Meine Bekannte hatte aber noch darauf beharrt: Nur in Gemeinschaft könne
man politisch erfolgreich sein – und die richtige politische Gemeinschaft sei, wie doch jeder wisse, eben eine Partei. Nun bin ich nicht mal sicher, ob unsere Verfassung das so
sieht – denn sie erwähnt Parteien eher am Rande, nicht mit einer tragenden
Aufgabe: Nach Art. 21 Abs. 1 des Grundgesetzes „wirken die Parteien
bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“. Will sagen, die Parteien sind
dabei, legen auch mit Hand an. Aber grundsätzlich ginge es auch ohne sie. Sodann
ermahnt der Artikel zur auch parteiinternen Demokratie und zur Transparenz von
Herkunft und Verwendung des Bimbes – wie ein großer Kanzler es nannte, er
meinte das leidige Geld – und malt dann für den Fall verfassungswidrigen
Strebens schon mal den Partei-Exitus an die Wand. Eigentlich spricht die
Verfassung mehr von den Risiken der Parteien als von ihrem Nutzen und überlässt
sodann das Nähere dem einfachen Gesetzgeber.
Machen wir einmal die Probe auf’s Exempel.
Nehmen wir an, ich wäre 1993
in eine große Volkspartei eingetreten. Heidemarie Wieczorek-Zeul hatte uns das auf
ein Schreiben a.d.J. 1998 sogar nahegelegt, als wir uns bei den Abgeordneten
für die eingehende gesellschaftliche Debatte des damals gewandelten Aufgabenspektrums
der Bundeswehr („out-of-area“ ja oder nein?) eingesetzt hatte. Mit
unserem Beitritt könnten wir die Schlagkraft der SPD zum Eingehen auf
Bürgerwünsche entscheidend erhöhen! Die
Vor- und Nachgeschichte können Sie es, etwas Zeit und gute Laune vorausgesetzt,
auf meiner Internetseite
nachlesen.
Eigentlich wollte ich ja nur die außen- und sicherheitspolitische
Zustimmung und aktive Unterstützung der Abgeordneten herauskitzeln. Zum Vergleich: Sie stehen samstags
gegen Mittag schon eine Stunde in der Kassenschlange des Supermarktes an und
wenden sich schließlich erregt an den Niederlassungsleiter. Dieser aber
verkündet Ihnen mit seinem gewinnendsten Lächeln, er habe eine Stelle frei und
Sie könnten sogleich eine neue Kasse aufmachen. Na toll!
Wie wäre mein politisches Leben nun weiter gegangen, wenn ich
tatsächlich einer Partei beigetreten wäre? Was wäre heute erreicht? Da ist gut,
an eine beeindruckende Debatte im Bundestag zu erinnern, an diejenige vom 7. September 1999,
als 50 Jahre Bundestag zu feiern anstanden.
In Festlaune kommt man da wie von ungefähr auch auf den notorischen Konflikt zwischen Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit zu sprechen – und seine pragmatische, alltägliche Auflösung: Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes postuliert zwar in makelloser Reinheit, unsere Abgeordnete seien „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Wann man wirklich das Gewissen heraushängen lassen darf, das kommt dann während des Festakts ganz ungeschminkt in Strucks Ansprache zum Ausdruck: "Ich finde, jeder von uns, der sich auf seine Gewissensfreiheit beruft, muss sich selbst die Frage (Carlo Schmidts) gestellt haben: ‚Ist denn sicher, dass gerade ich recht habe, wenn vier Fünftel meiner Fraktion der Meinung sind, ihre Vorstellung von der Sache sei besser als meine?’ “ Schäuble pflichtet erfreut bei und fügte treuherzig hinzu, das mit dem Gewissen solle man nicht dramatisieren; es ginge halt um "unterschiedliche Meinungen, Interessen, Verpflichtungen und Rücksichtnahmen" (!), aber nur im absoluten Ausnahmefall um Gewissensfragen: "Wenn jeder nur das macht, was er will, bekommen wir keine Mehrheiten, haben wir keine stabile (!) Demokratie und die Freiheit der Bürger ist weniger sicher." Und Gerhardt liegt doch sehr daran, im Namen der FDP eindrücklich vor den "theoriesüchtigen Intellektuellen" zu warnen, deren "Heilsbotschaften (...) in der Geschichte niemals anders als in der Unterdrückung geendet haben." Will sagen: Keine Utopien mehr! Glos sekundiert noch für die CSU: "Das Parlament muss frei entscheiden können; es darf keine Pressionen der Straße geben!" Waren damit wir Bürger gemeint? Unter diesen wohl eher die Ärmeren als die Reicheren. Die Pöbelfurcht regiert.
Anm.: Leider ist in der ansonsten sehr reichhaltigen Dokumentation des Bundestags gerade diese Debatte nicht dokumentiert; im Internet findet sich nur das Deckblatt und ein allgemeiner Hinweis in einer Liste sonstiger Festakte; ganz früher konnte man die Broschüre bei der Bundestagsverwaltung kostenlos bestellen. Ich habe sie zur allgemeinen Arbeitserleichterung daher mal eingescannt.
In Festlaune kommt man da wie von ungefähr auch auf den notorischen Konflikt zwischen Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit zu sprechen – und seine pragmatische, alltägliche Auflösung: Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes postuliert zwar in makelloser Reinheit, unsere Abgeordnete seien „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Wann man wirklich das Gewissen heraushängen lassen darf, das kommt dann während des Festakts ganz ungeschminkt in Strucks Ansprache zum Ausdruck: "Ich finde, jeder von uns, der sich auf seine Gewissensfreiheit beruft, muss sich selbst die Frage (Carlo Schmidts) gestellt haben: ‚Ist denn sicher, dass gerade ich recht habe, wenn vier Fünftel meiner Fraktion der Meinung sind, ihre Vorstellung von der Sache sei besser als meine?’ “ Schäuble pflichtet erfreut bei und fügte treuherzig hinzu, das mit dem Gewissen solle man nicht dramatisieren; es ginge halt um "unterschiedliche Meinungen, Interessen, Verpflichtungen und Rücksichtnahmen" (!), aber nur im absoluten Ausnahmefall um Gewissensfragen: "Wenn jeder nur das macht, was er will, bekommen wir keine Mehrheiten, haben wir keine stabile (!) Demokratie und die Freiheit der Bürger ist weniger sicher." Und Gerhardt liegt doch sehr daran, im Namen der FDP eindrücklich vor den "theoriesüchtigen Intellektuellen" zu warnen, deren "Heilsbotschaften (...) in der Geschichte niemals anders als in der Unterdrückung geendet haben." Will sagen: Keine Utopien mehr! Glos sekundiert noch für die CSU: "Das Parlament muss frei entscheiden können; es darf keine Pressionen der Straße geben!" Waren damit wir Bürger gemeint? Unter diesen wohl eher die Ärmeren als die Reicheren. Die Pöbelfurcht regiert.
Anm.: Leider ist in der ansonsten sehr reichhaltigen Dokumentation des Bundestags gerade diese Debatte nicht dokumentiert; im Internet findet sich nur das Deckblatt und ein allgemeiner Hinweis in einer Liste sonstiger Festakte; ganz früher konnte man die Broschüre bei der Bundestagsverwaltung kostenlos bestellen. Ich habe sie zur allgemeinen Arbeitserleichterung daher mal eingescannt.
Bei realitätsnaher Betrachtungsweise hätte
ich in keiner der staatstragenden
Parteien einen anderen Zustand als den heutigen herbeiführen können – keine
Debatte, auch keine unabhängige Evaluation des bisherigen out-of-area-Kampfgetümmels. Die SPD hatte zwar i.J. 1993 noch eine Verfassungsänderung für alle Einsätze gefordert, die über unmittelbare
militärische Verteidigung hinausgehen können. Aber sie fügte
sich rasch den realpolitischen bzw. bündnispolitischen Rücksichten, die schon in
den frühen Neunziger Jahren die Konzepte von CDU/CSU und (mit leichter Verzögerung)
auch der FDP geprägt hatten. Die Bündnis-Grünen holten spätestens in der Koalition
ab 1998 und speziell während der Balkan-Konflikte realpolitisch stark auf und sie
sehen in den letzten Jahren besondere Chancen in Eingriffen zur Wahrung von
Menschenrechten nach der Doktrin der responsibility to protect, alias R2P.
Im Bundestag sieht es nur DIE LINKE nachhaltig anders und lehnt jeglichen militärischen
Auslandseinsatz ab. Nur ist die DIE LINKE nicht wirklich meine Wunschpartei und
ihre parlamentarische Effizienz zur Änderung des militärpolitischen status quo ist wegen ihres
Paria-ähnlichen Status praktisch gleich Null. Immerhin möchte ich der LINKEN
zugute halten: Ihre Argumentation in den Einsatzdebatten ist - irritierenderweise
- am Nähesten an dem, was im Westen bis 1990 die ganz herrschende
Verfassungsinterpretation zu „out-of-area“-Einsätzen war, neudeutsch: der
vorherige mainstream. Und die LINKE
hat als einzige Partei auf einen juristischen Beitrag
reagiert, den ich i.J. 2007 in der Zeitschrift für Rechtspolitik veröffentlicht
hatte. Sie hat mich sogar als Sachverständigen zu einer Anhörung des
Geschäftsordnungsausschusses des Bundestages am 25.9.2008 berufen, die die Information
des Bundestages bei Einsatz von Spezialkräften der Bundeswehr betraf. Anm.: Die Information der über die Ausladseinsätze entscheidenden Parlamentarier entspricht nach übereinstimmender Bewertung aller
dort beteiligten Sachverständigen nicht dem Parlamentsbeteiligungsgesetz, speziell den §§ 3 und 6 des PArlBetG, sie ist allerdings bis heute nicht geändert und beruht nach wie vor auf dem kritischen Obleuteverfahren (s. Antwort auf die parl. Anfrage v. MdB Höger, DIE LINKE in Drs. 16/5317, dort auf S. 57 zu Frage Nr. 87), siehe dazu auch einen Antrag der Bündnis-Grünen aus der 17. LP.
Summa summarum: Es gibt Situationen, in denen eine partei-unabhängige
Initiative die besseren Früchte trägt. Das war übrigens auch die Erfahrung, als
ich gemeinsam mit meiner Frau i.J. 1993 in Burscheid eine Podiumsdiskussion organisiert hatte:
Bundeswehr -
wohin?
Was soll, was
kann die Bundeswehr künftig leisten?
Sprechen Sie darüber mit Vertretern der Parteien!
Sprechen Sie darüber mit Vertretern der Parteien!
MdB Dr. Eberhard
Brecht, stellvertretender
außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
MdB Jörg van Essen, Vors. Landesfachausschuss f. Außen- und Sicherheitspolitik der FDP
Hans-Joachim Falenski, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Ernst-Christian Stolper, Sprecher LAG Europa-, Friedens- und Außenpolitik, Bündnis '90 / DIE GRÜNEN NRW
MdB Jörg van Essen, Vors. Landesfachausschuss f. Außen- und Sicherheitspolitik der FDP
Hans-Joachim Falenski, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Ernst-Christian Stolper, Sprecher LAG Europa-, Friedens- und Außenpolitik, Bündnis '90 / DIE GRÜNEN NRW
Hptm. Olaf
Holzhauer, Pressezentrum der Luftwaffe
in Köln/Wahn
Pfarrer Olaf Jellema, Landespfarrer für Zivildienstleistende NRW
Flotillenadmiral a.D. Elmar Schmähling
Pfarrer Olaf Jellema, Landespfarrer für Zivildienstleistende NRW
Flotillenadmiral a.D. Elmar Schmähling
Donnerstag, 25.
November 1993
20.00 Uhr
Aula der Friedrich-Goetze-Grundschule in Burscheid
Auf dem Schulberg
20.00 Uhr
Aula der Friedrich-Goetze-Grundschule in Burscheid
Auf dem Schulberg
In der 17. LP hatte ich speziell bei der SPD wegen eines Austauschs zur
Entwicklung der Außen- und Sicherheitspolitik nachgefragt, und zwar bei der
Bonner SPD und bei Herrn MdB Mützenich. Herr Mützenich tritt hier durchaus engagiert auf,
hatte auch vor einigen Jahren als einziger Parlamentarier das wichtige Ausschuss-Hearing
zum Entwurf des Parlamentsbeteiligungsgesetzes auf seiner Homepage zumindest
auszugsweise dokumentiert; der heute inaktive link war damals http://www.rolfmuetzenich.de/bundestag/parlamentarische_initiativen/index.php#initiative
(die vollständigen Gutachten und das Protokolls auf meiner
Internetseite hier). Herr
Mützenich und auch die Bonner Genossen haben leider nicht reagiert.
Hilf
dir selbst, so hilft dir Gott. Und wenn Sie sich für die inzwischen mehr als einhundert Beschlüsse des Bundestages zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr interessieren - die man getrost auch als verfassungswidrig betrachten kann, jedenfalls nach dem bis 1990 ganz unbestrittenen Verfassungsverständnis von Verteidigung -, dann finden Sie diese Beschlüsse säuberlich aufgelistet (weltweit nur) in meiner stetig fortgeschriebenen Excel-Tabelle - mit allen einschlägigen Gerichtsentscheidungen und Gesetzesänderungen als Bonus-Material.
Kleiner Service und Alleinstellungsmerkmal eines Bürgers, garantiert Partei-frei. Geht doch ;-)
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