Sonntag, 21. Dezember 2025

Herrenjahre?

 

Herrenjahre?

Die Zeit in dieser Stadt offenbar noch nicht reif. Für eine emanzipierende, nämlich Teile des Planungsprozesses vertrauensvoll delegierende Beteiligung Burscheider Bürgerinnen und Bürger. Wenn, dann stecken wir noch im 21. Jahrhundert mitten in den Lehrjahren. Lokal.

Meine Anmutung des Workshops am 17.12.2025: Sehr paternalistisch wie bereits der bisherige Entwicklungsprozess, eine monologische – oder betont monoperspektivische – erste Hälfte der Veranstaltung. Selbst Nachfragen zu den einleitenden Vorträgen waren ausdrücklich unerwünscht – und nota bene war nicht einmal ein Saalmikrofon verfügbar. Distanziertes Experten- und Führungswissen erhält weiterhin einen klaren Vorzug vor der etwaigen Sachkunde der Bürgerinnen und Bürger, vor dem Ortswissen oder der konkreten Betroffenheit. 

Tatsächlich hatte ich nach den Pressemitteilungen im Vorfeld angenommen, die Stadt wolle eine Werkstatt mit thematischen Arbeitsgruppen der Bürger*innen zulassen und damit über die bisherige Strategie weitgehend vorbereiteter Konzepte hinausgehen, die dann als Tischvorlagen erst zum Termin eingesehen werden können. Entsprechende Erwartungen hatte ich vor dem Workshop an die Verantwortlichen adressiert.

VORHER

"Sehr geehrte …,

vermutlich denken wir hinsichtlich eines Akzeptanz bildenden ISEK-Prozesses in eine sehr ähnliche Richtung. 

(1) Arbeitsgruppen

Die Bürgerbeteiligung sollte thematisch konkretisiert und insbesondere nachhaltend angelegt werden, also auch noch in die Realisierungsphase wirksam sein. Meine Anregung wäre, im Rahmen des Workshops Bürger-Arbeitsgruppen zu formieren, etwa zu diesen Themenbereichen

(1) Verkehr / Wirtschaft / ÖPNV / Barrierefreiheit
(2) Umwelt / Klima / klimafähige Bauweise
(3) Stadtbild / Stadtgeschichte / Stadtmarketing & PR
(4) Weiterer Prozess der Beteiligung & Stadt-Entfaltung 

Ich selber würde mich insbesondere für die o.g. AG (3) melden, würde dabei auch auf die Zusage des früheren BM Caplan anlässlich der Landes-Heimatpreis-Verleihung 2021 zurückkommen: Im Bereich der Kirchenkurve sichtbar an das (in den 50er Jahren abgerissene) Gründungshaus der Musicalischen Academie zu Burscheid von 1812 erinnern. Daneben gibt hier es weitere markante Punkte, an denen wir sehr konkret und lehrreich essenzielle Schritte der Burscheider Stadtentwicklung durchdeklinieren oder - wie es auch im IEHK heißt - wirksam inszenieren können, nicht zuletzt für unser Stadt-Marketing.

(2) Künftige Funktionalität von Markt & Kirchenkurve

Die Rolle und Zukunft insbesondere des derzeitigen Markts und der Kirchenkurve ist verlässlich m.E. nur im Verhältnis zu funktionsähnlichen Flächen der Innenstadt zu planen. Hier wäre die mögliche Konkurrenz zum im Zusammenhang mit dem Montanus-Quartier geplanten öffentlichen Platz zu klären, in zweiter Linie auch zu dem (kleineren) neu gestalteten Fläche an der Hauptstraße Höhe Kreissparkasse. Es wäre angenehm, wenn die Kommune dazu sprachfähig wäre.

(3) Erträge der bisherigen Bürgerbeteiligung

Möglicherweise kann hierzu ASS etwas beisteuern: Vor dem Ratsbeschluss v. 14.12.2016 zum IEHK - das ja auf seinen Seiten 127, 136ff und 184 bereits detailliert und mit konkretem Zeitplan die Altstadt als zentrales Planungsgebiet umfasste - hatte die Kommune bereits zwei Dialogveranstaltungen angeboten, und zwar am 30.6. und am 2.11.2016. Es wäre hilfreich, wenn der damalige Input der Bürgerinnen und Bürger hier ebenfalls fruchtbar gemacht werden könnte.

Mit freundlichem Gruß aus Kuckenberg
K. U. Voss
Dr. jur. Karl Ulrich Voss, Kuckenberg 34, 51399 Burscheid"

 

Burscheider Bürgerinformationsveranstaltung, 
wohl diejenige am 13.5.2019

NACHHER

"Sehr geehrte …,

nach dem gestrigen Bürger-Workshop denke ich: Tatsächlich teilen die Kommune und ich eine größere Zahl von sachlichen Punkten - allerdings eindeutig nicht hinsichtlich des Prozesses, möglicherweise auch nicht hinsichtlich einer kritischen Evaluation des Ablaufs seit 2016, gerade für die untere Hauptstraße. 

Eine Folgerung für mich wäre dann: Sowohl für die Umsetzung des IEHK als auch für das Entwickeln eines ISEK hat eine intensiv von Bürger*innen organisierte und mitgestaltete Partizipation - etwa nach dem Vorbild von Bürgerräten, Bürgergutachten oder Planungszellen - offenbar keine realistischen Chancen. Das ist schade, aber vernünftigerweise hinzunehmen. 

Allerdings möchte ich doch anregen, dass sich die mit Planung & Entwicklung befassten Kolleg*innen bzw. die korrespondierenden Ratsmitglieder für ein künftiges, dann vielleicht kleiner dimensioniertes Entwicklungsvorhaben mit den Erfahrungen unserer kommunalen Nachbarn vertraut machen, sich ggf. auch einmal durch das einschlägige Forschungsinstitut für Partizipation der Bergischen Universität Wuppertal über die dort akkumulierten Erfahrungen beraten zu lassen. Es gibt inzwischen auch eine äußerst hilfreiche Datenbank, die niedrigschwellig und höchst transparent über aktuelle und bereits erfolgreich abgeschlossene Verfahren dieser Art informiert, siehe für NRW unter https://www.datenbank-buergerraete.info/initiatives/NRW. Diese Datenbank weist z.B. auch wertvolle Erfahrungen in Wuppertal oder Solingen nach - und auch dort bestünde sicherlich die nachbarliche bzw. kollegiale Bereitschaft, bisherige Lehren bzw. Folgerungen mit Ihnen zu teilen.

Nun mag es sein, dass sich die Stadt Burscheid insofern bereits eingehend ins Bild hat setzen lassen - aber aus wohl erwogenen und leicht nachvollziehbaren Gründen dann genau davon Abstand nehmen will oder muss. Dann hielte ich es allerdings für fair und redlich, auch diese Erkenntnisse bzw. Einschätzungen gegenüber den Bürger*innen transparent zu machen, ihnen also als Teil der politischen Kommunikation und Willensbildung auch die prozeduralen Alternativen mit pro's & con's vorzustellen. 

Meinen Eindruck von dem m.E. in Teilen materiell durchaus weiterführenden Workshop werde ich in einem Post auf dem u.g. Blog darstellen; ich hoffe und gehe davon aus, dass die Beteiligten auch für das weitere Verfahren nützlich sein werden.

Mit freundlichem Gruß aus Kuckenberg
K. U. Voss
Dr. jur. Karl Ulrich Voss, Kuckenberg 34, 51399 Burscheid

P.S.
Insgesamt halte ich es gerne mit Adenauer, wenn er denn sagte: "Niemand kann mich daran hindern, alle Tage klüger zu werden." ;-) "

Beispiele
Beispiele für reale Stadtentwicklungs-Projekte mit deutlich mehr verantwortlicher Bürgerbeteiligung in unserer Nachbarschaft, ermittelt über die oben verlinkte Datenbank des Wuppertaler Forschungsinstituts:

Vorhaben Wuppertal
Studierenden-Gutachten zur Einführung eines neuen Campus-Informations-Systems an der Bergischen Universität Wuppertal
Planungszellen "Kommunikative Räume an der Bergischen Universität Wuppertal"
Planungszellen zum Bau einer Seilbahn
Beirat Bürgerbeteiligung 2026 - 2030
Beirat Bürgerbeteiligung 2018 - 2025

Vorhaben Solingen
Solingen - 2010: Ein Bürgergutachten
Bürgergutachten Bärenloch
Bürgergutachten Stadtteilentwicklungsplanung Merscheid
Bürger-, Mitglieder- und Bewohnerbeteiligung bei der Planung und Realisierung der Genossenschaftssiedlung "Börkhauser Feld" in Solingen
Bürgerbeteiligung Stadtteilentwicklungsplanung Aufderhöhe

Ich hoffe: Die Hoffnung stirbt nicht zuletzt. Und Burscheid kann in Zukunft gerade bei der für alle Bürger*innen schicksalhaften Stadtentwicklung doch mehr Demokratie wagen. Unnd keine Angst: Die Erträge sind anderenorts sehr gut. Kosten kann man erfahrungsgemäß ebenfalls sparen. 

Möglicherweise – das ist naturgemäß schwer zu ermitteln, aber es liegt hier sehr nahe – wären einige der Sackgassen des bisherigen, teils sehr holprigen und kryptischen Entwicklungsprozesses nie betreten worden, hätten sich Verwaltung und Stadtrat eng untergehakt mit den Bürger*innen auf den Weg gemacht. Etwa zum kostbaren Skyview ohne Aussicht, der dann Burscheid auch noch zu einem Eintrag ins Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler verhalf, zur atemberaubenden und eben nicht barrierefreienn Rampe direkt daran, zu einem Montanus-Quartier ohne wirtschaftlichen Bedarfs-Nachweis oder zum dauerhaft schadenstiftenden Hintanstellen bei der Sanierung unseres historischen Kerns - eben Gegenstand nun eines neuen und möglicherweise heute nicht mehr aussichtsreichen Förderantrags. Der gleichwohl weitere und am Ende ggf. frustrierte Kosten verursachen wird.

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