Von Burscheider Ampeln und Sprachen
Am 5.7.2025 lauere ich wieder am Burscheider Markt arglosen
Passant*innen auf.

Um sie in ein Gespräch über Burscheid, Stadtentwicklung und ganz
nebenbei ein paar Unterschriften zu verwickeln. Ich habe mein Plakat von 2009
mitgebracht – Aussage: „Gönnt den Parteien doch mal ihre Auszeit“ – und mit
einem Bild, das mir i.J. 2025 natürlich etwas schmeichelt, habe es minimal
invasiv an dem Stamm eines der beiden verbliebenen Makrolon-Bäume angeklebt und
habe auf einem apportierten Campingtisch meine give-aways ausgebreitet:

Mein Wahlprogramm, meine selbst gefertigten kleinen Visitenkarten („geniale
Lesezeichen!“) und natürlich die hektographierten Vordrucke für
Unterstützungsunterschriften. Denn die zweihundert vom Beigeordneten eigenhändig mit
Paraphe abgezeichneten Exemplare aus dem persönlichen Wahl-Kit, das man
bei der Stadt Burscheid bekommt, die sind schon seit vielen Tagen aus. Anm.: Am Ende
werde ich ca. 1.000 Stück verteilt haben, auf einigen zehn Kilometern per Rad, Einrad und zu Fuß. Den Nachdruck hat sehr preiswert, stressfrei
und professionell ein Copyshop in Köln/Deutz an der Betzdorfer Straße besorgt.
Das IEHK - das Integrierte Entwicklungs- und Handlungskonzept Burscheid 2025, nach dem ja eigentlich alles rund um mich herum bereits frisch beatmet sein sollte - das habe ich zum allfälligen Nachblättern und Vorzeigen natürlich auch dabei; es liegt sonst gerne unter meinem Kopfkissen. Einige Unterschriften kann ich dann am Markt auch ohne
Waffeneinsatz leicht herausholen. Ganz sicher ist dabei von Nutzen, dass die Presse kurz
vorher über mein unerhörtes Projekt berichtet hatte. Aber wichtig werden auch mehrere Gespräche, eines davon allerdings auch erschreckend.
Weiterführendes
Zunächst die konstruktive Unterhaltung, die auch zu einer
weiteren Aktivität führen muss und wird; das ist dann später an
dieser Stelle zu dokumentieren: Eine rüstige ältere Dame kommt mit ihrem Rollator
vorbei und fragt neugierig, was bitte ich hier denn wohl treibe. Meine erste Erklärung bringt
sie dann ein wenig in Wallung. Sie habe sich mehrfach an die Stadtverwaltung
gewandt, da sie mit ihrem Rolli und ihrer relativ geringen Geschwindigkeit ständig Probleme mit zu kurzen Ampelphasen habe und bisweilen
auf einer Insel mitten in der Fahrbahn strande, dort die nächste Grün-Phase
abstehen müsse. Daran wäre leider, leider auch nichts zu ändern, sage die
Verwaltung.
Das führt nun aber zu unserer Verabredung: Wir werden nacheinander ein paar
dieser kritischen Stellen ablaufen / abfahren und das Problem visualisieren bzw. per
Video aufzeichnen – hoffentlich dann aber ohne casualties. Eine dieser Stellen
wäre der Fußgängerüberweg am oberen Ende der Hauptstraße, dort, wo sie in die
Höhestraße übergeht. Eine zweite neuralgische Stelle wäre der Übergang über die Friedrich-Goetze-Straße
in Richtung Dammstraße. Anbei: Das wäre doch eine wunderbare Stelle für den
guten alten Zebrastreifen, nicht wahr? Und wo bitte sind die ganzen
Zebrastreifen abgeblieben, mit ihrem eindeutigen Vorrecht für die körperlich unterlegenen
Fußgänger? Das letzte hier überlebende Zebra ist wohl dasjenige gegenüber von der
Stadtbücherei. Ich plädiere für umgehende Nachzucht. Freier Gang für freie
Bürger*innen! Der dritte „Tatort“ wäre die lange und mehrfach gewundene Straße „In der
Dellen“ mit ihren eingebauten Herausforderungen und Abenteuern für Jung und
Alt: Die Straße ist zwar Nachkriegsware, aber für Kinderwagen, Rollatoren oder
Rollstühle eindeutig zu sparsam gebaut. Es gibt keine Bürger*innen*steige,
sondern gerade mal kleiderbügelbreite „Notstege“, dazu parkende Autos, um die
man sich irgendwie herumjonglieren muss, und natürlich rollenden Verkehr. Ich denke
nicht, dass man dort guten Gewissens Kinder sich frei entfalten lassen könnte. Genau das
wollen wir zeigen. Und es es liefe auch nicht auf "Planung ins Blaue" hinaus, wie im früheren Post benannt. Sondern es hätte Ziel
und Nutzen.
Erschreckendes
Die erschreckende Erfahrung kommt hintendran und trifft mich auf dem falschen Fuß. Es fängt recht harmlos an: Ein Paar mittleren Alters, gut
gekleidet mit durchaus elaboriertem Code sprechend bedauert, bei mir nicht
unterschreiben zu können – sie kämen halt aus Odenthal. Odenthal, da erinnere ich mich an ein Paar vor genau einer Woche an gleicher Stelle. Sie hatten zu
meiner ersten Verblüffung und dann Freude klar gemacht: Burscheid hatten sie gerade wegen des schönen Flairs der Innenstadt aufgesucht, schonn mehrfach, wegen ansprechender Geschäfte wie
Liebevoll oder für das schnuckelige neue Café Mösch. Und ich war verdutzt bis entzückt: Das „arme“
Burscheid ist sogar für das einkommensstarke Odenthal attraktiv, und zwar wegen einiger recht neuer und gar nicht voluminöser privatwirtschaftlicher Aktivitäten und Angebote! Weit vor einem weiteren Vollsortimenter. Weiter so!
Drum denke ich am
5.7. zunächst, das weitere Odenthaler Paar ticke in einem ähnlichen Takt.
Verrückterweise: Weit gefehlt. Nein, Burscheid gefiele ihr überhaupt nicht, sagt die Dame. Warum bitte, hake ich nach, etwas irritiert. Ja, in Burscheid werde zu wenig Deutsch
gesprochen. Wie bitte? Offenbar geht es um Migration und ich sage, dass
Burscheid – wie auch andere bergische Städte – natürlich einige Bürger mit
Einwanderungsgeschichte hat, etwa seit Jahrzehnten in der Metallverarbeitung beschäftigt.
Nein, das wäre es gar nicht, es ginge um die vielen Asylanten. Darauf entgegne ich und nehme meine
Stadtverwaltung ausdrücklich in Schutz: Burscheid bekomme ebenso wie auch
Odenthal Flüchtlinge zugewiesen. Und man solle auch nicht vergessen, dass wir Industriestaaten durchaus auch eigene Fluchtursachen setzen würden.
Sei es durch auswärtige Gewalt (zur Zeit des bekannten Peaks i.J. 2015 kamen der größte
Teil aus dem ehemaligen Jugoslawien; nach aktuellen Meldungen liegt der
Schwerpunkt heute in Afghanistan, und auch da waren wir militärisch sehr aktiv), sei es durch klimatische
Veränderungen, die insbesondere in Ländern der Dritten Welt massive Probleme
bereiteten. Nein, hörte ich dann, die Ursachen der Migration interessierten
hier überhaupt nicht; es ginge nur darum, dass das hier keiner im Griff habe!
Ich denke, ich sprach mit klaren Rechtsaußen, aus der Mitte der Gesellschaft. Aber
wieso sie gerade Burscheid besucht hatten, um ihrem toxischem Ärger Luft zu
machen, das bekomme ich nicht heraus. Mir ist dann allerdings recht unwohl. Aber genau darauf müssen wir uns bei der kommenden Wahl gefasst machen und vorbereiten.
Entschädigung
Des Abends hat Armin Busch in die einzigartige Dierather Kulturscheune
eingeladen, zu einem weiteren Höhepunkt in seinem völlig eigen-initiativen
Kulturprogramm. Das Geschäftsmodell ist einfach, aber wirksam: Jede*r Gast kommt
auf persönliche Ansprache oder Flüsterpropaganda, kein Eintritt, aber ein
großer „Klingelbeutel“, der den Musikern zugutekommt. Die aber allein wegen der
legendären Atmosphäre der Kulturscheune angereist wären, typischerweise wiederholt,
wie beim Kölner Treff. Und aus aller Herren Länder. Heute ist es das brillante
Bernd Steinmann Quintett, das sich aus dem Essener Gitarrenduo Bernd Steinmann
und Stefan Loos, dem Mann am Kontrabass, Martin Breuer, der Klarinettistin
Annette Maye und der Geigerin Antje Vetter formiert hat. Und nun die Scheune von
der Renaissance zum Flamenco fliegen lässt (so auch die aktuelle CD). Resonanz
im gesamten Saal. Genial. Auch mit überirdisch süffigen eigenen Kompositionen. Und
packende Percussion ohne jedes Schlagzeug. Da komme ich ein Stück weit vom
ganzen selbstgemachten Tohuwabohu wieder herunter. Danke! Beim Wein im Anschluss
kommt das Gespräch zwar wieder etwas auf die Wahl – aber sehr entspannt.
Eigentlich kein schlechter Ausklang meiner ersten Wahlphase.
Recht gut, nicht ganz gut. Denn trotz einer reichen Stimmenernte
an diesem Wochenende wird es am Ende jedenfalls für die Kandidatur zum
Bürgermeister nicht ganz reichen; dazu näher im nächsten Post. Aber für einen Ratssitz im
Wahlbezirk Nr. 7 – von Grünscheid über Kuckenberg und Massiefen bis in die
untere Hauptstraße – dafür werde ich immerhin auf dem Stimmzettel stehen. Und werde weiter für
die Wahl und für eine gute Wahlbeteiligung werben. Und gegen falsche Alternativen.