Dienstag, 8. Juli 2025

13 von 21 Klammern

13 von 21 Klammern

Tatsächlich habe ich am Wochenende noch reiche Ernte eingefahren. Und interessante Kontakte erlebt - der angenehmen wie der sehr erschreckenden Art; siehe dazu meinenn vorangegangenen Blog-Post. 

Aber dennoch habe ich am Sonntag Abend "Schmitz' Backes" nicht einmal klein am Horizont gesehen. Es hat am Ende für eine Bürgermeister-Kanndidatur nicht gereicht. Für die Bewerbung um einen Ratssitz dagegen habe ich das Qualifying erfolgreich absolviert; dabei bleibt's dann auch.
 
 

 
Oben die Beute, was die Häuptlings-Vorwahl angeht. Zur leichteren Übersicht sind immer 10 Unterstützungsschriften per Büroklammer gestapelt. 13 Klammern sind's geworden, davon die letzte nicht ganz ausgelastet - insgesamt waren es 127. Aber 200 hätten es sein sollen, besser immer etwas mehr, weil halt an der einen oder anderen Unnterschrift etwas bei genauer amtlicher Prüfung auszusetzen sein könnte, etwa, dass ein Burscheider Wohnsitz nicht korrekt gemeldet ist, keine passsende Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist und die eigenhändige Unterschrift Fragen aufwirft. Also sollte man am besten mit minndestens 21 Klammern kalkulieren. Und die hatte ich halt nicht.
 
Zum Vergleich: 2009 hätte ich - ebenfalls im Rahmen der Burscheider Bürgermeister-Vorwahl - nur 160 Unterschriften gebraucht. Tatsächlich hatte ich dann aber über 240 zusammengescharrt, hatte also, um im obigen Bild zu bleiben, 25 von 16 Büroklammern. War also mit dabei, als insgesamt vier zur Bürgermeisterwahl antraten - Herr Caplan für die CDU, Herr Baggeler für die damals neugegründeten "Bürger für Burscheid" (aus CDU'lern, die sich kommunalpolitisch selbstständig gemacht hatten), Herr Jakob für die SPD und ich als Unabhängiger. Immerhin habe ich 2009 auch noch 11% der Stimmen geholt, so aus dem Stand gar nicht so ganz schlecht.  
 
Aber diesmal habe ich schon in den Primaries die Latte gerissen. Eine kurze Manöverkritik dazu:
  1. Es gibt keine ausgesprochene Wechselstimmung und ich würde auch lügen, wenn ich Dirk Runge einen schlechten Bürgermeister nennen würde.
     
  2. Mein Kernthema "Stadtentwicklung" ist für die allermeisten denn dann doch zu theoretisch, trotz der hohen zumindest mittelfristigen Relevanz für unsere Lebensverhältnisse und
     
  3. ich selbst wirke möglicherweise auch zu sehr wie ein Outgrouper, mit dem gemeinsam die Ingrouper im Rat vielleicht nicht ausreichend harmonisch gestalten könnten. Zum Vergleich: Weder Rudi Dutschke noch Uschi Obermaier haben sich ihrerzeit um eine Kanzlerkandidatur bemüht. Einmal APO, immer APO.

  4. Nicht zuletzt: Zum ersten Mal in meinem Leben - und das wird ja voraussichtlich so bleiben - ist der Papst jünger als ich ;-) Und dieser Umstand mag den meisten sicher auch nicht als Erfolgsgarantie für einen guten Vollzeit-Job erscheinen.  
Etwas leid tut es mir aber um die nun etwas geringere Chance, Spannung und Interesse und Beteiligung für die Kommunalwahlen zu induzieren. Leichlingen kann diesmal wohl mit acht BM-Bewerbern aufwarten - das zeigt einen demokratisch m.E. besseren Wirkungsgrad ... Kleiner ökonomischer Vorteil für Burscheid: Mit großer Wahrscheinlichkeit muss nun keine Stichwahl finanziert werden. Das tröstet mich dann wieder etwas, bei den längst wieder eingetrübten steuerlichen Aussichten. Und es trösten mich die vielen guten Vernetzungen rund um mein "Qualifying".

Aber bei meiner Kandidatur für die Vertretung des Burscheider Wahlkreises 7 - von Grünscheid bis in die untere Hauptstraße - dabei bleibt es natürlich. Und bei meinem Wahlblog. Nach dem Motto: Es bleibt immer etwas hängen ;-)
 
Vielleicht gibt es noch einen Grund, jetzt keine Experimente zu wagen und das Bewährte zu bewahren; ein Bekannter hatte das gestern erwogen und es klingt zumindest nicht unschlüssig: Um uns herum gibt es inn den letzten Monaten, wenn nicht Jahren außergewöhnlich viel Wandel, viel Unsicherheit und viel Umorientierung. Ein bisschen wie die mal vonn Nietzsche beschworene "Umwertung aller Werte". Um die Komplexität nicht unnötig zu erhöhen, mag man dann eher gewillt sein, denn Nahbereich als "steady state" zu bewahren, sich also eher (im Wortsinn) konservativ zu orientieren. 
 
Zu dieser derzeit etwas wirren Lage werde ich meinen nächstn Post schreiben.

 

Montag, 7. Juli 2025

Von Burscheider Ampeln und Sprachen

 

Von Burscheider Ampeln und Sprachen

Am 5.7.2025 lauere ich wieder am Burscheider Markt arglosen Passant*innen auf. 

 

Um sie in ein Gespräch über Burscheid, Stadtentwicklung und ganz nebenbei ein paar Unterschriften zu verwickeln. Ich habe mein Plakat von 2009 mitgebracht – Aussage: „Gönnt den Parteien doch mal ihre Auszeit“ – und mit einem Bild, das mir i.J. 2025 natürlich etwas schmeichelt, habe es minimal invasiv an dem Stamm eines der beiden verbliebenen Makrolon-Bäume angeklebt und habe auf einem apportierten Campingtisch meine give-aways ausgebreitet: 

 

Mein Wahlprogramm, meine selbst gefertigten kleinen Visitenkarten („geniale Lesezeichen!“) und natürlich die hektographierten Vordrucke für Unterstützungsunterschriften. Denn die zweihundert vom Beigeordneten eigenhändig mit Paraphe abgezeichneten Exemplare aus dem persönlichen Wahl-Kit, das man bei der Stadt Burscheid bekommt, die sind schon seit vielen Tagen aus. Anm.: Am Ende werde ich ca. 1.000 Stück verteilt haben, auf einigen zehn Kilometern per Rad, Einrad und zu Fuß. Den Nachdruck hat sehr preiswert, stressfrei und professionell ein Copyshop in Köln/Deutz an der Betzdorfer Straße besorgt. 

Das IEHK - das Integrierte Entwicklungs- und Handlungskonzept Burscheid 2025, nach dem ja eigentlich alles rund um mich herum bereits frisch beatmet sein sollte - das habe ich zum allfälligen Nachblättern und Vorzeigen natürlich auch dabei; es liegt sonst gerne unter meinem Kopfkissen. Einige Unterschriften kann ich dann am Markt auch ohne Waffeneinsatz leicht herausholen. Ganz sicher ist dabei von Nutzen, dass die Presse kurz vorher über mein unerhörtes Projekt berichtet hatte. Aber wichtig werden auch mehrere Gespräche, eines davon allerdings auch erschreckend.

Weiterführendes

Zunächst die konstruktive Unterhaltung, die auch zu einer weiteren Aktivität führen muss und wird; das ist dann später an dieser Stelle zu dokumentieren: Eine rüstige ältere Dame kommt mit ihrem Rollator vorbei und fragt neugierig, was bitte ich hier denn wohl treibe. Meine erste Erklärung bringt sie dann ein wenig in Wallung. Sie habe sich mehrfach an die Stadtverwaltung gewandt, da sie mit ihrem Rolli und ihrer relativ geringen Geschwindigkeit ständig Probleme mit zu kurzen Ampelphasen habe und bisweilen auf einer Insel mitten in der Fahrbahn strande, dort die nächste Grün-Phase abstehen müsse. Daran wäre leider, leider auch nichts zu ändern, sage die Verwaltung. 

Das führt nun aber zu unserer Verabredung: Wir werden nacheinander ein paar dieser kritischen Stellen ablaufen / abfahren und das Problem visualisieren bzw. per Video aufzeichnen – hoffentlich dann aber ohne casualties. Eine dieser Stellen wäre der Fußgängerüberweg am oberen Ende der Hauptstraße, dort, wo sie in die Höhestraße übergeht. Eine zweite neuralgische Stelle wäre der Übergang über die Friedrich-Goetze-Straße in Richtung Dammstraße. Anbei: Das wäre doch eine wunderbare Stelle für den guten alten Zebrastreifen, nicht wahr? Und wo bitte sind die ganzen Zebrastreifen abgeblieben, mit ihrem eindeutigen Vorrecht für die körperlich unterlegenen Fußgänger? Das letzte hier überlebende Zebra ist wohl dasjenige gegenüber von der Stadtbücherei. Ich plädiere für umgehende Nachzucht. Freier Gang für freie Bürger*innen! Der dritte „Tatort“ wäre die lange und mehrfach gewundene Straße „In der Dellen“ mit ihren eingebauten Herausforderungen und Abenteuern für Jung und Alt: Die Straße ist zwar Nachkriegsware, aber für Kinderwagen, Rollatoren oder Rollstühle eindeutig zu sparsam gebaut. Es gibt keine Bürger*innen*steige, sondern gerade mal kleiderbügelbreite „Notstege“, dazu parkende Autos, um die man sich irgendwie herumjonglieren muss, und natürlich rollenden Verkehr. Ich denke nicht, dass man dort guten Gewissens Kinder sich frei entfalten lassen könnte. Genau das wollen wir zeigen. Und es es liefe auch nicht auf "Planung ins Blaue" hinaus, wie im früheren Post benannt. Sondern es hätte Ziel und Nutzen.

Erschreckendes

Die erschreckende Erfahrung kommt hintendran und trifft mich auf dem falschen Fuß. Es fängt recht harmlos an: Ein Paar mittleren Alters, gut gekleidet mit durchaus elaboriertem Code sprechend bedauert, bei mir nicht unterschreiben zu können – sie kämen halt aus Odenthal. Odenthal, da erinnere ich mich an ein Paar vor genau einer Woche an gleicher Stelle. Sie hatten zu meiner ersten Verblüffung und dann Freude klar gemacht: Burscheid hatten sie gerade wegen des schönen Flairs der Innenstadt aufgesucht, schonn mehrfach, wegen ansprechender Geschäfte wie Liebevoll oder für das schnuckelige neue Café Mösch. Und ich war verdutzt bis entzückt: Das „arme“ Burscheid ist sogar für das einkommensstarke Odenthal attraktiv, und zwar wegen einiger recht neuer und gar nicht voluminöser privatwirtschaftlicher Aktivitäten und Angebote! Weit vor einem weiteren Vollsortimenter. Weiter so! 

Drum denke ich am 5.7. zunächst, das weitere Odenthaler Paar ticke in einem ähnlichen Takt. Verrückterweise: Weit gefehlt. Nein, Burscheid gefiele ihr überhaupt nicht, sagt die Dame. Warum bitte, hake ich nach, etwas irritiert. Ja, in Burscheid werde zu wenig Deutsch gesprochen. Wie bitte? Offenbar geht es um Migration und ich sage, dass Burscheid – wie auch andere bergische Städte – natürlich einige Bürger mit Einwanderungsgeschichte hat, etwa seit Jahrzehnten in der Metallverarbeitung beschäftigt. Nein, das wäre es gar nicht, es ginge um die vielen Asylanten. Darauf entgegne ich und nehme meine Stadtverwaltung ausdrücklich in Schutz: Burscheid bekomme ebenso wie auch Odenthal Flüchtlinge zugewiesen. Und man solle auch nicht vergessen, dass wir Industriestaaten durchaus auch eigene Fluchtursachen setzen würden. Sei es durch auswärtige Gewalt (zur Zeit des bekannten Peaks i.J. 2015 kamen der größte Teil aus dem ehemaligen Jugoslawien; nach aktuellen Meldungen liegt der Schwerpunkt heute in Afghanistan, und auch da waren wir militärisch sehr aktiv), sei es durch klimatische Veränderungen, die insbesondere in Ländern der Dritten Welt massive Probleme bereiteten. Nein, hörte ich dann, die Ursachen der Migration interessierten hier überhaupt nicht; es ginge nur darum, dass das hier keiner im Griff habe! 

Ich denke, ich sprach mit klaren Rechtsaußen, aus der Mitte der Gesellschaft. Aber wieso sie gerade Burscheid besucht hatten, um ihrem toxischem Ärger Luft zu machen, das bekomme ich nicht heraus. Mir ist dann allerdings recht unwohl. Aber genau darauf müssen wir uns bei der kommenden Wahl gefasst machen und vorbereiten.

Entschädigung

Des Abends hat Armin Busch in die einzigartige Dierather Kulturscheune eingeladen, zu einem weiteren Höhepunkt in seinem völlig eigen-initiativen Kulturprogramm. Das Geschäftsmodell ist einfach, aber wirksam: Jede*r Gast kommt auf persönliche Ansprache oder Flüsterpropaganda, kein Eintritt, aber ein großer „Klingelbeutel“, der den Musikern zugutekommt. Die aber allein wegen der legendären Atmosphäre der Kulturscheune angereist wären, typischerweise wiederholt, wie beim Kölner Treff. Und aus aller Herren Länder. Heute ist es das brillante Bernd Steinmann Quintett, das sich aus dem Essener Gitarrenduo Bernd Steinmann und Stefan Loos, dem Mann am Kontrabass, Martin Breuer, der Klarinettistin Annette Maye und der Geigerin Antje Vetter formiert hat. Und nun die Scheune von der Renaissance zum Flamenco fliegen lässt (so auch die aktuelle CD). Resonanz im gesamten Saal. Genial. Auch mit überirdisch süffigen eigenen Kompositionen. Und packende Percussion ohne jedes Schlagzeug. Da komme ich ein Stück weit vom ganzen selbstgemachten Tohuwabohu wieder herunter. Danke! Beim Wein im Anschluss kommt das Gespräch zwar wieder etwas auf die Wahl – aber sehr entspannt.

Eigentlich kein schlechter Ausklang meiner ersten Wahlphase. Recht gut, nicht ganz gut. Denn trotz einer reichen Stimmenernte an diesem Wochenende wird es am Ende jedenfalls für die Kandidatur zum Bürgermeister nicht ganz reichen; dazu näher im nächsten Post. Aber für einen Ratssitz im Wahlbezirk Nr. 7 – von Grünscheid über Kuckenberg und Massiefen bis in die untere Hauptstraße – dafür werde ich immerhin auf dem Stimmzettel stehen. Und werde weiter für die Wahl und für eine gute Wahlbeteiligung werben. Und gegen falsche Alternativen.