Freitag, 15. September xxx
Meine lieben Eltern!
Erschreckt bitte nicht und vor allen Dingen macht Euch
keine unnötigen Sorgen um mich, wenn Ihr jetzt erfahrt, daß ich verwundet bin.
Vielleicht wißt Ihr es aber ja schon von meinem Kameraden, den ich um
Mitteilung an Euch gebeten hatte, oder von yyy, der ich es gleichzeitig
geschrieben habe und die den Brief möglicherweise eher bekommen hat als Ihr.
Um es kurz zu machen und das Wichtigste
vorwegzunehmen, die Verwundungen sind keinesfalls gefährlich. Ich habe fünf
Schüsse abbekommen. Je einen in die beiden Oberarme knapp unter den
Schultergelenken, einen in die linke Hüfte, einen Handbreit über dem
Hüftknochen, alles Steckschüsse, und zwei glatte Durchschüsse in der linken
Hand, und zwar einmal im Handballen vorne zwischen den beiden Knöcheln zwischen
Ring- und kleinem Finger und der andere bei den selben Fingern vorne an den
Kuppen unterhalb der Nägel von unten her, alle fünf also keinesfalls
gefährlich, wenn die Operationen später gut verlaufen und die Wunden gut
heilen.
Der Blutverlust war bei den vielen Wunden zwar
erklärlicherweise groß, so, daß ich an den ersten Tagen nur geduselt und
geschlafen habe, jetzt geht es aber schon wieder ganz gut, wie Ihr seht, sonst
würde ich ja nicht schreiben. Passiert ist es vor vier Tagen, Montag also, auf
einer ziemlich freien, für Flieger leider zu gut einsichtigen Straße in diesem
gottgesegneten Land durch Tiefflieger. Ehe wir uns überhaupt nur besonnen
hatten, war es auch schon zu spät, und ich hatte die Geschosse im Körper gerade
in dem Augenblick, als ich mich in den Graben neben der Straße warf. Dadurch
verlor ich die Kraft in den Armen und rollte den Graben vollständig hinab und
das wurde mein Glück. Sekunden später wäre ich von den Sprenggeschossen der zweiten
Maschine, die gerade auf diesem Fleck lagen, buchstäblich zerrissen worden.
Damit wird der Krieg auch für mich für einige Zeit
beendet sein, wir warten täglich auf die Überführung ins Reich, wo wir uns dann
hoffentlich bald wiedersehen werden.
Und nun vor allen Dingen eins: Macht Euch keine
unnötigen Sorgen. Mir geht es verhältnismäßig ganz gut. Ich habe ein ganz
unbeschreibliches Glück gehabt. Es hätte leicht viel ernster ausgehen können.
Sobald ich im Reich bin und Euch irgendwie benachrichtigen kann, dann tue ich
das sofort. Ich glaube, in zwei, drei Monaten wird alles restlos wieder in
Ordnung sein. Post habe ich schon seit sechs Wochen nicht mehr bekommen, gerade
jetzt sehr bitter, aber leider nicht zu ändern. Sie ist durch Feindeinwirkung
restlos verloren gegangen. Hoffen wir also auf ein baldiges Wiedersehen.
Euch alle, meine Lieben, grüßt auf das herzlichste
Euer dankbarer Sohn zzz
Anmerkung: Geschehen 1944 auf dem Balkan. So schnell wie erwartet kam es dann nicht
in Ordnung. Wegen Wucherungen in den schlecht verheilten Wunden drohte später
beiden Armen die Amputation. Ein Arm und eine Hand behielten lebenslang
Funktionsstörungen und Jahrzehnte später bekam er Schwierigkeiten bei einer
USA-Reise: Für den Sicherheits-Check hatte er noch zu viel Eisen in der Hüfte.
Unter dem Strich aber: Er hat wirklich Glück gehabt. Wäre die Garbe aus der Bordwaffe eine Zehntelsekunde phasenversetzt gewesen, wäre der Soldat ohne Nachkommen gestorben. Und Sie würden dies hier nicht lesen.
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