Herr Ponitka aus Overath vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten / ibka hatte sich Anfang August in einem Schreiben gegen Diskriminierung von Konfessionslosen und Andersgläubigen gewandt, u.a. mit dem Ziel,
(1) § 9 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes / AGG so zu ändern, dass konfessionslose oder andersgläubige Nutzer von kirchlichen Sozialeinrichtungen nicht länger zurückgesetzt werden dürfen,
(2) dass in Sozialeinrichtungen kirchlicher Trägerschaft durch Anpassung von § 118 Betriebsverfassungsgesetz / BetrVerfG Mitwirkungsrechte wie in normalen Tendenzbetrieben gelten und
(3) dass schulischer Religionsunterricht so organisiert wird, dass das Recht auf Nichtteilnahme oder die Teilnahme an Ersatzunterricht auch ohne Hürden in Anspruch genommen werden kann.
(2) dass in Sozialeinrichtungen kirchlicher Trägerschaft durch Anpassung von § 118 Betriebsverfassungsgesetz / BetrVerfG Mitwirkungsrechte wie in normalen Tendenzbetrieben gelten und
(3) dass schulischer Religionsunterricht so organisiert wird, dass das Recht auf Nichtteilnahme oder die Teilnahme an Ersatzunterricht auch ohne Hürden in Anspruch genommen werden kann.
Das alles ist nun nicht wirklich mein Kompetenzbereich und ich muss mit meinem fachlichen Engagement als Einzelkandidat leider sehr haushalten. Hier aber meine heutige Antwort, die ich mit Einvertändnis von Herrn Ponitka auf dem Wahlblog veröffentliche:
Sehr geehrter Herr Ponitka,
danke für Ihre Schreiben! Bemerkenswerterweise ist es das einzige mit
konkreten politischen Forderungen, das ich im Wahlkampf erhalten habe, nicht
nur zu dieser Thematik, sondern insgesamt. Ich bitte auch um Nachsicht für die stark
verzögerte Antwort – zuerst war ich im Urlaub in Slowenien, und nach meiner
Rückkehr gab’s für meine Ein-Mann-Partei einiges an Organisation und PR zu erledigen
– u.a. im Zusammenhang mit Kandidatenpodien an den Schulen – auf meinem Blog
können Sie etwas davon nachlesen. Und ganz ehrlich muss ich sagen, dass ich
mich vor meiner Reaktion dann auch noch ein wenig geschubst habe: Mein
eigentliches Kompetenzgebiet ist die Außen- und Sicherheitspolitik und als
Ein-Mann-Partei, als die ich mich für diese Wahl aufgerafft habe, muss ich mit
meinen Ressourcen leider sehr haushalten. Ich bin mir selbst auch gar nicht im
Klaren, wie ich mit den Kirchen und mit dem Glauben umgehen soll. Wenn Sie und
die Menschen, mit denen Sie thematisch in Kontakt stehen, Ihre Wahl also an genau
diesen Fragen und an einer dazu bereits konkret entwickelten Politik festmachen
wollen, dann sollte Sie mir Ihre Stimmen nicht versprechen.
Ich beginne einmal mal mit einer grundsätzlichen Position zu Kirche
und Glauben und werde daran dann Ihre einzelnen Forderungen messen, nämlich die
vorgeschlagene Anpassung von § 9 AGG, die erweiterte Information über die
Freiheit des Religionsunterrichts, die Planung von praxisgerechten Alternativen
zur Teilnahme einschließlich des regelmäßig zeitgleichen Angebots von
Ersatzunterrichts.
Persönlich bin ich Protestant und war zur Zeit des
Konfirmationsunterrichts meiner Kinder auch in der Kirche recht aktiv; eine Erklärung aus dieser Zeit lege ich zur Illustration bei. Sie können diesem Papier
entnehmen: Ich kann mir nur einen fairen Gott vorstellen, einen, der keine
Unterschiede nach Geburt und Bekenntnis oder Nicht-Bekenntnis macht. Der allenfalls
danach urteilt, ob ein Mensch ein gerechtes Leben führt – im Grunde: ob er nach
dem kategorischen Imperativ oder der „golden rule“ lebt. Darin sehe ich die Essenz
vieler Religionen und Weltanschauungen. Und ich selbst bestimme mein Leben auch
nicht nach tradierten übersinnlichen Erscheinungen, denn diese habe für meinen
Lebensweg nach meiner gesamten Lebenserfahrung keine nachweisbare Bedeutung.
Ich billige den Kirchen aber zu, dass sie in einer zunehmend materiell und
technokratisch orientierten Epoche ethischer Bezugspunkt für eine große Zahl
von Menschen sind, gerade auch von jungen Menschen, dass die Kirchen – und sei
es mit unbewiesenen und letztlich
unbeweisbaren Heilsperspektiven – zum Lebensglück von Menschen wirksam
beitragen können und – nicht zuletzt – dass sie derzeit alternativlose soziale
Dienste erbringen. Nun gehört zum „Geschäftsmodell“ der Religionsgemeinschaften
aus meiner Sicht auch, dass sie in einem bestimmten Umfang eine eigene Moral
definieren und die Zugehörigen dahingehend beeinflussen, sich loyal und
widerspruchslos dazu zu verhalten. Das ist typisch besonders für verzweigte und
werbende Gemeinschaften und vom Glauben selbst im Grunde unabhängig. Noch ein Nachtrag:
Die Orientierung des neuen Oberhauptes der katholischen Kirche hin zu
Nächstenliebe und weg von Ritualen, Privilegien und Dogmen kann man – klar,
muss man nicht – als Weg in die richtige Richtung deuten. Ziele wie „Menschen zu
begleiten, ihre Wunden zu heilen“ erscheinen mir grundsätzlich konsensfähiger
als die Amtsführung seines Vorgängers. Ebenso klar: Die Kirche hat keinen
Patentschutz auf Einfühlungsvermögen, gerechten Ausgleich und Nächstenliebe.
Nun zu den einzelnen Fragen, die ich differenziert beantworten würde:
-
In Sozialeinrichtungen, die zumindest teilweise mit
öffentlichen Mitteln unmittelbar oder mittelbar finanziert werden, darf m.E.
keine Diskriminierung wegen Konfessionslosigkeit oder Andersgläubigkeit
toleriert werden; sofern staatliche Normen dem entgegen stehen, befürworte ich
deren Änderung. Bei einer vollständig privat finanzierten und organisierten
Einrichtung, die auch nicht eine sonst staatlich zu bereitzustellende
Infrastruktur ersetzt, sehe ich dagegen auf der Grundlage der Vertragsfreiheit
keine entsprechende Möglichkeit, einen gleichen Zugang zu erzwingen und werde
dies auch nicht befürworten.
-
Bei Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft
halte ich den Umfang der Mitbestimmung wie in Tendenzbetrieben für eine
durchaus ausgewogene Lösung.
-
Die Information zur Freiwilligkeit des
Religionsunterrichts erscheint mir selbstverständlich und wird m.W. auch
praktiziert. Dies ebenso wie eine praktikable, Familien-freundliche Gestaltung
des Stundenplans ist nach der Zuständigkeitsverteilung der Bundesrepublik
allerdings auch kein Auftrag an den Bundesgesetzgeber oder an eine
aufsichtführende Stelle im Bereich des Bundes, sondern liegt in der
Verantwortung der Länder und in der Organisationshoheit der jeweiligen Schulen.
Ich bin selbst Teil einer Administration, wie Sie vielleicht wissen, und habe in
mehr als zwanzig Dienstjahren mit der Vermischung von Zuständigkeiten sehr
schlechte Erfahrungen gemacht, ebenso mit Versuchen, vom grünen Tisch aus eine
organisatorische Feinsteuerung vor Ort durchzusetzen, etwa auch durch
politischen Einfluss im Einzelfall.
Soweit mein Versuch, Ihre Vorschläge zu bewerten. Machen Sie das Beste
aus der Wahl. Bei der nächsten werde ich schon aus Altersgründen
voraussichtlich nicht mehr antreten. Ich kann aber Ihnen oder den Menschen, mit
denen Sie sich für politische Ziele einsetzen, diesen Weg nur wärmstens empfehlen.
Es macht zwar einige Mühe und wirkt zunächst wie vergebliche Liebesmühe, aber
am Ende gewinnen Sie doch einige neue und bleibende Kompetenzen und
Perspektiven – und die Investition von zeit- und Geldressourcen – in meinem
Fall hatte ich mir im Interesse meiner Enkel ein Limit von ca. 2.000 €
gesetzt – die zahlen sich aus, mehr als bei einer mittleren Bildungsreise, für
die Sie ebensoviel auf den Tisch der Hauses legen müssen: Ein halbes Jahr
höchst abwechslungsreiche Forderung und Unterhaltung stehen auf der Habenseite.
Wenn Sie interessiert sind, berate ich Sie gerne!
Mit freundlichen diesseitigen Grüßen
K. U. Voss
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