Hintergrund meiner Frage: 15 km weiter, nämlich in Remscheid, wird die Debatte verblüffenderweise mit genau entgegengesetzten Vorzeichen geführt. Dort gilt die Rastanlage als Bereicherung der Infrastruktur, als Komponente effizienten Stadt-Marketings und als relevant für die Wirtschaftsförderung. Man geht davon aus, dass die Rastanlagen Arbeitsplätze garantieren und zum Steueraufkommen der (ebenfalls sehr verschuldeten) Kommune beitragen.
Dazu ein kleiner Vergleich: Der in der folgenden Haushaltsdebatte von fast allen Burscheider Fraktionen angesprochene Radwanderweg kostet etwas und bringt Null finanziellen Beitrag. Die Rastanlagen dagegen kosten Burscheid Null, aber sie können Liquidität schaffen.
Ich habe den Eindruck, dass die Rastanlagen-Debatte in Burscheid stark vereinfachend und letztlich auf Effekte bedacht geführt wird. Etwas irritierend ist auch der Zeitpunkt und die Schwarze-Peter-Diskussion um die Informationsweiterleitung: Die wesentlichen Inhalte der noch heutigen Planung waren bereits i.J. 2007 offen zu lesen. Zur aktuellen Diskussionsrichtung in Remscheid: hier. Aber man darf sich natürlich auch keine Illusionen machen: Auch Remscheid verfolgt lokale Ziele. Dort stören auf der Rastanlage insbesondere überschüssige LKW's, die auch PKW-Parkraum für das Hotel verstellen. Offenbar könnte man sich dort gut eine Arbeitsteilung "PKW's für Remscheid / LKW's für Burscheid" denken. Das aber würde den potenziellen Nutzen einer Rastanlage für Burscheid deutlich mindern. Diese Fragen müssen geklärt werden.
Die Haushaltsreden der Fraktionen zeigen wenig Höhepunkte, die Positionen sind ähnlich wie im Hauptausschuss. Wie dort überwiegt eine greifbare Lethargie nach Jahren im Wesentlichen fruchtlosen Bemühungen um Konsolidierung der städtischen Finanzen. Die Ursache suchen und finden praktisch alle Redner außerhalb der Stadt, in Rahmenbedingungen zu Ungunsten der Kommune, in Abflüssen von Erträgen an andere Gebietskörperschaften (“das Land greift ungeniert in die Taschen der Gemeinden”; “das Land entschuldet sich zu unseren Lasten”, “die Landesregierung ist die schlechteste, die es für Kommunen je gab”, letzteres als Zitat des Langenfelder Bürgermeisters), in unsinnigen und die Wirtschaft belastenden Auflagen. Aufgefordert wird, die kommunale Finanzmisere offensiv in den (Bundestags-)Wahlkampf zu tragen: Der Staat pumpe im Widerspruch zu allen ordnungspolitischen Erkenntnissen Milliarden in die Wirtschaft, statte aber seine eigenen Kommunen nicht mit dem zwingend Überlebenswichtigen aus, wirtschafte vielmehr zu deren Lasten. Diese Abwärtsspirale gefährde letztlich auch unser demokratisches Fundament. Zu allen diesen Positionen herrscht im Rat breiter Konsens. Gelobt wird an dieser Stelle auch das freiwillige und ehrenamtliche Engagement, u.a. die Initiativen zur Lamberzmühle und zum ebenfalls gut eingeschlagenen Badehaus, was gerade bei klammen Kassen besonders wichtig sei.
Etwas Disput gibt es zu einer Denkmalbereichssatzung (die von der FDP abgelehnt wird), zur bereits sehr hohen und wegen Anforderungen des Landes noch weiter anzuhebenden Abwassergebühr (die die CDU insbesondere für wasserintensive Gewerbebetriebe gering halten will) und zu einem städtebaulichen Gesamtkonzept zur Gewerbeansiedlung (das die Grünen fordern und dabei auf Mängel bzw. Monokulturen der aktuellen Gewerbeansiedlungen verweisen). Am Ende werden Haushalt und Haushaltsssicherungskonzept - bei erheblichen Zweifeln an der Genehmigungsfähigkeit - mit breiter Mehrheit genehmigt.
Bei alledem drängt sich ein etwas zynischer Eindruck auf: Mit zunehmender Enge des Haushalts wird die Gemeinde immer weiter ent-demokratisiert. Sieht die Verfassungsgerichtssprechung den Gemeinderat schon ohnehin als überwiegend umsetzend an, nicht als Parlament im eigentlichen Sinne, so gibt es bei wachsender Überschuldung bis hin zum Verlust des Eigenkapitals und den dann folgenden Aufsichtsmaßnahmen kaum noch einen inhaltlichen Grund für die Wahl eines Rats. Auch dieses Geld - Wahlkosten und Aufwandsentschädigungen - könnte man dann besser sparen.
Zu den beiden Bildern: Sie stammen nicht aus Burscheid, sondern aus der Mutterstadt der Demokratie - aus Athen. Das obere zeigt die mit einem massiven Stahlbetonskelett aufrecht gehaltene Fassade eines alten Bürgerhauses - nach der Korrosion zu urteilen, steht es schon Jahrzehnte so. Das untere ist nicht untypisch für das Straßenbild selbst in belebteren Vierteln: Das Geschäft geht im Erdgeschoss weiter, aber zum Schutz gegen herabfallende Dach- und Fassadenteile hat man einen Trümmerschirm über den Bürgersteig gebaut.
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