechten Erfahrungen mit einem nicht überwachten, öffentlich frei zugänglichen Aufzug am gerade umgestalteten Opladener Bahnhof sehr bald weg von der Aufzugslösung. 
Ruine in jungen Jahren

- und zwar seit Monaten -



mit erstaunlichen Einsichten
Als funktionaler Ersatz wurde in der Folge eben die Rampe erdacht. Erhalten bleiben sollte aber als Analogie zur Altenaer Burg eine von unten gut sichtbar „bespielte“ Plattform, also entsprechend gedacht als Pheromon oder als Lockstoff für zahlreiche potenzielle Besucher unserer Innenstadt. 
Blickt man heute auf die Situation, so ist leider klar: Der Eyecatcher des Altenaer Konzepts ist im Burscheider Nachbild unter mehreren Korrekturzügen zu einer dysfunktionalen Karikatur geraten. Er hat sich wegen der real zu unterschiedlichen Örtlichkeit und Topgrafie eben nicht nach den Regeln der architektonischen Kunst einpassen lassen. Unabhängig davon kann ich aber den heutigen Besuch von Altenas Innenstadt nur dringendst anraten. Denn trotz des dort sehr aufwändig inszenierten "Erlebnisaufzuges" hat das Altenaer IEHK leider nicht den bedrückenden Eindruck einer sterbenden Stadtmitte mit verfallenden Fassaden und mit vielen leeren oder pro forma genutzten Schaufenstern verhindert. An solchen Erwartungen gemessen war er eine klare Fehlinvestition.





Es lohnt der Besuch aber auch im Übrigen: Oben auf der Burg wird man als Burscheider mit dem Grabmal eines wirklich sympathischen Bergischen belohnt, nämlich mit der letzten Ruhestätte des "Wilhelm von Waldbrühl" alias Anton Wilhelm von Zuccalmaglio, Sohn des Jacob Salentin von Zuccalmaglio, des Initiators und Mitgründers der Musicalischen Academie zu Burscheid von 1812, und Bruder des Vinzenz Jakob von Zuccalmaglio genannt Montanus (bei der "Montanusstraße" schließt sich der Kreis). Wilhelm war Lehrer, Autor und Komponist: Er hat deutsche Volkslieder gesammelt und hat selbst u.a. eines der bekanntesten und schönsten deutschen Lieder getextet und komponiert  - "Kein schöner Land in dieser Zeit". Dann gibt es übrigens noch den viel jüngeren Bruder des Jakob Salentin, Franz von Zuccalmaglio, Schulfreund Heines, dem Heine sogar ein Gedicht gewidmet hat, guter Freund des Anton Wilhelm und späterer griechischer Freiheitskämpfer - insgesamt eine höchst interessante Familie, die den nachhaltigen Nutzen von Einwanderung aufs Beste beweist. Wenn man im Altenberger Dom ein wenig sucht, dann findet man in einem der Kirchenfenster übrigens das Familienwappen der Zuccalmaglios, mit einer zucca bzw. einem Kürbis mittendrin; manche deuten es auch als Dickschädel ;-) 
Und am Lenne-Ufer sieht man dann erstaunliche Parallelen zum Burscheider Markt, genauer zu den drei Makrolon-Blech-Bäumen dort. Altena erinnert da allerdings an seine industrielle Tradition als Stadt der Drahtzieher und hat dann zu seinem Glück auch auf verschmuddelnde Plastikdächer verzichtet. Man kann sie drum in Altena ohne Probleme stehen lassen.
Zusammenfassend können wir unser Problem nun als Fragen an Radio Eriwan stellen:
Frage an Radio Eriwan:
„Bekommt Burscheid einen Aufzug zu seiner Burg?“
Radio Eriwan antwortet:
„Im Prinzip ja. Aber statt der Burg baut Burscheid ein Podest. Und der Aufzug wird jetzt schräg gelegt. Dann wird es zwar steil, aber nicht mehr so krass steil wie bei einem gewöhnlichen Aufzug.“

Nachfrage an Radio Eriwan:
„Also jetzt eine Rampe. Aber widerspricht die an dieser Stelle nicht allem, was Gott, DIN und die Polizei gebieten?“
Radio Eriwan antwortet:
„Im Prinzip ja. Aber die Stadt ist haftpflichtversichert. Und hinterher wird es ja wohl keiner im Rat gewesen sein.“

C.    Folgenreicher Rechenfehler
Ach was, so steil wird die Rampe sicher gar nicht; im IEHK steht doch auf S. 149 ganz klar: „Aufgrund der topographischen und räumlichen Verhältnisse bietet sich an, eine 2,50 m breite Radwegerampe mit einer Steigung von rd. 6,0 % in der Böschung parallel zum Gartenweg zu errichten, die auf die Hauptstraße und somit direkt im Zentrum der Stadt mündet.“ Und 6%, das ist doch sogar (gerade noch) barrierefrei!
Man will es kaum glauben: Aber die bizarre Ableitung des Altenaer „Erlebnisaufzuges“ hat es nur aufgrund eines Rechenfehlers so ins IEHK geschafft: Der Weg herauf und hinunter über den Radweg muss nach den nicht veränderbaren topografischen Bedingungen zwischen den beiden Straßenbrücken nun tatsächlich um ein sattes Drittel steiler werden; er würde mit dann ca. 8% längst nicht mehr barrierefrei. Aber nicht etwa, weil sich zwischenzeitlich  – bei gleichbleibendem Höhenunterschied – die geplante Weglänge der Rampe gegenüber dem IEHK mit Stand 2016 verkürzt hätte. Nein, die erst viel geringer angegebene Steigung war ganz offenbar Resultat eines Denk- oder Rechenfehlers: Legt man lediglich den einfachen Niveauunterschied direkt an der Hauptstraßenbrücke zugrunde und lässt das weitere Gefälle im Verlauf der Balkantrasse bis zum Einmündungspunkt der Rampe außer Acht, so ergibt sich eben diejenige um ein Drittel flachere Steigung, die das IEHK auf S. 149 ausweist.
Dem Planungsbüro kann man vielleicht gar keinen Vorwurf machen; irren ist zu menschlich. Dieses Büro liegt auch in der Düsseldorfer Kanalstraße mittenmangs in einer Rheinschleife, wo der mäandrierende Rhein sein Tal seit Jahrtausenden akkurat eben und zweidimensional geschliffen hat. Dort ist in 1000 Metern Umkreis an merkliche Steigungen oder Gefälle gar nicht zu denken; und auch ohne Wasserwaage kommt jeder Stein automatisch waagerecht zu liegen. Dort hätte die Rechnung denn auch gestimmt 😉 Aber nach Erkennen des Rechenfehlers hätten alle Beteiligten schon ein wenig nachdenklich werden sollen. Und preiswürdig war die Arbeit der Architekten zu diesem IEHK-Kapitel ganz sicher nicht; eher würde ich auf viel versprechende Regressansprüche kommen.

D.    Dezember 2016: Planungsgrundlage
Im Burscheider IEHK 2025 mit Stand vom Dezember 2016 ist im Kapitel 6 „Maßnahmen“ u.a. die Anbindung der Hauptstraße an die Balkantrasse dargestellt. Dort heißt es auf S. 149 genauer:
‚Zurzeit wird die Burscheider Innenstadt vom Panorama-Radweg „Balkantrasse” lediglich „unterfahren“. Es gibt nur wenige Hinweise für die vorbeikommenden RadfahrerInnen, dass sich das Burscheider Zentrum in unmittelbarer Nähe befindet. Geschweige denn, dass die RadfahrerInnen für eine Rast oder einen Aufenthalt in die Stadt gelockt werden. Der Panorama-Radweg erfreut sich einer immer größer werdenden Beliebtheit. Immer mehr Radwege werden zu einem attraktiven Verbund zusammen geführt, der von immer mehr RadfahrerInnen genutzt wird. Hierin verbirgt sich ein großes Potenzial zur Stärkung und Belebung der Innenstadt. Dazu ist die Schaffung von mehreren guten und einer sehr guten, direkten Anbindung des Panorama-Radwegs „Balkantrasse” an die Innenstadt zwingend notwendig.
Östlich der Innenstadt ist die niveaugleiche Anbindung an die Dammstraße zu optimieren. Westlich des Zentrums sind verschiedene niveaugleiche Anbindungen vom Radweg an die Montanusstraße zum Teil vorhanden und zum Teil noch zu errichten. Insbesondere im Westen der Montanusstraße muss im Zusammenhang mit der Entwicklung des Einzelhandelsvorhabens eine neue, gut ausgeschilderte Anbindung geschaffen werden.
Keine dieser Anbindungen bringt den die RadfahrerIn aber direkt ins Zentrum. Aufgrund der topographischen und räumlichen Verhältnisse bietet sich an, eine 2,50 m breite Radwegerampe mit einer Steigung von rd. 6,0 % in der Böschung parallel zum Gartenweg zu errichten, die auf die Hauptstraße und somit direkt im Zentrum der Stadt mündet. Diese Anschlussstelle wird durch eine über der „Balkantrasse” freikragende, rd. 100 m2 große Plattform weit sichtbar betont. Sie kann auch für außengastronomische Zwecke genutzt werden. Eine kleine, rd. 30 m2 große Plattform östlich der Brücke an der Hauptstraße ergänzt das Angebot um einen zusätzlichen Begegnungs- und Aufenthaltsraum an der mittleren Hauptstraße. Die Inszenierung dieser Plattformen wird entscheidend dazu beitragen, die Stadt Burscheid für RadfahrerInnen ins rechte „Rampenlicht“ zu rücken.‘
Hervorzuheben ist: Das befasste Architekturbüro plant in diesem Stadium wie gesagt eine Steigung bzw. ein Gefälle der Rampe von 6% und qualifiziert dies als die (noch fehlende) „sehr gute Verbindung“ zur Innenstadt. Um eine größere Zahl der Benutzer der Balkantrasse auf die Rampe und zu den Angeboten der Innenstadt zu „locken“, kommt es dem Büro zudem insbesondere auf die von der Trasse gut sichtbare Appell-Funktion zweier belebter und beleuchteter „inszenierter“ Plattformen an.

E.     Am 13.5.2019: Änderung der Parameter
Im Rahmen der Bürgerinformation über den weiteren Planungsverlauf am 13.5.2019 werden dann wesentliche Planungsannahmen kurzerhand revidiert: Die Planer geben den Neigungswinkel der Rampe zwischen Balkantrasse und Hauptstraße mit nunmehr 7,9%, also um etwa ein Drittel vermehrt an (s.o. unter „Folgenreicher Rechenfehler“; in der Präsentation steht übrigens nur die reine Zahl "7,9" ohne "%", vielleicht um nicht zu sehr zu erschrecken). Die von den Planern gerade bezweckte Signalwirkung einer „inszenierenden“ Plattform will man nun auch fallen lassen, zumindest auf unbestimmte Zeit zurückstellen. Denn trotz intensiver Suche hat die Stadtverwaltung kein gastronomisches Angebot für diese exponierte Lage finden können und dies scheidet hier auch bis auf Weiteres aus. Damit ist ein merkantiler Mehrwert und Nutzen, der zu den erheblichen Investitionsmitteln des Landes und der Stadt verhältnismäßig wäre, überhaupt nicht mehr erkennbar.
Es fällt kaum ins Auge, aber auch die finanziellen Parameter sind zwischen dem IEHK mit Stand Dezember 2016 und der Informationsveranstaltung im Mai 2019 maßgeblich verändert. Auf den ersten Blick scheint der Ansatz von Gesamtkosten für das Modul Rampe & Plattform zwar exakt gleichbleibend, nämlich insgesamt 534 T€, davon 30% Eigenanteil der Stadt i.H.v. 160,2 T€. Real aber sind die veranschlagten Kosten um mehr als 13% gestiegen: Denn eine im IEHK Stand 2016 noch vorgesehene kleinere zweite Plattform an der anderen Brückenseite (früher: „Plattform Nord“, siehe auch das IEHK-Zitat oben, dort Abs. 3 Satz 4) mit einem damals angesetzten Aufwand von 72 T€ (so noch IEHK S. 202) ist nun ersatzlos entfallen. Anders ausgedrückt: Für die auf den Euro identischen Finanzmittel ist nunmehr eine Plattform weniger konzipiert.
Die Debatte am 13.5.2020 verläuft sehr kontrovers, die Bürger stellen konkrete Fragen und bringen konstruktive Vorschläge ein. Wenn man allerdings in der Burscheider Dokumentation unter "Ergebnisse der Bürgerveranstaltungen" nachsucht, dann entdeckt man von solchen m.E. gerade wichtigen Ergebnissen der Veranstaltungen keinerlei Spur, keine Ergebniszusammenfassung. Rien, nada, nothing, nitschewo, Responsivität = Null. Was man sehr wohl findet: Die offiziellen vorher vorbereiteten Präsentationen - das sind aber keine "Ergebnisse" des Austauschs. Und über allem schwebt ein wohl repräsentativ gemeintes Bild, wo die Bürger mehr oder weniger andächtig dem Frontalunterricht oder der Predigt der Planer lauschen. Da hebt sich gerade nicht mal eine kleine nachfragende oder zweifelnde Hand... 
Ergebnis:
Die Planungsgrundlagen haben sich in Punkten geändert, die gerade auch für die merkantile Wirksamkeit der Maßnahme wesentlich sind. Das Lernen von Lektionen daraus ist nicht ersichtlich.
F.     Vereinbarkeit mit einschlägigen Regelwerken
Ein Verstoß gegen Regelwerke, die bei der Planung von integrierten Rad- und Fußgängerwegen wie der Balkantrasse einschlägig sind, ist während der Informationsveranstaltungen teils flüchtig, teils gar nicht erläutert worden. Dabei gehe ich im Weiteren davon aus, wie sicher auch die große Mehrzahl der Beteiligten: Die Rampe zur Hauptstraße ist wie andere Rampen im Verlauf der Balkantrasse für Radfahrer und auch für Fußgänger prinzipiell jeden Alters bestimmt. Zumindest ist keine praktikable Verkehrsführung vorstellbar oder bisher auch nur vorgeschlagen, die einen fußläufigen Verkehr an dieser Stelle zuverlässig und dauerhaft ausschließen würde.
Die als Stand der Technik zugrunde zu legenden Empfehlungen für Radverkehrsanlagen in der Fassung von 2010 (ERA, aktuelle Textfassung 2010 siehe hier) stellen unter ihrer Nummer 2.2.3 die für gegebene Steigungen an Radwegen maximal vorzusehenden Rampenlängen auf. Bei einer Steigung von 6% beträgt die maximale Weglänge danach 65 m, bei einer Steigung von 10% sind es nur noch 20 m. Im Falle der hier nunmehr geplanten Steigung von ca. 8% wäre der Wert zu interpolieren, läge dann bei höchstens ca. 40 m. Tatsächlich aber ist eine Länge von 130 m geplant (Längenangabe siehe IEHK S. 202 bei den Berechnungsgrundlagen zur Rampe West). Dies entspräche keinesfalls dem Stand der Technik, wäre unter solchen Bedingungen auch nicht ernsthaft eine „sehr gute, direkte Anbindung an die Innenstadt“ (so aber wörtlich das IEHK, S. 149). Ich weise darauf hin: Das geplante erhebliche Gefälle würde auch (allein oder begleitend) radfahrende Kinder einem merklichen Verletzungsrisiko aussetzen, gerade im Begegnungsverkehr und bei der besonders kritischen Einmündung in die Balkantrasse am Fuß der Rampe.
Die ERA 2010 regeln ferner die Integration von Radwegen und Fußwegen. Unter ihrer Nr. 3.6 sind Ausschlusskriterien für ein Verbinden solcher Verkehrsströme genannt, und zwar ausdrücklich „starkes Gefälle“ als risikoerhöhender Faktor. Als starkes Gefälle definieren die ERA bereits eine Neigung, die größer ist als 3 % (!!!). Damit dürfte die Eröffnung des Verkehrs auf einer solchen Rampe als grob die Gefahr erhöhend anzusehen sein, soweit Fußgänger nicht zuverlässig ferngehalten werden können. Dies würde im Übrigen beachtliche Haftungsrisiken für denjenigen bedeuten, der eine solche Verkehrsanlage in Betrieb nimmt und damit verkehrssicherungspflichtig wird. Eine bloße Beschilderung (etwa „Radweg“ oder „„auf eigene Gefahr“) würde solche Risiken in der Realität kaum abwenden und könnte gegenüber späteren Schadensersatzansprüchen unbeachtlich sein. Anm.: Das IEHK betrachtet zwar neben dem motorisierten Verkehr auch Fußgänger und Radfahrer (z.B. S. 113); allerdings interpretiert es die Balkantrasse typischerweise vereinfachend als reinen Radweg, so etwa auch bei den Bildbeispielen der Präsentationen.
Wenn die Rampe tatsächlich nicht als reiner Radweg organisiert werden kann oder soll, dann würde das nun geplante Gefälle ohnehin gegen DIN 18024-1 „Fußgängerverkehrsfläche“ verstoßen, die bei öffentlichen Planungen ebenfalls zumindest als Stand der Technik zu beachten ist und eine möglichst barrierefreie Nutzung durch alle Bevölkerungsgruppen sichern soll. Danach sollen Gehwege ohne Verweilplätze nicht mehr als 3% Längsgefälle aufweisen. Bei Steigungen zwischen 3% und 6% muss die Planung in Abständen von max. 10 m zusätzliche Verweilplätze mit weniger als 3% vorsehen (siehe zu weiteren Voraussetzungen https://www.strassen.nrw.de/files/commons/pdf/pub_leitfaden-barrierefreiheit-im-strassenraum-2012.pdf). Den Planern dürfte die Problematik gegenwärtig gewesen sein, als sie die Rampe bei der Informationsveranstaltung im Mai 2019 lapidar als „nicht mehr barrierefrei“ bezeichnet haben. Dies impliziert im Übrigen, dass sie in diesem Kontext eine integrierte Nutzung der Rampe als Fuß- und Radweg als prinzipiell möglich ansahen, wie mit Sicherheit auch nach wie vor die meisten Bürger*innen – nur eben nicht mehr als barrierefrei.
Als ich bei Ratsmitgliedern nachfrage, wie sie dazu stehen, dass hier eine Planung gegen den Stand der Technik verfolgt und noch dazu als „sehr gute Anbindung“ verkauft werde, da höre ich: Ja, wo ich's jetzt sage - im Planungsausschuss habe man tatsächlich die Richtwerte aus ERA und DIN im Blick gehabt und sogar ein wenig darüber gestritten. Aber dann habe man sich doch entschlossen, die vom Büro vorgeschlagene Lösung auszuschreiben und zu warten, wie wohl die Bewerber mit den Problem umgehen wollten. Wäre es nicht demokratisch sinnvoll, mit solchen sehr ernsthaften Einwänden an die Betroffenen zu gehen, also an die Bürger, Nutzer und Wähler? Z.B. gerade bei der Bürgerinformation im Mai 2019? Statt erstmal weitere Fakten zu schaffen und business as usual zu spielen? Einen deutlichen Verstoß gegen offizielle Richtwerte zu unterschlagen, dazu braucht's schon eine belastbare Chuzpe oder Kaltschnäuzigkeit. Und nur nebenbei: Auch eine Ausschreibung wird voraussichtlich keine wesentlichen Teile der Euklidischen Geometrie außer Kraft setzen.
Ergebnis:
Die Planung verstößt in mehrfacher Hinsicht signifikant gegen die ERA 2010. Insbesondere ist die Rampe mit ihrer starken Steigung um das Dreifache zu lang angelegt. Das eingeplante starke Gefälle ist ein besonderer Gefahrenpunkt gerade für radfahrende Kinder und ist gleichzeitig ausdrücklicher Ausschlussgrund für eine integrierte Nutzung der Rampe als Fuß- und Radweg. In keinem Fall könnte die Rampe an dieser Stelle barrierefrei angelegt werden – oder höchstens mit mehreren, extrem kostenträchtigen Wendungen.
G.    Die gute alte Nutzer-Orientierung
Nutzer-Orientierung ist wie Marktforschung ein sehr lohnender Ansatz beim Planen neuer Produkte oder Dienstleistungen. Was sagen nun die potenziellen Nutzer der Rampe? Eine repräsentative Befragung ist m.W. nicht vorgenommen oder geplant. Am nächsten dran an einer repräsentativen Betrachtung ist die Analyse durch den örtlich zuständigen Radfahr-Verband, hier durch den ADFC Verband RheinBerg/Oberberg. Der Verband teilt mir am 29.8.2020 seine Einschätzung mit, die sich übrigens mit seinem Post im Zusammenhang mit der Informationsveranstaltung im Mai 2019 deckt:
„Der ADFC RheinBerg-Oberberg hält die Rampenlösung nicht für ‚den besten Weg‘ in die Burscheider Innenstadt:
1.     Die Rampe mit einer Steigung von 7,9 % ist nicht barrierefrei.
2.     Es handelt sich auf kurzer Wegstrecke um die 2. Rampe, die von "schwächeren Radfahrenden" überwunden werden muss.
3.     Für Pedelec-Nutzer und sportliche Fahrer steigungstechnisch kein Problem. Aber für folgende Nutzer ist die Bewältigung nicht einfach: Fahrräder mit Anhänger (Kind, Hund, Gepäck); Kinder unter 8 Jahren; Liegeräder, Lastenräder, ggf. auch Tandems; Rollstühle; Kinderwagen.
4.     Wenn Radfahrende (mit konventionellen Rädern) aus Richtung Wermelskirchen kommend, eine 180 Kehre beschreiben müssen, um die Rampe hochzufahren, geht der Schwung verloren, werden durch Unachtsamkeit ggf. andere Trassennutzer gefährdet, ungeübte Fahrer können sich beim Fahren "enger Kurven" verschätzen und ggf. stürzen.
5.     Nehmen unmotorisierte Radfahrende aus Richtung Opladen "Anlauf", um die Rampe zu bewältigen, werden ggf. andere Nutzer gefährdet.
6.     Das Abbiegen am unteren Ende der Rampe in Richtung Wermelskirchen birgt ebenfalls fahrtechnische Risiken für ungeübte Fahrer (zu großer Bogen = Radfahrer*in gerät in den Gegenverkehr, zu enger Bogen = Radfahrer*in kippt um).
7.     Ggf. muss die die Rampe an den Enden durch Umlauf-/Umfahrsperren gesichert werden; in diesem Fall müsste an der Einmündung Hauptstraße ggf. abgestiegen werden (Platzgründe, fehlender Schwung); an der Anbindung Balkantrasse müsste ggf. auch abgestiegen werden, weil die Kurve zu eng ist (s.o.) - bei hoher Frequenz bilden Sperren einen künstlichen Engpass.
Selbstverständlich können alle Nutzer die Rampe hochschieben (Pedelec mit Schiebehilfe), aber Sinn soll ja eine einfache und zügige Zuwegung zur Hauptstraße/Aussichtsplattform sein. Wie eingangs erwähnt, befürworten wir den Ausbau der vorhandenen Zuwegungen Montanusstraße und Dammstraße.“
Damit verstößt die Rampe – und ihr Schicksal teilt dann auch die planerisch damit vereinte Plattform – nicht nur gegen die relevanten Regelwerke, sondern ganz offenbar sogar gegen die Interessen der angepeilten Zielgruppe. Warum halten dann alle Beteiligten die Schotten dicht und halten in einiger Treue fest an einer längst überholten und widerlegten Idee?
H.    Drachenhaut. Oder: Wie sind wir in den Schlamassel geraten?
Ja, wie kam es eigentlich? Offenbar durch die besondere Gruppendynamik von Landesprogrammen, durch die einfühlsame psychologische Routine eines gut eingeführten Planungsbüros und durch das archaische „Haben wollen“, das davon abrät, Mittel liegen zu lassen, die dann andere Kommunen abgreifen könnten. Das Planungsbüro verschafft mit der Konzeptentwicklung den silbernen Schlüssel zum goldenen Landes-Topf am Ende des Regenbogens. Und wenn das Land zu jedem dritten eigenen Euro noch sieben frische Euros dazu verschenkt, dann ist das gefühlt wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen. Wer kann da widerstehen? Ein gut eingespieltes Planungsbüro hält Kontakt zur Landesverwaltung, kennt schon den Referentenentwurf des Fördergesetzes, kann gar über seine Interessenvertretung das eine oder andere Förderziel zu seinen Gunsten mitgestalten oder sich auf den Leib schreiben lassen. Mit einem erfolgreichen Konzept (hier: Altena) weist es sich bei den weiteren Aspiranten aus. Hat es dann den Auftrag im Sack, braucht es ein wenig Empathie, aber es kann den sonst gerne zerstrittenen lokalen Gruppen zu einem langen, gemeinsamen, heimatlichen Glückserlebnis verhelfen: „Bekomme ich Futter für meine Unterstützergruppe und mein Wahlprogramm, dann darfst Du so etwas natürlich auch gerne haben!“ Das Füllhorn des Landes scheint unerschöpflich, selbst und gerade für nicht so gut gestellte Kommunen, für solche, bei denen schon jahrelang Schmalhans Küchenmeister ist. Da schluckt man schon mal die eine oder andere inhaltliche Kröte und Plausibilitäts- und Qualitätskontrolle werden beim Auftischen und Aufteilen der fetten Beute sekundär. Statt der gesunden Frage nach dem "Zwingend erforderlich?" reicht nun ein "Schadet wohl nicht!". Oder auch: Anstelle von "Who's definitely in need of that?" heißt es viel lockerer "Who cares? Now let's proceed in our broad agenda!"
Ein Architekt muss Geschichten in Cinemascope erzählen können, muss Mut zu Neuem anstoßen und auch zum Investieren, bei einer häufig eher konservativen und überwiegend nicht fachtechnisch versierten Klientel. Da kommt ein Hochglanz-Modul wie der „Erlebnisaufzug“ doch sehr zupass. Mensch, da hat’s einer geschafft, das ganz große EU-Geld anzugraben! Und wie ein Vollblutpolitiker so tickt, wenn er sieht, dass andere schon den kapitalen Hirsch geschossen haben: Die Augen werden glänzend tränenfeucht, von den Lefzen tropft es zart und leicht sabbernd dringt es über die bebenden Lippen: „Auch haben wollen!“ Kann doch wohl nicht sein, dass andere (Kommunen) absahnen und man selbst traurig mit leeren Händen auf der Bühne steht! Da wollen wir doch dabei sein, reale Vergleichbarkeit und objektivierbarer Nutzen werden da zweitrangig oder man verschiebt sie gerne auf später.
Ein erfahrener Planer wird sein Konzept auch mit einer Drachenhaut oder mit einer Dornröschen-Hecke umgeben und härten: Nur einheitlich umgesetzt könne es Nutzen stiften, alles hänge mit allem zusammen, alles stehe oder falle gemeinsam und wenn es falle, dann drohe der kollektive Exitus, der Tod der Innenstädte. Drum nennt man so ein Konzept gerne „integrierend“, selbst wenn es aus sehr unterschiedlichen, nicht im Einzelnen kausal von einander abhängigen Komponenten besteht. Und drum werden alle Fragen mit orthodoxer Strenge verfolgt, die zur Plausibilität von Konzeptteilen aufkommen. Als ich nach Zeitungsberichten über die konkretisierte Planung der Rampe zu deren konkretem Sinn nachfrage, sagt mir ein Mitarbeiter der Stadt (oberes Management) wörtlich, er fände es „doof“, wenn Leute Fragen zu der Rampe stellen, die den Planungsprozess nicht im Einzelnen nachverfolgt hätten. Und während der Informationsveranstaltung im Mai 2019 bezeichnet ein Teilnehmer die diversen durchaus sachlichen Fragen der Bürger*innen zum alten Friedhof, zur Rampe und zur Plattform wörtlich als „Unverschämtheit“, nachdem alle diese kleinen Dinge in den zuständigen Gremien der Stadt doch bereits so lange und eingehend durchgekaut worden seien. Der ärgerliche Mahner ist Berufskollege der Planer, die die Konzeptentwicklung in der Informationsveranstaltung vorstellen sollen, und offenbar ist er ein innig mit ihnen fühlendes Herz. Aber dieses krasse Abfertigen hat mich immerhin nachhaltig motiviert, mal kritisch nach den einschlägigen Regelwerken und Richtwerten zu forschen. Und siehe da (s.o. unter F.)!
Das ist hier die Herausforderung: Ein so komplexes und schwergewichtiges und mit vielen Interessen beladenes Konzept entwickelt das Trägheitsmoment eines vollbeladenen Öltankers: Einmal in Bewegung gesetzt, hat es einen Bremsweg im zweistelligen Kilometerbereich. Wir würden besser ein Beiboot klarmachen, statt paralysiert auf die Kollision mit Land zu warten.
I.       Ein Spitzenplatz im nächsten Schwarzbuch?
In seinem Schwarzbuch spießt der Bund der Steuerzahler immer wieder Fälle auf, bei denen die öffentliche Hand „Aussichtspunkte“ finanziert hat, ohne dass irgendein Mehrwert an Aussicht wahrnehmbar wäre. Der Bund vermeldet diese stetig wiederkehrende Fallgestaltung offenbar sehr gerne, selbst bei deutlich kleinerem Investitionsvolumen wie etwa hier.

Für Burscheid kommen hier mehrere bizarre Aspekte wie in einem Zerrspiegel zusammen: Eine öffentliche Planung verstößt in mehrerlei Hinsicht gegen die Richtwerte offizieller Empfehlungen und Normen. Ein Nutzer-Interesse ist für die konkrete Planung nicht zu erkennen. Das Projekt würde relevante öffentliche Mittel verschlingen, einen Gefahrenpunkt schaffen und ggf. noch die öffentliche Hand unnötigen Haftungsrisiken aussetzen. Und am ärgsten fällt dann der Lackmus-Test aus: Alle diese Nachteile würden bei einer verfügbaren, naheliegenden und deutlich kostengünstigeren anderen Lösung sofort entfallen, nämlich beim Anbinden der Innenstadt über die ebenerdige Schnittstelle an der Montanusstraße. Oder auch: Des Kaisers neue Kleider sind nicht nur durchscheinend oder fadenscheinig. Er hat gar keine an. Es ist nicht mal eine Vision.
Ich meine: Mit diesem schrägen Streich sollte sich Burscheid nicht ohne Not bundesweit bekannt machen. 
 
K.  Das Kind braucht einen Namen - und ein Lied

Nun ist ja nicht auszuschließen, dass Burscheid die sehr spezielle Rampe tatsächlich baut. Selbst nicht unter der Drohung eines Spitzenplatzes im Steuerzahler-Schwarzbuch (s.o.) und auch nicht in Kenntnis dieses einfühlsamen Rampen-Songs:

Das Lied von der Rampe
oder: Wenn die Euros sind frei

frei nach Hoffmann von Fallerslebens Vorlage von 1842
zarte Textanpassungen: K. U. Voss im September 2020
zum Vortrage gebracht unter
www.vo2s.de/rampe-ein-lied.mp3

Die Gedanken sind zu frei,
lasst uns schnell zementieren!
Wir bleiben da-abei,
was könnt‘ uns irritieren?
Sind Fakten geschaffen,
dann schweigen die Affen
und werden scho-on seh’n:
Unser Bu-urscheid wird schön !

Quäääl dich, du-u Sau!*)
heißt es jetzt auf der Rampe.
Dann denkst du: „Ge-enau,
wer braucht schon ‘ne Wampe?“
Und bist du erst oben,
dann wird sie das loben,
was du heut‘ ge-eschafft
mit titanengleicher Kraft !

Und stürmst du e-empor,
oh! schon stürzt dir‘s entgegen:
Die Rollschuh‘ zu-uvor
und dann erst der Segen
aus Rollstühl‘n und Rollern,
sie rollen und kollern,
auch Skateboards da-abei.
Und du mitten im Geschrei !

Die Moraaal von der Geschicht‘,
merke, dass es diese wäre:
Den Planern traue nicht,
wenn’s Geld regnet. Doch kläre,
was Nutzen, was Schäden,
was Kosten, was eben
herauskommt da-abei,
wenn die Eu-euros sind frei !

*) Zitat Strophe 2, Zeile 1:
Uwe Bölts zu Jan Ullrich bei der Tour de France 1997
auf einer 9%-Rampe zum Grand Ballon in den Vogesen.

 

Also: Wenn's denn ernst wird, dann wird die Installation auch einen klingenden Namen brauchen – für Empfehlungen, Warnungen oder auch Rezensionen. Da fällt mir gleich Diverses ein:

Sendero Luminoso (wegen der geplanten Illumination der Plattform, wegen der revolutionären Auslegung, aber auch wegen der Anden-gleichen Kontur des Anstiegs), El Dorado (wenn man die Balkantrasse noch heute als Lebensader der Burscheider Wirtschaft interpretieren will), Pista Nigra (der sportlichen Herausforderung wegen), Via Dolorosa (für alle Radfahrer, die weiter auf Muskelkraft bauen), Hell’s Angle (nicht 'Angel') oder Guinness-Grat (wegen der klar rekordverdächtigen Steigung), vielleicht auch Sau-Rampe (in Anklang an den aufmunternden Zuruf von Timo Bölts an Jan Ullrich, siehe oben). Bei der Plattform würde ich etwa denken an Skywalk, Podest, Balkon (vielleicht mit fest installierten Figuren „Waldorf & Statler“), Vor-Werk, Zehnmeter oder Anhängsel.  

Im Rahmen eines Integrierten Konzepts wäre natürlich eine das ganze Ensemble ganzheitlich verklammernde Bezeichnung optimal – zum Beispiel Stephanus-Steig zur Kaplans-Kanzel.

Im Ernst: Ginge es nicht um eine halbe Million Öcken unserer Steuern und um ein nach aktuellem Erkenntnisstand sinnfreies Bauwerk mit einer Halbwertzeit von im Minimum 50 Jahren, ich würde das Ganze für einen großen Scherz halten, für einen genial ausgetüftelten und souverän performten Slapstick von der Kleinkunst-Bühne.
Und jetzt biete ich noch einen Lackmus-Test für planerische Größe an: Wenn man fair denkt und eben auch konkret an den Bedarf der Radfahrer, dann wird man an der Abzweigung zur Rampe noch einen solchen Hinweis aufstellen:
Zwei weitere Minuten geradeaus,
dann gelangt ihr an den
zur Trasse höhengleichen
Biergarten im "Alten Bahnhof"

Das wissen übrigens die vorausschauenden E-Biker sowieso schon, von Google Earth, von ihrem Trip-Computer oder von ihrer Handy-App. Dennoch: Würden Sie den Planern einen solchen fairen Wink zutrauen? Wo sie doch die Radfahrer en gros auf die Rampe locken wollen?

L.     Was tun?
Was könnte man tun? Mit Sicherheit braucht es etwas Masse, um die Planung einfühlsam auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. 
Ich hätte da mal etwas vorbereitet, Unterschriftenliste inklusive: www.vo2s.de/bruecke.pdf. Jede Mithilfe bei der Verbreiterung der Basis ist sehr willkommen!