Lobbyisten und politische Entscheidungsträger profitieren von
einer derart ausgeglichenen Beziehungsstruktur gleichermaßen; vielfach bekommt
sie sogar symbiotischen Charakter, jeder ist auf den Partner angewiesen: Der
Verbandsvertreter benötigt die Macht des politischen Akteurs, dieser aber die
Informationen und die Schützenhilfe des Lobbyisten (S. 374). Auf der Alltagsebene
entwickeln sich dabei durchweg recht stabile und verlässliche
Arbeitsbeziehungen (ebenda). Das inoffizielle Wirken wird dem offiziellen -
weil effektiver - durchweg vorgezogen (S. 378).
"Seine Mitarbeiter verkauften Unternehmensanzeigen in
CDU-nahen oder im Eigentum der CDU stehenden Zeitschriften an gebefreudige
Unternehmen - ein Vorgang, der schon in den Zusammenhang der Spendenaquisition
gehört."
Exkurs: Diese für die Macht-Soziologie einer real existierenden Demokratie sehr aufschlussreiche Veranstaltung ist leider im Internet nicht offiziell dokumentiert. Ich habe mir daher die Mitschrift besorgt und auf meiner Internetseite abgelegt – zum zeilenweisen Nachschmecken für alle Bürger/innen.
Immerhin bemerkte der zum Preiskomitee gehörende Prof. Dr. Ulrich von Alemann, nachdem er die Flick-Affäre als "böse, aber sicherlich große Ausnahme" eingeordnet hatte, sehr hellsichtig:
"Aber leider ist es ja mit der Korruption und mit solchen
schwarzen Erscheinungen so, dass die erfolgreichsten Praktiken nie
herauskommen. Insofern weiß man nicht, ob es vielleicht irgendwo noch eine
Flick-Affäre gibt, gegeben hat oder noch geben wird." (Protokoll der
Verleihungs-Sitzung, S. 22)
"Seit das in der Bundestagsdrucksache öffentlich gemacht
worden ist, interessiert sich noch nicht einmal mehr ein Journalist für diese
Thematik, weil es da nichts Spektakuläres gibt. Auch wenn ein einzelner
Abgeordneter Wahlkampfhilfe bekommt, muss er Transparenz gelten lassen, sonst
zieht ihm die Präsidentin die Ohren lang. Diese Transparenz ist absolut
gewährleistet." (Protokoll S. 23).
"Wir setzen mehr auf den Kontakt zum Politiker als zum
Ministerialbürokraten, weil der Politiker die Richtung angibt. Es hat sich mehr
und mehr herausgestellt, dass die wichtigen Gesetzgebungsvorhaben eben nicht
von den A-16- oder B-3-Leuten gemacht werden, sondern von Politikern, die die
Richtung angeben; die anderen formulieren das dann intelligent aus. Die bringen
dann die Verordnungen und die Kommentare dazu auf den Markt, was auch eine
sympathische Nebenbeschäftigung ist." (Protokoll S. 19)
Anm. Voss: Das hat mich als B3-Mann selbstverständlich sehr berührt, insbesondere das Lob für auftragsgemäß funktionierende Intelligenz ;-)
Die übrigen Beteiligten hatten Lobbyismus mehrheitlich als eher unspektakuläre, gut geregelte Erscheinung auf der Arbeitsebene geortet, u.a. deswegen, weil die Kontaktpartner nach ihrer Einschätzung fast nur der Administration angehörten, nicht der Politik, insbesondere nicht der höheren Politik. Anm.: Dann freilich hätten sich die Lobbyisten nach einer neuen Gattungsbezeichnung umsehen müssen: Lobby ist von alters her die Wandelhalle des Parlaments, nicht der Bürokratie. Aus heutiger Sicht zu bagatellisierend war auch die zusammenfassende Darstellung der Sebaldt-Studie auf der Homepage des Bundestages (heute nicht mehr zugreifbar, habe sie darum eingescannt).
Völlig einig war man sich am 12.3.1998 immerhin: Es läuft für den am besten, der alle Fäden in der Hand hält:
"Wenn Sie eine bestimmte Entwicklung befürchten oder wissen,
dass da was in der Regierung läuft, und Sie wollen, dass das auf den Tisch
kommt: Dann brauchen Sie einen Abgeordneten, der eine Anfrage stellt... Optimal
ist es natürlich, wenn Sie dem Abgeordneten die Frage schreiben und dem
Staatssekretär die Antwort. Dann haben Sie Ihr Geld für den Monat
verdient!" (Sebaldt S. 355 unter Zitat eines
Gesprächs im Rahmen seiner Feldstudie, Protokoll S. 12).
"Herr Spary hat das mit der
nach-parlamentarischen Karriere von manchen Abgeordneten angedeutet, die in
Verbänden ihr Auskommen finden. Es ist also vielleicht umgekehrt: Nicht der
Abgeordnete sitzt im Visier der Verbände, sondern die Verbände sitzen im Visier
der Abgeordneten für eine nachparlamentarische Karriere." (Protokoll S. 21f; Hervorhebung von mir, würde hier noch ergänzen: "do ut des" - "Ich gebe in der Hoffnung auf eine Gegengabe")
"Nach dem Motto 'Gemeinsam sind wir stark' wünsche ich mir,
dass in dieser Vereinigung (Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen e.V., die
den 'Wissenschaftspreis für Arbeiten zum Parlamentarismus' auslobt) eine
Auseinandersetzung mit von Arnim stattfindet und dass wir
uns stark genug fühlen und nicht der Diskussion ausweichen. Warum sage ich das?
Es kann im Pluralismus nicht angehen, dass eine Stimme jeweils dominiert und
andere Stimmen nicht gehört werden und dass fast der Eindruck erweckt wird, als
hätten wir uns zu verstecken." (Protokoll S. 5)
"Kein partizipationsorientiertes System kann sich autonome
Politik leisten. Ein solches System kann nur funktionieren, wenn die intermediären Instanzen funktionieren;
das heißt, wenn auch die Verbände ihre wichtige Rolle wahrnehmen, Interessen zu
artikulieren, Interessen zu transportieren und Interessen zu bündeln, damit sie
bearbeitbar sind, und wenn sie zugleich, Herr Spary, gegenüber ihren
Mitgliedern die Funktion übernehmen, das, was auf dem politischen Feld
ausgehandelt worden ist, auch verlässlich durchzusetzen." (Protokoll S. 37, Hervorhebung von
mir)
Ganz zum Schluss folgte eine am ehesten wohl selbstberuhigende Presse- und Bürgerschelte des Moderators:
"(Zur Funktion der Demokratie gehört) ein Grundvertrauen in
unsere Amts- und Mandatsträger, und auch da, meine ich, ist unsere Kultur nicht
auf dem besten und fortschrittlichen Wege. Wenn ich die demoskopischen Daten anschaue,
dann hat sich das Vertrauen in die Institutionen und die Amtsinhabern -
vorsichtig ausgedrückt - negativ entwickelt. Ich füge hinzu: Daran sind nicht
immer die Institutionen und die Amtsinhaber schuld. Ganz im Gegenteil, oft sind
es die Interpreten." (Protokoll S. 37)
In der Tat: Viele Bürger halten politische Entscheidungen für durch lobbyistische Einflüsse herbeiführbar, auch bei der Parteienfinanzierung durch Spenden. Es wird zwar gerne jeglicher kausale Zusammenhang zwischen einer finanziellen Zuwendung an eine Partei und geneigten politischen Entscheidungen bestritten; ich persönlich kenne allerdings niemanden, der dafür die Hand ins Feuer legen würde.
Mir wäre sehr viel wohler, wenn es keinerlei Spenden zu Gunsten politischer Parteien geben würde, weder von Firmen, noch von Privatpersonen, weder an Parteien noch an ihre Organisationen, Betriebe oder Mitglieder.
Ich halte es auch für sinnvoll, jeden Loyalitäts- und Gewissenskonflikt dadurch zu vermeiden, dass zwischen der Funktion eines Abgeordneten und seiner beruflichen Einbindung - etwa in eine Interessenvertretung - eine klare Grenze gezogen wird. Und zwar derart, dass für die Zeit des parlamentarischen Lebens die Orientierung aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ohne Wenn und Aber gilt: "Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen." Wenn wir eine Werte-orientierte Gemeinschaft sind, dann gehört dies zu den selbstverständlichen und zentralen Werten.
Und mein Test für den Wirkungsgrad eines demokratischen Gesellschaftsentwurfs ist eigentlich recht einfach: Woher kommen die steuernden Impulse für parlamentarische und exekutive Initiativen?
- Kommen sie in einer senkrechten Meldelinie von den Bürger/innen, auch dort, wo ein Problem komplex wirkt oder dargestellt wird?
- Oder kommen die entscheidenden Impulse waagerecht von der Seite, von den gewöhnlichen Verdächtigen, die sich gerne eines besonderen Wissensstandes und einer besonderen Verantwortung rühmen, die aber eines in jedem Falle haben: besondere Interessen.
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