Der Kölner Stadt-Anzeiger macht heute mit zwei Artikeln zu unseren lokalen Steuer-Oasen insbesondere in Leverkusen und Monheim auf - wo ein strategisches Dumping beim Gewerbesteuer-Hebesatz genau den gewünschten Effekt hatte: Schnelle Zuwanderung, wenn nicht gar eine Stampede von steuerpflichtigen Unternehmen dorthin, teils in einfache Briefkästen. Also eigentlich auf dem Papier.
Und zu Lasten der früheren Standorte, die nolens volens ebenfalls über den Hebesatz nachdenken müssen. Bis dieser dann auf breiter Front nachgegeben hat und niemand mehr etwas davon haben wird - außer Verluste in den kommunalen Bilanzen.
Die Landesregierung erwägt, nun den Mindesthebesatz ein wenig anzuheben - das wird allerdings überhaupt nichts an dem seit Jahrzehnten bekannten strukturellen Problem der kommunalen Unterfinanzierung ändern, die ein äußerst ineffizientes Biotop aus staatlicher Städtebauförderung und einem Geflecht aus Projektentwicklern, Architekten, Bauträgern und Gutachtern hervorgebracht haben - und unterfinanzierten Kommunen, die sich in der Not genau diesen Bedingungen unterwerfen müssen. Mit der Folge einer schnell wachsenden und alternden Ansammlung von Einkaufparadiesen jeder Art, gerne auch über den Durst hinaus geplant - schneller, weiter, höher - und in toxischer wechselseitiger Konkurrenz.
Dazu habe ich einen Leserbrief geschrieben:
5.6.2025
Kölner Stadt-Anzeiger
Titelthema „Steueroasen" in der Ausgabe v. 5.6.2025 (Gerhard Voogt: „NRW
will Steueroasen austrocknen“ und Gerhard Voogt, Corinna Schulz und Niklas
Pinner: „Steueroasen den Kampf angesagt“, S. 1 u. 7, siehe u.a. https://www.ksta.de/politik/nrw-politik/streit-um-gewerbesteuer-schwarz-gruene-sagt-steueroasen-den-kampf-an-1037586
Was das Land NRW hier anwenden will, das ist dünne weiße Salbe. Und es wird vermutlich eher neue Beschwerden schaffen. Ja, die Steuertricks sind halbseiden, unsozial und sie kannibalisieren die Nachbarschaft! Ganz unbestritten. Aber gerade im Falle Leverkusens sind sie nichts als ein Symptom jahrzehntelanger Fehlsteuerung und Unterfinanzierung, im tagtäglichen Kampf gegen den Strukturwandel.
Was es brauchen würde, aber wozu auch die Bundesparteien und namentlich der Koalitionsvertrag offenbar keine Kraft aufbringen: Eine Steuerstrukturreform, die den Kommunen einen größeren und verlässlicheren Anteil am Kuchen zuweist; die es ihnen erlaubt, sich von der volatilen Gewerbesteuer nachhaltig zu emanzipieren. Finanziert werden könnte und müsste das in wesentlichen Teilen aus der energischen Reduktion von Förderung aus Bundes- und insbesondere Landesprogrammen. Gerade der unseligen Städtebauförderung sollte es an den Kragen gehen: Sie beschert zwar bestimmten Branchen exklusive Vorteile, verführt aber die hungerleidenden Kommunen zu einem aberwitzigen Wettrennen: Um zu wenig bedarfsgesteuerte und zu kurzlebige Malls, Outlets, Superstores und dergleichen mehr, um die sogenannten "städtebaulichen Herausstellungemerkmale"
Kommunale Selbstverwaltung braucht die auskömmliche und selbstbestimmte Finanzkraft – und hier in den Kommunen berühren die Bürger*innen den Boden. Oder die Schlaglöcher.
P.S.
Wenn der Koalitionsvertrag das Kapitel 4.3 (ab Zeiten-Nr. 3609) mit „Kommunen,
Sport und Ehrenamt“ überschreibt, so nennt er, sicher
unwillentlich, ein weiteres Symptom: Das Ehrenamt hat vor Ort heute die
typische Funktion eines Notstopfens. Es muss – nota bene ohne
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsformen – den Lebenswert der
Kommunen bestmöglich kolorieren und aufrechterhalten. Die Aussagen des
Abschnitts 4.3 zur Stabilisierung der kommunalen Finanzen bleiben nach
dem Sprachcode des KV dagegen i.d.R. auf Absichtserklärungen,
Prüfvorbehalte und unverbindliche Ausblicke beschränkt.
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