Montag, 13. Mai 2013

Einstellig



Seligkeitsding: Heute bekam ich meine erste Unterstützungsunterschrift für den Bundestagswahlkampf. Also: Einstellig bin ich schon mal, mit meiner parteifreien Direktkandidatur für den Wahlkreis 100 = Rheinisch-Bergischer Kreis. Na gut, „Null“ war mathematisch betrachtet auch schon irgendwie einstellig. Dies ist aber trotzdem etwas Besonderes. Als ich 2009 meine ersten Erfahrungen mit einer Direktkandidatur machte, hatte ich bei genau dem gleichen Nachbarn meinen ungewissen allerersten Auftritt auf meiner Tippeltour, hatte bis zur Heiserkeit etwa zwei Stunden auf ihn eingeredet – und hatte trotzdem keinen Anteilsschein gezeichnet bekommen. Er hatte schon völlig entgeistert reagiert, als ich zögernd herausbrachte, ich würde mich als Unabhängiger für das Bürgermeisteramt bewerben. „Was, Sie als Intellektueller?“ Ich wusste nicht so recht und weiß es auch heute nicht, ob das ein Kompliment oder ein Verriss sein sollte.
Diesmal lief es irgendwie lockerer. Als Begrüßung hörte ich schon erfreut-geschmeichelt, ich hätte 2009 mit meinen fast 11% der Stimmen ja aus dem Stand heraus und ganz wider Erwarten ein sehr achtbares Ergebnis eingefahren. Meine nun als Märtyrerpapier bereit gehaltene erste Programmatik (Themen: Bundeswehraufgaben, Staatsangehörigkeit, Finanzkrise, Parlamentarismus, Kommunalfinanzen, Didaktik) war zwischen uns auch gar nicht groß kontrovers. Auch bei dem eher anti-populistischen Ansatz der liberaleren Zulassung doppelter Staatsangehörigkeit waren wir recht schnell beieinander. Der Nachbar schärfte den Punkt sogar noch an: Die Versuche, z.B. mit „greencard“-Initiativen handverlesene Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren, die wären geradezu menschenverachtend und auch nicht einmal effizient. Besser solle man denen eine faire Chance und Perspektive geben, die bereits im Lande sind, auch durch eine vertrauensbildende Maßnahme wie eine großzügige doppelte Staatsangehörigkeit. Dem kann ich leicht zustimmen, zumal ich anders als Thilo Sarrazin & Co. Menschen nicht für per Gen und Geburt fertig konfektioniert halte, sondern für in jeder Hinsicht intellektuell und menschlich plastisch. Eine etwas skeptischere Nuance brachte der Nachbar bei meinem Vorschlag ein, die Zahl der Legislaturperioden auf zwei pro Abgeordnetem zu beschränken. Als Beispiel nannte er Sebastian Edathy, der als Vorsitzender des NSU-Ausschusses einen sehr professionellen und Vertrauen erweckenden Eindruck mache. Gäbe es nur Newcomer, dann würden sie z.B. den mit allen Wassern gewaschenen Lobbyisten umso leichter auf den Lein gehen. Andererseits: Eine ggfs. Jahrzehnte währende Anwesenheit im Bundestag kann MdB’s auch zu einer aus Sicht der Lobby geschmeidig eingebundenen und leicht berechenbaren Größe machen.
Am Samstag sprach ich eine Obere der hiesigen Grünen an. Das ist natürlich ein Sonderfall: Sie könne doch nicht eine Unterstützungsunterschrift für einen Parteilosen leisten! Wieso, meinte ich, der Erklärungswert einer solchen Unterschrift ist ja ausschließlich, dass man mit einer Erweiterung des Kandidaten- und Themenspektrums und etwas mehr Buntem gerne einverstanden ist; wählen kann man ja noch immer, wen man will. Ganz überzeugt habe ich die liebe Mitbürgerin aber vielleicht noch nicht.
Abends dann Geburtstagsfeier, ich bin nun 62 Jahre alt. Eine etwa gleich alte gute Bekannte fand meinen Ansatz höchst merkwürdig, ja geradezu naiv und sogar infantil. Das erläutere ich dann in meinem nächsten Post; und da kann und muss ich auch auf die motivierenden Lehren der wackeren Schweizer eingehen: Auf den Prozess und auf den Diskurs kommt es an. Oder: Der Weg ist genau hier das Ziel!

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