Am 29. März 2012 kaufe ich bei
unserem Haus- und Hof-Discounter – dem mit den vier Buchstaben, deren erster nicht
„L“ ist – für meine Einzige und Beste das erste tablet unseres Familienlebens, für einen Euro weniger als 400 €,
von dem tatsächlich guten chinesischen Zulieferer Lenovo, hier aber unter der
Haus- und Hofmarke MEDION vertrieben. LIFETAB heißt das schöne Teil mit dem
MEDION-Produktcode MD99100 entsprechend dem Lenovo-Modell P9516. „LIFETAB“ soll
wohl so etwas verheißen wie „Tablet
für’s Leben“, vielleicht auch „lebendiges tablet“. MEDION, so steht es proudly presenting vorne auf der adretten
Verpackung, hatte gerade erst, nämlich für das Jahr 2011, den „Plus X Award“ erobert. Dieser Preis
wird für die „innovativste Marke im
Bereich IT und Gaming-Hardware“ ausgelobt. Na toll!
Tja – den Schriftzug „MEDION“
anzeigen, das ist seit zwei Jahren allerdings genau das Einige, was dieses schicke tablet noch beherrscht: Es startet noch,
und zwar genau bis zu diesen Großbuchstaben, und dabei friert es ein, ist „bricked“,
wie es im Jargon der einschlägigen Foren von Leidensgenossen heißt. Will sagen
„ist genau so aktiv ...“ oder „ist genau so viel wert … wie halt ein Ziegelstein“ - another brick in the wall des gigantisch aufwachsenden und rund um die Erde verteilten globalen Techno-Schrotts. Denn leider verfügt dieses tablet nicht über das gute alte Stecknadel-Loch für einen hardware-reset, mit dem man ein verwirrtes Gerät typischerweise in
den Werksauslieferungszustand zurück versetzen konnte. Jegliche Umgebungsreize
wie auch verschiedene im Internet angepriesenen Klammergriffe, z.B. gleichzeitiges Drücken der Einschalt- und anderer Tasten, oder Geheimtipps wie
das Trennen von der Stromversorgung und Neuaufladen bei Vollmond (war jetzt ein
bekümmerter Scherz) führen keinen Zehntelmillimeter weiter. In einem der Opfer-Foren lerne
ich: Selbst verzweifelte Handlungen wie das mehr oder weniger gewaltsame Öffnen
des tablet, gefolgt vom physischen
Trennen und Wieder-Anschluss des Akkus bringen genau gar nichts, zeitigen insbesondere kein Stein-Erweichen. Es soll wohl
bis zur nächsten Steinzeit bei dem werbenden Schriftzug „MEDION“ bleiben – aus
verbraucherpsychologischer Sicht ein Tiefpunkt des Marketing. Da ist das tablet übrigens auch sehr verlässlich und entspricht mustergültig dem Verpackungsversprechen "Lange Akku-Laufzeit", denn es präsentiert die frohe MEDION-Kunde auch noch nach Monaten, ohne Nachladen. Meine Anmerkung
für den Hersteller: Kunden-tröstlicher wäre an dieser Stelle eine wie folgt leicht
ergänzte Anzeige:
„It’s no
miracle – it’s a
MEDION“ ;-)
MEDION“ ;-)
Zur Zeit des Durchsinterns unseres smarten
Flach-Computers sind die Gewährleistungs- und Garantiezeiten naturgemäß schon
ein paar gute Monate lang abgelaufen. Drum frage ich beim MEDION-Service unter
genauer Beschreibung des Sachverhalts arglos an: „Was würde denn in den MEDION-Fachwerkstätten
ein reset kosten?“ MEDION vergibt sofort eine Anfrage-Nummer, meldet sich in
der Folge aber erstmal nicht. Auf meine Nachfrage schreibt MEDION dann
fröhlich, man sei glücklich, dass das Problem gelöst werden konnte – ich wusste
jetzt nicht, welches Problem, denn meines jedenfalls war es meines Wissen
nicht. Auf weiteres Nachhaken freute man sich treuherzig, mir ein brandneues
tablet zu einem schönen Preis anbieten zu können.
Genau das will ich aber gerade
nicht: Ich sehe überhaupt nicht ein, eine prinzipiell gesunde hardware mit einem ökologischen Rucksack von ca. 200 kg einfach in die
Elektronik-Schrott-Tonne zu treten. Um es ein wenig begreif-lich zu machen: Ich müsste dabei ca. 200 kg heben oder
treten – denn etwa soviel wiegt der „ökologische Rucksack“ eines tablet. Der ökologische Rucksack drückt
aus, wie stark die Herstellung, Nutzung und Entsorgung eines Produkts die
Umwelt belasten. Um ihn zu füllen, zählt man alle der Umwelt entnommenen
Materialien zusammen, die im gesamten Lebenszyklus des Produkts bewegt werden
(siehe nähere Erläuterungen http://www.bne-bw.de/fileadmin/resources/service/publikationen/themenhefte/Themenheft_Ressourcen.pdf,
siehe ferner zu Energiebedarf und CO2-Intensität der smartphone-Produktion https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/s01981_greenpeace_report_10_jahre_smartphone.pdf).
Für ein Handy nimmt man gemeinhin ein
(durchschnittliches) Rucksackgewicht
von ca. 75 kg an, für ein Notebook
schon etwa 430 kg
– unser tablet dürfen wir dann mit
den oben genannten ca. 200 kg
m.E. halbwegs verlässlich extrapolieren.
Weiter im Text: Alle meine kleinen
Verbraucher-Vorstöße konnten MEDION auch in der Folge nicht dazu verführen, mal
nur eine Preisschätzung für die erforderliche Reparatur zu nennen. Sehr
verwunderlich, denke ich, denn es hätte hier ja nur eine rein Software-bezogene
Behandlung sein müssen und das hätte nicht einmal das Öffnen des tablet
erfordert. Die Problemlage müsste MEDION auch ausweislich einer breiten, sogar globalen Internet-Präsenz
des bricked MD99100 bestens vertraut sein.
Vor ein paar Tagen ziehe ich nun mit
unserem von allen Geistern verlassenen tablet in das Reparatur-Café
Burscheid. Das ist eine sehr geniale Initiative, die abwechselnd im Tri-Café
an der Burscheider Bürgermeister-Schmidt-Straße und im Hilgener
Alten Bahnhof aktiv ist: In regelmäßigen Abständen kann man von erfahrenen
Hand- und/oder Heimwerkern Hilfe zur
Reparatur der verschiedensten Alltags-Gegenstände bekommen, seit Neustem
auch für Elektronik. Dazu gibt’s noch nach Wunsch Herzhaftes, Süßes und/oder
Getränke – alles auf Spendenbasis. Es kommen wohl auch einige dankbare Spenden
zusammen. Denn schon zur Mittagszeit ist das dezent bereit gestellte
Sparschwein von Geldscheinen glücklicher Besucher so gespickt und gemästet,
dass man ihm Weiteres nicht mehr von oben, sondern nur noch von unten zuführen kann, rektal sozusagen.
Ich rücke mit drei Sorgen/Fragen
an – mit besagtem tablet, sodann mit
einem per Überspannung gehimmelten Kinder-Kassetten-Recorder meiner Enkel und schließlich
mit einem Hobel, den ich für einen do-it-yourself geschreinerten Waschtisch-Unterschrank brauche, den ich aber noch nicht recht anzuwenden weiß. Andere kommen mit
einem Plattenspieler, der partout seinen Teller nicht mehr drehen will, mit einer etwa metergroßen Kaffeemühle (wie man sie z.B. aus der Dallmayr-Kaffeehaus-Werbung kennt), die zunächst überhaupt nichts tut, dann mit behutsamer Hilfe zum Leben erwacht, aber zunächst noch im 10-Sekunden-Takt Siesta macht, mit defekten alten Fahrrädern und
mit vielen anderen Geräten, bei denen der moderne Menschenverstand sagen würde:
„Vergiss es!“ Oder bei denen ein Händler oder auch ein Handwerker ohne weitere
Prüfung Neuware einschmeichelnd empfehlen würde. „Wäre doch billiger. Selbst das Nachsehen
kostet auf jeden Fall mehr. Und Sie haben Garantie!“
Der Elektronik-Spezialist im
Parterre hört sich geduldig meine tablet-Geschichte an, schaut auch im Internet nach
und macht dann notgedrungen ein etwas gequältes Gesicht: „Tja, das dürfte wirklich ein Problem sein. Hardware-reset scheidet wohl
tatsächlich aus. Bei diesem tablet ist das Booten ins Stock-Recovery geblockt;
das kann man höchstens mit tiefen Android-Programmier-Kenntnissen was
ausrichten.“ Das ist in etwa auch das, was in den einschlägigen Foren
ausgetauscht wird – für mich allerdings, der höchstens noch ein bisschen
BASIC-Programmierung drauf hat, ist es Lichtjahre zu hoch. Ich danke sehr und
gehe mit meinem nächsten Problem – ausgebrannter Kassettenrecorder – in die
erste Etage. An den Überspannungs-Folgen ist leider gar nichts mehr zu machen,
der Verstärker ist tatsächlich geröstet und beim allerbesten Willen nicht wieder
herzustellen. Vielleicht auf dem nächsten Flohmarkt einen ähnlichen Kinder-Recorder suchen und dann schlicht die Leiterplatte transplantieren, damit für die Enkel das vertraute look&feel erhalten? Werde ich versuchen. Aber der gleiche freundliche Hand- oder Heimwerker, der zufällig
oder gar nicht zufällig aus einer Tischlerfamilie stammt, kann mir bei meinem
Hobel-Problem wunderbar weiterhelfen – womit sich der Besuch des Reparatur-Cafés
mehr als gelohnt hat.
Dann aber kommt noch das Verblüffende, eigentlich extrem Unwahrscheinliche. Oder aber im Gegenteil das überzeugende Indiz, dass hinter meinem tablet-Ärger doch so etwas wie System steckt oder jedenfalls eine strukturelle Problematik: Nach einer geglückten Reparatur des eingangs erwähnten Plattenspielers – der Besitzer strahlt nach 15 Minuten Bangen und Hoffen über alle Wangen – kommt an den gleichen Tisch ein ratsuchender Bürger mit einem tablet; der Elektronik-Spezialist von unten hat ihn als letzte Rettung hinauf zu den hier werkelnden älteren Kollegen geschickt. Sie dürfen jetzt raten. Es ist ein MEDION MD99100 und es ist seit einigen Wochen ebenso „bricked“ oder versteinert wie unseres.
Dann aber kommt noch das Verblüffende, eigentlich extrem Unwahrscheinliche. Oder aber im Gegenteil das überzeugende Indiz, dass hinter meinem tablet-Ärger doch so etwas wie System steckt oder jedenfalls eine strukturelle Problematik: Nach einer geglückten Reparatur des eingangs erwähnten Plattenspielers – der Besitzer strahlt nach 15 Minuten Bangen und Hoffen über alle Wangen – kommt an den gleichen Tisch ein ratsuchender Bürger mit einem tablet; der Elektronik-Spezialist von unten hat ihn als letzte Rettung hinauf zu den hier werkelnden älteren Kollegen geschickt. Sie dürfen jetzt raten. Es ist ein MEDION MD99100 und es ist seit einigen Wochen ebenso „bricked“ oder versteinert wie unseres.
Der einzige Unterschied: Statt meiner wie eingemeißelten Instant-Anzeige "MEDION" ist es dort ebenso zutreffend wie nutzlos halt mal der Schriftzug "LIFETAB", bei dem das tablet im Booten einfriert. Dieser unglückliche Besitzer hat schon einen ähnlichen Weg hinter sich wie ich,
ist sogar schon einen Schritt weiter gegangen: Er hatte sein tablet geöffnet
und versuchsweise den Akku abgeklemmt.
Wie wir das auch sonst häufig und erfolgreich zu tun gelernt haben – Netzstecker ziehen, etwas abwarten, wieder einschalten. Unser heimatlicher Fernseh-Receiver/Recorder oder auch unser WLAN-Router verlangen geradezu danach, wenn sie sich mal wieder aufgehängt haben. Wie oben beschrieben, ist bei genau diesem tablet aber auch dies leider keine indizierte Behandlungsmethode. Noch etwas mutloser geht der (andere) tablet-Besitzer von hinnen, sagt allerdings, dem Hörensagen nach gebe es in der Düsseldorfer Altstadt einen kleinen Laden, der sich auf die (Wunder-)Heilung solcher tablets spezialisiert habe. Den wolle er nun als Nächstes aufsuchen. Viel Glück!
Wie wir das auch sonst häufig und erfolgreich zu tun gelernt haben – Netzstecker ziehen, etwas abwarten, wieder einschalten. Unser heimatlicher Fernseh-Receiver/Recorder oder auch unser WLAN-Router verlangen geradezu danach, wenn sie sich mal wieder aufgehängt haben. Wie oben beschrieben, ist bei genau diesem tablet aber auch dies leider keine indizierte Behandlungsmethode. Noch etwas mutloser geht der (andere) tablet-Besitzer von hinnen, sagt allerdings, dem Hörensagen nach gebe es in der Düsseldorfer Altstadt einen kleinen Laden, der sich auf die (Wunder-)Heilung solcher tablets spezialisiert habe. Den wolle er nun als Nächstes aufsuchen. Viel Glück!
Was mich im Grunde am meisten irritiert:
Den Konsum- und Marktgesetzen folgend müsste MEDION – zumindest auf Druck des
o.g. Haus- und Hoflieferanten – unseren Kundenfrust über so wenig
Nachhaltigkeit scheuen, so wie der Teufel das Weihwasser. Wer schon nach
wenigen Nutzerjahren so viel Geld abschreiben muss, nur weil ein reset nicht
zustande kommt, wer vielleicht gar wichtige Daten / Fotos auf Nimmerwiedersehen
verliert, der wird mit einiger Wahrscheinlichkeit beim Nachfolgemodell einen anderen Händler oder ein anderes Label aufsuchen. Was wir dann
tatsächlich auch getan haben – übrigens nicht nur im Falle unseres tablet, sondern ebenso bei einem Fernseh-Receiver/Recorder der gleichen
Marke. Der hatte sich nach (man möchte sagen: immerhin) vier Nutzungsjahren
endgültig von seinen SAT-Antennen abgemeldet und ließ sich durch nichts, nicht
einmal durch das Aufspielen neuer firmware
dazu verleiten, wieder auf Empfang zu gehen.
Zurück zum noch brachliegenden tablet: Habe mir inzwischen ein Handbuch zur Java- bzw.
Android-Programmierung besorgt. Denn ich sehe nach wie vor nicht ein, ohne
Gegenwehr 400 Öcken abzuschreiben und das tablet in die Tonne zu treten. Wenn ich beim Reanimieren erste
Lebenszeichen feststelle, werde ich es hier melden und ebenso an das famose
o.g. Reparatur-Café. Denn das ist wirklich eine geniale Idee – die praktischen
Erfahrungen vieler zum Erhalt objektiv wertvoller oder jedenfalls ans Herz
gewachsener Artefakte zusammen zu schließen. Und das Reparatur-Café ist eine
hervorragende Informations- und Kommunikationsbörse, gerade für vorgerückte
Altersklassen. Am Kaffeetisch sprechen wir über die frappierend geringe
Halbwertzeit von technischem know how.
Dass etwa die USA bereits ca. sieben
Jahre nach dem letzten Mondflug i. J. 1972 im Rahmen des Apollo-Programms nicht mehr in der Lage waren, eine SATURN
VB zu bauen: Die Zulieferer-Firmen waren teils auseinandergefallen,
Wissensträger waren nicht mehr verfügbar, Datenträger mit Konstruktions-,
Bedienungs- und Test-Details waren nicht mehr auslesbar, teils auch mangels
funktionsfähiger Bandlaufwerke. Es hätte eine vollständige Neu-Konstruktion verlangt. Und dafür war naturgemäß keine
Staatsknete mehr verfügbar – das politisch aufgeladene Mond-Rennen war ja schon
mit der erfolgreichen Mission Apollo 11 am 20./21.7.1969 gewonnen; man höre
noch den legendären, nicht mal patriotischen („… mankind“) Spruch von Neil
Armstrong. Der Rest war eigentlich nur noch Nachspiel, auch
wissenschaftlich von begrenztem Wert.
Tja, sagt einer der Beteiligten,
im Grunde wären die hilfreichen Hand- und Heimwerker des Reparatur-Café ja auch
solche Typen wie das Urgestein aus dem Kinofilm „Space Cowboys“ – dort ging es
um einen wild gewordenen waffenbestückten Satelliten, der nur von vier Leuten mit
Erfahrung in alten Programmier- und Steuerungstechniken zur Räson gebracht
werden konnte, von „Oldies but Goldies“. Das ist irgendwie sehr tröstlich. Und
in den letzten Tagen habe ich, auch ermutigt durch das Reparatur-Café, mit großer Genugtuung ein Philips-Tonbandgerät N4307
aus den Sechzigern wieder zum Singen gebracht; es hatte unter der für diese
Baujahre notorischen Gummi-Pest gelitten und keinen einzigen Ton mehr
herausgebracht. Ca. vier Stunden Arbeit und teils recht schwarze Finger – und eine
gute Bekannte kann nun die damaligen Songs wieder im angestammten Sound hören,
von einem Gerät mit auch bemerkenswert aufwändigem Design, mit dezent
unterschiedlich eloxierten Alu-Oberflächen und mit Gehäuseflanken in Echtholz!
Einzelheiten in einem gesonderten Blog.
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