Montag, 23. Dezember 2013

Highlander

Highlander, das passt gut zum Bergischen Land und zu einer kommunalpolitischen Lehreinheit, die ich am Samstag genießen durfte: Es kann nur einen geben.

Die Vor- und Nachgeschichte
2014 wird außerplanmäßig neben dem Rat der Gemeinde Burscheid auch der Bürgermeister ausgeguckt, genauer gesagt: bestätigt. Jedenfalls, wenn alles wie geplant verläuft. Außerplanmäßig, weil wir den Amtsinhaber i.J. 2009 eigentlich auf sechs Jahre gewählt haben und dieser nun vorzeitig zurücktreten wird, um einen kostensparenden Gleichlauf mit der Ratswahl zu ermöglichen. So, wie es nach einer Änderung des Wahlrechts im Frühjahr 2013 aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Demokratie v.9.4.2013 in NRW ab 2020 ganz allgemein wieder gehandhabt werden soll. So weit so gut. Das Gleiche tun gerade viele Bürgermeister – der WDR hat dazu eine interaktive Übersicht ins Netz gestellt – und genau das kann auch der Wahlbeteiligung und damit am Ende dem Ansehen, der Legitimation und dem impact des Chefs oder der Chefin einer Bürgerschaft nur Kraft verleihen, auch aus meiner Sicht. Und Kosten sparen, das ist in Burscheid auch weiterhin sehr angesagt.
Ein massiver Schönheitsfehler ist allerdings für mich: Nach heutigem Stand stehen genau zwei Männer zur Wahl – der Amtsinhaber von der CDU und sein früherer Parteifreund und zeitweiliger Kronprinz der CDU. Jener Prinz war allerdings vor der letzten Wahl für ihn und einige andere sehr überraschend kurz vor dem Tron in die zweite Reihe gestellt worden. Er hatte dann rauchend vor Zorn die Fraktion verlassen und gemeinsam mit einigen Parteifreunden – ca. einem Drittel der CDU-Fraktion und etwa einem Viertel der Mitglieder – eine neue lokalpolitische Gruppierung gegründet, die "Bürger für Burscheid" oder kurz BfB. So wurde er 2009 am Ende doch Kandidat und hat bei der Bürgermeisterwahl auch aus dem Stand mit 30% der Stimmen einen sehr respektablen zweiten Platz errungen, im Rat auch mit 18,3% der Stimmen acht Sitze für seine neue Ratsfraktion. Exkurs: Rechnerisch hatte dann die CDU gemeinsam mit ihrem Ableger BfB recht genau die Hälfte der Stimmen und damit die Hälfte der Ratssitze erobert – ein atemberaubender, weit überproportionaler Zuwachs für diesen Teil des politischen Spektrums (auch wenn sich die Akteure selbst nicht grün waren und sind). Wenn man’s rein taktisch oder weltanschaulich sehen will: Hut ab! Das war schon sportlich.
Aber genau deswegen dreht sich mir der demokratische Magen um: Nach gegenwärtigem Stand der Dinge läuft die 2014er Bürgermeisterwahl auf einen weiteren und nun sogar personell verengten showdown hinaus, auf einen gunfight wie am 26. Oktober 1881 am O. K. Corral in Tombstone / Arizona, oder auf ein Adrenalin- und/oder Testosteronbad unter Männern. Mangels signifikanter politischer Differenzierung ist dabei halt kein wirklicher demokratischer Mehrwert in Sicht. Das habe ich so an den Stadt-Anzeiger geschrieben und der hat es am letzten Donnerstag freundlicherweise auch so gedruckt:
„Gut, es ist dem BfB-Kandidaten schon einmal anzurechnen, dass er eine bloße Akklamation der bestehenden Herrschaft verhindert - will sagen, dass es bei der kommenden Wahl überhaupt eine Auswahl geben wird und keine Farce. Trotzdem habe ich ein sehr schlechtes Gefühl: Die beiden einzigen Burscheider Bewerber kämen dann ja aus dem praktisch gleichen Denk-Stall. 
Sollten andere, sehr traditionsreiche Parteien tatsächlich nicht die Kraft bzw. das Geld für eine eigene persönliche politische Alternative aufbringen? Wie wäre es dann mit einer parteifreien Kandidatur? Wie wäre es womöglich mal mit einer unabhängigen Bürgermeisterin, der ersten im Übrigen? Kandidieren macht sogar Spaß und ich würde es von ganzem Herzen unterstützen!“

Meine Samstags-Lektion
Am Samstag sprach ich dann halb im Spaß, halb im Ernst eine alte Bekannte an, die mich vor 20 Jahren mal bei einem kommunalpolitischen Unding unterstützt hatte: Ich hatte mich 1993 gefragt, wann denn bitte die breite gesellschaftliche Debatte zu den damals noch ganz neuen Auslandseinsätzen der Bundeswehr = DENY FLIGHT (Jugoslawien) UNOSOM II (Somalia) aufgenommen würde und hatte dazu einen parteilosen Aufschlag in Burscheid gewagt – eine Podiumsdiskussion, wie es sie damals kurz vorher z.B. auch in Leichlingen gegeben hatte, dort auf Initiative der Jusos. Besagte Bekannte hatte die 1993er Veranstaltung ein wenig bezuschusst und ich war und bin dafür sehr dankbar; andere Ratsfraktionen hatten darin keine Priorität gesehen. Hier der damalige Handzettel:


Bundeswehr   –   wohin ?

Was soll, was kann die Bundeswehr künftig leisten?
Sprechen Sie darüber mit Vertretern der Parteien!

MdB Dr. rer. nat. Eberhard Brecht,     stellvertr. außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
MdB Jörg van Essen,     Vors. Landesfachausschuß f. Außen-, Europa- u. Sicherheitspolitik der FDP
Hans-Joachim Falenski,     außenpolitischer Berater der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Ernst Chr. Stolper,     Sprecher LAG Europa-. Friedens- u. Außenpolitik .Bündnis 90 - DIE GRÜNEN NRW
+ Hptm. Olaf Holzhauer,     Pressezentrum der Luftwaffe in Köln/Wahn
+ Pfarrer Olaf Jellema,     Landespfarrer für Zivildienstleistende NRW
+ Flottillenadmiral a.D. Elmar Schmähling !
Donnerstag, 25. November 1993

20.00 Uhr

Aula der Friedrich-Goetze Hauptschule in Burscheid
Auf dem Schulberg
Verantwortlich i. S. d. Pressegesetzes :
Cornelia Lukas-Voss u. Dr. Karl Ulrich Voss - Kuckenberg 34, 51399 Bu rscheid - Tel. 02174 - 8791

Und nun schlage ich besagter Bekannten vor, doch mal mit einer Partei-eigenen Bürgermeisterinnen-Kandidatur in den Wahlkampf zu ziehen. Was dann folgte, das hatte ich aber noch nicht gekannt:
Ich wisse doch, dass sie den amtierenden Bürgermeister unterstütze. Aber auf Lebenszeit? Ob man sich auch emanzipieren könne? Niemals, der Bürgermeister verstehe sein Geschäft; Kontinuität liege auch in ihrem unternehmerischen Interesse. Außerdem sei bekannt: Männer würden sich doch immer für Aufgaben bewerben, die sie gerade nicht beherrschen. Dann noch etwas persönlicher: Ich (Voss) würde das doch auch nicht schaffen! Na ja, ich bin jetzt nicht ganz sicher, ob mich ein Jurastudium und 30 Jahre erfolgreiche Praxis in der Verwaltung und mit der Politik wirklich bis zur nächsten Steinzeit disqualifizieren würden – aber ich habe mich für 2014 auch gar nicht beworben. Und mindestens ein Mann scheint für meine Bekannte dann doch deutlich aus dem von ihr zitierten Stereotyp heraus zu ragen. Vielleicht aber hat meine Bekannte trotz geringer eigener Verwaltungserfahrung sehr viel mehr Assessment-Qualitäten – die Fähigkeit, Bewerber quasi mental zu röntgen – als nach ihrer persönlichen und beruflichen Erfahrung zu erwarten steht. Sie hasse Männer mit Profilneurosen, denn nur darum handele es sich doch hier. Das genau bestreite ich vehement: In einer Demokratie geht es zuallererst darum, auch Bestehendes und selbst das Bewährte durch möglichst vielfältige personelle und programmatische Alternativen auf den Prüfstand zu stellen, zyklisch, immer wieder. Das Bessere ist Feind des Guten. Alles andere sehe ich als technokratisch, machiavellistisch und auch manichäisch an, insbesondere eine Wahl, bei der es nur einen Bewerber gibt oder bequemerweise geben soll. Und ganz nebenbei bemerkt: Ein Bürgermeister wirkt und denkt nie allein; seine Arbeit und sein Erfolg ist eingebettet in viele arbeitsteilige Kompetenzen der Verwaltung, des Rates, manchmal sogar der Bürgerschaft. Was gut gegangen ist, beruht immer zu einem wesentlichen Teil auf den Initiativen und Ideen anderer, teils auch auf förderlichen Rahmenbedingungen außerhalb der Kommune. Wenn besonderer Erfolg hier ein Argument sein soll, dann wäre die personelle Kausalität dafür noch zu beweisen. Auch das muss ein Wahlkampf leisten.
Also: Es kann bei uns nicht nur einen geben. Staatsformen nach diesem Strickmuster müsste man Monarchie oder Oligarchie nennen.
Ich werde auch bei anderen Parteien und Gruppierungen für eine aktive Beteiligung bei dieser Bürgermeisterwahl werben. Könnten Sie denn eine Partei, der eine eigene Kandidatur zu lästig ist oder taktisch suboptimal erscheint, wirklich demokratisch ernst nehmen? Ich würde eine solche Partei nicht in den Rat wählen und könnte das niemandem empfehlen. Rosinen picken mag lecker sein. Hier aber gilt es, Farbe zu bekennen, taktischen Spielchen eine Absage zu erteilen und lebhaftes personelles Engagement zu beweisen. Verzicht auf einen eigenen Start würde ich als politischen Offenbarungseid und mittelfristig als Vorschub zur Filzbildung verstehen.

Eine kleine persönliche Anekdote aber noch zu den oben angesprochenen unternehmerischen Interessen: Während der 2009er Wahl hatte ich die beiden großen Burscheider Unternehmen um ein Orientierungsgespräch gebeten, über die dortigen Entwicklungspläne, über die Burscheider Rahmenbedingungen und über kommunalpolitische Gestaltungsmöglichkeiten. Beide Firmen lehnten das Gespräch ab. Eines der Unternehmen wurde dabei auf meine Nachfrage verblüffend deutlich: Man komme mit der gegenwärtigen Administration wunderbar zurecht; daher mache ein Meinungsaustausch mit einem anderen Kandidaten gar keinen Sinn. Die Lehrwerkstatt dieses Unternehmens hatte später den Hintergrund für eines der 2009er Wahlkampfplakate gebildet. Ein Schuft, wer Übles dabei denkt.

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