Samstag, 12. Juli 2025

Spahn-Sinn, Wahn-Sinn

Spahn-Sinn, Wahn-Sinn

Anknüpfend an den letzten Blog-Post: Was hat eine „Geh-auf-Nummer-Sicher“-Wahlpräferenz vor Ort mit der allgemeinen Gemütsverfassung im Lande zu tun – und wodurch ist dieses kollektive Gemüt gekennzeichnet? Vorsicht, Lektüre von > 10 Minuten, mit dem Risiko des Meinungsaustauschs! Nun:

Sicherheit

Ohne die alles nichts sei – das könnte unser Wort des Jahres 2025 werden. Sicherheit, die man mit einer halben Billion Schulden für Aufrüstung erst noch herstellen will, mit ungewissen Folgen für alle anderen zentralen Staatsziele. Sicherheit in wesentlichen Teilen durch Granaten, Panzerhaubitzen, Marschflugkörper. Wie ehedem. Vielleicht auch durch atomare Rüstung, die bereits Adenauer so sexy fand. 1957, noch keine 12 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki. 2025: Warum nicht auch wir, wenn – zumindest angeblich – jetzt sogar die Perser danach streben? 

Exkurs: Wobei es ja Japan nur deshalb unmenschlich getroffen hatte, weil die allerersten offiziellen Adressen des Manhattan-Project, die Industrieregionen Ludwigshafen und Mannheim als angepeilte Einsatzziele zu schnell aufgegeben hatten, sozusagen. Aber vielleicht ist alles ja sowieso gar nicht so schlimm: General Lesley Groves, der militärische Leiter des Manhattan-Projekts, hatte ja bei einer Kongress-Anhörung nach dem Krieg zu den Folgen der Verstrahlung nach Abwurf zweier Atom-Bomben treuherzig versichert: "In fact, they say, it's a rather pleasant way to die." Exkurs Ende

Der Kölner Stadt-Anzeiger hat am 30.6. mit Jens Spahns Impuls für eine atomare Mitwirkung und vielleicht eigene nukleare Aufrüstung aufgemacht. „Wir müssen“, so wird dort Spahn zitiert, „über eine deutsche oder europäische Teilhabe am Atomwaffen-Arsenal Großbritanniens und Frankreichs reden, möglicherweise auch über eine eigene Teilhabe mit anderen europäischen Staaten.“ Im weiteren Verlauf der KStA-Ausgabe vom 30.6. haben die Leser*innen dann noch Teil an einem für mich extrem zynischen Interview des Politikwissenschaftlers Herfried Münkler; seine Kernthese ist: Diplomatie habe als Mechanismus zur Deeskalation ausgedient – sichtbare Wirkung würden ausschließlich Drohung und Machtpolitik zeigen. Bereits die Überschrift drückt die finale Bedeutungslosigkeit zwischenstaatlicher Konfliktlösung  aus: „Es gibt keinen Hüter der Regeln“. Herfried Münkler ist zudem der Überzeugung: Sofern der Weltfriede früher gewahrt worden wäre, wäre dies nicht das Verdienst der VN, sondern der USA als des zeitweisen Hegemons. Oder kurz gesagt: Might makes it right. In der Schule hatten wir es noch anders gelernt. 

Unsicherheit

Lassen wir einmal dahinstehen, ob Spahn in der Rolle eines Dr. Seltsam gerade von eher persönlichen Problemen ablenken wollte. Oder ob der bereits emeritierte Professor Münkler mit seinen bekannt steilenThesen spielerisch neue Resonanz erzeugen wollte. Beide Äußerungen fallen in eine Phase ohnehin großer Unsicherheit, wo jahrzehntelang gewohnte Leitbilder, Vorbilder und Loyalitäten bröckeln wie trockene Sandburgen auf Juist in Sonne und Wind. Wo wir die völlig realen Risiken einer sich galoppierend verändernden Umwelt, die jeder tagtäglich etwa bei einem Waldspaziergang unmittelbar anfühlen kann, schnellstens verdrängen sollen. Weil doch dafür angeblich weder Zeit noch Geld da ist. Oder auf absehbare Zeit verfügbar sein wird. Sodann erklärt nassforsch ein deutscher Nachrichtendienst: Russland werde in weniger als 10 Jahren in der Lage sein, den europäischen Westen militärisch herauszufordern. Und gleich zu überrollen. Wohlgemerkt: Nicht erklärt ist, dass Russland genau das tun werde und zu welchem rationalen Vorteil Russland auf diese Idee verfallen könnte. Und wohlgemerkt dozieren hier Dienste, die seinerzeit den bevorstehenden Kollaps der DDR oder einen miesen Zustand seiner Infrastruktur gerade nicht vorhergesehen hatten, ebenso wenig später die bevorstehende Implosion der vom Westen über Jahrzehnte wohlgenährten afghanischen Ghani-Administration. Alles das kam ja auch massiv überraschend! 

Aber unser Feindbild im Osten war schon in den Zwanzigern des 20. Jahrhunderts gut bekannt und es ist nun extrem leicht wieder mit Angst aufzuladen. Darf man nicht verpassen. Wie mit dem Mottowagen des Kölner Karnevals vom Februar 2023, der Putin als blutrünstigen Nosferatu darstellte, siehe etwa https://www.ksta.de/koeln/karneval-in-koeln/fleischwolf-nosferatu-blutbad-karneval-sendet-eindeutige-botschaft-gegen-wladimir-putin-467543 . Besonders clever sind dabei die recycelten Symbole auf der Brust: Hammer & Sichel. Damit die Leute das auch wirklich schnell verstehen: Alles wie früher; gehe zurück auf Los! 


Ostpolitik

Vielleicht aber können mehr Einfühlungsvermögen und eine dialogbasierte Politik, wie sie Bahr und Brandt mit ihrer Ostpolitik entwickelt hatten, auch heute weiterführen. Konkrete Vorschläge hat dazu Winfried Böttcher („Russland – die Ukraine – der Westen“, 2022) formuliert, den dankenswerterweise auch der Stadt-Anzeiger in Gastkommentaren zu Wort kommen lässt. In die gleiche Richtung zielt das im Juni 2025 veröffentlichte, m.E. heutzutage ebenso überraschende wie dankenswerte "Manifest" der Friedensgruppen der SPD, dazu noch unten.

Vorbereiten mag darauf eine eher einfache Überlegung: Die USA dominieren und kontrollieren nach ihrer nach wie vor hochgehaltenen Monroe-Doktrin ihren Kontinent, Norden und Süden, militärisch und wirtschaftlich. Wären sie dort mit einer Entwicklung wie in Osteuropa nach 1990 konfrontiert, z.B. durch chinesischen Einfluss, dann wäre das militärische Schützen ihrer wohlverstandenen Interessen ohne Zweifel für uns äußerst naheliegend und nachvollziehbar Aber ebenso wie den Amerikanern in den 50er Jahren sollten wir auch den Russen eine Dominotheorie zutrauen und zubilligen sowie das präventive Sichern ihres Glacis oder ihres cordon sanitaire. Präventive Sicherheit war übrigens ein zentrales Motiv der westlichen Sicherheitsdoktrin nach 1990, umgesetzt durch Einsätze "out of area" aka Auslandseinsätze, in einem zeitlich wie räumlich erweiterten Einsatzgebiet. Weiterführend ist hier auch der Spiegel-Bestseller des sehr erfahrenen Auslandskorrespondenten und anerkannten Experten der foreign relations Tim Marshall a.d.J. 2015 „Die Macht der Geographie“. Gleich im ersten Kapitel legt er die besondere Verwundbarkeit - und Reizbarkeit - Russlands durch die niedrigschwellige Topographie der nordeuropäischen Tiefebene dar. Ich zitiere aus demVorwort: „Wladimir Putin bezeichnet sich als religiösen Menschen, als engagiertes Mitglied der Russisch-Orthodoxen Kirche. Es könnte also gut sein, dass er, wenn er abends zu Bett geht, seine Gebete spricht und Gott fragt: ‚Warum hast Du nicht ein paar Berge in die Ukraine gestellt?‘ “ 

Wir sollten zumindest erwägen: Russland - nicht etwa nur Putin - kennt die Geschichte der ganz realen großen Invasionen aus dem Westen, von Napoleon bis Hitler, kennt den jeweiligen massiven russischen Blutzoll höchst genau, bei noch lebenden Zeitzeugen. Und Russland kann das kontinuierliche Erweitern der ökonomischen und militärischen Sphäre des Westenns nach 1989 nicht als geopolitisch vertrauenerweckend deuten.

Das sollten wir zumindest mit einkalkulieren: Auch wir bzw. unsere Militärorganisation haben durch nassforsches Verhalten, nicht zuletzt durch - nach Kündigung der Überlassung an Russland - einen auf der Krim anstehenden NATO-Kriegshafen sehr wesentliche Ursachen für die Eskalation der letzten Jahre gesetzt. Hans-Dietrich Genscher hatte 1989 genau vor einer solchen invasiven Politik ausdrücklich gewarnt. Auch dass wir durch massive Waffenlieferungen den Tod und die Verletzung von Menschen vor Ort hunderttausendfach kausal verursacht haben – ohne uns selbst zu exponieren, auch das ist für vermutlich zwei Drittel der Menschheit keine Ruhmestat. Sehr nüchtern betrachtet: Die NATO ist kein Chor zarter Friedenswahrer, sondern eine beinharte und hocheffiziente Drehscheibe für Deals und Waffen aller Art. Für Geschäfte, die nicht einnmal einen privaten Markt und Wettbewerb brauchen, sondern die sehr verlässliche Staaten als Zahler oder Garanten im Visier haben. Oder: Die NATO ist ein heute wieder stolz geschwellter Interessenvertreter genau jenes military-industrial complex, den der scheidende US-amerikanische Präsident Eisenhower warnend in seiner Abschiedsrede v. 17.1.1961 als vitale Gefahr für die Demokratie charakterisiert hatte – mit der profunden Erfahrung eines Weltkriegsgenerals und amerikanischen Präsidenten, siehe etwa https://www.archives.gov/milestone-documents/president-dwight-d-eisenhowers-farewell-address .

Verunsicherung

Tatsächlich prägt heute eine tiefe Verunsicherung die „westlichen“ Staaten, Angst vor den schnell wachsenden Rissen in einem altgewohnten militärischen, ökonomischen, ökologischen und sozialen Sicherheitssystem. Man könnte auch sagen: Eine diffuse Angst vor der Umwertung aller Werte, wie sie einmal Nietzsche formuliert hatte und wie sie – in Teilen – auch die DDR-Bürger*innen bei der Wiedervereinigung erlebt hatten.

In den unten beigefügten Leserbriefen habe ich versucht, nüchtern auf Angstmache und Ängste zu reagieren. Wenn Sie möchten, dann finden Sie das weiter aufgespannt auf meiner Homepage, nämlich alle meine Leserbriefe der letzten Jahre, aber auch gesondert diejenigen, die über die Jahre zur Außen- und Sicherheitspolitik abgedruckt bzw. veröffentlicht worden sind = https://www.vo2s.de/mi_leser.htm . Immerhin ist damit auch ein wenig nationale und internationale Standortwerbung für Burscheid verbunden.

Sie werden sehen, ebenso wie das im Juni 2025 veröffentlichte SPD-Manifest für Friedenspolitik statt Aufrüstung trete ich eher für das Sprechen als für das Schlagen ein, und ich sehe genau dafür auch sehr viele bisher ungenutzte Chancen. Aber hier zunächst meine letzten drei Briefe zum Thema:

(2025/56) 30.6.2025
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 8.7.2025
Spahn zur atomaren Bewaffnung Deutschlands: Bericht „Scharfe Kritik an Spahns Vorstoß zu Atomwaffen“ u. Harald Stuttes Interview mit Herfried Münkler „Es gibt keinen Hüter der Regeln“ (Ausgabe v. 30.6.2025 auf S. 1 u. 9)

Jens Spahn und Herfried Münkter liegen voll im globalen Trend: Das Sprechen habe sich als zwecklos erwiesen – sich schlagen oder jedenfalls schlagen können, das sei das Gebot nicht nur der Stunde, sondern der absehbaren Zukunft. Regeln – wer bitte braucht das denn noch? Und Werte sind am besten an ihrem Barwert zu messen. Das erinnert mich an Barry McGuires schauerlichen 1965er Hit mit diesen markanten Zeilen „But you tell me over and over and over again, my friend, how you don’t believe we’re on the eve of destruction“.

Eine solche Vision mag für den sprichwörtlichen "player with the biggest stick“ Sinn machen. Aber genau den wird es, wie es Münkler sicherlich richtig einschätzt, auf absehbare Zeit nicht mehr, vielleicht auch nie mehr geben. Alles das ereignet sich in einer zunehmend engen, knappen und mit Energie-Technik und explosiven Knowhow im Expresstempo aufgeladenen Welt. In wenigen Jahren mag es dann schulterzuckend heißen: Dumm gelaufen!

Quelle etwa:

Dipesh Chakrabarty befasst sich in seiner hervorragend belegten Betrachtung „The Climate of History in a Planetary Age“ mit der ggf. sehr engen zeitlichen Begrenzung unseres gegenwärtigen „Anthropozäns“. Auf S. 172 zitiert er sehr zustimmend:

A critical unknown,“ to recall the words of Langmuir and Broecker we have already encountered in chapter 3 (Langmuir & Broecker, How to Build a Habitable Planet: The Story of Earth from the Big Bang to Humankind, Princeton 2012) „is the fraction of planetary lifetime that a technological civilization exists. Does such a civilization self-destruct in a few hundred years or last millions of years? For such a civilization to last, the species … must sustain planetary hability rather than ravage planetary resources.

Für die erstgenannte Alternative ("just a few hundred years of anthropocene") spricht das bekannte SETI-Paradox: Wonach die völlige Ergebnislosigkeit der jahrzehntelangen, höchst aufwändigen Suche nach extraterrestrischer Intelligenz – trotz der astronomisch heute sehr gut belegten Annahme einer großen Anzahl habitabler Welten - am schlüssigsten mit der vergleichsweise rapide zu erwartenden Selbstauslöschung aller technischen Zivilisationen zu begründen ist. Und diese Wahrscheinlichkeit nimmt derzeit wohl exponentiell zu.

Es sei denn: Wir finden zu einem Verhandlungsansatz zurück, wie ihn etwa Egon Bahr und Willy Brandt in ihrer seinerzeit revolutionären Ostpolitik erfolgreich angewandt haben und der heute das u.a. von Ralf Stegner, Norbert Walter-Borjans und Rolf Mützenich gezeichneten SPD-Friedens-Manifest von Juni 2025 kennzeichnet (Wortlaut z.B. unter https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/spd-manifest-russland-100.html) – bedauerlicherweise ist dies aber selbst in der traditionell Diplomatie-freundlichen SPD nun hoch umstritten.

 (2025/55) 29.6.2025
DIE ZEIT, veröffentlicht im Internet-Angebot der ZEIT am 3.7.2025
https://www.zeit.de/leserbriefe/2025/27
NATO-Gipfel; Leitartikel „What the f****!“ von Anna Sauerbrey (Ausgabe No. 27 v. 26.6.2025, S. 1)

What the f****? Offenbar besitzt Europa weder das Souveräne eines Netanjahu noch die Chuzpe eines Putin, um Donald Trump zu berechnen und zu manipulieren. Es sei denn: Wir werten es als ausgebuffte Strategie unserer höchsten Repräsentanten, den Speichel fässerweise zu lecken, Schutzgeld in Schiffsladungen zu geloben und sich gleichzeitig zu gerieren, als ersetze die Nato künftig VN und Sicherheitsrat, im Zweifel ohne jede hinderliche demokratische, rechtsstaatliche oder völkerrechtliche Bindung. Alles das aber, um den alten Narziss nun auf neue, grundstürzende und gerade für uns nützliche Wege zu locken?  

Vielleicht leide ich auch nur unter einer finalen kognitiven Dissonanz. Mein kleiner Trost: Zumindest 6 Milliarden Humanoide außerhalb des christlichen Abendlandes dürften es sehr ähnlich sehen, als demoralisierenden Rücksturz in ein finsteres Erdmittelalter, Jahrmillionen vor jeder Aufklärung. Als Zeitenrückwende. Aber immerhin mit strammer Führung.

(2025/54) 26.6.2025
Kölner Stadt-Anzeiger, abgedruckt 3.7.2025
NATO-Gipfel; Heiko Sakurais Cartoon „Der Nato-Gipfel huldigt Donald Trump“ und Kristina Dunz‘ Leitartikel „Zeit für eine neue Nato“  (Ausgabe v. 26.6.2025, S. 4)

Heiko Sakurai persifliert es zu Recht: Der Kotau kann nicht das Ritual einer Wertegemeinschaft sein. Und Kristina Dunz formuliert es zu Recht: Die Nato braucht speziell in ihrer europäischen Mehrheit entscheidend mehr Resilienz und Eigenverantwortung. Was dann Schritt für Schritt eigene Ressourcen in der Waffentechnik erfordert, aber zumindest ebenso einen selbstbestimmten Weg beim Austarieren von Abschreckung und Diplomatie, orientiert am Völkerrecht.

Es bleibt die Gretchenfrage

Unter dem Strich: Wir sollten uns fragen, welcher Plan die längere Lebensdauer unserer Zivilisation sichert: (1) Ohne sichtbares Ende aufrüsten? Bis Russland und alle etwaigen weiteren Systemgegner ermattet oder entmutigt aufgeben?  Oder (2) einen Dialog beginnen, mit dem Ziel beiderseitiger Vorteile? Ich weiß, hier kommt stereotyp der Vorwurf: Putin wolle doch gar nicht verhandeln; wir hätten es doch oft genug im Guten versucht. Haben wir? Auch nur ein einziges Mal?

Dienstag, 8. Juli 2025

13 von 21 Klammern

13 von 21 Klammern

Tatsächlich habe ich am Wochenende noch reiche Ernte eingefahren. Und interessante Kontakte erlebt - der angenehmen wie der sehr erschreckenden Art; siehe dazu meinen vorangegangenen Blog-Post. 

Aber dennoch habe ich am Sonntag Abend "Schmitz' Backes" nicht einmal klein am Horizont gesehen. Es hat am Ende für eine Bürgermeister-Kanndidatur nicht gereicht. Für die Bewerbung um einen Ratssitz dagegen habe ich das Qualifying erfolgreich absolviert; dabei bleibt's dann auch.
 
 

 
Oben die Beute, was die Häuptlings-Vorwahl angeht. Zur leichteren Übersicht sind immer 10 Unterstützungsschriften per Büroklammer gestapelt. 13 Klammern sind's geworden, davon die letzte nicht ganz ausgelastet - insgesamt waren es 127 Unterstützer*innen. Aber 200 hätten es sein sollen, besser immer etwas mehr, weil halt an der einen oder anderen Unterschrift etwas bei genauer amtlicher Prüfung auszusetzen sein könnte, etwa, dass ein Burscheider Wohnsitz nicht korrekt gemeldet ist, keine passsende Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist und die eigenhändige Unterschrift Fragen aufwirft. Also sollte man am besten mit minndestens 21 Klammern kalkulieren. Und die hatte ich halt nicht.
 
Zum Vergleich: 2009 hätte ich - ebenfalls im Rahmen der Burscheider Bürgermeister-Vorwahl - nur 160 Unterschriften gebraucht. Tatsächlich hatte ich dann aber über 240 zusammengescharrt, hatte also, um im obigen Bild zu bleiben, 25 von 16 Büroklammern. War also mit dabei, als insgesamt vier zur Bürgermeisterwahl antraten - Herr Caplan für die CDU, Herr Baggeler für die damals neugegründeten "Bürger für Burscheid" (aus CDU'lern, die sich kommunalpolitisch selbstständig gemacht hatten), Herr Jakob für die SPD und ich als Unabhängiger. Immerhin habe ich 2009 auch noch 11% der Stimmen geholt, so aus dem Stand gar nicht so ganz schlecht.  
 
Aber diesmal habe ich schon in den Primaries die Latte gerissen. Eine kurze Manöverkritik dazu:
  1. Es gibt keine ausgesprochene Wechselstimmung und ich würde auch lügen, wenn ich Dirk Runge einen schlechten Bürgermeister nennen würde.
     
  2. Mein Kernthema "Stadtentwicklung" ist für die allermeisten denn dann doch zu theoretisch, trotz der hohen zumindest mittelfristigen Relevanz für unsere Lebensverhältnisse und
     
  3. ich selbst wirke möglicherweise auch zu sehr wie ein Outgrouper, mit dem gemeinsam die Ingrouper im Rat vielleicht nicht ausreichend harmonisch gestalten könnten. Zum Vergleich: Weder Rudi Dutschke noch Uschi Obermaier haben sich ihrerzeit um eine Kanzlerkandidatur bemüht. Einmal APO, immer APO.

  4. Nicht zuletzt: Zum ersten Mal in meinem Leben - und das wird ja voraussichtlich so bleiben - ist der Papst jünger als ich ;-) Und dieser Umstand mag den meisten sicher auch nicht als Erfolgsgarantie für einen guten Vollzeit-Job erscheinen.  
Etwas leid tut es mir aber um die nun etwas geringere Chance, Spannung und Interesse und Beteiligung für die Kommunalwahlen zu induzieren. Leichlingen kann diesmal wohl mit acht BM-Bewerbern aufwarten - das zeigt einen demokratisch m.E. besseren Wirkungsgrad ... Kleiner ökonomischer Vorteil für Burscheid: Mit großer Wahrscheinlichkeit muss nun keine Stichwahl finanziert werden. Das tröstet mich dann wieder etwas, bei den längst wieder eingetrübten steuerlichen Aussichten. Und es trösten mich die vielen guten Vernetzungen rund um mein "Qualifying". Allen, die mich ermutigt, mit Rat und Tat unterstützt und hier und da wieder angeschoben haben, meinen herzlichen und kommunalpolitischen Dank!

Aber bei meiner Kandidatur für die Vertretung des Burscheider Wahlkreises 7 - von Grünscheid bis in die untere Hauptstraße - dabei bleibt es natürlich. Und bei meinem Wahlblog. Nach dem Motto: Es bleibt immer etwas hängen ;-)
 
Vielleicht gibt es noch einen Grund, jetzt keine Experimente zu wagen und das Bewährte zu bewahren; ein Bekannter hatte das gestern erwogen und es klingt zumindest nicht unschlüssig: Um uns herum gibt es in den letzten Monaten, wenn nicht Jahren außergewöhnlich viel Wandel, viel Unsicherheit und viel Umorientierung. Ein bisschen wie die mal von Nietzsche beschworene "Umwertung aller Werte". Um die Komplexität nicht unnötig zu erhöhen, mag man dann eher gewillt sein, den Nahbereich als "steady state" zu bewahren, sich also eher (im Wortsinn) konservativ zu orientieren. 
 
Zu dieser derzeit etwas wirren Lage werde ich meinen nächsten Post schreiben.

 

Montag, 7. Juli 2025

Von Burscheider Ampeln und Sprachen

 

Von Burscheider Ampeln und Sprachen

Am 5.7.2025 lauere ich wieder am Burscheider Markt arglosen Passant*innen auf. 

 

Um sie in ein Gespräch über Burscheid, Stadtentwicklung und ganz nebenbei ein paar Unterschriften zu verwickeln. Ich habe mein Plakat von 2009 mitgebracht – Aussage: „Gönnt den Parteien doch mal ihre Auszeit“ – und mit einem Bild, das mir i.J. 2025 natürlich etwas schmeichelt, habe es minimal invasiv an dem Stamm eines der beiden verbliebenen Makrolon-Bäume angeklebt und habe auf einem apportierten Campingtisch meine give-aways ausgebreitet: 

 

Mein Wahlprogramm, meine selbst gefertigten kleinen Visitenkarten („geniale Lesezeichen!“) und natürlich die hektographierten Vordrucke für Unterstützungsunterschriften. Denn die zweihundert vom Beigeordneten eigenhändig mit Paraphe abgezeichneten Exemplare aus dem persönlichen Wahl-Kit, das man bei der Stadt Burscheid bekommt, die sind schon seit vielen Tagen aus. Anm.: Am Ende werde ich ca. 1.000 Stück verteilt haben, auf einigen zehn Kilometern per Rad, Einrad und zu Fuß. Den Nachdruck hat sehr preiswert, stressfrei und professionell ein Copyshop in Köln/Deutz an der Betzdorfer Straße besorgt. 

Das IEHK - das Integrierte Entwicklungs- und Handlungskonzept Burscheid 2025, nach dem ja eigentlich alles rund um mich herum bereits frisch beatmet sein sollte - das habe ich zum allfälligen Nachblättern und Vorzeigen natürlich auch dabei; es liegt sonst gerne unter meinem Kopfkissen. Einige Unterschriften kann ich dann am Markt auch ohne Waffeneinsatz leicht herausholen. Ganz sicher ist dabei von Nutzen, dass die Presse kurz vorher über mein unerhörtes Projekt berichtet hatte. Aber wichtig werden auch mehrere Gespräche, eines davon allerdings auch erschreckend.

Weiterführendes

Zunächst die konstruktive Unterhaltung, die auch zu einer weiteren Aktivität führen muss und wird; das ist dann später an dieser Stelle zu dokumentieren: Eine rüstige ältere Dame kommt mit ihrem Rollator vorbei und fragt neugierig, was bitte ich hier denn wohl treibe. Meine erste Erklärung bringt sie dann ein wenig in Wallung. Sie habe sich mehrfach an die Stadtverwaltung gewandt, da sie mit ihrem Rolli und ihrer relativ geringen Geschwindigkeit ständig Probleme mit zu kurzen Ampelphasen habe und bisweilen auf einer Insel mitten in der Fahrbahn strande, dort die nächste Grün-Phase abstehen müsse. Daran wäre leider, leider auch nichts zu ändern, sage die Verwaltung. 

Das führt nun aber zu unserer Verabredung: Wir werden nacheinander ein paar dieser kritischen Stellen ablaufen / abfahren und das Problem visualisieren bzw. per Video aufzeichnen – hoffentlich dann aber ohne casualties. Eine dieser Stellen wäre der Fußgängerüberweg am oberen Ende der Hauptstraße, dort, wo sie in die Höhestraße übergeht. Eine zweite neuralgische Stelle wäre der Übergang über die Friedrich-Goetze-Straße in Richtung Dammstraße. Anbei: Das wäre doch eine wunderbare Stelle für den guten alten Zebrastreifen, nicht wahr? Und wo bitte sind die ganzen Zebrastreifen abgeblieben, mit ihrem eindeutigen Vorrecht für die körperlich unterlegenen Fußgänger? Das letzte hier überlebende Zebra ist wohl dasjenige gegenüber von der Stadtbücherei. Ich plädiere für umgehende Nachzucht. Freier Gang für freie Bürger*innen! Der dritte „Tatort“ wäre die lange und mehrfach gewundene Straße „In der Dellen“ mit ihren eingebauten Herausforderungen und Abenteuern für Jung und Alt: Die Straße ist zwar Nachkriegsware, aber für Kinderwagen, Rollatoren oder Rollstühle eindeutig zu sparsam gebaut. Es gibt keine Bürger*innen*steige, sondern gerade mal kleiderbügelbreite „Notstege“, dazu parkende Autos, um die man sich irgendwie herumjonglieren muss, und natürlich rollenden Verkehr. Ich denke nicht, dass man dort guten Gewissens Kinder sich frei entfalten lassen könnte. Genau das wollen wir zeigen. Und es es liefe auch nicht auf "Planung ins Blaue" hinaus, wie im früheren Post benannt. Sondern es hätte Ziel und Nutzen.

Erschreckendes

Die erschreckende Erfahrung kommt hintendran und trifft mich auf dem falschen Fuß. Es fängt recht harmlos an: Ein Paar mittleren Alters, gut gekleidet mit durchaus elaboriertem Code sprechend bedauert, bei mir nicht unterschreiben zu können – sie kämen halt aus Odenthal. Odenthal, da erinnere ich mich an ein Paar vor genau einer Woche an gleicher Stelle. Sie hatten zu meiner ersten Verblüffung und dann Freude klar gemacht: Burscheid hatten sie gerade wegen des schönen Flairs der Innenstadt aufgesucht, schonn mehrfach, wegen ansprechender Geschäfte wie Liebevoll oder für das schnuckelige neue Café Mösch. Und ich war verdutzt bis entzückt: Das „arme“ Burscheid ist sogar für das einkommensstarke Odenthal attraktiv, und zwar wegen einiger recht neuer und gar nicht voluminöser privatwirtschaftlicher Aktivitäten und Angebote! Weit vor einem weiteren Vollsortimenter. Weiter so! 

Drum denke ich am 5.7. zunächst, das weitere Odenthaler Paar ticke in einem ähnlichen Takt. Verrückterweise: Weit gefehlt. Nein, Burscheid gefiele ihr überhaupt nicht, sagt die Dame. Warum bitte, hake ich nach, etwas irritiert. Ja, in Burscheid werde zu wenig Deutsch gesprochen. Wie bitte? Offenbar geht es um Migration und ich sage, dass Burscheid – wie auch andere bergische Städte – natürlich einige Bürger mit Einwanderungsgeschichte hat, etwa seit Jahrzehnten in der Metallverarbeitung beschäftigt. Nein, das wäre es gar nicht, es ginge um die vielen Asylanten. Darauf entgegne ich und nehme meine Stadtverwaltung ausdrücklich in Schutz: Burscheid bekomme ebenso wie auch Odenthal Flüchtlinge zugewiesen. Und man solle auch nicht vergessen, dass wir Industriestaaten durchaus auch eigene Fluchtursachen setzen würden. Sei es durch auswärtige Gewalt (zur Zeit des bekannten Peaks i.J. 2015 kamen der größte Teil aus dem ehemaligen Jugoslawien; nach aktuellen Meldungen liegt der Schwerpunkt heute in Afghanistan, und auch da waren wir militärisch sehr aktiv), sei es durch klimatische Veränderungen, die insbesondere in Ländern der Dritten Welt massive Probleme bereiteten. Nein, hörte ich dann, die Ursachen der Migration interessierten hier überhaupt nicht; es ginge nur darum, dass das hier keiner im Griff habe! 

Ich denke, ich sprach mit klaren Rechtsaußen, aus der Mitte der Gesellschaft. Aber wieso sie gerade Burscheid besucht hatten, um ihrem toxischem Ärger Luft zu machen, das bekomme ich nicht heraus. Mir ist dann allerdings recht unwohl. Aber genau darauf müssen wir uns bei der kommenden Wahl gefasst machen und vorbereiten.

Entschädigung

Des Abends hat Armin Busch in die einzigartige Dierather Kulturscheune eingeladen, zu einem weiteren Höhepunkt in seinem völlig eigen-initiativen Kulturprogramm. Das Geschäftsmodell ist einfach, aber wirksam: Jede*r Gast kommt auf persönliche Ansprache oder Flüsterpropaganda, kein Eintritt, aber ein großer „Klingelbeutel“, der den Musikern zugutekommt. Die aber allein wegen der legendären Atmosphäre der Kulturscheune angereist wären, typischerweise wiederholt, wie beim Kölner Treff. Und aus aller Herren Länder. Heute ist es das brillante Bernd Steinmann Quintett, das sich aus dem Essener Gitarrenduo Bernd Steinmann und Stefan Loos, dem Mann am Kontrabass, Martin Breuer, der Klarinettistin Annette Maye und der Geigerin Antje Vetter formiert hat. Und nun die Scheune von der Renaissance zum Flamenco fliegen lässt (so auch die aktuelle CD). Resonanz im gesamten Saal. Genial. Auch mit überirdisch süffigen eigenen Kompositionen. Und packende Percussion ohne jedes Schlagzeug. Da komme ich ein Stück weit vom ganzen selbstgemachten Tohuwabohu wieder herunter. Danke! Beim Wein im Anschluss kommt das Gespräch zwar wieder etwas auf die Wahl – aber sehr entspannt.

Eigentlich kein schlechter Ausklang meiner ersten Wahlphase. Recht gut, nicht ganz gut. Denn trotz einer reichen Stimmenernte an diesem Wochenende wird es am Ende jedenfalls für die Kandidatur zum Bürgermeister nicht ganz reichen; dazu näher im nächsten Post. Aber für einen Ratssitz im Wahlbezirk Nr. 7 – von Grünscheid über Kuckenberg und Massiefen bis in die untere Hauptstraße – dafür werde ich immerhin auf dem Stimmzettel stehen. Und werde weiter für die Wahl und für eine gute Wahlbeteiligung werben. Und gegen falsche Alternativen.

Montag, 30. Juni 2025

Das Männerhaus und die Stadtplanung ins Blaue

 

 


Das Männerhaus und die Stadtplanung ins Blaue

Ein paar erste Früchte meiner 2025er Tippeltour im Burscheider Wahlkreis 7 und der Umgebung:

Männerhaus, Berliner Kissen und ein Kreisel

In Bornheim gehe ich mit Gany – Schäferhund- oder Husky-ähnlicher Canide mit dem Migrationshintergrund Teneriffa – auf Suche nach sog. Unterstützungs-Unterschriften. Längeres Gespräch über die jugendgefährdende Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“, die uns über unsere Tochter über Jahrzehnte Haustiere eingebracht hat. Zugeben: Das hat uns gut auf Trab gehalten. Über (früher) heimatlose Tiere kommen wir rasch auf „Männer, die Schutz und ein neues Zuhause bräuchten“ 😉Also: vielleicht ein Männerhaus für Burscheid. Angemerkt: In Ansätzen gibt es das ja schon, mit dem unter mehreren Aspekten sehr verdienstvollen Burscheider Reparatur-Café. Und, genau das will ich auch aus stadtplanerischen Gründen sehr, sehr unterstützen: Unser Reparatur-Café im Rahmen des TriCafé soll ja, wenn alles weiter gut geht, im kommenden Jahr in die untere Hauptstraße umziehen, in das traditionsreiche Kramer-Haus zwischen Bücherei und Gemeindehaus. Dann sogar zusammen mit einem weiteren und bei uns völlig neuen Highlight – einem (auf Neudeutsch) Maker-Space an der Stadt-Bücherei, der einige interessante, aber für uns Normalverbraucher meist zu teure Kreativ-Werkzeuge anbieten wird: Etwa einen 3D-Drucker zum Selbst-Ausprobieren! Und pardon, das ist dann natürlich nicht Männersache, sondern die der Mädchen & Frauen ebenso. Letztere könnten sich dann etwa auch Ihren Gatten nachdrucken, im gut zu transportierenden HO-Maßstab… Und wie gesagt: Eine phantastische Perspektive für unsere „Alte Mitte“, die ja seit langem unter Schwindsucht litt. Der durch eine „Neue Mitte“ in der Montanusstraße weiter das Licht genommen werden könnte.

Das Verrückte ist: Unser traditioneller Siedlungskern – Kirchenkurve und untere Hauptstraße - und die Frage, wie das alles wieder wachgeküsst werden könnte, das war ein zentrales Argument dafür, überhaupt einen größeren Wurf für die Stadtentwicklung zu wagen, war der Ausgangspunkt für das sehr vielgestaltige „Integrierte Entwicklungs- und Handlungskonzept Burscheid 2025“, das der Projektentwickler ASS aus Düsseldorf detailliert ausgearbeitet hat. Man kann dies live und in Farbe als pdf auf der Internet-Seite der Kommune finden = https://www.burscheid.de/portal/seiten/stadtentwicklung-900000126-40230.html# . Und wenn man da nachblättert, dann findet man die Sanierung genau dieses Stadtteils im IEHK sogar als zuallererst ausbuchstabiertes und ab 2018 zu realisierendes Handlungsfeld, auf den Seiten 136ff, wo die konkreten IEHK-Maßnahmen beginnen, und auf S. 184, 190f, wo die Kosten dazu kalkuliert sind. Aber: eider, leider ist heute das ganze schöne Fördergeld für das IEHK bereits anderweitig ausgegeben oder fest verplant, etwa auch zur Vorbereitung der „Neuen Mitte“ in der Montanussstraße. Warum, wie und wann sich die Prioritäten hier so massiv verändert haben, das hat bisher niemand den Bürger*innen erklären wollen. Auch wenn es im IEHK auf S. 182 recht treuherzig heißt:

Die Sachstände einschließlich der Kosten müssen während des Realisierungsprozesses sukzessive aktualisiert und in den politischen Gremien und mit der Bürgerschaft diskutiert werden. Es bleibt auch weiterhin ein demokratischer Prozess“ (Hervorhebungen von mir; eine entsprechende Bürger-Info hat es zum Absetzen der Altstadt nie gegeben).

Bei mehreren Gesprächen in Kuckenberg, u.a. bei dem famosen pop-up Hoffest der Meinhardts und Filters an Kuckenberg 54/54a am 18.6.2025 (danke, das braucht das Dorf!) kam die Sprache auf ein oder mehrere Krefelder oder Berliner Kissen in Kuckenberg, also leichte Polster / Schwellen auf der Fahrbahn – sie ist hier gleichzeitig auch Fuß-/Radweg und Kinderspielplatz – die an die schon vor Jahrzehnten nach einigem Quälen eingerichtete Tempo-30-Zone erinnern sollen. Zu den beträchtlichen mentalen Hindernissen siehe noch unten unter „Stadtplanung ins Blaue“. 

In Neuenhaus erinnerte ein in langjährigen, bis heute leider erfolglosen Dialogen gestählter Bürger an die besonderen Risiken der Kreuzung der Straße nach Opladen mit der Industriestraße / Dierather Straße und den hier seit Jahrzehnten breit geforderten Kreisverkehr – man stünde da leider am Ende einer aussichtslos langen Schlange anderer Verkehrsprojekte. Tja, und hier kann man wirklich mit dem Kopf schütteln. Zwischenzeitlich hatte man mal – auf Einwirken des Kreises – sogar die zulässige Geschwindigkeit im Kreuzungsbereich von 50 km/h auf 70 erhöht – bei einer schlecht einsehbaren und durch die Schule Dierath in Intervallen stark belasteten Kreuzung! Zumindest das konnte nach umfangreichen Protesten nach immerhin zwei Jahren revidiert werden, siehe etwa https://uliswahlblog.blogspot.com/2009/08/das-vaterlose-schild-und-die.html

Besser keine Planung ins Blaue!

Am 24.6.2025 im Burscheider Stadtentwicklungsausschuss / StEA: TOP Ö1 ist dort wie in allen Ausschüssen die sogenannte Einwohnerfragestunde; man kann das nach Kräften für den Dialog nutzen. Zwei Punkte interessieren mich besonders – TOP Ö5 zum in Hilgen auf der Fläche des Hotel Heider geplanten neuen Discounter = LIDL, dort insbesondere die jeweils nach § 11 Abs.3 BauNVO erforderlich Verträglichkeitsanalyse. Und dann noch der prinzipiell sehr begrüßenswerte Antrag des BfB unter  TOP Ö6, einen Gehweg zwischen Herkensiefen und Paffenlöh herzustellen, übrigens ein jahrzehntealter running gag der Stadtplanung, der immer und immer wieder am Widerspruch eines Grundeigentümers gescheitert sein soll.

Zu TOP Ö5 / Verträglichkeitsanlayse für einen neuen LIDL-Markt 

weise ich auf die wiederholten und deutlich warnenden Hinweise des Gutachtens auf die bereits heute im Bundesvergleich weit überdurchschnittlichen Verkaufsflächen für Nahrungs- und Genussmittel hin (mit LIDLneu werden wir bei den Discounterflächen satte 206% der bundestypischen Fläche erreichen) und auf den bereits prognostizierten weiter intensivierten Wettbewerb (z.B. S. 28f, 34f, 36f, 40; die Datei ist im Angebot der Kommune herunterzuladen) und auf die ggf. negativen Auswirkungen auf öffentliche Kassen. Nach Reaktion des Beigeordneten wisse man nicht (!), ob dies auch für Burscheid nachteilig sein werde; die Firmen hätten halt vielfältige Möglichkeiten, Steuern zu vermeiden oder zu manipulieren. Fakt bleibt allerdings: Die Firmen betreiben eine aggressive Politik der Flächenerweiterung (siehe ausdrücklich auch Analyse S. 25), nach den angebots- und nachfrageseitigen Faktoren besteht kein Grund für weitere Flächen in Burscheid (Analyse S. 26) und irgendjemand muss eine so sinnfreie Investition amortisieren – da wir nicht mehr essen und trinken wollen werden oder dies nicht bezahlen können, landet der millionenfache Aufwand am Ende in jedem Fall in den staatlichen Kassen. Und damit bei uns allen, ohne Gegenwert.

Zu TOP Ö6 / Fußweg nach Paffenlöh

bitte rege ich eine systematische Analyse der für Fußgänger / Radfahrer ggf. kritischen Infrastruktur im Stadtgebiet an, nach dem sehr vernünftigen ADFC-Motto einer möglichst "fehlerverzeihenden Infrastruktur". Als Negativ-Beispiel weise ich auf die immerhin erst nach 1945 angelegte (!) Straße „In der Dellen“ hin. Diese eng besiedelte Straße bietet anstelle von Bürgersteigen nur Kleiderbügel-breite „Notstege“, völlig ungeeignet für Kinderwagen, Rollatoren oder ähnliche Hilfen. Sich dort an den parkenden Autos vorbei zu schlängeln, das kommt nach meiner mehrfachen Erfahrung einer Mutprobe gleich. An anderen Stellen wie etwa in Kuckenberg etwa (s.o.) mag es sehr sinnvoll sein, den selbstbewusst vorwärts strebenden Verkehr durch Kissen oder sonstige Formen der Fahrbahngestaltung an Vorsicht, Umsicht und Rücksicht auf die Schwächeren zu erinnnern.

Leider konnte und wollte die Kommune hinsichtlich einer Strategie keinerlei Hoffnungen machen. Nein, so sagte der Beigeordnete, „Planungen ins Blaue“, das wäre nicht das Ding der Stadt. Man mache eben immer dann etwas, wenn man sich – etwa wegen anstehender Reparaturen – ohnehin mit den jeweiligen Punkten beschäftigen müsse (!). Das ist so ziemlich das genaue Gegenteil reflektierten und nachhaltig geplanten Verwaltungshandelns, nicht wahr? Und ziemlich genau: "aus der Hand in den Mund". Ohne Prioritäten-Bildung. 

Ein klein wenig erinnert fühle ich mich hier an eine vorangegangene Sitzung des StEA, in der die Hochwasserfolgen jener großen Flut erörtert worden waren, die größere Teile von Hamberg bzw. des Forellentals hurtig nach Leverkusen gespült hatte. Nämlicher Vertreter der Stadt hatte damals auf Fragen betroffener Anwohner zur Finanzierung künftiger Vorsorge recht sparsam entgegnet: Wer dort siedele, dem müssten die Risiken von Tallagen doch bitte völlig bewusst sein. Das mag sein – und doch hat sich in den vergangenen 50 Jahren sehr viel verändert, das eine systematische Analyse und entsprechende gemeinschaftliche Vorsorge rechtfertigen würde. Es geht hier – wie auch an anderen Stellen – eher um Problemstellungen der Allmende als um solche des Privatbesitzes. 

Allerdings hat die Einlassung viel von einer bedeutenden Strömung im US-amerikanischen Haftungsrecht: „Leave losses where they fall!“ Und spare Transaktions-Aufwand. Der Schöpfer wird’s schon richten 😉

P.S.
Ein Nachtrag zu Bornheim (s.o.) und zur Stadt-Strategie: Ich komme ziemlich häufig durch Bornheim, zumeist mit zwei Hunden. Ich habe dort noch nie einen öffentlichen Mülleimer gefunden und manchmal hätte ich dort ein Säckchen abzugeben; meine nächste Entsorgungs-Möglichkeit auf meinem einstündigen Fußweg nach Burscheid wird tatsächlich erst am Hallenbad kommen. An anderen Stellen findet man zwei oder gar drei öffentliche Mülleimer (Aussage "Nur Schweine werfen daneben!" oder "Das oder das vergeht erst in 1.000 Jahren!") in Sichtweite voneinander. Es wäre kein "Plan ins Blaue", sondern würde voll ins Schwarze treffen, wenn man sich um Gleichverteilung kümmern könnte. 

Ist ohnehin immer ein guter Plan: Gleichverteilung statt Sonderopfer. Etwa auch für den lauten neuen Trimmpark, unmittelbar hinter den neuen Häusern in der Nähe des Megafons. Bitte schnell auf Freiflächen direkt am Megafon umziehen, ohne Sonderopfer für die Balkone und die sehr voraussehbar leidgeprüften Bewohner dieser Häuser!