Das Kanzlerhandy ist verwanzt. Die
vielen SMS waren nicht nur für befreundete Politikerinnen offen – wie die legendäre Botschaft vom nahenden Rücktritt Karl Theodors – sondern ebenso für
die so genannten befreundeten Dienste, ebenso ihre Gespräche. Wir können davon
ausgehen: Das hat viele Verhandlungen für die, die immer ein paar Asse mehr im
Ärmel hatten, kalkulierbarer und leichter gemacht. Ohne es zu merken, wurde unsere sonst eher zurückhaltende und vorsichtig agierende Frau Merkel zum sprichwörtlichen Waschweib.
Als Geheimschutzbeauftragter bekommt man
es schon in den Grundlehrgängen beigebogen: „Es gibt feindliche ebenso wie
befreundete Dienste. Gehen Sie vorsichtshalber davon aus, dass beide ungefähr
das Gleiche können und auch tun.“ Und das ist der eigentliche Skandal: Dass zwar
in unsere eigenen Dienste kaum vorstellbare Summen investiert werden, wie die Abermillionen
in den festungsähnlichen Neubau des BND in Berlin mit der Kantenlänge eines
U-Bahn-Streckenabschnitts und einer Fläche von mehr als 30 Fußballfeldern. Dass aber nicht einmal die Beratung der eigenen Regierungsspitze über
Informationsrisiken, Angriffstechniken und die Grenzen des technischen Schutzes
funktioniert hat. Nun ja, der Chef des BND (der, der zeitweise auch als fliegender-Teppich-Importeur in Erscheinung getreten war) ist ein erklärter und überzeugter
Atlantiker. Entweder wurde er hier nach allen Regeln der Kunst angefüttert
und eingewickelt. Oder die nationalen Hierarchien sind in der solidarischen Gruppendynamik und geschmeidigen Kooperation der Dienste ohnehin zweitrangig.
Die weitere Dimension: Am 11. Juni 2013
fand in Berlin der Jahrestag des BDI statt, des Bundesverbandes der Deutschen
Industrie. Am gleichen Tag hatte das Handelsblatt mit einer Titelgeschichte zur
NSA-Ausspähaffäre aufgemacht, mit Obamas ikonenhaftem Wahlkampf-Bild und -Logo „Yes we
can“ leicht verfremdet zu „Yes we scan“.
Das Handelsblatt wies in mehreren
Artikeln auf die naheliegenden Risiken der Industriespionage hin. In den
Festansprachen auf dem Jahrestag der Deutschen Industrie: Keine Spur davon,
kein einziger Hinweis, dass die Problematik auch nur begriffen worden wäre,
geschweige denn dass nun mit hoher Priorität Gegenstrategien auf die politische
Agenda kämen. Oder: Dass man den Vorsprung durch Technik sonst getrost abschreiben könnte. Siehe zum Problembereich NSA-Abhörskandal auch meinen Post vom 7.6.2013 "To die in friendly fire: Rechtsstaat, Privatsphäre und Freiheit".
Wie schon auf dem BDI-Jahrestag, dann auch im Wahlkampf: Ebenso wie zu Bundeswehr, Drohnen-Beschaffung und ISAF, so auch zum Abhörskandal komplette Fehlanzeige der Regierungsparteien. Bei unserer lokalen Podiumsdiskussion hatte
der CDU-Kandidat, der am 22. September dann erwartungsgemäß mit großer
Mehrheit gewählt wurde, auf konkrete Frage nach den möglichen Auswirkungen und etwaigen Vorsichtsmaßregeln ganz treuherzig gesagt: Er möchte gar nicht an der
Stelle der Dienste sein – soviel Blech anhören zu müssen! Das war wohl auch
abwiegelnd gemeint: Die Ozean-haften Informationsmengen unserer tagtäglichen
Kommunikation, die könnte doch ohnehin niemand abschöpfen oder gar auswerten; und das hatte man
sicher auch der Kanzlerin weisgemacht. Anm.: Der gute Mann war da schon für fünf Legislaturperioden im Bundestag und inzwischen immerhin amtierender Vorsitzender des Innenausschusses. Da sollte man mit der Arbeit der Dienste und der politischen Dimension von Abhör-Affären gut vertraut sein.
Wir haben einen gewaltigen blinden
Fleck. Oder sogar mehrere: Einerseits vor den Aktivitäten unserer
Bündnispartner – die zuallererst ihre nationalen Interessen im Blick haben, und
zwar erklärtermaßen auch die ihrer Wirtschaft. Andererseits, was die Risiken
von Technologie angeht, speziell der Informations- und
Kommunikationstechnologie – für die ein ständig wiederkehrendes Kanzlerwort offenbar
besonders gilt: „Alternativlos!“. Sind sie das wirklich oder sollte man nicht mal seriös mit den Bürgern darüber sprechen, dass es auch ein paar dunkle Flecken und Anlass für kluge Vorsicht gibt?
Der BND ist der
Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland und damit zuständig
für die Beschaffung sicherheits- und außenpolitisch relevanter Erkenntnisse aus
dem Ausland bzw. über das Ausland (§ 1 Abs. 2 BND-Gesetz).
Er darf hierzu nachrichtendienstliche Mittel, wie zum Beispiel Observation, Legendierungen
und Tarnkennzeichen, anwenden. Im Unterschied zu den Auslandsgeheimdiensten
einiger anderer Staaten hat der BND nach § 2 des BND-Gesetzes grundsätzlich
keine polizeilichen Exekutivbefugnisse, ist also z. B. nicht zur Durchführung
von Festnahmen berechtigt.
Seine Erkenntnisse gibt der Dienst
weiter an die Bundesregierung und Abgeordnete des Bundestags. Nach eigenen
Angaben erstellt der BND im Monat rund 300 Berichte zu verschiedenen Themen und
Ländern und beantwortet im Monat etwa 800 Anfragen zu Krisengebieten oder
konkreten Sachverhalten (Stand 2013). In Hintergrundgesprächen informiert der
BND Abgeordnete, er nimmt an Sitzungen von Bundestagsausschüssen teil und brieft
Ministerien. Seit Anfang 2009
ist der BND nicht mehr in acht, sondern in zwölf Abteilungen unterteilt. Der BND plant eine neue Abteilung mit 130
Mitarbeitern zur Abwehr von Cyberspionage.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen