Freitag, 6. September 2013

Elefantenrunde - zu einzelnen Themen

Nun zu einzelnen Themen der Eelefantenrunde am Mittwoch - Auswahl und Beschreibung sind der Natur der Sache nach etwas ich-zentriert, so ist es halt noch besser im Gedächtnis:

Gemeindefinanzen
Ich fordere eine nachhaltige Grundfinanzierung der Gemeinden, die das auf und ab der Gewerbesteuern vermeidet und Planungssicherheit verschafft = das an den bürgerbezogenen Daten bedarfsorientiert wird. Hier mein Versprecher, der aus dem Publikum sofort korrigiert wird: Ich verwechsele in der Hast die Firmennamen „Federal Mogul“, Rechtsnachfolger der Goetze AG, mit „Johnson Controls“, dem weltweit viertgrößten Autozulieferer. Warum ich diese beiden Firmen anspreche: Die Rückforderung von Gewerbesteuervorauszahlungen des Jahres 1982 hatte zu massiven Gewerbesteuer-Rückforderungen und zu einer nachhaltigen Verschuldung mit Kommunalkrediten und einem jahrelangen Nothaushalt Burscheids unter Kuratel des Landes geführt. In einem allerdings hatte ich mich gründlich geirrt und das stelle ich hier nachträglich richtig (9.9.2013): Die Rückzahlung war nicht, wie ich jahrelang angenommen hatte, durch einen Einbruch der Goetze-Geschäfte bzw. durch eine mögliche Pleite ausgelöst, sondern durch eine rechtlich auch so mögliche aktuelle Bilanzierung wegen anderweitiger Transaktionen im gleichen Steuerjahr. Johnson Controls hatte später neue Hoffnungen geweckt und die Kommune hatte die Ansiedlung u.a. durch günstige Überlassung von sehr großen Gewerbeflächen unterstützt. Dem Vernehmen nach hat sich das alles aber nicht ausgezahlt: Als Entwicklungszentrum ist die Burscheider Niederlassung alles andere als eine sprudelnde Steuerquelle, ohnehin hatte sie die überkommene KFZ-orientierte Monokultur weiter zementiert und leider sitzt selbst diese „neue“ Firma schon wieder auf gepackten Koffern, wird ihren Schwerpunkt nun nach Haan verlegen: Außer Spesen fast nichts gewesen und einige Hypotheken werden bleiben. Von solchen sprunghaften Prozessen darf die Gemeindefinanzierung nicht länger abhängen. Deutlich verlässlicher wäre ein an Einwohner-Strukturdaten orientierter Teil der Verbrauchssteuern; dies würde auch den für die Kommunen ruinösen Ansiedlungswettbewerb dämpfen helfen. Und sehr gut wäre eine transparente Darstellung der aktuellen Finanzlage (die berühmte Langenfelder Schuldenuhr!) und das öffentliche Nachhalten der dauerhaften finanziellen Folgen kommunaler Investitionsprojekte – hier hat die Gemeindefinanzreform noch sehr viele ungehobene Potenziale.

Krankenversicherung / Altersarmut
Ich plädiere für eine einheitliche Krankenversicherung, die auch verhindert, dass junge Menschen geködert werden, um zu einem risikoarmen Portfolio der privaten Versicherer beizutragen und dann im Alter mit ruinösen Versicherungsbeiträgen konfrontiert werden, die teils dann wieder mit öffentlichen Mitteln ausgeglichen werden. Um die Altersarmut tobt ein teils lautstarker Konflikt zu den Zahlen. FDP und CDU beharren darauf, dass es mit ca. 3% der Betroffenen, die ergänzende Hilfe nach SGB in Anspruch nehmen, ein zwar noch immer ärgerliches, aber doch begrenztes Problem sei. Das blendet allerdings aus, dass Sozialhilfebedürftigkeit und die tatsächliche Inanspruchnahme zwei verschiedene Sachen sind, dass es typische Problemlagen etwa bei alleinerziehenden Müttern mit vergleichsweise geringen Erwerbszeiten gibt und dass sich die Situation vermögensloser Rentnerhaushalte in den letzten Jahren kontinuierlich negativ entwickelt hat, wie die der vermögenslosen Haushalte insgesamt. Aus meiner Sicht ist es rational, die Basis zur Deckung von Alterseinkünften deutlich zu verbreitern, indem Selbstständige und Staatsdiener einbezogen werden und letztlich die Erträge jeder Wertschöpfung in Deutschland, also auch etwaige Erträge aus Spekulation. Und wenn – was richtig ist – ein wesentlicher Teil des Problems aus dem heute längeren Rentenbezug und der Überalterung der Gesellschaft herrührt – dann lohnt ein Verjüngungsprogramm: Schafft beste Bedingungen für die Aufzucht und Pflege junger Menschen. Wir gönnen und ja sonst nichts – und Kindergeiz ist auch nicht geil.

Staatsangehörigkeit
Ein Punkt, den ich als einziger bringe: Wir brauchen keine weiteren Sonntagsreden über eine „Willkommenskultur“. Wir brauchen eine einladende Perspektive für die jungen Menschen mit ausländischen Wurzeln. Es ist Unsinn, sie nach Volljährigkeit entscheiden zu lassen, welcher von zwei Kulturen sie näher stehen – der deutschen oder der ihrer Väter. Was wenige zur Kenntnis nehmen: Der Wanderungssaldo Richtung Türkei ist schon einige Zeit negativ oder: Wir verlieren gut ausgebildete und gut integrierte jungen Menschen, die wir später schmerzlich vermissen könnten. Ich bin dafür, als Perspektive für diese jungen Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit als eine regelmäßig doppelte Staatsangehörigkeit anzubieten – so wie es gegenüber Angehörigen westlicher Staaten schon lange überwiegende Praxis ist.


Wehrpflicht / Bundeswehraufgaben / ISAF / Waffenexporte
Der Stadt-Anzeiger berichtet heute ein wenig verkürzend, ich wolle den Bürgern die Wehrpflicht wiedergeben. Ich habe es anders gesagt und auch immer wieder geschrieben: Die Wehrpflicht will ich nur als Fußfessel für ambitionierte deutsche Außen- und Sicherheitspolitiker. Sie sollen mit Wähler, Parteimitgliedern, Bekannten und Verwandten zumindest spüren können, was ein bewaffneter Einsatz bedeutet – das wirkt erfahrungsgemäß recht ernüchternd. Nicht umsonst haben die USA nach einem traumatisch erlebten Vietnamkrieg die Wehrpflicht abgeschafft, damit die mittlere Distanz zwischen Militär und Bürgern stark vergrößert und den eigenen Spielraum erweitert. Mein eigentliches Ziel ist aber die gesellschaftliche Debatte und rechtsstaatliche Definition der Aufgaben der Bundeswehr oder „Was kann, was soll die Bundeswehr künftig leisten?“ Wir reden über ca. 40.000 zivile Tote in Afghanistan (Zahlen von 2001 bis 2011). Das sollte einen sehr gut nachvollziehbaren Grund haben, nämlich in einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage, die auch gerichtlich überprüft werden kann, kein vages Gerede über allfällige Krisen und Konflikte. Meinem ausdrücklichen Hinweis auf Art. 19 Abs. 1 GG, wonach jeder Eingriff in ein Grundrecht eine vorherige, generelle und abstrakte Gesetzesgrundlage benötigt, widerspricht Herr Bosbach nicht.
Hinsichtlich der Waffenexporte plädiere ich insbesondere für eine effiziente Kontrolle bei Kleinwaffen, die nach allen Statistiken für den größten Anteil ziviler Opfer verantwortlich sind. Es gibt aber gute Gründe auch gegen den Export von Großwaffen wie Schiffen: Griechenland war, direkt gefolgt von der Türkei, jahrelang der größte Abnehmer deutscher Großwaffen – und der absurd aufgeblähte Rüstungsetat hat dann zum Staatsbankrott wesentlich beigetragen. Noch ein Punkt, den ich in der Podiumsdiskussion nicht noch gebracht habe: Auch zum Aufbau der syrischen (wie vorher schon der irakischen) Giftgasproduktion haben deutsche Firmen maßgeblich beigetragen. Wir sprechen also immer auch über Konfliktursachen, die wir lange vorher selbst gesetzt haben. Das muss zu größter Zurückhaltung mahnen - bei den Auslandseinsätzen ebenso wie schon beim Waffenexport.

USA / Datenskandal
Wird allgemein als Problem angesehen; vorgeschlagen werden eine zurückhaltende Nutzung des Internets, die Verschlüsselung privater Daten und Verhandlungen mit den USA mit dem Ziel des Verzichts auf rechtswidrige Datensammlung. Herr Bosbach relativiert das Problem: Niemand habe die technische Möglichkeit, solche riesigen Datenmengen auszuwerten („die tun mir leid, die so etwas lesen müssten“). Es gebe auch keinerlei Beweis für illegale Praktiken deutscher Dienste. Meine Position: Schon die Befürchtung vor Ausspähung führe zu einer Schere im Kopf, dann auch zu einer massiven Entwertung des Internets als demokratisches Vernetzungsinstrument. Verschlüsselung ist nur begrenzt sicher, ich würde mich gerade nicht darauf verlassen (Nachtrag: Die Nachrichten vom Freitag bestätigen genau das: die NSA dürfte verbreitete Verschlüsselungswerkzeuge bereits geknackt oder unterlaufen haben). Ich würde ferner nach meiner Erfahrung als Geheimschutzbeauftragter davon ausgehen, dass niemand heute mehr große Mengen lesen muss: Die DDR konnte mit noch wesentlich weniger weit entwickelterTechnik schon vor dreißig Jahren mehr als 20% des deutschen Fernsprechverkehrs am Brocken abschöpfen und automatisiert nach Suchworten auswerten; einzelne Gespräche brauchten schon da längst nicht mehr abgehört werden. Ich gehe auch nicht zwingend davon aus, dass deutsche Dienste fortwährend Grundrechte verletzen, ich möchte es bei der intensiven Kooperation der Dienste jedenfalls nicht ausgeschlossen und daher Vorsicht – leider – für sehr angebracht.


Betreuungsgeld
Herr Bosbach verteidigt das Betreuungsgeld mit dem Hinweis auf das autonome Erziehungsrecht der Eltern. Auch könne es wegen des geringen Betrages (100€) niemanden, der das nicht sowieso wolle, zum Verzicht auf Kindergartenbetreuung verleiten; auch gehe es ohnehin nur um die kleinen Kinder bis zum Altervon zwei Jahren, für die der Staat Betreuung sicherstellen muss. Bei den weiteren Kandidaten weitgehende Einigkeit, dass das Betreuungsgeld den falschen Anreiz setzt und abgeschafft werden sollte.

Wahlalter absenken?
Herr Außendorf und ich sehen eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre als möglich an: Die Beurteilungsfähigkeit und das Engagement sind ausreichend ausgeprägt, sicher nicht schlechter als bei hochbetagten Bürgern oder solchen, die aus Prinzip nicht an Wahlen teilnehmen. Verbessern könnte man allerdings dazu noch das Engagement bei der politischen Bildung der Bürger, dem einzigen direkten grundgesetzlichen Auftrag an die poltischen Parteien. Die übrigen Kandidaten sehen einen notwendigen Gleichklang zwischen der Geschäftsfähigkeit und der Wahlberechtigung - wobei die Einschränkung der Geschäftsfähigkeit ganz andere Gründe hat, nämlich den Schutz vor ruinösen Verpflichtungen geschäftlich unbedarfter junger Menschen. Dafür gibt es beim Wahlrecht kein Äquivalent - und nüchtern betrachtet hat die Ausübung eines einzelnen Wahlrechts - nimmt man mal alle Verbrämung weg - auch nur einen relativ geringen Erfolgswert. Ich würde es riskieren und sehen, was dabei herauskommt - vielleicht auch in einem Pilotprojekt.

(Ergänzung vorbehalten)


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