Vierter November – der Rat bezieht sein neues Wohnzimmer
Neu ist es nicht ganz, das Wohnzimmer, es ist ja das frühere Burscheider „Haus der Kunst“. Während der Bauphase heiß es noch „Haus der Kultur(en)“ und nun kraft Ratsbeschluss etwas singulärer: „KulturForumBurscheid“. Aber dieses neue Wohnzimmer ist gründlich durchrenoviert und auch ein Stück weit aufgebohrt. Oder getunt. Sportliche Anerkennung: Das alles ist zu 100% extern finanziert! Anm.: Es hätte bei den notorisch klammen Säckeln unserer Kommunen – ja, auch wieder der Burscheider Stadtkasse - ansonsten kaum ohne schmerzliche Opfer geklappt. Zum Einwerben der Mittel, bei denen in der Bauphase auch noch deutlich nachgelegt werden musste, da hat stark beigetragen: Hier soll nun eine inter-kulturelle und inter-kommunale Begegnungsstätte entstehen. Ob das so klappen wird – warten wir’s ab, die Markt-Bedingungen für ein solches doch recht voluminöses Gehäuse sind sehr herausfordernd und man muss hier noch viel Glück wünschen, siehe auch einen Leserbrief hier ganz am Ende.
Diverses hat sich auch noch während des Baus verändert. Zunächst die Farbe: Der Planer wollte die Außenhaut anfangs mit bestem Corten-Stahl wappnen; der bildet ja unter der hippen rostroten Oberschicht einen besonders stabilen Schutz aus fest haftenden Sulfaten und Phosphaten. Nun ist Corten doch recht teuer und um das knapper werdende Geld zu sparen, schlug er später vor, den gleichen Eindruck durch einen rostroten Anstrich zu schaffen. Er rief dann aber bald nochmals an: Die Baum-Allee auf der Parkseite könnte ja im Laufe der Zeit vielleicht unschöne Bewitterungs-Spuren hinterlassen. Man solle das Ganze doch pflegeleicht in Anthrazit tauchen (Anm.: Das Haus der Kunst war am gleichen Ort jahrzehntelang weiß). Aber gesagt, getan, siehe auch in diesem Blogpost: https://uliswahlblog.blogspot.com/2024/10/die-farbe-der-kunst.html. Und als man schon mal dran war, da hat man gleich auch die nicht baumbestandenen Seiten mit-geschwärzt, einschließlich der Lichtschächte für die Musik- und Orchesterschule im Untergeschoss. Die ohnehin durch die gewachsene bel étage nun noch weiter überbaut und abgeschattet ist. Nur für den imposanten Eingangstrichter, da hat man in einem intervallum lucidum noch ein paar Eimer Weiß eingekauft. Danke dafür!
Die Breit-Seite im Wandel der Planungs-Zeiten:
Und noch ein leider nicht realisiertes hübsches Plus für den Antrag, das sicher den Förderern das Herz im Leibe hatte lachen lassen: Die Kulturstätte sollte sich eigentlich großzügig und mit attraktivem Zusatznutzen seitlich zum Park öffnen, mit einer dort auf gleichem Nineau anschließenden kleinen Arena bzw. einem Forum im Wortsinn, also einer Art von interaktivem Kultur-Marktplatz. Man sieht diese weitere Dimension oben im Vordergrund, aber auch auf der Darstellung eines Förderers, dort ebenfalls noch im ursprünglichen Indian-Summer-Farbschema. Diese sehr beflügelnde Idee ist aber am Ende ebenfalls flachgefallen. Wohl dito aus Kostengründen oder weil sie bei der typisch bergisch abfallenden Topographie unseres Luchtenberg-Parks von Anfang an extrem unrealistisch war. Eine hübsche Arabeske halt, mehr nicht. Auf dem Papier sah es halt bestechend aus. Übrig blieb eine kleine Treppe hinunter auf das Park-Niveau, natürlich nun auch im belebenden Anthrazit, s.o.
Aber nun zur Ratssitzung selbst:
Stolpersteine im Griff
Die Erwartungen waren ja durchaus gemischt und es gab ein paar Stolpersteine mit Ankündigung: (1) Gescheiterte Koalitionsverhandlungen zwischen zwei „birds of a feather“, nämlich der lokalen CDU und einer früheren Ausgründung daraus, dem Bündnis für Burscheid / BfB. Beide hatten noch vor dem Wahlgang den dann auch souverän siegreichen parteilosen Bürgermeister Dirk Runge tatkräftig und mit immer eng benachbarten Ständen unterstützt, hatten sich auch gegenseitig diese hübschen Helium-Ballons für die Kleinen befüllt. Da passte kein Blatt zwischen. Meinte man. Nach der Wahl aber soll es Streit um Ausschuss-Besetzungen gegeben haben. Wie im wirklichen Leben. Jedenfalls bildete dann das BfB gemeinsam mit der SPD und den Grünen von allen anderen unerwartet eine eigene „Zählliste“- beim Zugriff auf Ausschussvorsitzende und deren Vertreter zählen dann die addierten Stimmen. Und damit hatte die CDU – die sich dann nolens volens in einer Zählliste mit der heute sehr kleinen FDP zusammentat – mit einem Mal die schlechteren Karten. Oder auch: Plötzlich zweiter Sieger. (2) Dann hat auch noch der extrem spontane, Guinness-rekordverdächtige Übertritt einer CDU-Direktkandidatin zum BfB – quasi in einer juristischen Sekunde zwischen Wahl und allererster Ratssitzung – die neue B-S-G-Koalition weiter verstärkt. (3) Und noch eine bisher völlig unbekannte Größe: Die neue AfD-Fraktion, die aus dem Stand und ganz ohne inhaltlich auffallenden Wahlkampf aus dem Stand 10,5% der Stimmen und fünf Mandate geholt hatte. Also: Diesem Anfang wohnte prinzipiell sehr großer Zauber inne. Übrigens gab es auch noch einen vergleichsweise großen Blut-Austausch im Rat selbst; der längstdienende Mandatsträger schied nun nach mehr als vierzig Jahren aus.
Um es kurz zu machen: Trotz aller Hypotheken ging es äußerst gesittet zu, der neue/alte Bürgermeister trat gewohnt beruhigend auf. Eingangs hatte er ein "völlig unvoreingenommenes" Herangehen versprochen und hatte als notwendige Grundlage demokratischen Zusammenlebens und -wirkens ausdrücklich um "Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Respekt" und um den Verzicht auf "Populismus, Lüge und Wahrheitsverdrehung" gebeten, kurz: um einen fairen Umgang für die anstehende gemeinsame Ratsperiode.
Die neue Gruppe aus BfB/SPD/Grünen trat wie erwartet geschlossen auf und holte in einer geheimen Wahl die Bürgermeister-Stellvertretung, dies ist nun weiterhin Fr. Ignatz/BfB. 2. Stellvertreterin wurde dann die CDU-Ratsfrau Düchting. Ebenfalls von B-S-G wurden, jeweils in streitiger Abstimmung, zwei weitere interessante Posten besetzt, die der Stadt in externen Gremien zustehen (Wupperverband, Altenberger Dom-Verein). Es fühlte sich nicht nur wie eine Zählliste an, sondern wie eine auch erkennbar wohlgestimmte und selbstbewusste Koalition. Mal sehen, was die Praxis bringt. Gegenüber der Situation vor der Wahl mag sich unter dem Strich mehr Gelegenheit für Debatten und Diskurse ergeben, gerade zum Nutzen der Bürger*innen draußen. Und vielleicht auch für frische Ansätze in der zuletzt etwas festgefahrenen Stadtentwicklung.
D'Hondt und ein wenig Aufregung: die Ausschuss-Vorsitze
Der m.E. einzige etwas spannungsgeladenen Moment am 4.11.: Die Vorsitzenden und ihre ersten und zweiten Stellvertreter in den acht Rats-Ausschüssen werden nach Höchstzahlen der Parteienblöcke (BfB/SPD/Grüne - CDU/FDP) und Parteien (AfD) vergeben. Bei den ersten sechs Abfragen alles easy - mal Zugriffsrecht für Block 1, mal für Block 2, in munterem Wechsel.
Aber bei der siebten Höchstzahl ergibt sich nach d'Hondt eine exakt übereinstimmende Zahl für CDU/FDP und AfD. Der Bürgermeister lost mit zwei Überraschungseiern aus - und für den vorletzten Vorsitz gewinnt CDU/FDP das Zugriffsrecht. Der allerletzte (8.) Vorsitz geht dann konsequet an die AfD; es ist der Vorsitz im eher unattraktiven, genau einmal tagenden und naturgemäß gar nicht gestaltungsfreudigen, eher notariellen Wahlprüfungsausschuss.
In der folgenden Runde, dann für die ersten Stellvertreter, das exakt gleiche Spiel: Lostrommel für die siebte Personalie, Glück schon wieder für CDU/FDP (Pech in der Liebe?), und erneut bleibt der AfD nur der "blöde" WpA. Aber, aber, jetzt wird's unübersichtlich: Im WpA hätte die AfD ohnehin nur genau einen Sitz, und den hat sie schon bekommen (s.o.). Allgemeine Ratlosigkeit.
Es gibt dann eine kurze Auszeit und ein Arrangement, wonach die AfD wohl eine andere Stellvertretung bekommt (welche genau, das hat sich mir nicht erschlossen, steht dann sicher in der Presse). Und auf die Wahl eines zweiten Stellvertreters für den WpA-Vorsitz (ewig grüßt das Murmeltier) will man nach diesen schönen Erfahrungen - dafür soll dann auch die Wahlordung noch angepasst werden - denn dann doch lieber verzichten.
Eine Bürgerfrage
Der Alterspräsident „Aki“ Papazoglou hatte in seiner Anmoderation betont: Sogleich werde der (wieder-) gewählte Bürgermeister übernehmen – und dann könne er sicher auch Bürgerfragen zulassen. Exkurs: Tatsächlich habe ich nie so viele Bürger*innen bei einer Rats- oder Ausschusssitzung erlebt; bei der letzten unten im tristen Feuerwehrkeller waren es nach meiner Erinnerung ca. zwei gewesen. Heute mögen wir Nicht-oder-nicht-mehr-Organisierte locker zwischen dreißig und vierzig zählen. Entweder wegen des neuen Wohnzimmers, wegen der o.g. diesmal besonders starken Fluktuation oder wegen der oben angedeuteten Familiengeschichten. Nun kann ich Herrn Papazoglou ja schlecht enttäuschen und bin sowieso eher neugierig, will auch gerne das schöne neue Saalmikrofon für die Bürger*innen testen (es funktioniert sehr gut!). Und stelle eine Zwischenfrage. Das bringt Herrn Runge leicht aus dem Takt, aber er nimmt’s dann doch gelassen hin: Ich frage nach dem neuen Aufgabenkreis des – nach kürzlicher Änderung der Gemeindeordnung – nun zum "Ausschuss für Chancengerechtigkeit und Integration" aufgewerteten früheren Integrationsrat. Mit seinem nun ausdrücklichem Schwerpunkt bei dem Abbau von Benachteiligung auch bei den Menschen mit bereits langer, ggf. generationenübergreifender Wanderungsgeschichte, übrigens wörtlich auch innerhalb der Verwaltung (!). Da lohnt es sich künftig genauer hinzusehen, vielleicht auch hinzugehen.
Dann noch das Ambiente:
Ja, das neue Wohnzimmer sieht deutlich hochwertiger aus, nicht mehr der arg verstaubte monochrome Charme der Achtziger Jahre wie bei dem Schmidt sein Kanzleramt.
Und größer. Speziell der Vorraum (die "Lobby") ist riesig angewachsen - wenn auch leider auf Kosten des früheren barrierefreien Parkraums direkt vor dem Haus.
Direkt am Eingang wirkt es auf mich dann arg befremdlich: Auf die sehr kleinen Außen-Türen, das einzige von außen erkennbare Lebenszeichen, da hat man per Foto-Folie noch das look&feel des alten Eingangs aufgeklebt. Wirkt ein wenig billig und vor allem unnötig intransparent.
Ein Gewinn aber der seitliche Zugang Richtung Park (der stand sogar unversperrt offen). Mit dem kleinen Manko gegenüber dem recht breitbeinigen Auftritt noch in den Planungszeichnungen: Es gibt dort, wie oben beschrieben, nun leider keine Außen-Arena - bzw. kein offenes Forum. Sondern nur ein kleines schmales und natürlich schwarzes Treppchen (das "Kleine Schwarze").
Als Nächstes muss ich einmal die ebenfalls neu gestalteten Räumlichkeiten der Burscheider Musik- und Orchesterschule ansehen – von außen betrachtet, fehlt ihr durch die Ausdehnung der oberen Etage leider etwas Licht und Luft. Ich werde näher berichten. Von down under.
Ein Leserbrief, abgedruckt 31.10.2025
(2025/69) 23.10.2025
RGA / Bergischer Volksbote
Einweihung des Burscheider Kulturforums; Artikel von Celine Derigartz in der
Lokal-Ausgabe Burscheid v. 17.10.2025, S. 23 („Cat Balou kommt zur Eröffnung
des Kulturforums nach Burscheid“)
Der November wird ein funkelnder Auftakt für das KulturForum Burscheid, meine Anerkennung für die Kulturmanagerin Joanna Kischka. Zu beneiden ist sie nicht um den herausfordernden Job –diese große Infrastruktur in einem umkämpften Markt regional übergreifend zu etablieren, bei sich eher verknappenden hochwertigen künstlerischen Angeboten. Ein paar Widersprüche gilt es auch noch zu überwinden: Für die Förderung war die inter-kulturelle Begegnung essentiell. Der langjährige Arbeitstitel „Haus der Kulturen“ hatte konsequent einen Plural im Namen getragen. Wenn nun durch Ratsbeschluss dort nur noch die Einzahl stehen soll – eben „KulturForum“ – dann will ich hoffen, dass das keine Hypothek ist.
Sodann das weitere erklärte Plus für den Förderantrag – die inter-kommunale Kooperation: Die Arbeit am Interkommunalen Kulturentwicklungsplan Burscheid-Wermelskirchen zeigte dann leider auch: Beide Städte haben ein vitales Interesse am Erhalten und Auslasten eigener Kulturstätten. Und schließlich wird es noch innerörtliche Rücksichtnahme brauchen, jedenfalls bei kleineren bis mittleren Zuschnitten.
In diesen Rahmenbedingungen den Erfolgsweg zu finden, das wird gerade für das Anfangsjahr schwer, aber auch auf mittlere Sicht. Zusätzlich hat sich Burscheid quasi selbst ein Ei auf die Schienen genagelt – mit der wohl längerfristigen Unterbrechung einer ökologisch vorteilhaften, niedrigschwelligen Anbindung über die Balkantrasse – und mit dem Wegfall von Parkraum, auch unmittelbar am KulturForum selbst. Also: Man darf der Musikstadt wohl noch einiges Glück herbeiwünschen und das tue ich gerne!






