Dienstag, 3. Dezember 2019

Die Kirche und der Gummi


Der Gummi ist in jeder Kirche.

Exkurs: Der oder das Gummi? Tja: Im Deutschen gibt es, kein Ausländer würde es je von uns erwarten, eine ganze Reihe von Substantiven ohne amtlich definiertes Geschlecht. Dazu gehört auch Gummi und die diversen Produkte aus elastischem Kautschuk- oder Latex-Material, ob Radier-, Kau-Gummi, Verhüterlis und vieles mehr. Beim Grundstoff überwiegt in der Praxis die sächliche Wortform, also „das Gummi“, bei den Produkten wie dem Radiergummi dagegen die maskuline. Ich verwende im Folgenden daher einheitlich die männliche Form, zumal man die unten beschriebenen Befunde statistisch zumindest leicht überwiegend mit den Männern oder Jungs verbinden möchte, vorbehaltlich exakter gentechnologischer Untersuchungen.

Also: Der Gummi ist in jeder Kirche. Glaube ich. Vielleicht nicht in einer ganz neuen. Oder in einer gerade wieder hergerichteten. Aber ansonsten: Nach einer gewissen Zeit der ausgelassenen Nutzung des Bethauses stemmt er quasi die Kirchenbänke in die Höhe. Oder klebt zumindest unter praktisch jeder Bank. Nach meiner aktuellen Empirie kommt auf etwa jeden halben Meter statistisch mindestens ein Kaugummi – das macht bei ca. 100 laufenden Bankmetern eines mittelgroßen Gotteshauses locker 200 Klumpen, Flatschen oder Baby-Stalaktiten.

Man mag in dieser nur auf den ersten Blick so wesensverschiedenen Partnerschaft sogar signifikante Parallelen identifizieren: Adhäsion und Kohäsion sind zentrale Elemente von Gemeinschaften oder Gemeinden, nicht nur der EU. Und der elastische Zusammenhalt definiert ebenso die Qualität eines guten Kaugummis. Die repetitiven Kaubewegungen mag man ferner mit dem Prinzip der Wiederholung, Rhythmik und ritueller Übung vergleichen, wie sie typisch sind für das Vermitteln und Praktizieren fast jeder Welterklärung. Und Kirche und Gummi koexistieren nicht etwa nur, sondern bilden auch ein gegenseitig nützliches, daher symbiotisches Miteinander. Wird doch dem Kaugummi-Kauen über die durchblutungssteigernden und anregenden Wirkungen eine physiologisch positive Wirkung für Gesundheit, Wachheit und Aufmerksamkeit (Aufmerksamkeit!!!) zugeschrieben. Und wirkt nicht im Gegenzug der sanfte liturgische Zwang zu klarer Sprache oder reiner Singstimme für ein programmiertes verstohlenes Entäußern der zähen Masse, dann gleichzeitig für einen baldigen Neubedarf und für den gestärkten Umsatz und evolutionären Erfolg des Gummis? Darwin hätte es jedenfalls so gesehen.

Vergessen wir auch nicht die hochbefriedigende Wirkung eines, und sei es auch nur bescheiden kleinen, selbst gestalteten Produkts, Werks oder Artefakts, das nachhaltiger vorzuhalten verspricht als alle sonstigen Emanationen des individuellen Kirchenbesuchs. Zur Vereinfachung unterstellen wir im Folgenden eine Kirche von 30 Metern Länge: Der optische Eindruck des Kirchgängers ist schon während einer 10.000-stel Sekunde nach Verlassen der Kirchentüre verflogen, seine hörbaren Lautungen nach etwa einer zehntel Sekunde, die ihn umgebende individuelle Molekülwolke – das erweiterte Biom – und etwaige olfaktorische Besonderheiten mögen immerhin noch im einstelligen Stundenbereich forensisch nachweisbar bleiben. Aber ein unter die Bank geklebter Kaugummi, der kann – mit später noch zu erörternden Änderungen seines Aggregatzustandes – locker zehn, zwanzig oder gar hundert Jahre bestehen, kann damit des Besuchers kurzes Einzelleben transzendieren. Und dies im beschützenden Habitat einer Kirche selbst dann, wenn er als biodegradable angepriesen worden sein sollte. Mit Beimengungen spezifischer DNA und mit dem finalen Fingerabdruck, mit dem wir den Gummi unter die kühle Bank heften und im Wortsinn beeindrucken,
Beispiel: forensisch nutzbare Abdrücke
damit gibt er sogar ein wie in Stein gehauenes Zeugnis von der unvernwechselbare Eigenart des Künstlers ab! Nun denken wir einmal an majestätische Dome, weitläufige Paläste, kühn geschwungene Brücken - an alles das, womit sich die höherrangigen Erdenmenschen ganz typischerweise zu verewigen gedenken: Dagegen ist doch ein kleiner Gummi mit einem ökologischen Rucksack von höchstens 10 bis 20 cm3 CO2 eine wirklich verantwortbare Alternative, nicht wahr?

Von eher akademischem Interesse mag die auffällige Abstufung in der lokalen Konzentration des prinzipiell ubiquitären Kaugummis sein: Relativ nahe an der Kanzel ist der Besatz geringer – das mag einer vorbeugenden Autorität der jeweiligen Gottesdienst-Leitung zuzuschreiben sein. Unerwartete Ausreißer gibt es dennoch: Die gewöhnlich von Konfirmanden frequentierten Bänke sind tatsächlich eher unauffällig, fast ohne Befall, während die gegenüber liegenden, eher vom Presbyterium beanspruchten Bänke in Zahl, Frische und Farbe besonders reiche Frucht trugen.
relativ hoher "Befall"
Aber auch diesen Gradienten können wir bruchlos mit der o.g. potenziellen Abschreckung erklären: Die pädagogische Überzeugungskraft mag proportional der Altersdifferenz wachsen – und umgekehrt schrumpfen oder gar ganz entfallen. Hinzugetreten sein kann ein aus der Kriminologie bekannter Effekt: Verwahrlosende Stadtviertel fördern weitere Delinquenz – vulgo: Ist der Ruf (einer Kirchenbank) erst ruiniert, so klebt sich weiter ungeniert.

Um auf die Varianz der oben angesprochenen Artefakte zurück zu kommen: Das Gros der Kunstwerke ist in Form und Farbe zwar recht einfallslos; weit überwiegen die tristen braun- oder ockerfarbenen, noch eher unbeholfen modellierten Skulpturen.
erste Gestaltungsversuche
Manche aber stechen in kühner Konkurrenz heraus. Eines etwa erinnerte mich, ob geplant oder unbewusst inspiriert, an ein mit rotem Siegellack getropftes Herz – so eines hätte gut ein Billett des hoffnungslos verliebten jungen Heinrich Heine an seine angeschmachtete Hamburger Cousine Amalie verziert und verschlossen haben können. Oder ein Briefchen von Robert Schumanns Hand an seine Clara, als er sie noch nicht freien zu dürfen zu hoffen wagte, aber bereits inbrünstig Heines "Buch der Lieder" zu seiner romantischen „Dichterliebe“ vertonte. Welch zarte, vielleicht auch hier noch unerhörte Poesie!
Heinrich an Amalia, Robert an Clara?

Wenn ich nun dennoch einem extensiven Montieren von Kaugummi-Automaten an Kirchenportalen  ganz und gar nicht das Wort reden möchte, so hat dies eher kleinliche, egoistische und höchst zeitgenössische Ursachen. Ich habe am vergangenen Samstag ca. drei Stunden liegend, robbend, schlängelnd, klopfend und schabend unter und zwischen unseren Kirchbänken zugebracht, habe penibel all‘ die hübschen Artefakte der Schwerkraft anheimgestellt und damit per eifernder Arbeit in niedriger Gangart die aktuelle Renovierung unserer ca. 800 Jahre alten Kirche ergänzt - durch ein höchstens fühlbares, nicht aber sichtbares Detail. Ein wenig aus dieser sehr speziellen Erfahrung möchte ich hier zum Besten geben – in der Hoffnung auf etwas präventive Wirkung oder als Anstoß, den Dekalog um ein weiteres Gebot zu ergänzen: 
XI. Du sollst keinen Kaugummi unter Kirchenbänke pappen; verschluck‘ ihn lieber!
Für etwaige Folgeprojekte andernorts oder zu anderen Zeiten: Stellt man sich der oben beschriebenen Herausforderung, so sei man tapfer auf drei grundlegende Phänotypen des Kaugummis gefasst.

1.       Der Gummi mit geschätztem Alter im einstelligen Wochenbereich: Noch jung und biegsam, zieht ggfs. Fäden, gibt je nach Grad des früheren Durchkauens und Geschmacksrichtung auch noch feine Duftnoten preis – und muss mit einigem Zeitaufwand abgeschabt werden.
Typus 1: jung und biegsam

2.       Die praktisch schon kristalline oder mumifizierte Gummi-Leiche mit einem vermutlichen Alter im ein- bis mehrstelligen Jahresbereich – hart, löst sich nur in Brocken, als Sand oder gar als Feinstaub, kostet ebenfalls Kraft und Zeit. Obacht: Hier gilt es noch einen sehr flachen, Flatschen-artigen Subtyp zu klassifizieren, den ich in Anlehnung an die Hawaiianischen Schildvulkane aus flachverlaufender, dünnflüssiger Lava als Mauna-Loa“-Gummi benenne. Er ist halt besonders dünnschichtig, granitartig durchgesintert und biestig hartnäckig...
Typus 2, Subtyp "Mauna Loa"



3.       Und dann ist da noch der metamorphe Zwischentyp mitten zwischen den bereits beschriebenen Grundformen, fast mein Freund. Ich nenne ihn den „one-stroke-and-laugh“-chewing-gum. Denn er hat ein geschätztes Alter im ein- bis niedrigen zweistelligen Monatsbereich, ist äußerlich – gerade an der Grenzschicht zum Holz – zwar schon gefestigt, ist aber drinnen noch zusammenhängend, gleicht also einem Käfer mit seinem stabilen Außenskelett. Er lässt sich mit einem eleganten Spachtelstoß leicht vom Holz heben und fällt sodann als Ganzes zu Boden, wiegt sich auf seinem konvexen Rücken dort vielleicht noch ein paar Mal hin und her. Dann schon Ende im Gelände. Fast ein Genuss, wenn man die Alternativen kennt.
Typus 3: der Käfer-artige

Noch ein paar handwerkliche Tipps: Nehmen Sie einen recht neuen Spachtel, ganz konventionell mit Holzgriff; er sollte sich elastisch biegen lassen und seine Kanten sollten noch scharf, nicht etwa rundgewetzt sein. Mehr als ca. 4 cm Breite ist nicht erforderlich. Mit der vorderen Kante des Spachtelblatts kommen Sie zwar mit dem oben beschriebenen, kooperativen Typus 3 ("one-stroke-...") klar; bei den noch hochviskosen oder den bereits kristallinen, speziell "Mauna Loa" brauchen Sie aber zumeist die seitlichen Flanken: Dazu nehmen Sie den Spachtel beidhändig, biegen ihn leicht durch und führen die so entstehende Kehle flach schabend über das Holz. Arbeiten Sie immer in Richtung der Holzfasern, sonst beschädigen Sie die Oberfläche. Dies selbst an den Eichenbänken, die man mit den vor Jahren noch lustig sprudelnden Kirchensteuern einbauen konnte. Bei den durchgetrockneten Früchtchen (Typus 2) arbeiten Sie besser von sich weg - sonst sind Sie nach Ihrem guten Werk wie gepudert. Eine für dauerhafte Sicht gut belüftete Schutzbrille kann nie schaden.

Es war noch kurz erwogen worden: Man könnte schnell ein paar Jung-Christen beauftragen, die Bänke clean zu kratzen. Ich habe abgewinkt. Es wäre doch auch etwas schräg, den Nachwuchs ein Problem aufarbeiten zu lassen, was in seinen Ausprägungen locker älter sein möchte als er selbst. Und eigentlich werden wir der Jugend noch genug ungelöste bzw. selbst verbockte Problemlagen zurücklassen müssen. Presbyter und deren Altersgruppe liegen da schon näher (siehe auch den Befund zur lokalen Verteilung oben) - und, wie schon Kant in seiner gar nicht oft genug zu zitierenden Schrift "Zum ewigen Frieden" deutlich macht: Rückkopplung durch das vitale, fühlbare Verknüpfen von Handeln und Folgen ist ein besonders effizientes Instrument zum Steuern von Gemeinschaften, siehe dort insbesondere den "ersten Definitivartikel zum ewigen Frieden", Reclam-Ausgabe S. 12f:

'Wenn ... die Beystimmung der Staatsbürger dazu erfordert wird, um zu beschließen, ob Krieg seyn solle, oder nicht, so ist nichts natürlicher, als daß, da sie alle Drangsale des Krieges über sich selbst beschließen müßten [als da sind: selbst zu fechten; die Kosten des Krieges aus ihrer eigenen Haabe herzugeben; die Verwüstung, die er hinter sich läßt, kümmerlich zu verbessern; zum Uebermaße des Uebels endlich noch eine, den Frieden selbst verbitternde, wegen naher immer neuer Kriege nie zu tilgende Schuldenlast selbst zu übernehmen], sie sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen.'

Ich weiß natürlich: Nach dem Gummi ist vor dem Gummi. Die Kirche wird so nicht bleiben. Drum meine inständige Bitte an all' die Gläubigen und die Ernsthaften in Nah und Fern: Lasst den Gummi draußen, und zwar an entsorgungsfreundlicher Stelle. Habt Ihr’s mal vergessen und droht der Gummi bei den Manifestationen des Glaubens aufzufallen oder zu stören: Schluckt ihn mannhaft herunter! Vergesst die Ammenmärchen über verklebte Mägen oder Darmtrakte; das sind für die allermeisten Fallgestaltungen reine urban legends. Oder führt in der Kirche ein Beißholz mit, wie es den Archäologen zufolge in Europa schon mehrtausendjährige Tradition hat.

Merke: An der Griffkante mit Kaugummi verklebte Kirchenbänke sind sehr real – und nach weit überwiegender Auffassung ekelhaft.

Weiterführende Hinweise:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kaugummi, auch zu den mittel- und nordamerikanischen Ursprüngen des heute vorherrschenden Produkts, zur kommerziellen Entwicklung und zu den physiologischen Wirkungen

https://de.wikipedia.org/wiki/Mauna_Loa, zum Subtyp der o.g. Nr. 2

http://uliswahlblog.blogspot.com/2014/12/herschels-haufen-weihnachtsbaum-vs.html, falls es beim Lesen gerade Vorweihnachtszeit ist und wenn Sie Näheres zum Weihnachtsbaum, zur Astronomie und zur morgenländischen Wiege der modernen Wissenschaften interessiert. 




Montag, 3. Juni 2019

Radeln, anstreichen und verkaufen


Der Arbeitskreis Handel in der Wirtschafts- und Werbegemeinschaft „Wir für Burscheid / WfB“ begrüßt die Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen im Rahmen des „Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzepts / IEHK Burscheid 2025“ ganz ausdrücklich, so etwa im Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 1./2.6.2019 (Jan Sting „Händler: Burscheid im Aufwind. Werbegemeinschaft begrüßt Umbau der Hauptstraße“). 
Das kann man doch sehr gut nachvollziehen: Wenn die Burscheider Hauptstraße wieder attraktiver = anziehender wird, wenn die Fassaden frisch herausgeputzt sind, wenn Leerstände gefüllt sind, wenn die Wege für Fußgänger, Radfahrer und PKW’s gut gebahnt sind – einschließlich guter Parkmöglichkeiten und abwechslungsreicher Verköstigung – dann machen Kaufen wie Verkaufen und machen auch Dienstleistungen deutlich mehr Spaß. Und es bleibt auch mehr hängen. Ein wenig mehrdeutig wird’s dann bei der Zusammenfassung durch die Pressesprecherin und die Sprecherin des Arbeitskreises Handel der WfB-Gemeinschaft: 
Wir haben schöne inhabergeführte, florierende Geschäfte, gute Erreichbarkeit, ausreichenden kostenlosen Parkraum und eine attraktive Innenstadt nach den Umbaumaßnahmen – mit neuem Wohnraum, mit breiten barrierefreien Bürgersteigen und Platz für Radfahrer, mit Bäumen und Bänken, neu gestalteten Parks und einem Zugang von der Radtrasse direkt in die mittlere Hauptstraße“.
Gerade das Letztere ist schwer nachvollziehbar: Tatsächlich gibt es ja bereits vor den anstehenden Baumaßnahmen einen Zugang direkt in die mittlere Hauptstraße“ und sogar barrierefrei, ohne Rampe: Man zweigt an der Dammstraße vom Radweg ab, fährt dann am Markt entlang direkt in die mittlere Hauptstraße. Kommt man aus Richtung Hilgen, geht’s sogar noch schneller und ohne jegliche Steigung – einfach auf die Montanusstraße abbiegen und an der Volksbank rechts (oder auch links) herein. Schon da, mitten im Geschehen!
Gut, was man noch verbessern dürfte: Kosmetik bzw. Deo. Wenn man etwa am Abzweig Dammstraße den auch schon arg verbeulten großmäuligen Mülleimer öfter leeren würde, wenn dieser auch nicht mehr wochenendelang inkontinent zum Himmel stinken würde – dann würden wir wohl noch viel mehr Touristen anlocken, in die Innenstadt, wie es dort ja auch schon ausgeschildert steht. 
Aber das ginge wie gesagt weitgehend aus dem Eingemachten, vielleicht mit einem aufmunternden Anruf des Bürgermeisters bei seinen Technischen Werken / TWB; wir müssten dazu nicht etwa neue steile Rampen aufschütten oder nutzlose Skywalks an Brücken anflanschen. Übrigens genau so sehen es auch viele Radfahrer, wenn man gerne hinhören möchte: Der Allgemeine Deutscher Fahrrad-Club RheinBerg-Oberberg e.V. / ADFC, Oberheidkamper Straße 52 in 51469 Bergisch Gladbach sagt in einer aktuellen, nüchternen Bewertung der geplanten Rampe von der Balkantrasse zur Hauptstraße: „Burscheid braucht keine Visionen, sondern Rad-Infrastruktur!“ und gibt insbesondere dreierlei zu bedenken:
(1)  Burscheid hat bereits zwei lästige Rampen (statt Tunnel-Lösungen) im Verlauf des Panorama-Radwegs Balkantrasse auf seinem Stadtgebiet.
(2)  Es ist unwahrscheinlich, dass Radfahrende in Richtung LEV-Opladen - bergab fahrend - eine Kehrtwende beschreiben, umständlich eine Rampe hinauf radeln/schieben, um in die Hauptstraße zu gelangen.
(3)  Es fehlt eine lückenlose Radinfrastruktur.
Dem ist wenig hinzuzufügen, außer: Den letzten Punkt bei den weiteren Planungen wirklich ernst nehmen, eine für Radfahrer nun tatsächlich kooperative Spange durch die Innenstadt legen und nicht um des Prinzips willen eine lebensfremde Planungs-Arabeske für teures Geld verewigen. 
Was mich an der Stellungnahme des WfB noch ein wenig verwundert: Eigentlich hat man mit den trost- und nutzlosen Blechbäumen am Markt ein unschlagbares Beispiel verfehlter Entwicklungs-Planung schon jahrelang vor Augen. Braucht Burscheid denn wirklich "Mehr desselben", wie Paul Watzlawick in seiner skurril-lebensnahen "Anleitung zum Unglücklichsein" herausgearbeitet hat?

Exkurs: Watzlawick beschreibt in seiner genialen Handreichung eine Beharrlichkeit, die in immer weitere Verstrickung führt, treffend als Syndrom einer doppelten Blindheit: "Erstens dafür, dass die betreffende Anpassung (eine früher sinnvolle Überlebensstrategie) eben nicht mehr die bestmögliche ist, und zweitens dafür, dass es neben ihr schon immer eine Reihe anderer Lösungen gegeben hat, zumindest nun gibt. Diese doppelte Blindheit hat zwei Folgen: Erstens macht sie die Patentlösung immer erfolgloser und die Lage immer schwieriger, und zweitens führt der damit steigende Leidensdruck zur scheinbar einzig logischen Schlussfolgerung, noch nicht genug zur Lösung getan zu haben. Man wendet also mehr derselben 'Lösung' an und erreicht damit genau mehr desselben Elends." (Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, Piper, 16. Aufl. 1997, S. 28f). Exkurs Ende.



Aber vielleicht könnte man ja den unheilvollen Kreislauf hier unterbrechen und gerade die Blechbäume bei der neuen Planung schadensmindernd recyceln. Also: Wenn jetzt wirklich der schräge Skywalk an der Hauptstraßenbrücke angeflanscht wird und wenn – wie der Bürgermeister unerwartet verzagt vermeldet – eine Außengastronomie mit Schirmen etc. darauf allerhöchstens mittelfristig zu erwarten steht: Warum verpflanzen wir dann nicht einfach die Bäume (oder doch einen oder zwei davon) auf den neuen Skywalk? Sie wachsen dort sicher fest an und könnten wind- und standsicher vor Regen schützen – und unten würden sich die Balkantrassen-Touristen verwundert die Augen reiben, würden sich in ganzen Seilschaften neugierig die Rampe heraufhangeln und würden eigenäugig nachsehen wollen, was denn in Burscheid für listige Lurche am Werke sind, um uns in Szene zu setzen und aus dem städtebaulichen Einerlei herauszuheben.
G O T C H A !!!!


Weiterführende Informationen:
Post zur aktuellen Informationsveranstaltung von Stadt Burscheid & Planungsbüro zu Rampe und Skywalk = 

http://uliswahlblog.blogspot.com/2019/05/burscheid-spange-statt-skywalk-und-rampe.html

Sonntag, 2. Juni 2019

Saugen, nicht heulen

Aus der immer wichtigeren Reihe "Rettet die Hardware!" ein weiterer Beitrag: Wie vermeide ich, einen heuligen Sauger zum Elektroschrott zu karren?

Die Vorgeschichte: Ich hatte unseren etwas betagten Bosch-Staubsauger, dem ich vor Jahren schon mal die brüchigen Plastik-Füßchen durch Prothesen aus stabileren Holz-Rollen kuriert hatte,
für ein Neubau-Projekt ausgeliehen; dort nahm er wacker den Sägestaub von ca. 100 qm Laminat-Zuschnitt auf. Das Problem enstand, als der bald prall und sehr kompakt gefüllte Beutel dem Gehäuse entzogen wurde - dabei wurde es eng und einer der beiden Plastik-Bolzen brach ab, mit denen die Aufnahme des Beutels dreh- bzw. schwenkbar bar zum Gehäuse verbunden ist.
Das heißt, eigentlich begann das Drama, weil sich jener Noppen irgendwie unbemerkt durch die Fichten getan hatte, sodann der nächste & leere Beutel nicht mehr in die rechte Flucht mit dem flexiblen Teil des Saugrohres kam, der bald im Mengen folgende Staub/Dreck den Beutel mied und per Bypass direkt durch den Motor flutete und dieser Motor wiederum nach einer gewissen Zeit anfing, schräge Lieder zum Vortrage zu bringen.

Exkurs: Plastik. Es gibt eine geradezu seherische Szene in dem unvergesslichen Film "The Graduate" / "Die Reifeprüfung". Ein aufgeblasener Freund von Benjamin Braddocks Eltern nimmt den um seine Zukunft besorgten College-Absolventen bei der Abschlussfeier beiseite und raunt ihm in nachrichtendienstlicher Sherlock-Hemlock-Manier zu: "One word." Als Benjamin  verständnislos dreinschaut, setzt er hinzu: "Plastics." Und wiederum einen Moment später: "Shhh! Nuff (= Enough) said..." Tja, manchmal sollte man Plastik wirklich vergessen - wenn es schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat und seine Beweglichkeit und Anschmiegsamkeit dahin sind. Exkurs Ende.

Nun gut: Schnell eine weitere Prothese zubereitet, die den abgebrochenen Bolzen willig ersetzt (hatte zufällig noch eine längere Fiberglaswelle aufgehoben, sie passte im Durchmesser befriedigend genau). Das nächste - oder unbemerkt verbliebene - Problem: Der Beutel sitzt jetzt zwar so, wie er soll, und der Bypass ist kuriert, aber der Sauger heult nun selbst bei geringeren Touren wie eine ausgewachsene ABC-Sirene. "Absolut unzumutbar!" befindet meine bessere Hälfte. Bleibt nichts, als das Schätzchen nun völlig zu desintegrieren und zu reinigen. Zum Öffnen des Gehäuses braucht's zunächst mal einen langstieligen Torx-Schraubenzieher. Mit einer normalen Bit-Aufnahme und dem (grundsätzlich) passenden Bit kommt man nun nicht weiter; denn zwei der drei Schrauben sitzen tief in engen Röhren mit max. 10 mm Durchmesser verborgen. Und weiter ist Vorsicht angebracht: Neben den drei Torx sind noch weitgehend verdeckt zwei Plastik- (s.o.!!!) Spangen zu lösen; an diese kommt man nur durch eine kleine Gehäuse-Öffnung neben dem linken Hinterrad und unter (!) dem rechten Hinterrad.

Dann allerdings kann man den Deckel über dem Motor (langsam & sensibel!) nach oben abheben. Wie vermutet: Darunter und insbesondere im Lüfterrad des Motors, das die gesamte Luft bewegt, ist alles mit Staub/Dreck verstopft. Selbst der Innenluftfilter, der die angesaugte Luft vor der Abgabe ins Zimmer nochmals etwas reinigen soll, ist von innen wie zugespachtelt.

Alles soweit zugänglich gereinigt; dann vorsichtshalber noch den recht riefigen Kollektor des Motors behelfsmäßig abgezogen. Das geht recht praktisch mit einem zweiten Staubsauger und etwas 1000er Nass-Schleifpapier: Das Rohr des Zweit-Saugers auf die Ansaugöffnung unseres Problemkindes aufgesetzt - der Luftstrom bringt dann das Lüfterrad und damit die Motorwelle passiv zur Rotation, das etwas befeuchtete Schleifpapier mit dem kleinen Finger leicht auf den Kollektor gedrückt - und schon nach kurzer Zeit strahlt er wie ein Baby-Popo.
Alles wieder sorgsam zusammengesetzt, Filter erneuert und eingeschaltet: Es faucht angemessen, aber es heult nicht mehr. Ich hoffe, damit sind ihm und uns noch ein paar familiäre Nutzungsjahre beschert ;-)

Da wären noch ein paar nette Reparatur-Projekte zu schildern - etwa unsere Kaffeemaschine, der erst auf einer Flugreise der Tassen-Balkon abgebrochen war und die dann später zu ersticken drohte, unser Toaster, der u.a. mal brennend aus dem Fenster gesegelt war, aber wieder hereingebeten wurde, eine kreuzlahme Sofa-Landschaft, deren brüchige Spanplatten-Statik durch eine veritable Fichten-Plombe geheilt wurde und ein Familien-Auto, dessen eine hintere Türe für mehrere Monate versperrt blieb. Und solange die Türe geschlossen ist, ist nun mal die Türverkleidung nicht zu lösen und wird das Schloss nicht zugänglich...

Bei Gelegenheit zu alldem mehr; wie gesagt: Rettet die Hardware! Meist kann man noch was tun und das macht dann sogar Spaß wie Kreuzworträtsel- oder Puzzle-Lösen... Und wenn's dann am Ende wieder richtig brummt...

Noch ein kleines Nachtrags-Reparatur-Projekt vom gleichen Wochenende, als ich mit Schwiegesohn und Enkelin auf dem Radweg unterwegs war: Das Hinterrad am Kinderfahrrad hatte mehr atü verlangt, aber die Pumpe wollte/konnte nix hineinpressen. Beim Auseinanderschrauben wird das Problem gleich sichtbar - es hatten sich innendrin der Schaft der Pumpe und der Plastikkopf (mit der Druckdichtung darauf) in Unfrieden getrennt, der Kopf klemmte verkantet am unteren Ende des Rohrs und drückte dort rein garnichts mehr, außer sich selbst.


Ich bin ja eigentlich gegen die Todesstafe; nur bei Ingenieuren zwickt es mich hier und da, für eine Ausnahme zu plädieren. Hier war der Defekt programmiert; denn besagter Plastikkopf klemmte in dem (seitlich noch dazu der Länge nach geschlitzten und damit eher labilen) Schaft, war nur durch ein paar nach innen gepresste kleine Blech-Beulen befestigt. Einige Zeit kraftvolles Pumpen muss diese Verbindung früher oder später lockern. Vorsorge/Abhilfe wäre dabei recht einfach und auch billig gewesen, entweder durch eine feste Wicklung von Textilband rund um das Schaft-Ende oder - das ist hier meine Wahl - eine kleine Bohrung quer durch das Schaftende inclusive eingesetztem Plastikkopf und das Einsetzen eines Sicherungsdrahtes - hier einfach einer passend gebogenen und gekürzten Büroklammer.


Geht doch - und wird nicht einfach mitten auf einer Tour versagen. Ansonsten wäre die Pumpe auch im Müll gelandet.

Die zweite - baugleiche - Pumpe am Fahrrad meiner Einzigen und Besten habe ich nach dem precautionary principle gleich mitbehandelt. Wie sagt dieser wichtige Grundsatz doch so richtig:

Angesichts der Gefahr irreversibler Umweltschäden soll ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewißheit nicht als Entschuldigung dafür dienen, Maßnahmen hinauszuzögern, die in sich selbst gerechtfertigt sind. Bei Maßnahmen, die sich auf komplexe Systeme beziehen, die noch nicht voll verstanden worden sind und bei denen die Folgewirkungen von Störungen noch nicht vorausgesagt werden können, könnte der Vorsorgeansatz als Ausgangsbasis dienen.




Dienstag, 21. Mai 2019

Burscheid: Spange statt Skywalk und Rampe


Überblick
1.  Innenstadtpark West aka bisheriger „Alter Friedhof“
2.  Plattform plus Rampe vom Radweg zur Hauptstraßenbrücke
3.  Kontrapunkt
4.  Nachtrag zur Historie; Resümee von Planungszielen und Planungsergebnissen nach Stand 13.5.2019
Am 13. Mai 2019 informiert die Burscheider Verwaltung interessierte Bürger über die derzeitigen Ergebnisse des laufenden städtebaulichen Konzepts für Burscheid – des so genannten Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzept, kurz „IEHK/Burscheid 2025“ – und gibt Gelegenheit zu Fragen und Anmerkungen zu den Modulen „Innenstadtpark West“, „Plattform & Rampe vom Radweg zur Hauptstraßenbrücke“ und „Gartenweg“. Im Internetangebot der Stadt ist die Präsentation der Ergebniszusammenfassung abrufbar = http://www.burscheid.de/fileadmin/user_upload/redakteure/Bauen_und_Wohnen/IEHK/Praesentation_Buergerinformationsveranstaltung_2019_05_13.pdf. Beim download je nach Bandbreite bitte etwas Geduld mitbringen: Die pdf ist ein ziemliches Geschoss und kommt mit ca. 50 Megabyte nicht so ganz barrierefrei durchs Rohr. 
Zum Ablauf:
Der Bürgermeister lobt eingangs die Zahl der im Rathaus bereit gestellten Stühle: Man hätte die Nachfrage ja praktisch auf den Punkt getroffen. Dann preist er das als Testat der Landesregierung materialisierte „Glück der Tüchtigen“: In Aussicht gestellte Fördermittel i.H.v. 70% der veranschlagten Gesamtsumme von ca. 17 Mio. €. Darüber könne sich ein Verwaltungschef bestenfalls einmal im Leben freuen; nochmals werde ihm so etwas sicherlich nicht gelingen. Das befasste Planungsbüro ASS (http://www.archstadt.de/) trägt im Folgenden vor:

1.  Innenstadtpark West aka bisheriger „Alter Friedhof“
Bei den planerisch zu kurierenden derzeitigen Schwachpunkten des Parks hebt die Präsentation des Architektenbüros gleich als Erstes eine fehlende Anbindung an den Radweg hervor. Eine Bürger-Nachfrage unter Hinweis auf den bereits existenten Ein- und Ausstieg in Höhe des Kinderheims und auf die vergleichsweise kurze und flache Zuwegung zum Park über das Endstück der Bismarck-Straße wird dann aber zurückgestellt: Besser könne man dies später zusammen mit der Rampe zur Hauptstraße abhandeln. Tatsächlich kommt man später nicht wieder darauf zu sprechen – der Weg über eine neue Rampe und dann den Gartenweg wäre aber auch umständlicher, weiter und weniger barrierefrei als der Weg längs des Kinderheims, wäre dann auch für Kinderwagen und Rollatoren nicht die allerbeste Wahl.
Zur Idee, um die alte Boule-Bahn einen Duft- und Sinnesgarten für mehrere Generationen, gleichzeitig einen außerschulischen Lernort zu gestalten: Dort soll eine attraktive Terrasse angelegt werden. Eine Bürgerin weist auf die angrenzende, stark befahrene Durchgangsstraße hin; das wäre für Kinder und Düfte/Sinne wohl weniger geeignet: Die Planerin würde, wie sie sagt, den „Alten Friedhof“ ja gerne an eine weniger belastete Stelle verlegen; ganz offensichtlich sei dies aber nicht möglich. Auch abgrenzende Maßnahmen gegen Immissionen seien nur eingeschränkt realisierbar. Auf weitere Nachfrage: Konkrete Interessen und Ansätze zur Nutzung eines außerschulischen Lernortes sind noch nicht bekannt. Eine Bürgerin erinnert daran: Neben dem etwas entfernten und bereits recht abgewetzten Spielplatz im Luchtenberg-Park gebe es deutliche Nachfrage nach Kinder-Spielmöglichkeiten im Innenstadtbereich. Die Planerin erläutert, es seien keine Spielgeräte geplant; nach ihrer Erfahrung bevorzugten Kinder aber ohnehin Gestaltungen ohne eine im Voraus organisierte Funktionalität für Kleinkinder. Eine Anwohnerin weist auf Erfahrungen mit Ballspielen hin – es komme immer wieder zu brenzligen Situationen, wenn Bälle auf die Durchgangsstraße rollten; die Planerin will dies bei der Planung von Büschen berücksichtigen. Angesprochen wird ferner die Lage der neuen Terrasse: In unmittelbarer Nähe zur umliegenden Wohnbebauung würde die zu unzumutbarer Belästigung führen, wenn dort des Abends und in der Nacht „Party gemacht“ würde. Ein Bürger schlägt Verlegung der Terrasse auf den Hang zwischen Gartenweg und Radweg vor; dies wird nicht weiter kommentiert. Auf Nachfrage nach der nachhaltigen Pflege der geplanten anspruchsvollen Gartenanlage: Der Bürgermeister sieht einen per Saldo durch das IEHK gesteigerten Bedarf an Bodenpflege; dies wäre aber auch der Anspruch der Kommune und er werde dies mit den THW besprechen. Ergänzend wird nachgefragt nach der (im Vorfeld zugesagten) Integration einer Stahlplatte mit Blattwerk – dies ist der Planerin nicht bekannt und wird geprüft – und nach etwa zu integrierenden Angeboten für outdoor-Sport. Weiter: Der Baumbestand soll bis auf zwei Akazien an der neu anzulegenden Terrasse erhalten bleiben.
Am Ende der Präsentation bleiben die Gestaltung und Lage von Terrasse und Sinnesgarten etwas in der Schwebe; ebenso wenig klar wird, welche signifikante Schnittmenge es zwischen den jeweilige Nutzern von Park und Radweg geben kann und wird.

2.  Plattform plus Rampe vom Radweg zur Hauptstraßenbrücke
Die Planerin weist auf den zunehmenden Radverkehr hin, auch und insbesondere mit E-Bikes. Es gelte auf die Angebote der Innenstadt aufmerksam zu machen; bisher laufe zu viel touristischer Verkehr an Burscheid vorbei bzw. unter der Burscheider Innenstadt hindurch. Es gebe derzeit keine direkte Anbindung an die Innenstadt. Schaffe man diese, so könnten in der Innenstadt „Brause & Bier“ besser abgesetzt werden.
Als Lösung der Problemlage wird eine Rampe angeboten, die auf dem Radweg unter der Brücke der Umgehungsstraße (= Höhe des o.g. „Alten Friedhofs“) ansetzt und Radfahrer/Fußgänger etc. parallel zum Radweg auf das Niveau der Hauptstraße hochführt. Die Rampe wird nicht freitragend ausgeführt, sondern wird in den vorhandenen schrägen Hang geschnitten und mit feinkörnigem (Flüster-) Asphalt belegt; als Absturzsicherung ist ein Gittergeländer vorgesehen. Die örtlichen Gegebenheiten werden zu Steigung/Gefälle von max. 7,9 % führen (Anm.: barrierefrei sind Neigungen bis max. 6 %); die Breite soll 2,5 m betragen.
An der Hauptstraßenbrücke solle neben dem Ansatzpunkt der Rampe ein ca. 100 qm großes Podest entstehen, das von der Seite auf Stelzen halb über den Radweg hinausragen werde. Wie ein von hochrangigen touristischen Zielen bekannter Skywalk (siehe z.B. am Grand Canyon oder am Dachstein) solle das Podest „die Innenstadt in Szene setzen“ und zusätzliche Radler von der Balkantrasse "anlocken“. Ausdrücklich: Burscheid könne sich mit einem solchen Angebot „aus dem städtebaulichen Einerlei herausheben“ und man könne „Vielfalt in die Innenstadt bringen“. Der Bürgermeister sekundiert mit der Bemerkung: Alles das mache man schließlich „nicht aus Spaß“, ohne solche Maßnahmen drohe „die Innenstadt zu kippen“. Gäbe es keine Kaufangebote für den täglichen Bedarf mehr, dann wäre „die Innenstadt tot“; gerade dem könne und wolle man ja mit dem IEHK entgegenwirken. Hingewiesen wird in Kontext mit der Rampe auch auf die neue Gestaltung eines „Hauses der Kulturen“ und die geplanten neuen Kaufangebote in der Nähe des Jugendzentrums. Zudem zitiert die Planerin positive Erfahrungen aus einer nach ihrer Meinung vergleichbaren Situation: In einer anderen Stadt habe ein an einer Burg zusätzlich realisierter Aufzug neuen Verkehr in eine früher touristisch eher abgeschiedene Innenstadt tragen können (Anm.: der konkrete Ort wurde mir nicht klar).
Das Podest solle neue Aufenthaltsmöglichkeiten in der Innenstadt schaffen, ggf. auch für ein hochwertiges Angebot der Außengastronomie. Die Seiten der Plattform sollen transparent sein und des Nachts gut sichtbar illuminiert; auf Nachfrage: eine solargestützte Beleuchtung wird geprüft. Eine kurzfristig realisierbare Außengastronomie ist allerdings noch nicht in Sicht. Der Bürgermeister schätzt dies zurückhaltend ein; zunächst seien auf dem Podest allenfalls Bänke und ggf. Sonnenschirme zu erwarten.
Aus der Erörterung mit den Bürger/inne/n:
Ein Bürger greift die Annahme der Planerin auf, es gebe „keinen direkten Zugang vom Radweg zur Innenstadt“: Tatsächlich führe jenseits der Hauptstraßenbrücke in recht genau gleicher Entfernung wie zum Beginn der geplanten Rampe bereits jetzt eine Ableitung des Radwegs zur Innenstadt, und zwar mit dem Vorteil gegenüber der Rampe, höhengleich und damit barrierefrei zu sein. Darüber wären die bereits genannten Ziele „Haus der Kulturen“ und die geplanten Angebote in der Nähe des Jugendzentrums sogar besser erschließbar (Anm.: zugegebenermaßen gäbe es dort aber keinen Ansatz zur Konstruktion eines „Skywalk“). Eine weitere höhengleiche Ableitung gebe es schon an der Dammstraße. Der entscheidende Mehrwert einer aufwändigen Rampe an der vorgeschlagenen Stelle sei daher bisher nicht schlüssig dargetan. Ein weiterer Bürger knüpft daran an und schlägt vor, einen attraktiven innerstädtischen Radweg als alternativ anzubietende Spange durch die Innenstadt zu planen. Dies vermeide den für die Radfahrer sinnwidrigen Eindruck eines bloßen Stichs oder einer Sackgasse und könne nicht nur punktuelle Wirkung entfalten, sondern würde Angebote entlang des ganzen Weges eröffnen. Ein dritter Bürger mahnt dazu, bei den Planungen auch den Nutzen für die untere Hauptstraße im Blick zu behalten; dort bestehe der objektiv größere Nachholbedarf und die größere Gefahr des Kippens; die Erwartung von Radtouristen würden zudem in der Nähe der Kirche – wo man gemeinhin das Zentrum vermutet - am ehesten enttäuscht.

Ein Bürger fragt, ob man nicht auf der anderen Seite der Hauptstraßenbrücke noch eine weitere Plattform anbringen könnte, und damit nicht noch mehr Vielfalt erzeugen würde. Die Planerin setzt kurz zu einer Erklärung an, bemerkt dann aber - wohl nicht zu Unrecht - dass dieser Einwurf eher sarkastisch gemeint sein dürfte, und bricht die weitere Erörterung dazu ab.
Zur Plattform nachgefragt wird auch bzgl. eines etwaigen Vermüllens der Innenstadt. Dazu erklärt die Planerin, „nicht für alles sorgen“ zu können; eine Teilnehmerin schätzt das Problem auch eher gering ein – bei einer gastronomischen Nutzung des Podests würde sich doch der betreffende Gastwirt darum kümmern (Anm.: ein gastronomisches Angebot ist, wenn überhaupt, dann erst mittelfristig realistisch, s.o.). Es gibt bei den Planern ferner keine Besorgnis wg. fehlender Toiletten – nach der mitgeteilten persönlichen Erfahrung des Bürgermeisters wird man mit diesem Begehr an der Burscheider Hauptstraße auch nirgends abgewiesen ;-)

3.  Kontrapunkt
Einen interessanten Kontrapunkt setzt ein Teilnehmer, der offenbar mit der Planerin fühlt und ob der Debatte ein wenig mit ihr leidet: Er könne „nicht fassen“, dass die Bürgerinnen und Bürger in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Planung noch Einzelheiten hinterfrügen; dies sei doch eine (wörtlich) „Unverschämtheit“. Tatsächlich sei hier und jetzt doch einfach mal „Vertrauen in die Fachleute“ angebracht... Offenbar erwartet dieser Bürger - anders als die Mehrzahl der Anwesenden - von der Informationsveranstaltung weniger Bürger-Dialog und mehr Frontalunterricht durch Kommune und Planungsbüro.
Prompt fühlt sich der Autor dieses Post ein wenig an den unmittelbar vorangegangenen Tag erinnert. Das war der 12. Mai 2019, Tag des Burscheider Bürger- und Umweltfestes. Ich hatte einen Mitarbeiter der Stadt auf die bevorstehende Informationsveranstaltung zum IEHK und speziell auf die Planung für Rampe & Podest angesprochen, wie sie nach einer Präsentation im Stadtrat einige Wochen vorher ausführlich in der Presse behandelt worden war. Ich hatte mich auch danach erkundigt: Könnte das in den Berichten angekündigte zusätzliche Angebot von Außengastronomie nicht unsere bereits etablierten Angebote berühren oder gar gefährden? Jener Mitarbeiter aus dem gehobenen kommunalen Management hatte mir daraufhin mit Leichenbittermiene bedeutet: Das fände er (wörtlich) doof, dass Leute, die sich nicht konkret mit den Planungsgrundlagen befasst hätten, über Details des IEHK reden würden. Eine ältere Dame, die die gleichen Fragen hat, nimmt er galant ausdrücklich vom "doof" aus. Und überhaupt sähe er konkurrierende gastronomische Angebote doch als sehr hilfreich an! Zu Letzterem: Konkurrenz kann ein Geschäft beleben, wenn die Zahl der Nachfrager offen ist oder zumindest ein gutes Stück auszuweiten ist. In anderen Fällen – so auch manche Burscheider Erfahrung – kann der Wettlauf um Kundschaft sehr schnell ruinöse Züge annehmen - und alle verlieren, die Anbieter ebenso wie die Kundschaft. Meine Meinung.
Also zusammengefasst: Ich bin wohl ein wenig doof und auch unverschämt, wenn ich den hohen Sinn von Rampe und Podest noch immer nicht einsehen will. Oder es trifft auf mich jene Zurechtweisung zu, die man gemeinhin einem beispielgebenden Technokraten, nämlich dem Großen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm von Brandenburg zuschreibt:
"Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen".
Tatsächlich stammt dieses Zitat allerdings gar nicht von Friedrich Wilhelm; es ist vielmehr die etwas verkürzte bzw. verballhornte Version einer ernsten Abmahnung des preußischen Innenministers und Staatsministers Gustav von Rochow gegenüber ein paar in einer Verfassungsfrage widerspenstigen Professoren. In der hier sogar noch besser fluchtenden Vollform lautete sein Rat zur gehörigen Etikette:
"Es ziemt dem Untertanen, seinem Könige und Landesherrn schuldigen Gehorsam zu leisten und sich bei Befolgung der an ihn ergehenden Befehle mit der Verantwortlichkeit zu beruhigen, welche die von Gott eingesetzte Obrigkeit dafür übernimmt; aber es ziemt ihm nicht, die Handlungen des Staatsoberhauptes an den Maßstab seiner beschränkten Einsicht anzulegen und sich in dünkelhaftem Übermute ein öffentliches Urteil über die Rechtmäßigkeit derselben anzumaßen."

4.  Nachtrag zur Historie; Resümee von Planungszielen und Planungsergebnissen nach Stand 13.5.2019
Sind Rampe und Skywalk in der Informationsveranstaltung bzw. bei der Präsentation im Rat quasi aus dem Hut gezaubert worden? Das dachte ich zunächst, es meinten auch viele andere, mit denen ich gesprochen hatte – aber es ist dennoch nicht so gelaufen: Tatsächlich beschreibt das IEHK-Konzept aus dem Jahr 2016 dieses Modul bereits weitestgehend (die angestrebte Steigung von ca. 6% ließ sich wohl am Ende nicht realisieren), und auch die Begründung hat sich seit 2016 offenbar nur minimal weiter entwickelt. Ich zitiere von S. 149 des Konzepts mit Stand Dezember 2016, abrufbar unter http://www.burscheid.de/fileadmin/user_upload/redakteure/Bauen_und_Wohnen/IEHK/IEHK_2025_Konzept.pdf (Obacht, wieder ist etwas Geduld erforderlich: diese pdf ist ca. 45 Megabyte schwer und braucht z.B. in Kuckenberg etwa 5 Minuten durchs Rohr):
ANBINDUNG DES PANORAMA-RADWEGS AN DIE INNENSTADT
Zurzeit wird die Burscheider Innenstadt vom Panorama-Radweg „Balkantrasse” lediglich „unterfahren“. Es gibt nur wenige Hinweise für die vorbeikommenden RadfahrerInnen, dass sich das Burscheider Zentrum in unmittelbarer Nähe befindet. Geschweige denn, dass die RadfahrerInnen für eine Rast oder einen Aufenthalt in die Stadt gelockt werden. Der Panorama-Radweg erfreut sich einer immer größer werdenden Beliebtheit. Immer mehr Radwege werden zu einem attraktiven Verbund zusammen geführt, der von immer mehr RadfahrerInnen genutzt wird. Hierin verbirgt sich ein großes Potenzial zur Stärkung und Belebung der Innenstadt. Dazu ist die Schaffung von mehreren guten und einer sehr guten, direkten Anbindung des Panorama-Radwegs „Balkantrasse” an die Innenstadt zwingend notwendig. Östlich der Innenstadt ist die niveaugleiche Anbindung an die Dammstraße zu optimieren. Westlich des Zentrums sind verschiedene niveaugleiche Anbindungen vom Radweg an die Montanusstraße zum Teil vorhanden und zum Teil noch zu errichten. Insbesondere im Westen der Montanusstraße muss im Zusammenhang mit der Entwicklung des Einzelhandelsvorhabens eine neue, gut ausgeschilderte Anbindung geschaffen werden. Keine dieser Anbindungen bringt den die RadfahrerIn aber direkt ins Zentrum. Aufgrund der topographischen und räumlichen Verhältnisse bietet sich an, eine 2,50 m breite Radwegerampe mit einer Steigung von rd. 6,0 % in der Böschung parallel zum Gartenweg zu errichten, die auf die Hauptstraße und somit direkt im Zentrum der Stadt mündet. Diese Anschlussstelle wird durch eine über der „Balkantrasse” freikragende, rd. 100 m2 große Plattform weit sichtbar betont. Sie kann auch für außengastronomische Zwecke genutzt werden. Eine kleine, rd. 30 m2 große Plattform östlich der Brücke an der Hauptstraße ergänzt das Angebot um einen zusätzlichen Begegnungs- und Aufenthaltsraum an der mittleren Hauptstraße. Die Inszenierung dieser Plattformen wird entscheidend dazu beitragen, die Stadt Burscheid für RadfahrerInnen ins rechte „Rampenlicht“ zu rücken.
Sind uns Bürgern darum nun Fragen zu diesem Modul verwehrt, sind sie sozusagen „verjährt“? Ich meine: Nein. Eine unschlüssige Planung kann nicht durch reinen Zeitablauf schlüssig werden. Oder aber: Unsinn und Mord haben eines gemeinsam – sie verfristen nicht. Rampe und Podest sind auch kein Element, mit dem das IEHK stehen oder fallen würde; sie haben bestenfalls eine ausschmückende Funktion und könnten ohne Weiteres durch eine funktionalere und dabei kostengünstigere Alternative – etwa die vorgeschlagene Spange – ersetzt werden. Zumindest kann dies vor dem ersten Spatenstich vom Planungsbüro geprüft und bewertet werden.

Resümee der Planungsziele und -ergebnisse zu Rampe/Podest
-        Schaffen einer „sehr guten, direkten Anbindung der Innenstadt an den Radweg“ (IEHK-Konzept 2016 S. 149; ähnlich Folie 18 d. Präsentation v. 13.5.201)
Entgegen der ursprünglichen Konzeption wird die Rampe nicht mit einer barrierefreien Steigung realisiert. Damit würde sie kein realistischer Zugang für den ganz wesentlichen Teil der Nutzer der Balkantrasse; die Nutzung etwa für Kinderwagen, Rollstühle & Rollatoren, konventionelle Fahrräder und selbst Rennräder ist unwahrscheinlich. Als „sehr gute Anbindung“ ist dies damit keinesfalls zu qualifizieren. Insbesondere ist ein Delta gegenüber einer etwaigen Aufwertung der innenstadtbezogenen, bereits existenten höhengleichen und damit barrierefreien Aus- und Einstiege nicht schlüssig.

Wenn man auf einen Reusen-artigen Effekt zum Abfischen der bergwärts stürmenden Radfahrer baut - dies könnte, wenn, dann überhaupt auf die 50% der eben in diese Richtung strebenden Pedalophilen wirken; für den etwa hälftigen Verkehr aus der Wermelskirchener Richtung sind die höhengleichen Ausstiege zur Montanusstraße die offensichtlich bessere und eingängigere Wahl. Schließlich: Die Gestaltung der Plattform ist an dieser Stelle eine ernsthafte architektonische Herausforderung. Bahntrasse und Hauprstraße kreuzen sich nicht rechtwinklig, sondern in Winkeln von ca. 60 bzw. 120 Grad. Wie immer man es anstellt, wird die Plattform notwendig schräg aussehen - und die Perspektive von der Bahntrasse aus dürfte mit den zusätzlich schief gelegten Pylonen, die das Gewicht der Plattform nach unten ableiten, nochmals schräger sein und den eigentlichen Charakter einer Brücke völlig verzerren - wenig einladend. Allerdings mag für die Planer hier die bauliche Ästhetik auch nicht im Vordergrund stehen.
-        Realisierung eines „großen Potenzials zur Stärkung und Belebung der Innenstadt“ (IEHK-Konzept 2016 S. 149)
Dahinter steht eine von Anfang an nicht empirisch unterlegte Überschätzung des Konsum-Potenzials der Radfahrer, die etwa von der Balkantrasse abzuleiten oder "anzulocken" wären. Fahrräder sind typischerweise keine bulk-carrier bzw. auf Transport von Lasten ausgelegt. Es ist nicht schlüssig dargetan, auf welche Dienstleistungen und Warengruppen sich ein etwa erhöhter Durchsatz Umsatz-steigernd auswirken könnte. Was an der Hauptstraße angeboten wird, das findet man höchst selten auf dem Gepäckträger eines Fahrrads oder wird von Fahrrad-Touristen gesucht: Uhren etwa, Handys, Waschmachinen, Bücher oder Haarschnitte. Auch sind Angebot und Nachfrage im Wortsinn antizyklisch: Radverkehr boomt an sonnigen Wochenenden - dann sind die Ladentüren schlicht zu. Am realistischsten bleibt etwas touristischer Konsum (Bier, Limo, Kaffee & Co., kleine Gerichte), wie auch am 13.5.2019 herausgehoben. Selbst beim touristischen Konsum ist aber nicht annehmlich gemacht, wie dies durch die Rampe signifikant ausgeweitet werden könnte. Wenn, dann sind am ehesten Verdrängungseffekte zulasten bereits etablierter Angebote zu erwarten (etwa „Alter Bahnhof“). Vorhandene Unternehmungen in Frage zu stellen, das ist aber kein vernünftiges Ziel nachhaltiger Stadtplanung.
-        „Niveaugleiche Anbindung der Rampe an Plattform und Brücke“ (Folie 18 d. Präsentation v. 13.5.2019)
Dies ist kein Vorteil der Rampe, sondern stellt lediglich fest, dass Rampe und Plattform als Ensemble geplant werden. Die Anbindung an die Brücke ist die natürliche und zu erwartende Eigenschaft der geplanten Rampe.
Möglicherweise sind die beiden Elemente in der Genese auch umgekehrt verknüpft: Den Planern mag eingangs vorgeschwebt haben, mit dem Podest einen Skywalk-ähnlichen, besonderen Akzent zu setzen – die Planerin drückte es am 13.5.2019 so aus: „Burscheid inszenieren / aus dem städtebaulichen Einerlei herausheben“. Ein solches Podest hat, wenn überhaupt, dann einen möglichen Platz nur an der Hauptstraßenbrücke (blendet man hier einmal die noch höhere, aber vom Zentrum weiter entfernte Griesbergerstraßen-Brücke aus). Vom Podest her gedacht könnte dann die Rampe zur Balkantrasse zusätzlichen Nutzen stiften - sie wird damit ergänzende bzw. dienende Begründung des Podestes. Die Rampe macht dann aber gleichzeitig umso weniger Sinn, je weniger Funktion das Podest entfaltet.
-        „Rampe wird durch Bodenauftrag erstellt, kaum Bodenabtrag“ (Folie 18 d. Präsentation v. 13.5.2019)
Kein Vorteil, dies verspricht bestenfalls die Abwesenheit von Nachteilen; es ist ein vorsorglich defensives Argument.
-        „Erhalt der Baumkulisse an der Böschungsoberkante zum Gartenweg“ (Folie 18 d. Präsentation v. 13.5.2019)
Wie vor.
-        „Mehr Aufenthaltsqualität an der Hauptstraße“ (Folie 18 d. Präsentation v. 13.5.2019)
Das Podest könnte im Zusammenhang mit einer konkreten Nutzung – im Gespräch war zu Zeiten eine höherwertige Außengastronomie – tatsächlich mehr Aufenthaltsqualität stiften. Allerdings gibt es dafür auch drei Jahre nach Erstellung des Konzepts keinerlei konkrete Perspektive. Auf der Informationsveranstaltung v. 13.5.2019 erwartete selbst der Bürgermeister hier keine kurzfristige Lösung.
Selbst die vom Bürgermeister nun zurückhaltend skizzierte Einfach-Lösung bis auf Weiteres („Bänke, Sonneschirme“) dürfte wegen der allseits luftumströmten Lage des „Podests“ wenig nachgefragte Qualität schaffen: Die teils Windkanal-artigen Schneisen von Hauptstraße und Bahn-Einschnitt mögen zwar einen bevorzugten Standort für eine Windkraftanlage formen, weniger aber für Sonnenschirme. Ungesagt bleibt auch, wer für solche Sonnenschirme Verantwortung übernehmen wollte.
-        „Wegweiser zur Burscheider Innenstadt“ (Folie 18 d. Präsentation v. 13.5.2019)
Ohne einen direkt sichtbaren Nutzen (siehe oben) wird das Podest den Weg auf die Rampe kaum attraktiv gestalten können. Auch liegt der Einstiegspunkt der Rampe recht weit entfernt von der Brücke und an einer hier zudem gekrümmten Trasse; daher wird der Impuls für ein spontanes Abbiegen auf die Rampe in vielen Fällen schlicht zu spät kommen. Daran wird auch eine etwaige Illumination des Podestes wenig ändern – zumal sie bei Tag nicht wirkt und bei einsetzender Dunkelheit der Verkehr auf der ihrerseits bisher unbeleuchteten Balkantrasse stark abfällt.
-        „Angebot für Außengastronomie“ (Folie 18 d. Präsentation v. 13.5.2019)
Siehe oben: Bis auf Weiteres ist selbst nach Einschätzung des Bürgermeisters keine gastronomische Nutzung in Sicht. Nach der ernüchternden Erfahrung mit den Plänen zur Belebung unseres Marktplatzes (!) wäre es sehr riskant, für das erst noch zu erstellende Podest auf eine auch nur mittelfristige Lösung bzw. Nutzung zu bauen. Wahrscheinlicher ist, dass Infrastruktur an diesem Ort an einem tatsächlichen Bedarf vorbei geplant wäre, dass jedenfalls der erzielbare Effekt außer Verhältnis zu den einzusetzenden Mitteln bliebe. Der einzige nachhaltige und bilanzierbare Nutzen könnte in der Projektierung und Erstellung selbst liegen.

Information zu den projektierten Kosten (Folie 27 d. Präsentation v. 13.5.2019)
Kosten einschl. Baunebenkosten und MwSt.
Rampe inkl. Stützmauer, Geländer: 214.000,00 €
Plattform: 296.000,00 €
Illuminierung der Brüstungselemente der Plattform: 24.000,00 €
Gesamtkosten: 534.000,00 €
Finanzierung über Städtebaufördermittel im Rahmen der KSG-Maßnahme „Burscheid Innenstadt“
Zuwendungsfähige Kosten, Städtebauförderung: 534.000,00 €
Zuwendung (70%): 373.800,00 €
Eigenanteil Stadt Burscheid (30%): 160.200,00 €

Unter dem Strich:
Die Begründung für das Planungsmodul „Rampe/Podest an der Hauptstraßenbrücke“ ist bereits im IEHK-Konzept nach Stand 2016 zweifelhaft gewesen. Insbesondere nach den Planungsergebnissen, wie sie auf der Informationsveranstaltung vom 13.5.2019 dargestellt wurden, erscheint dieses Modul nach finanziellem Aufwand und erzielbaren Wirkungen fragwürdig. Es sollte durch funktionalere und dabei kostengünstigere Planungsalternativen ersetzt werden. Ansonsten dürften hier kommunale Mittel und ebenfalls steuerbasierte (!) Landesmittel verschleudert werden.

Die örtlichen Zeitungen haben am 15.5. über die Informationsveranstaltung zum IEHK berichtet. Am 16.5. und am 21.5.2019 haben sie dann diese beiden Leserbriefe abgedruckt:

Bergischer Volksbote v. 16.5.2019
Mit Licht fängt man Motten – Mäuse aber aller Erfahrung nach mit Speck. Ein schlüssiger Nutzen der geplanten Rampe und insbesondere des illuminierten Skywalk ist aber noch gar nicht dargetan – hier war selbst der Verwaltungschef verblüffend verzagt. Die Rampe wird mit ca. 8% Steigung und Gefälle auch nicht so direkt barrierefrei und die Plattform wird eher für Windkraft optimiert sein als für Sonnenschirme. Welchen Konsum wir damit bei Radlern zusätzlich triggern könnten – und bei welchen Waren und Dienstleistungen – das ist weder seriös prognostiziert noch auch nur annehmbar. Rampe plus Skywalk könnten ähnliche Wahrzeichen frustrierter Planungsziele werden wie unsere tristen Blechbäume am Markt: Sie nutzen nicht, sie trösten nicht, aber stehen bleiben sie doch.
Unser städtebauliches Konzept kommt besser ohne Rampe und Plattform aus, und dabei ganz ohne die vom Bürgermeister raunend und dräuend beschworene Lebensgefahr für die Innenstadt. Das Geld wäre besser und konsequenter investiert, würden wir die Balkantrasse im Kernbereich der Stadt beleuchten, etwa zwischen Hallenbad und altem Bahnhof. Dazu würde ich sogar eine Lampe spenden. Versprochen.
Kölner Stadt-Anzeiger v. 21.5.2019
Manche stilisieren unsere Balkantrasse gerne hoch zu einer Art Lebensader der Burscheider Wirtschaft und Kultur. Das kann sie beim besten Willen nicht leisten. Klug geplant könnte sie allerdings dazu beitragen; dann nämlich, wenn wir unseren Fuß- und Radweg mit Augenmaß einbinden, und nicht mit planerischem Aplomb durch Rampe und einen illuminierten Skywalk.
Dazu scheint mir die Anregung eines Burscheider Bürgers bei der Anhörung am 13. Mai höchst bedenkenswert: Keinen steilen und Sackgassen-artigen Stich auf eine Rampe legen – sondern über eine attraktive Spange quer durch die Innenstadt neuen Durchfluss eröffnen. Das würde die existenten höhengleichen Aus- und Einstiege intelligent und barrierefrei aufgreifen und könnte viele gute Angebote greifbar machen, würde vielleicht sogar unseren trostlos-tristen Markt wachküssen.

Und zum Schluss noch weiterführende Informationen = Post u.a. zu einer Verlautbarung der Interessenvertretung des Burscheider Handels und zu einer sehr überzeugenden Stellungnahme organisierter Radfahrer zum Thema Rampe & Skywalk:

http://uliswahlblog.blogspot.com/2019/06/radeln-anstreichen-und-verkaufen.html