So lange bis zur Wahl ist es nun nicht mehr. Was aber sagen die inzwischen veröffentlichten Wahlprogramme zur vergangenen, gegenwärtigen und beabsichtigten Rolle der Bundeswehr? Gibt es schlüssige Analyse zu bisherigen Einsätzen? Alles gut? Gibt es lessons learnt? Oder eher frischen, unbekümmerten Mut für morgen? Gibt es etwa kritische Betrachtungen zu vielleicht auch selbstgesetzten Ursachen der massiven Flüchtlingswellen Mitte der Neunziger Jahre und der neueren Zeit? Immerhin spielen die innere Sicherheit und eine offenbar nicht stabiler gewordene Weltlage in diesem Wahlkampf eine wesentliche Rolle.
Meine Prüfsteine für die Wahlprogramme sehen darum wie folgt aus – und ich werde versuchen, sie auf die einzelnen Programme loszulassen. Bei der Bewertung werde ich in Klammern die jeweilige Seite und dort den jeweiligen Absatz des offiziellen Programms zitieren.
1. Rechenschaft / Analyse
Gibt es eine nachvollziehbare Rechenschaft zu früheren bzw. laufenden Einsätzen, insbesondere in Somalia, auf dem Balkan, in Afghanistan oder Südsudan? Gibt es ansatzweise eine Betrachtung zum etwaigen Kontext zwischen nicht erfolgreichen Auslandseinsätzen, auch von Partnern, und zunehmender Destabilisierung, wachsendem Extremismus und Fluchtbewegungen, z.B. bzgl. Afghanistan, Irak. Libyen oder zu den Balkanstaaten?
Gibt es eine nachvollziehbare Rechenschaft zu früheren bzw. laufenden Einsätzen, insbesondere in Somalia, auf dem Balkan, in Afghanistan oder Südsudan? Gibt es ansatzweise eine Betrachtung zum etwaigen Kontext zwischen nicht erfolgreichen Auslandseinsätzen, auch von Partnern, und zunehmender Destabilisierung, wachsendem Extremismus und Fluchtbewegungen, z.B. bzgl. Afghanistan, Irak. Libyen oder zu den Balkanstaaten?
2. Gesetzesvorbehalt vs. ad hoc
Nennt das Programm konkrete, vorhersagbare, ggf. justiziable Kriterien für Auslandseinsätze? Stellt es eine gesetzliche Regelung von Einsatzgründen in Aussicht, z.B. in Gestalt einer Anpassung des Grundgesetzes bzw. des Erlasses eines Bundeswehraufgabengesetzes?
Nennt das Programm konkrete, vorhersagbare, ggf. justiziable Kriterien für Auslandseinsätze? Stellt es eine gesetzliche Regelung von Einsatzgründen in Aussicht, z.B. in Gestalt einer Anpassung des Grundgesetzes bzw. des Erlasses eines Bundeswehraufgabengesetzes?
3. NATO / VN; Risiken und Interessen
Welchen Stellenwert haben NATO und VN? Was sind die relevanten Risiken und Interessen aus deutscher Sicht?
Welchen Stellenwert haben NATO und VN? Was sind die relevanten Risiken und Interessen aus deutscher Sicht?
4. Wehrverfassung
Gibt es Strategien für die Rekrutierung junger Soldaten bzw. eine Position zur Frage Berufsarmee oder Wehrpflicht? Thematisiert das Programm radikale Umtriebe?
Gibt es Strategien für die Rekrutierung junger Soldaten bzw. eine Position zur Frage Berufsarmee oder Wehrpflicht? Thematisiert das Programm radikale Umtriebe?
5. Organisation / Haushalt
Trifft das Programm Aussagen zur Organisation und Ausstattung der Bundeswehr? Wie ist dies ggf. begründet?
Trifft das Programm Aussagen zur Organisation und Ausstattung der Bundeswehr? Wie ist dies ggf. begründet?
6. Bemerkenswertes
Gibt es Positionen, die sich vom Schnitt der Programme unterscheiden, bzw. Punkte, die gerade durch ihr Fehlen auffallen?
Gibt es Positionen, die sich vom Schnitt der Programme unterscheiden, bzw. Punkte, die gerade durch ihr Fehlen auffallen?
Ich werde mich auf die – auch in der derzeitigen öffentlichen Debatte – gewichtigeren Wahlbewerber konzentrieren und diese in der Reihenfolge der Ergebnisse bei der 2013er Wahl behandeln, also in dieser Folge: CDU/CSU (41,5%), SPD (25,7%), DIE LINKE (8,6%), BÜNDNIS’90/DIE GRÜNEN (8,4%), FDP (4,8%), AfD (4,7%).
Hier folgt nun der zweite Post, der zur Programmatik der SPD.
Quelle zum SPD-Programm, wie es am 23.5.2017 beschlossen wurde:
https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Bundesparteitag_2017/Es_ist_Zeit_fuer_mehr_Gerechtigkeit-Unser_Regierungsprogramm.pdf
1. Rechenschaft / Analyse
Gibt es eine nachvollziehbare Rechenschaft zu früheren bzw. laufenden Einsätzen, insbesondere in Somalia, auf dem Balkan, in Afghanistan oder Südsudan? Gibt es ansatzweise eine Betrachtung zum etwaigen Kontext zwischen nicht erfolgreichen Auslandseinsätzen, auch von Partnern, und zunehmender Destabilisierung, wachsendem Extremismus und Fluchtbewegungen, z.B. bzgl. Afghanistan, Irak. Libyen oder zu den Balkanstaaten?
Gibt es eine nachvollziehbare Rechenschaft zu früheren bzw. laufenden Einsätzen, insbesondere in Somalia, auf dem Balkan, in Afghanistan oder Südsudan? Gibt es ansatzweise eine Betrachtung zum etwaigen Kontext zwischen nicht erfolgreichen Auslandseinsätzen, auch von Partnern, und zunehmender Destabilisierung, wachsendem Extremismus und Fluchtbewegungen, z.B. bzgl. Afghanistan, Irak. Libyen oder zu den Balkanstaaten?
Bewertung:
Das Programm enthält kein differenzierendes
Assessment bzw. keine Bewertung nach Zielerreichung bzw. Nebenfolgen von bisherigen
oder laufenden Auslandseinsätzen. Einsätze werden sehr apodiktisch als gegebene
und erfolgreiche Übernahme von Verantwortung beschrieben; dies wird lediglich um
die allgemeinen Voraussetzungen ergänzt: „Die
Bundeswehr übernimmt heute in den verschiedenen Auslandseinsätzen im Rahmen von
Vereinten Nationen, EU und NATO große Verantwortung für Stabilität und
Sicherheit in der Welt. Grundsätzlich gilt bei Auslandseinsätzen: Eine
Beteiligung der Bundeswehr an bewaffneten Auslandseinsätzen erfolgt im Rahmen
der Vereinten Nationen, auf der Grundlage des Völkerrechts sowie im Rahmen von
Systemen kollektiver Sicherheit nach Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes.
Voraussetzung ist die Zustimmung des Deutschen Bundestags im Sinne des Parlamentsvorbehalts.
Ein militärischer Beitrag Deutschlands muss immer in ein politisches
Gesamtkonzept eingebettet sein.“ (82/4)
Die darauf folgende Einschätzung zur
Demokratie-Nähe der Bundeswehr darf man wohl auch auf das von der SPD
wahrgenommene Gelingen dieses Aufgabenbereichs insgesamt beziehen: „Die Bundeswehr hat sich als Armee in der
Demokratie und für die Demokratie bewährt.“ (82/5). Auch wenn das Programm
an anderer Stelle das notwendige Bekämpfen der „Konflikte an ihren Ursachen“ anspricht (80/1) bzw. den „Umgang mit strukturell schwachen und vom
Bürgerkrieg gezeichneten Staaten“ (80/5), so stellt es nicht etwa auch militärische
Eingriffe als ggf. naheliegende Konfliktauslöser oder Konfliktverstärker auf
den Prüfstand. Persönlich hätte ich zumindest einen dezidierten
Untersuchungsauftrag an die Friedens- und Konfliktforschung erwartet;
tatsächlich aber wird diese in Deutschland institutionell gut ausgeprägte und
traditionell besonders von der SPD geförderte Disziplin hier an keiner Stelle
genannt – und dies trotz der insgesamt herausgehobenen Bedeutung von Wissenschaft
und Forschung in diesem Programm. Wenn, dann wird zur Migration Erkenntnisbedarf
lediglich zur Aufnahmeseite angemeldet: „Wir sollen mehr über die Auswirkungen von Ein- und Auswanderungen auf
den gesellschaftlichen Wandel erfahren. Dafür sind wissenschaftsbasierte
Analysen notwendig. Wir haben uns erfolgreich für eine nachhaltige,
institutionelle Stärkung der Migrations- und Integrationsforschung und eine
bessere Vernetzung der Forschenden eingesetzt und wollen dies noch weiter
vorantreiben.“ (68/3).
Nichts Vergleichbares finde ich zu ggf. selbst oder
von Verbündeten verantworteten Treibern für Migration und zu deren
künftiger Minimierung, damit keine Rechenschaft bzw. keine lessons learnt. Anstöße und Anlass für eine kritische Reflektion
und Rechenschaft sind verfügbar, s. z.B. zu Afghanistan nur http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/ex-generalinspekteur-kujat-erklaert-afghanistan-einsatz-fuer-gescheitert/4694744.html.
oder https://www.tagesschau.de/ausland/afghanistan-kundus-bundeswehr-101.html.
2. Gesetzesvorbehalt vs. ad hoc
Nennt das Programm konkrete, vorhersagbare, ggf. justiziable Kriterien für Auslandseinsätze? Stellt es eine gesetzliche Regelung von Einsatzgründen in Aussicht, z.B. in Gestalt einer Anpassung des Grundgesetzes bzw. des Erlasses eines Bundeswehraufgabengesetzes ergänzend zum Parlamentsbeteiligungsgesetz?
Nennt das Programm konkrete, vorhersagbare, ggf. justiziable Kriterien für Auslandseinsätze? Stellt es eine gesetzliche Regelung von Einsatzgründen in Aussicht, z.B. in Gestalt einer Anpassung des Grundgesetzes bzw. des Erlasses eines Bundeswehraufgabengesetzes ergänzend zum Parlamentsbeteiligungsgesetz?
Bewertung:
Das
Programm nennt keine expliziten Kriterien
oder Fallgruppen für Auslandseinsätze,
führt nur die allgemeinen Voraussetzungen wie Völkerrechtsbasierung auf bzw.
(unklar, ob kumulativ oder alternativ) ein System kollektiver Sicherheit als
Rahmen und in jedem Fall einzuhalten den jeweiligen konstitutiven
Parlamentsbeschluss, s.o. (82/4). Konkrete Bundeswehraufgaben definiert
das Programm nicht, sondern spricht
im Abschnitt „Moderne Streitkräfte zur Sicherung des Friedens“ lediglich von „Landes- und Bündnisverteidigung“
(erstgenannter Aufgabenbereich!), sodann lediglich pauschal von der „internationalen Krisenbewältigung“
(82/4).
Ich gehe
davon aus: Die SPD hält das bisherige bündnisfreundliche, auf die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts v. 19./20.4.1994 gestützte Verfahren einer
jeweiligen ad-hoc-Entscheidung des Bundestags über einen vorangehenden
Beschluss, wie es dann Grundlage des Parlamentsbeteiligungsgesetzes
v. 18.3.2005 geworden ist, für nach wie vor richtig. Eine Initiative zur verfassungsrechtlichen oder gesetzlichen
Klarstellung von Einsatzgründen steht seitens der SPD offenbar nicht an. Hier wäre zumindest eine
differenzierende Position zu erwarten gewesen. Denn die vom Bundestag in der
laufenden Legislatur eingesetzte Kommission
zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von
Auslandseinsätzen der Bundeswehr hatte in der expliziten Nr. 13 ihres
Berichts zu einem kritischen Reflexionsprozess zu den verfassungsrechtlichen
Grundlagen von Einsätzen der Streitkräfte aufgefordert, gerade da es im Verlauf
der Kommissionsarbeit gewichtige – und ausweislich des beschlossenen Inhalts
unter den Mitgliedern mehrheitlich
geteilte –verfassungsrechtliche Zweifel an der bisherigen Praxis gibt
(Unterrichtung des Bundestages v. 16.6.2015 in Drs.
18/5000, siehe dort S. 44f; siehe auch Weißbuch
2016, S. 109).
Aus
dieser Sicht folgerichtig werden Menschenrechtsverletzungen
durch Militär oder anlässlich von militärischen Auslandseinsätzen gar nicht erst problematisiert (die sog. collateral damages, etwa die beträchtlichen
zivilen Opfer nach der Tanklaster-Luftschlag
am Kundus). Anm.: Auch selbst der Schutz
von Menschenrechten durch
militärische Einsätze ist nicht besonders herausgehoben, er ist lediglich
mittelbar abzuleiten, wenn ausgeführt wird: „Sozialdemokratische Friedenspolitik basiert immer auf einem umfassenden
Sicherheitsbegriff, der soziale, wirtschaftliche, ökologische, kulturelle und
menschenrechtliche Aspekte bei Konfliktprävention und -lösung mit
einschließt. Damit stehen stets starke zivile Instrumente im Vordergrund, die
gegebenenfalls durch ein Mandat des Bundestags für militärische Einsätze
ergänzt werden können.“ (83/3). Wo das SPD-Programm den Schutz von
Menschenrechten explizit behandelt (ab 87/9) ist eine militärische Option kaum
zu erkennen, ggf. ist dies von „(die) Handlungsspielräume
von Menschenrechtsverteidigern schützen und ausbauen“ mit gemeint
sein, vielleicht auch mit dem an dieser Stelle folgenden Bekenntnis zum Prinzip
der sogenannten Schutzverantwortung / R2P
(87/10). Anm.: Das Motivieren von militärischen Auslandseinsätzen durch den
Menschenrechtsschutz ist prinzipiell nachvollziehbarer als eine Begründung
durch Handelsziele oder Ziele der Bündnis- oder Geopolitik; eine humanitäre
Motivation erreicht – soweit durch Umfragen belegbar – auch eine signifikant
höhere Akzeptanz bei den Bürgern. Gleichzeitig liefern Menschenrechtsverletzungen
ein Eingriffsmotiv, das in der Vergangenheit und möglicherweise in der
Gegenwart sehr häufig missbraucht worden ist. Speziell die Figur der R2P ist in
den vergangenen Jahren wegen bisher ungelöster Widersprüche umstrittener
geworden, da sie den Souveränitätsbegriff des Völkerrechts relativieren muss
und typischerweise auch auf einen regime
change zielen muss, um nachhaltig die Ziele erreichen zu können; insoweit
halte ich diese Passage des Programms für potenziell apologetisch für
interventionistische Bestrebungen und durchaus kritisch.
3. NATO / VN; Risiken und Interessen
Welchen Stellenwert haben NATO und VN? Was sind die relevanten Risiken und Interessen aus deutscher Sicht?
Welchen Stellenwert haben NATO und VN? Was sind die relevanten Risiken und Interessen aus deutscher Sicht?
Bewertung:
Für die Außen- und Sicherheitspolitik betont das Programm
kollektive und prinzipiell zivile/friedliche
Lösungswege, auf dem Verhandlungswege und mit fairem Interessenausgleich,
notfalls in kleinen Schritten; als Zukunftsaufgaben bzw. gemeinsam zu
bekämpfende Risiken nennt es Kampf gegen
Hunger und Armut, Klimawandel, bewaffnete Konflikte und weltweite Migrationsbewegungen (80/1;
Hinweis: an dieser Stelle ist „Terrorismus“ nicht explizit erwähnt; wegen der
kritischen Erfahrungen mit einem propagandistischen „Krieg gegen den globalen
Terrorismus“ begrüße ich das; siehe auch die Präferenz nichtmilitärischer
Terrorismusvorsorge unter 83/2). Die SPD kündigt gleichzeitig m.E. unterstützenswerte
Initiativen gegen (aus Sicht der Industriestaaten: hausgemachte) Risiken
militärtechnischer Entwicklung und des Waffenhandels an: Entspannung und Abrüstung,
auch über das Dialogforum OSZE (81/5), Reduzierung der Rüstungsexporte (82/1), insbesondere Unterbinden von Kleinwaffenexporten außerhalb von EU,
NATO und vergleichbaren Ländern (82/2) sowie die völkerrechtliche Ächtung autonomer Waffensysteme (82/3).
Als Rahmen kollektiven militärischen Handelns nennt das Programm die VN, EU und NATO, und
zwar in dieser Reihenfolge (82/4), als wichtiges Dialogforum wie gesagt auch
die OSZE (81/5). Die transatlantische
Partnerschaft wird betont, interessanterweise mit dem kleinen Seitenhieb, dies
gelte unabhängig von der jeweiligen
Regierung (83/7).
Russland dagegen lastet
das SPD-Programm im Zusammenhang mit der Ost-Ukraine und der Krim das Verletzen
fundamentaler Prinzipien der europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung an
(84/2). Anm.: Unausgesprochen bleibt hier, ob nicht der Westen im Zuge der
Neuordnung des Balkans Anfang der Neunziger Jahre ebenfalls prinzipienlos und
völkerrechtswidrig agiert hatte; auch eine aktivere oder passivere Rolle des
Westens im Rahmen des Sturzes oder Abtretens der gewählten Regierung
Janukowitsch im Frühjahr 2014 ist noch immer strittig.
4. Wehrverfassung
Gibt es Strategien für die Rekrutierung junger Soldaten bzw. eine Position zur Frage Berufsarmee oder Wehrpflicht? Thematisiert das Programm radikale Umtriebe?
Gibt es Strategien für die Rekrutierung junger Soldaten bzw. eine Position zur Frage Berufsarmee oder Wehrpflicht? Thematisiert das Programm radikale Umtriebe?
Bewertung:
Nach dem Programm erwarte ich keine Initiative zur Wiedereinsetzung
der Wehrpflicht. Reaktionsbedürftiger Extremismus in der Bundeswehr oder
bei potenziellen Bewerbern wird nicht thematisiert. Allerdings setzt sich das
Programm – möglicherweise in diesem hier unausgesprochen bleibenden Kontext –
für verbesserte Ausbildung und spezifische Anreizsysteme ein, nämlich „die Schaffung einer eigenen
Besoldungsordnung im Rahmen des Bundesbesoldungsgesetzes für Soldatinnen und
Soldaten sowie die Weiterentwicklung des Status- und Laufbahnrechts“
(82/5).
Bei mir bleiben sehr erhebliche Zweifel, ob ohne eine Konkretisierung auf für die bürgerliche Mitte
identifikationsfähige Bundeswehraufgaben in der Nähe der früheren
Verteidigungsaufgabe der bereits seit mehr als 20 Jahren bestehende Trend
zu einem signifikant autoritär orientierten Bewerberfeld umgekehrt werden
könnte, siehe eine einschlägige Studie des (früheren) Sozialwissenschaftlichen
Instituts der Bundeswehr: Heinz-Ulrich
Kohr, "Rechts zur Bundeswehr, links zum Zivildienst?
Orientierungsmuster von Heranwachsenden in den Alten und Neuen Bundesländern
Ende 1992" (SOWI-Arbeitspapier Nr. 77, München, März 1993) = http://www.mgfa-potsdam.de/html/einsatzunterstuetzung/downloads/ap077.pdf?PHPSESSID=92bb8
Positiv
bewerte ich eine Initiative, „die Betreuung und Nachsorge von Soldatinnen
und Soldaten nach Kampfeinsetzen (zu) verbessern
und ab(zu)sichern“ (82/6), mag
darin auch ein unaufgelöstes kritisches Moment stecken: Die individuelle Last etwa
durch die PTB-Störung
bzw. das Sonderopfer von Soldatinnen und Soldaten im Einsatz wird gesehen; sie
ist auch heute nicht mehr zu übersehen. Diese Last wird aber offenbar als
alternativlos wahrgenommen. Zu der eigentlich fälligen offenen Bilanz und rechtsstaatlichen
Abwägung, ob nämlich kollektive wie individuelle Vorteile und Nachteile und
Nebenfolgen eines Einsatzes in einem angemessenen, auch mit unserer Verfassung bruchfrei
vereinbaren Verhältnis standen und stehen, pars pro toto etwa im Falle ISAF, dazu
kann sich die SPD hier leider nicht durchringen.
Positiv sehe ich
ferner die Ankündigung der SPD, künftig keine
Minderjährigen mehr als Soldatinnen oder Soldaten einzustellen (83/4). Sie
reagiert damit auf die Debatte, die auf parlamentarische Anfragen der LINKEN
folgte (z.B. Anfrage v. 1.3.2016, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/077/1807787.pdf
u. Antwort der Bundesregierung v. 30.3.2016, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/080/1808003.pdf).
Anm.: Als noch konsequenter hätte ich es angesehen, Minderjährige auch nicht
für eine vorlaufende Beschäftigung in der Wehrverwaltung zu binden, sie auch
erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt – etwa im Alter von 21 Jahren –
erstmals für Kampfeinsätze zu verwenden.
5. Organisation / Haushalt
Trifft das Programm Aussagen zur Organisation und Ausstattung der Bundeswehr? Wie ist dies ggf. begründet?
Trifft das Programm Aussagen zur Organisation und Ausstattung der Bundeswehr? Wie ist dies ggf. begründet?
Bewertung:
Die SPD kündigt Steigerungen des Wehretats an, wendet
sich allerdings sehr nachdrücklich gegen das Ziel, dort mittelfristig 2% des
BIP zu erreichen: „Wir werden die
erkannten Lücken bei Personal und Material zügig schließen und dafür die notwendige
Steigerung des Verteidigungshaushaltes sichern. Wir wenden uns allerdings entschieden
gegen völlig unnötige und unrealistische Steigerungsraten des deutschen Verteidigungshaushaltes.
Eine apodiktische Festlegung auf einen Anteil der jährlichen Ausgaben für die
Bundeswehr auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts käme einer Verdoppelung
unserer derzeitigen Ausgaben gleich und würde mehr als 70 Milliarden Euro pro Jahr
für die deutsche Rüstungs- und Verteidigungspolitik bedeuten. Das wird es mit
der SPD nicht geben.“ (82/7, 83/1). Wegen der Priorität ziviler Instrumente
werde die SPD dafür sorgen, dass „zusätzliche
Ausgaben für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands durch zusätzliche Ausgaben
für Krisenprävention, humanitäre Hilfe und nachhaltige Entwicklung ergänzt
werden.“ (83/2, siehe auch 83/3 zu einem umfassenden Sicherheitsbegriff und zur Subsidiarität militärischer
Instrumente).
Dass eine Etatsteigerung nur konkret bedarfsbezogen, nicht aber
als pauschale Steigerung geplant wird bzw. zur Erfüllung einer Bündnisabsprache,
befürworte ich sehr. Letztere hat sehr den Nebengeschmack eines so intedierten „trickle-down-Effekts“,
eines Sondersegens für die Rüstungsbetriebe des Bündnisgebietes und sie hat das
notorische Risiko, eine Spirale von Rüstung und Gegenrüstung anzufachen, der
kein Sicherheitsgewinn, sondern ein Verlust gegenübersteht, zudem ein Verlust von
Ressourcen für gesamtgesellschaftlich nachhaltigere Investitionen etwa in
Infrastruktur und Bildung.
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