Mittwoch, 5. November 2025

Vierter November – der Rat bezieht sein neues Wohnzimmer

Vierter November – der Rat bezieht sein neues Wohnzimmer

Neu ist es nicht ganz, das Wohnzimmer, es ist ja das frühere Burscheider „Haus der Kunst“. Während der Bauphase heiß es noch „Haus der Kultur(en)“ und nun kraft Ratsbeschluss etwas singulärer: „KulturForumBurscheid“. Aber dieses neue Wohnzimmer ist gründlich durchrenoviert und auch ein Stück weit aufgebohrt. Oder getunt. Sportliche Anerkennung: Das alles ist zu 100% extern finanziert! Anm.: Es hätte bei den notorisch klammen Säckeln unserer Kommunen – ja, auch wieder der Burscheider Stadtkasse - ansonsten kaum ohne schmerzliche Opfer geklappt. Zum Einwerben der Mittel, bei denen in der Bauphase auch noch deutlich nachgelegt werden musste, da hat stark beigetragen: Hier soll nun eine inter-kulturelle und inter-kommunale Begegnungsstätte entstehen. Ob das so klappen wird – warten wir’s ab, die Markt-Bedingungen für ein solches doch recht voluminöses Gehäuse sind sehr herausfordernd und man muss hier noch viel Glück wünschen, siehe auch einen Leserbrief hier ganz am Ende.

Diverses hat sich auch noch während des Baus verändert. Zunächst die Farbe: Der Planer wollte die Außenhaut anfangs mit bestem Corten-Stahl wappnen; der bildet ja unter der hippen rostroten Oberschicht einen besonders stabilen Schutz aus fest haftenden Sulfaten und Phosphaten. Nun ist Corten doch recht teuer und um das knapper werdende Geld zu sparen, schlug er später vor, den gleichen Eindruck durch einen rostroten Anstrich zu schaffen. Er rief dann aber bald nochmals an: Die Baum-Allee auf der Parkseite könnte ja im Laufe der Zeit vielleicht unschöne Bewitterungs-Spuren hinterlassen. Man solle das Ganze doch pflegeleicht in Anthrazit tauchen (Anm.: Das Haus der Kunst war am gleichen Ort jahrzehntelang weiß). Aber gesagt, getan, siehe auch in diesem Blogpost: https://uliswahlblog.blogspot.com/2024/10/die-farbe-der-kunst.html. Und als man schon mal dran war, da hat man gleich auch die nicht baumbestandenen Seiten mit-geschwärzt, einschließlich der Lichtschächte für die Musik- und Orchesterschule im Untergeschoss. Die ohnehin durch die gewachsene bel étage nun noch weiter überbaut und abgeschattet ist. Nur für den imposanten Eingangstrichter, da hat man in einem intervallum lucidum noch ein paar Eimer Weiß eingekauft. Danke dafür! 

Die Breit-Seite im Wandel der Planungs-Zeiten:

 

 

Und noch ein leider nicht realisiertes hübsches Plus für den Antrag, das sicher den Förderern das Herz im Leibe hatte lachen lassen: Die Kulturstätte sollte sich eigentlich großzügig und mit attraktivem Zusatznutzen seitlich zum Park öffnen, mit einer dort auf gleichem Nineau anschließenden kleinen Arena bzw. einem Forum im Wortsinn, also einer Art von interaktivem Kultur-Marktplatz. Man sieht diese weitere Dimension oben im Vordergrund, aber auch auf der Darstellung eines Förderers, dort ebenfalls noch im ursprünglichen Indian-Summer-Farbschema. Diese sehr beflügelnde Idee ist aber am Ende ebenfalls flachgefallen. Wohl dito aus Kostengründen oder weil sie bei der typisch bergisch abfallenden Topographie unseres Luchtenberg-Parks von Anfang an extrem unrealistisch war. Eine hübsche Arabeske halt, mehr nicht. Auf dem Papier sah es halt bestechend aus. Übrig blieb eine kleine Treppe hinunter auf das Park-Niveau, natürlich nun auch im belebenden Anthrazit, s.o.   

Aber nun zur Ratssitzung selbst:

Stolpersteine im Griff

Die Erwartungen waren ja durchaus gemischt und es gab ein paar Stolpersteine mit Ankündigung: (1) Gescheiterte Koalitionsverhandlungen zwischen zwei „birds of a feather“, nämlich der lokalen CDU und einer früheren Ausgründung daraus, dem Bündnis für Burscheid / BfB. Beide hatten noch vor dem Wahlgang den dann auch souverän siegreichen parteilosen Bürgermeister Dirk Runge tatkräftig und mit immer eng benachbarten Ständen unterstützt, hatten sich auch gegenseitig diese hübschen Helium-Ballons für die Kleinen befüllt.  Da passte kein Blatt zwischen. Meinte man. Nach der Wahl aber soll es Streit um Ausschuss-Besetzungen gegeben haben. Wie im wirklichen Leben. Jedenfalls bildete dann das BfB gemeinsam mit der SPD und den Grünen von allen anderen unerwartet eine eigene „Zählliste“- beim Zugriff auf Ausschussvorsitzende und deren Vertreter zählen dann die addierten Stimmen. Und damit hatte die CDU – die sich dann nolens volens in einer Zählliste mit der heute sehr kleinen FDP zusammentat – mit einem Mal die schlechteren Karten. Oder auch: Plötzlich zweiter Sieger. (2) Dann hat auch noch der extrem spontane, Guinness-rekordverdächtige Übertritt einer CDU-Direktkandidatin zum BfB – quasi in einer juristischen Sekunde zwischen Wahl und allererster Ratssitzung – die neue B-S-G-Koalition weiter verstärkt. (3) Und noch eine bisher völlig unbekannte Größe: Die neue AfD-Fraktion, die aus dem Stand und ganz ohne inhaltlich auffallenden Wahlkampf aus dem Stand 10,5% der Stimmen und fünf Mandate geholt hatte. Also: Diesem Anfang wohnte prinzipiell sehr großer Zauber inne. Übrigens gab es auch noch einen vergleichsweise großen Blut-Austausch im Rat selbst; der längstdienende Mandatsträger schied nun nach mehr als vierzig Jahren aus.

Um es kurz zu machen: Trotz aller Hypotheken ging es äußerst gesittet zu, der neue/alte Bürgermeister trat gewohnt beruhigend auf. Eingangs hatte er ein "völlig unvoreingenommenes" Herangehen versprochen und hatte als notwendige Grundlage demokratischen Zusammenlebens und -wirkens ausdrücklich um "Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Respekt" und um den Verzicht auf "Populismus, Lüge und Wahrheitsverdrehung" gebeten, kurz: um einen fairen Umgang für die anstehende gemeinsame Ratsperiode.

Die neue Gruppe aus BfB/SPD/Grünen trat wie erwartet geschlossen auf und holte in einer geheimen Wahl die Bürgermeister-Stellvertretung, dies ist nun weiterhin Fr. Ignatz/BfB. 2. Stellvertreterin wurde dann die CDU-Ratsfrau Düchting. Ebenfalls von B-S-G wurden, jeweils in streitiger Abstimmung, zwei weitere interessante Posten besetzt, die der Stadt in externen Gremien zustehen (Wupperverband, Altenberger Dom-Verein). Es fühlte sich nicht nur wie eine Zählliste an, sondern wie eine auch erkennbar wohlgestimmte und selbstbewusste Koalition. Mal sehen, was die Praxis bringt. Gegenüber der Situation vor der Wahl mag sich unter dem Strich mehr Gelegenheit für Debatten und Diskurse ergeben, gerade zum Nutzen der Bürger*innen draußen. Und vielleicht auch für frische Ansätze in der zuletzt etwas festgefahrenen Stadtentwicklung.

D'Hondt und ein wenig Aufregung: die Ausschuss-Vorsitze

Der m.E. einzige etwas spannungsgeladenen Moment am 4.11.: Die Vorsitzenden und ihre ersten und zweiten Stellvertreter in den acht Rats-Ausschüssen werden nach Höchstzahlen der Parteienblöcke (BfB/SPD/Grüne - CDU/FDP) und Parteien (AfD) vergeben. Bei den ersten sechs Abfragen alles easy - mal Zugriffsrecht für Block 1, mal für Block 2, in munterem Wechsel.

Aber bei der siebten Höchstzahl ergibt sich nach d'Hondt eine exakt übereinstimmende Zahl für CDU/FDP und AfD. Der Bürgermeister lost mit zwei Überraschungseiern aus - und für den vorletzten Vorsitz gewinnt CDU/FDP das Zugriffsrecht. Der allerletzte (8.) Vorsitz geht dann konsequet an die AfD; es ist der Vorsitz im eher unattraktiven, genau einmal tagenden und naturgemäß gar nicht gestaltungsfreudigen, eher notariellen Wahlprüfungsausschuss

In der folgenden Runde, dann für die ersten Stellvertreter, das exakt gleiche Spiel: Lostrommel für die siebte Personalie, Glück schon wieder für CDU/FDP (Pech in der Liebe?), und erneut bleibt der AfD nur der "blöde" WpA. Aber, aber, jetzt wird's unübersichtlich: Im WpA hätte die AfD ohnehin nur genau einen Sitz, und den hat sie schon bekommen (s.o.). Allgemeine Ratlosigkeit.

Es gibt dann eine kurze Auszeit und ein Arrangement, wonach die AfD wohl eine andere Stellvertretung bekommt (welche genau, das hat sich mir nicht erschlossen, steht dann sicher in der Presse). Und auf die Wahl eines zweiten Stellvertreters für den WpA-Vorsitz (ewig grüßt das Murmeltier) will man nach diesen schönen Erfahrungen - dafür soll dann auch die Wahlordung noch angepasst werden - denn dann doch lieber verzichten.

Eine Bürgerfrage

Der Alterspräsident „Aki“ Papazoglou hatte in seiner Anmoderation betont: Sogleich werde der (wieder-) gewählte Bürgermeister übernehmen – und dann könne er sicher auch Bürgerfragen zulassen. Exkurs: Tatsächlich habe ich nie so viele Bürger*innen bei einer Rats- oder Ausschusssitzung erlebt; bei der letzten unten im tristen Feuerwehrkeller waren es nach meiner Erinnerung ca. zwei gewesen. Heute mögen wir Nicht-oder-nicht-mehr-Organisierte locker zwischen dreißig und vierzig zählen. Entweder wegen des neuen Wohnzimmers, wegen der o.g. diesmal besonders starken Fluktuation oder wegen der oben angedeuteten Familiengeschichten. Nun kann ich Herrn Papazoglou ja schlecht enttäuschen und bin sowieso eher neugierig, will auch gerne das schöne neue Saalmikrofon für die Bürger*innen testen (es funktioniert sehr gut!). Und stelle eine Zwischenfrage. Das bringt Herrn Runge leicht aus dem Takt, aber er nimmt’s dann doch gelassen hin: Ich frage nach dem neuen Aufgabenkreis des – nach kürzlicher Änderung der Gemeindeordnung – nun zum "Ausschuss für Chancengerechtigkeit und Integration" aufgewerteten früheren Integrationsrat. Mit seinem nun ausdrücklichem Schwerpunkt bei dem Abbau von Benachteiligung auch bei den Menschen mit bereits langer, ggf. generationenübergreifender Wanderungsgeschichte, übrigens wörtlich auch innerhalb der Verwaltung (!). Da lohnt es sich künftig genauer hinzusehen, vielleicht auch hinzugehen.

Dann noch das Ambiente

Ja, das neue Wohnzimmer sieht deutlich hochwertiger aus, nicht mehr der arg verstaubte monochrome Charme der Achtziger Jahre wie bei dem Schmidt sein Kanzleramt. 

Und größer. Speziell der Vorraum (die "Lobby") ist riesig angewachsen - wenn auch leider auf Kosten des früheren barrierefreien Parkraums direkt vor dem Haus. 

Direkt am Eingang wirkt es auf mich dann arg befremdlich: Auf die sehr kleinen Außen-Türen, das einzige von außen erkennbare Lebenszeichen, da hat man per Foto-Folie noch das look&feel des alten Eingangs aufgeklebt. Wirkt ein wenig billig und vor allem unnötig intransparent. 

Ein Gewinn aber der seitliche Zugang Richtung Park (der stand sogar unversperrt offen). Mit dem kleinen Manko gegenüber dem recht breitbeinigen Auftritt noch in den Planungszeichnungen: Es gibt dort, wie oben beschrieben, nun leider keine Außen-Arena - bzw. kein offenes Forum. Sondern nur ein kleines schmales und natürlich schwarzes Treppchen (das "Kleine Schwarze"). 

Als Nächstes muss ich einmal die ebenfalls neu gestalteten Räumlichkeiten der Burscheider Musik- und Orchesterschule ansehen – von außen betrachtet, fehlt ihr durch die Ausdehnung der oberen Etage leider etwas Licht und Luft. Ich werde näher berichten. Von down under.

Ein Leserbrief, abgedruckt 31.10.2025

(2025/69) 23.10.2025
RGA / Bergischer Volksbote
Einweihung des Burscheider Kulturforums; Artikel von Celine Derigartz in der Lokal-Ausgabe Burscheid v. 17.10.2025, S. 23 („Cat Balou kommt zur Eröffnung des Kulturforums nach Burscheid“)

Der November wird ein funkelnder Auftakt für das KulturForum Burscheid, meine Anerkennung für die Kulturmanagerin Joanna Kischka. Zu beneiden ist sie nicht um den herausfordernden Job –diese große Infrastruktur in einem umkämpften Markt regional übergreifend zu etablieren, bei sich eher verknappenden hochwertigen künstlerischen Angeboten. Ein paar Widersprüche gilt es auch noch zu überwinden: Für die Förderung war die inter-kulturelle Begegnung essentiell. Der langjährige Arbeitstitel „Haus der Kulturen“ hatte konsequent einen Plural im Namen getragen. Wenn nun durch Ratsbeschluss dort nur noch die Einzahl stehen soll – eben „KulturForum“ – dann will ich hoffen, dass das keine Hypothek ist.

Sodann das weitere erklärte Plus für den Förderantrag – die inter-kommunale Kooperation: Die Arbeit am Interkommunalen Kulturentwicklungsplan Burscheid-Wermelskirchen zeigte dann leider auch: Beide Städte haben ein vitales Interesse am Erhalten und Auslasten eigener Kulturstätten. Und schließlich wird es noch innerörtliche Rücksichtnahme brauchen, jedenfalls bei kleineren bis mittleren Zuschnitten.

In diesen Rahmenbedingungen den Erfolgsweg zu finden, das wird gerade für das Anfangsjahr schwer, aber auch auf mittlere Sicht. Zusätzlich hat sich Burscheid quasi selbst ein Ei auf die Schienen genagelt – mit der wohl längerfristigen Unterbrechung einer ökologisch vorteilhaften, niedrigschwelligen Anbindung über die Balkantrasse – und mit dem Wegfall von Parkraum, auch unmittelbar am KulturForum selbst. Also: Man darf der Musikstadt wohl noch einiges Glück herbeiwünschen und das tue ich gerne!

Freitag, 3. Oktober 2025

Dritter Oktober in Peenemünde – und sehr viel Feuerwasser

 

Dritter Oktober in Peenemünde – und sehr viel Feuerwasser

Gerade heute an einem dritten Oktober macht es verblüffend viel Sinn, über Raketen zu sprechen – ich werde das aber in den kommenden Tagen noch etwas komplettieren müssen. Es gibt halt viel zu erzählen.

Das Aggregat – oder "Gerät", wie es Walter Dornberger, militärischer Leiter der Heeresversuchsanstalt Peenemünde in seiner internen Rede vom 9. Juni 1942 zum ersten Versuchsschießen der A4 am 12.6.1942 nannte – das begegnet mir seit vielen Jahren regelmäßig. Ich war etwa 11 Jahre alt, als uns US-amerikanische Verwandte besuchten. Wahrscheinlich waren sie wie auch ich Technikfreaks und Fans von Personen wie Wernher von Braun. Zwei Gastgeschenke gab es für den hoffnungsvollen Nachwuchs: Ein Paar rotbraune Boxhandschuhe, die ich aber nie benutzt habe. Die immerhin noch auf dem Schrank im Kinderzimmer meines Sohnes liegen (der sie ebenfalls nie gebraucht hat). Und eine Spielzeugrakete mit zwei verschiedenen Starteinrichtungen, die verflixt der A4 ähnelte. Bzw. der V2. Denn „Vergeltungswaffe No. 2“ ist ihr nom de guerre, eine bewusst irreführende Schöpfung des Propagandaministers Goebbels, und darunter ist sie noch heute besser bekannt. Meine A4 / V2 funktionierte physikalisch grob ähnlich wie das Original: In der einen Startversion füllte man den Hohlkörper zur Hälfte mit Wasser, pumpte mit einer Luftpumpe Überdruck hinein und löste dann über eine kurze Schnur die Verriegelung an der Pumpe, die gleichzeitig die Starteinrichtung war. Die zweite Version kam dem Vorbild noch etwas näher: Zu der Wasserfüllung im „Aggregat“ kamen Tabletten, die dort eilfertig sehr viel Kohlensäure ausschäumen ließen. Die Starteinrichtung war in den Boden zu stecken – in meinem Fall damals die Wesermarsch unweit des Wasserstraßenkreuzes in Minden/Westf. – und man tat gut daran, zum Auslösen einen längeren Strick zu nutzen. Sonst bekam man die ganze Soße ab, mit heftigen Flecken gratis. Aber beides führte nach ein paar Versuchen zu Steighöhen von 30 bis 40 Metern. Nicht schlecht.

Viele Jahre später habe ich einen Leserbrief geschrieben, den allerersten übrigens in einer langen Reihe von Briefen mit einer kritischen Position zur raumgreifenden Entwicklung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik nach 1992 (die davon tatsächlich veröffentlichten Briefe finden Sie bei Interesse siehe hier: https://www.vo2s.de/mi_leser.htm ).

29.9.1992
Kölner Stadt-Anzeiger; abgedruckt 2.10.1992
Militär; Absage der "V 2 - Gedenkfeier" in Peenemünde (Kölner Stadt-Anzeiger. v. 29.9.1992)

„Hätten wir am Deutschlandtag die Schöpfer der V 2 hochleben lassen, hätten wir auch die der Scud mitgefeiert. Die Scud ist wie die Mehrzahl der heute weltweit ausgerichteten Trägersysteme legitimer Nachfahre der V 2. Scud und V 2 sind brutale Massenvernichtungswaffen, die unter einem verantwortungslosen Regime bewußt zum Schaden der Zivilbevölkerung eines anderen Landes entwickelt und eingesetzt worden sind.

Demgegenüber ist der vorgebliche Kontext ziviler (!) Raumfahrtforschung, der etwa den jungen Wernher von Braun begeistert und geblendet haben mag, als Begründung eines V 2 - Festes geradezu absurd. Die Forschung hat sich gegen diese Wirtschaftsidee im doppelten Sinne auch ausdrücklich verwahrt.

Der Vorschlag war, wenn auch der count-down schweren Herzens in letzter Sekunde abgebrochen wurde, bereits eine verheerende Wunderwaffe gegen das Ansehen des neuen Deutschland im Ausland und unserer Repräsentanten im Inland.“

Tatsächlich hatte es diesen sehr ernstgemeinten Vorschlag gegeben: Der „Tag der Deutschen Einheit“ des Jahres 1992 fiel im Datum mit dem Start einer A4 am 3.10.1942 mit einer Gipfelhöhe von 85 km zusammen – exakt 50 Jahre war's nun her, seit dem so erfolgreichen deutschen Test, quasi dem Äquivalent von "Trinity". Und das gastgebende Bundesland war i.J. 1992 dann sogar Mecklenburg-Vorpommern, mitsamt Peenemünde. Warum bitte dann nicht als Teil des Festprogramms ein ergreifendes Jubiläum zur Entwicklung eben dieser revolutionären Trägertechnologie ausrichten? Kurzer Sprung in die Jetztzeit: Das wäre etwa so, als würde man den heute so viel besprochenen Taurus- Marschflugkörper als legitimen Nachfahren der Flügelbombe V1 hochleben lassen (der er ja tatsächlich ist). Wir werden im Folgenden sehen, wie eng beide Entwicklungen – V1 und V2 – zusammenhängen. 

Zunächst aber kurz zurück zum Spielzeug: Leider ist es im Laufe der Jahre irgendwann von einem verständnislosen (oder: sehr verständnisvollen) Familienmitglied entsorgt worden. Aber ich habe es vor Kurzem im Bonner Haus der Geschichte wieder gefunden, als Teil einer Ausstellung von Devotionalien des Raumfahrtzeitalers der 50er und 60er Jahre in deutsche Jungens-Zimmern, unter den strengen Augen von Perry Rhodan. Es ist, im unteren Bild genauer zu sehen, die Rakete mit den roten Finnen und dem gelben Gummipuffer vorne drauf - dort, wo im Original die "Nutzlast" aus ca. 1.000 kg hochbrisantem Sprengstoff verstaut war. Fähig, einen ganzen Häuserblock samt Bewohnnern und ohne Vorwarnung - weil mit ca. 4 Mach überschallschnell - einzuebnen und auszulöschen.



 

A4/V2 to be continued: 

Ein Schul-Besuch im Deutschen Museum München in den 60ern (mit der A4 im Treppenaufgang), frühe Selbst-Tests mit Unkraut-Ex und Zucker, das Air- & Space Museum Washington (wo V1, V2 und die erste Stufe der Saturn V quasi als Vater, Mutter und Kind firmieren), das Museum Peenemünde in diesem Jahr (wo man lernen kann, dass die V2 eigentlich mit Branntwein und Steinkohle flog und dass ein paar Prozesse vor Ort auf eine verrückte Weise nachhaltig waren) und die folgende, aber noch nicht ganz beendete Suche nach meinen Familienwurzeln in Turze/Horst im heutigen Polen.

Das erste Museum und die Rakete

Als Physik-Schüler des Leverkusener Carl-Duisberg-Gymnasiums und mit einem Stipendium der Carl-Duisberg-Stiftung der Bayer AG durfte ich im November 1968 eine Woche lang durch das Deutsche Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaften und Technik München strolchen. Unter den mehreren zehntausend Exponaten von Tief- und Schachtbohren bis zur Sternwarte sprang mir damals eines besonders nachhaltig ins Auge: Eine A4/V2, auf für mich völlig unverständliche Weise in einen gewundenen Treppenaufgang hineingezwirbelt. Der damalige Museumkatalog erwähnt sie allerdings eher verschämt und - anders als im Falle des turbinenngetriebenen Jagdflugzeugs Me 262 - ohne jede Abbildung, O-Ton des Museumsführers: 

"Im Treppenhaus vor der Flugtechnik ist in einer Sonderschau 'Raketenntechnik und Raumfahrt' auf diesen so besonders aktuellen Themenkreis hingewiesen. ... Bemerkenswerte Originalstücke aus dieser Entwicklung sind ein Raketenschlitten unnd Raketenwagen von Valier (1930), das Opel-Hatry-Raketenflugzeug (1929), sowie eine Fernnrakete A4 aus der Peenemünder Entwicklung (1944)." 

Das Exponat wurde auch in der Folge eher zurückhaltend ausgestellt, bewusst nicht als eye-catcher. Anders noch, als dann annderswo mit neuem Stolz i.J. 1992, siehe Leserbrief oben. Und es bereitet bis heute einige Kopfzerbrechen. Die auf kurze Lebensdauer ausgelegte Waffe hat ein Auto-Immun-Problem; wegen in enger Nachbarschaft verbauter miteinander unverträglicher Metalle und wegen daraus folgender katalytischer Korrosion neigt sie dazu, sich selbst zu zerfressen, siehe ein aktuelles Projekt zur Retauration der Rakete = https://www.deutsches-museum.de/museum/aktuell/das-letzte-geheimnis-der-v2 Anm.: Das nämliche auto-korrosive Problem zeigte sich auch bei meinem ersten Straßenkreuzer, einer Ente a.k.a Citroen 2. Mit 16 PS. Im Gegensatz zu ca. 250 kN ;-) Alles hängt mit allem zusammen.

- to be further continued -

Montag, 15. September 2025

Aschermontag

Aschermontag

Nun das Ergebnis der Kommunalwahl in Burscheid. Es ist vielleicht nicht ganz so grundstürzend ausgefallen wie auf dem folgenden Cartoon. Ich hatte ihn vor vielen Jahren zum Wellenfreibad gezeichet. Dieses Bad hatte Burscheid nach der sehr verführerischen Landes-Ausschreibung neuer Fördermittel flugs geplant; es ist dann aber - unter Abschreiben sehr erheblicher Planungskosten - zu unserem Glück rechtzeitig von der Tagesordnung verschwunden. Zum Verständnis noch: Damals hatte es noch die kommunale Doppelspitze aus Bürgermeister und Stadtdirektor gegeben - während des aktuellen Wahlkampfs hatten sich übrigens sehr viele Bürger*innen genau diese Teilung von professioneller Verwaltung und politischer Repräsentanz zurückgewünscht, m.E. ganz zu Recht.


Aber das 2025er Wahlergebnis ist eben doch heftig: Die AfD zieht aus dem Stand gesprungen mit stolzen 5 Sitzen in den nun - wegen sehr vieler Direktmandate der CDU und daraus folgender Ausgleichsmandate - auf 44 Sitze weiter angeschwollenen (und nochmals teureren) Stadtrat ein. Für ihre 10,54% hatte sie nicht einmal ernsthaft werben müssen; der Bundestrend hatten ihnen genug Luft unter die Flügel geblasen. Es war auch kein lokales oder auch nur ein aktuelles regionales Programm bekannt. Oder: Ich hatte es trotz intensiver Suche nirgendwo gefunden. Nur etwa das ambitionierte Programm der D'dorfer AfD, das gleich die ersten und dann meistgelesenen sechs Abschnitte den Problemen von Migration widmet. Die einführenden und einheizenden Kapitel sind dort überschrieben mit "Zuwanderung-Asyl-Assimilation / Asyl / Abschiebungen abgelehnter und krimineller Asylbewerber / Reduzierung der Anreize für 'Wirtschaftsmigranten' / Islamisierung stoppen / Kriminalität und Sicherheit" (https://afd-duesseldorf.de/files/docs/party-platforms/Broschuere_Kommunalwahlprogramm.pdf). Und dazu gibt es eben auch die im Bundesprogramm enthaltenen detaillierten Passagen auf S. 100ff zu Migration und Remigration (https://www.afd.de/wp-content/uploads/2025/02/AfD_Bundestagswahlprogramm2025_web.pdf). Es wäre sehr verwunderlich, wenn dies künftig nicht auch in Burscheid Gegenstand von gezielten politischen Anträgen und Stellungnahmen würde.

Auch das Gesamtbild zeigt einen nochmals weiteren Ruck nach rechts: Geht man nach den altgewohnten Segmenten und Richtungen, dann zeigt sich das Mitte-Links-Spektrum im Rat noch weiter marginalisiert. SPD und Grüne (die LINKE hatte es schon vor 5 Jahren nicht in den Rat geschafft) stellen nun nur noch weniger als ein Drittel der Deputierten (SPD: 15,3% und 7 Sitze, Grüne: 14,8% und 6 Sitze). Und die konservativen bis ultra-konservativen Vertreter kommen auf insgesamt 31 Stimmen. Allein die Fraktionen von CDU und BfB, aus derselben christdemokratischen Wurzel entsprungen, besetzen mehr als die Hälfte der Burscheider Sitze, nämlich 24, verteidigen damit ihre Lufthoheit über den Ratstischen.

Was mich daran ganz entscheidend stört: 

Es ist doch gerade die massive Problemlage der Kommunen, die die toxische Unzufriedenheit ganz wesentlich mitverursacht - die ständige Finanznot, die rundum klaffenden Lücken, die marode Infrastruktur. Aber genau das war weder bei der diesjährigen Bundestagswahl noch bei dieser Kommunalwahl ein strategisches Thema, kein großes, nicht einmal ein kleines. Man hat auch keine realistischen Wege debattiert, die Kommunen insbesondere an den stabilen Steuerarten - Umsatzsteuer, Mehrwertsteuer - auskömmlich zu beteiligen. Anstelle eben der hoch volatilen Gewerbesteuer. Die man so leicht gestalten kann. Mit der sich die Kommunen qua Steuer-Dumping inzwischen auch schon gegenseitig kannibalisieren. Siehe Monheim, siehe Leverkusen. 

Das ist halt unsere Lebenslüge: Genau hier auf der lokalen Ebene berühren die Bürger*innen den Boden, machen ihre Erfahrungen mit schwärenden Defiziten. Aber die übergeordneten staatlichen Etagen boykottieren seit Jahrzehnten eine planbare Finanzaustattung der Kommunen, verweisen die notleidenden Städte auf altbekannte weiße Salbe, etwa auf die großvolumigen Programme der Städtebauförderung mit viel Beton darinnen. Das aber begünstigt die modernen Ratten-Rennen an die Goldtöpfe von Bund und Land. Das schafft und alimentiert ferner ein Paradies für die inzwischen völlig unverzichtbaren Projektentwickler und Investoren. Will sagen: für die besonders systemintelligenten und automatisiert mit-geförderten Rattenfänger. Und es abortiert die emanzipierte und kompetente kommunale Selbstverwaltung und gleichzeitig die Bürgermitwirkung flächendeckend. Das wiederum begünstigt Frust und autoritäre Strömungen und Wahlerfolge wie oben beschrieben. Shit has happened.

Nun aber zu meinem persönlichen Ergebnis: 

Mein Stadtteil-Mandat als Unparteiischer habe ich leider nicht verliehen bekommen, ebensowenig wie schon bei meinem Versuch in 2009. Es waren am Ende 10,6% der Stimmen. Mein Burscheider Wahlkreis Nr. 7 ging wie seit Menschengedenken an den CDU-Vertreter, der mit 32,96% mehr als das Dreifache holte - absolut klare Sache, übrigens auch ohne größere Klimmzüge. Wenn ich mich damit trösten darf: In meinem Wahlbezirk war die Wahlbeteiligung etwas überdurchschnittlich (60 gegenüber im Schnitt 57%, beides aber eigentlich ein Armutszeugnis oder auch: ein Gradmesser für eine als niedrig wahrgenommene Relevanz) und das Ergebnis der AfD blieb unterdurchschnittlich. Tatsächlich hatte ich am Ende doppelt so viele Stimmen erjagt wie die konkurrierende Parteibewerberin der FDP - und immerhin etwas mehr als der Ortsdurchschnitt der AfD. Oder: Hochgerechnet auf die gesamte Stadt hätte ich nun den reizenden Komfort, mich auf 5 Ratssitzen zur Ruhe bzw. quer zu legen. Gut, das Extrapolieren ist hier nicht realistisch - ich habe mir schon in meinem Bezirk die Hacken abgelaufen und die Gesamtfläche mit ausgeprägtem Streusiedlungs-Charakter wäre für Einzelbewerber doch sehr starker Tobak. Dann vielleicht nur zwei Sitze ;-)

Aber insgesamt: Ich stehe weiterhin draußen vor der Türe und lausche. APO bleibt APO. Keine Gelegenheit, mich zu entzaubern. Und nach der Wahl ist ja immer vor der Wahl. Schau'n-mer-mal, wie der Kaiser immer so sagte.