Seligkeitsding: Heute bekam ich meine erste
Unterstützungsunterschrift für den Bundestagswahlkampf. Also: Einstellig bin
ich schon mal, mit meiner parteifreien Direktkandidatur für den Wahlkreis
100 = Rheinisch-Bergischer
Kreis. Na gut, „Null“ war mathematisch betrachtet auch schon irgendwie einstellig. Dies ist aber trotzdem etwas Besonderes. Als ich 2009 meine ersten Erfahrungen mit
einer Direktkandidatur machte, hatte ich bei genau dem gleichen Nachbarn meinen ungewissen
allerersten Auftritt auf meiner Tippeltour, hatte bis zur Heiserkeit etwa zwei Stunden auf ihn eingeredet –
und hatte trotzdem keinen Anteilsschein gezeichnet bekommen. Er hatte schon völlig entgeistert
reagiert, als ich zögernd herausbrachte, ich würde mich als Unabhängiger für
das Bürgermeisteramt bewerben. „Was, Sie
als Intellektueller?“ Ich wusste nicht so recht und weiß es auch heute
nicht, ob das ein Kompliment oder ein Verriss sein sollte.
Diesmal lief es irgendwie lockerer. Als Begrüßung hörte ich schon erfreut-geschmeichelt, ich hätte 2009 mit meinen fast 11% der Stimmen ja aus dem Stand heraus
und ganz wider Erwarten ein sehr achtbares Ergebnis eingefahren. Meine nun als Märtyrerpapier bereit gehaltene erste Programmatik (Themen: Bundeswehraufgaben, Staatsangehörigkeit, Finanzkrise,
Parlamentarismus, Kommunalfinanzen, Didaktik) war zwischen uns auch gar nicht
groß kontrovers. Auch bei dem eher anti-populistischen Ansatz der liberaleren Zulassung
doppelter Staatsangehörigkeit waren wir recht schnell beieinander. Der Nachbar schärfte den
Punkt sogar noch an: Die Versuche, z.B. mit „greencard“-Initiativen handverlesene Fachkräfte
aus dem Ausland zu rekrutieren, die wären geradezu menschenverachtend und auch nicht einmal effizient. Besser
solle man denen eine faire Chance und Perspektive geben, die bereits im Lande
sind, auch durch eine vertrauensbildende Maßnahme wie eine großzügige doppelte
Staatsangehörigkeit. Dem kann ich leicht zustimmen, zumal ich anders als Thilo
Sarrazin & Co. Menschen nicht für per Gen und Geburt fertig konfektioniert halte,
sondern für in jeder Hinsicht intellektuell und menschlich plastisch. Eine etwas skeptischere Nuance
brachte der Nachbar bei meinem Vorschlag ein, die Zahl der Legislaturperioden auf zwei pro
Abgeordnetem zu beschränken. Als Beispiel nannte er Sebastian Edathy, der als
Vorsitzender des NSU-Ausschusses einen sehr professionellen und Vertrauen erweckenden
Eindruck mache. Gäbe es nur Newcomer, dann würden sie z.B. den mit allen
Wassern gewaschenen Lobbyisten umso leichter auf den Lein gehen. Andererseits:
Eine ggfs. Jahrzehnte währende Anwesenheit im Bundestag kann MdB’s auch zu
einer aus Sicht der Lobby geschmeidig eingebundenen und leicht berechenbaren
Größe machen.
Am Samstag sprach ich eine Obere der hiesigen Grünen an. Das
ist natürlich ein Sonderfall: Sie könne doch nicht eine
Unterstützungsunterschrift für einen Parteilosen leisten! Wieso, meinte ich,
der Erklärungswert einer solchen Unterschrift ist ja ausschließlich, dass man
mit einer Erweiterung des Kandidaten- und Themenspektrums und etwas mehr Buntem gerne einverstanden
ist; wählen kann man ja noch immer, wen man will. Ganz überzeugt habe ich die liebe
Mitbürgerin aber vielleicht noch nicht.
Abends dann Geburtstagsfeier, ich bin nun 62 Jahre alt. Eine etwa
gleich alte gute Bekannte fand meinen Ansatz höchst merkwürdig, ja geradezu naiv und sogar infantil. Das erläutere ich
dann in meinem nächsten Post; und da kann und muss ich auch auf die motivierenden Lehren der wackeren Schweizer
eingehen: Auf den Prozess und auf den Diskurs kommt es an. Oder: Der Weg ist genau hier das Ziel!
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